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Referat von Georg Fülberth auf dem Treffen des Netzwerk kommunistische Politik am 12.10.2024

I.             Engpass oder Sackgasse des Kapitalismus?

Wenn der Kapitalismus sich neu sortieren muss, um in eine neue Phase überzugehen, finden sich Menschen, die sein Ende unmittelbar bevorstehen sehen. Seit dem Ausbruch der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008 ist das wieder der Fall. Historisch Gebildete unter den Vertretern dieser Prognose zeigen sich zugleich reflektiert schüchtern: Ja, sie wüssten schon, dass das auch früher immer wieder einmal vorhergesagt wurde, aber es könne doch sein, dass es diesmal wirklich so weit sei.

Anlass für gegenwärtige Endzeit-Prophezeiungen ist häufig die gefährliche Erderwärmung. Manche sagen, innerhalb der Kapitalismus sei sie nicht zu stoppen, und befinden sich im Streit mit Anderen, die einen Ausweg in einer Kombination aus Markt und technischer Innovation für möglich halten. Auch die Abflachung der Wachstumsraten in den OECD-Staaten wird zuweilen als letztlich nicht mehr umzukehrende Tendenz hin zum allmählichen Erlöschen gesehen, flankiert mit der Erwartung, in den Staaten nachholender Entwicklung wie vor allem China werde das irgendwann auch noch kommen. In seinem Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ (1942) hat Joseph A. Schumpeter ein frühes Muster solcher Argumentation vorgelegt. Naomi Klein sieht in ihrer Schrift „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ einen Antagonismus, der nur durch die Beseitigung der gegenwärtig herrschenden Produktionsweise aufgehoben werden könne. Ulrike Herrmann schlägt die Ersetzung der gegenwärtigen Form dieser Ausbeutungsordnung durch eine andere vor. Darüber ließe sich reden, nennte sie diesen Überging nicht forsch „Das Ende des Kapitalismus“. So heißt ihr Buch.

Marx sah das anders:

»Eine Gesellschaftsordnung geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.«

Die Variante, dass eine Gesellschaftsordnung trübselig in sich zusammensinkt, fehlt hier. „Ende des Kapitalismus“ ist ja nun wirklich keine Verheißung. Es sei denn, etwas Neues entsteht. Ob es etwas Besseres ist, steht dahin. Gesagt wird nur, dass die „materiellen Existenzbedingungen“ schon „im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet worden“ sind.

Wer sie gegenwärtig aufsucht, könnte auf das Eine oder Andere stoßen. Zum Beispiel die Allmende (Commons), die das Internet anbietet. Es ist aber in den Kapitalismus gut integrierbar und bietet Großeigentümern ein erweitertes Aktionsfeld. Die Leninsche Ansicht, in einer Revolution müssten die da oben nicht mehr können und die da unten nicht mehr wollen, lässt unter den aktuellen Umständen eine Umwälzung nicht erwarten. Amazon, Meta, Google und andere. sind in der Hand von Privateigentümern und können mit der Allmende gut umgehen. Und so lange ihre ärmere Kundschaft kostengünstig surfen kann, ist sie zumindest momentan nicht aufsässig. Die Frage nach dem subjektiven Faktor lassen wir also jetzt einmal.

Stattdessen empfiehlt es sich, die gegenwärtigen Misshelligkeiten als vierte jener Systemischen Krisen des Kapitalismus aufzufassen, in denen dieser bisher nie untergegangen, aber jeweils ein anderer geworden ist. Dadurch unterscheidet er sich von nur zyklischen Einbrüchen.

Erstmals geschah dies in der Großen Depression der Jahrzehnte 1873 bis 1896. Der Kapitalismus der freien Konkurrenz ging in den Organisierten Kapitalismus und den Imperialismus über, dessen internationale Konflikte sich in zwei Weltkriegen entluden. Der zweite Einschnitt war die Weltwirtschaftskrise ab 1929. Sie wurde überwunden durch eine Kombination von Zivil- und Kriegskeynesianismus. Roosevelts New Deal konnte die Massenarbeitslosigkeit dämpfen. Aber erst 1942, nach Beginn des Krieges mit Japan, sank sie unter fünf Prozent. In Deutschland prägten weit mehr als Wohnungs- und Autobahnbau Rüstungsinvestitionen die Konjunkturentwicklung. Reichsarbeitsdienst und die Einführung der Wehrpflicht senkten zusätzlich de Erwerbslosigkeit. Nach 1945 entfaltete sich im Westen ein ziviler Wohlfahrts-Keynesianismus, ab der zweiten Hälfte der siebziger Jahre abgelöst (nach der so genannten „kleinen“ Weltwirtschaftskrise von 1975) durch einen neuen Marktradikalismus („Neoliberalismus“).

Mit dem Einbruch 2008/2009 begann die vierte innerkapitalistische Transformationskrise. Sie ist bis heute nicht überwunden und durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

1. Überakkumulation von Kapital,

2. extreme Ungleichheit,

3. die Biosphärenkrise,

4. Kriegsgefahr wie vor 1914, jetzt verbunden mit

Gefahr der Selbstauslöschung der Menschheit (oder großer Teile von ihr) im Atomkrieg.

Zu Beginn des dritten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts wurden in den USA und der EU riesige auch industriepolitische Vorhaben zwecks Bekämpfung der menschengemachten Erderwärmung angekündigt. Denkbar ist, dass dadurch auch Überakkumulation abgebaut werden könnte. Seit spätestens 2022 tritt ein neuer weltweiter Rüstungs-Keynesianismus hinzu, der den zivilen überlagern oder ersetzen könnte.

Es besteht die Gefahr, dass am Ende der gegenwärtigen Transformationskrise ein neuer großer Krieg steht. Selbst falls er vermieden werden sollte, wird wiederum der Kapitalismus danach ein anderer sein als vorher.

Dessen Umrisse sind gegenwärtig noch nicht recht sichtbar. Erschwert wird eine Vorhersage dadurch, dass die gegenwärtige Systemische Krise von einer weiteren, säkularen (ja, mehr als das) überlagert werden könnte. Möglicherweise geht gegenwärtig jener Typ dieser Produktionsweise zu Ende, der mit dem Industriekapitalismus (ab ca. 1780) einsetzte, jetzt aber tiefgreifend modifiziert wird. Nennen wir ihn: Kapitalismus 1.0. Er beruhte auf der Nutzung fossiler Energien und der Ausbeutung lebendiger Arbeitskraft. Erklärtes Ziel von Weltklimakonferenzen ist heute, den CO2 -Ausstoß dadurch zu senken, dass nicht mehr karbonisierte, sondern erneuerbare Energieträger genutzt werden. (Strittig bleibt die Verwendung von Kernkraft.) Schon seit der Ersten Industriellen Revolution begannen Maschinen in wachsendem Maß körperliche Arbeitsleistung zu ersetzen. Der Einsatz der Letzteren nimmt relativ ab, in absoluten Zahlen aber zu: aufgrund steigender Nachfrage nach ihr infolge rascher Ausbreitung des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert. In der Geschichte des ökonomischen Denkens drückte sich die wachsende Bedeutung der vergegenständlichten Arbeit im Verhältnis zur lebendigen darin aus, dass ab ca. 1870 die Arbeitswertlehre von Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx weitgehend durch andere Theorien verdrängt worden ist, in denen auch das Sachkapital als Quelle des Reichtums der Gesellschaften betrachtet wird. Ende des 20. Jahrhunderts und im ersten Viertel des 21. erfasst die Digitalisierung einschließlich Künstlicher Intelligenz auch die geistige Arbeit.

Seit Beginn des Patriarchats und der Zivilisation im Neolithikum wurde die männliche Arbeitskraft als die allein produktive gesellschaftlich über die weibliche gestellt. Im Krieg hatten die Männer das Monopol auf bewaffnete Gewalttätigkeit, die Frauen waren Opfer, Begleitpersonen und Pflegerinnen. Im neuen Kapitalismus, in dem der Anteil von Männern verrichteter Arbeit bei der stofflichen Warenproduktion und -zirkulation sinkt und die Waffentechnik den nahezu ausschließlichen maskulinen Kriegseinsatz nicht mehr nahelegt, ist diese binäre Geschlechterordnung, von der das Monopol des weiblichen Gebärvermögens bleibt, in einer Krise. Die Gender-Diskurse vom Ende des 20. und Anfang des 20. Jahrhunderts spiegeln diese Transformationen.

Vorstellbar ist, dass ein Kapitalismus 2.0 natürliche Ressourcen mehr schont als derjenige in den Jahrhunderten seit der Ersten Industriellen Revolution und dass in ihm das Patriarchat endet. So lange er weiterbesteht, bleiben auch unter diesen veränderten Bedingungen: Profitmaximierung, periodisch auftretende Überakkumulation, Krisen und Kriege.

 

 II.            Die Wahlen von 2024, AfD und BSW

Vermeidungskoalitionen

Die drei ostdeutschen Landtagswahlen – der Verlauf der Wahlkämpfe und die Auswertungen danach – hatten und haben zwei Themen:

Zweitens das absehbare Ende der Ampel.

Jetzt der Reihe nach:

Spätestens nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegt offen zutage, dass das deutsche Parteiensystem sich in einem Umbruch befindet. Nimmt man die deutschen Ergebnisse bei der Europawahl und die in diesem Punkt immer gleichen Resultate der Umfragen für den Bundestag hinzu, zeigt sich: Die Parteien, die ihrer Selbstdefinition nach sich als die (rechte oder linke) Mitte darstellen, brächten nach jetzigem Stand alleine keine Regierung mehr in den bisher auf Bundesebene praktizierten Kombinationen (Union/FDP etc., sozialliberal, Rot-Grün, Große Koalitionen, Ampel) zustande. Im Osten sind sie auf Unterstützung quasi von außen angewiesen. Man verhandelt (und kooperiert in Thüringen schon) mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Zweck ist, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) draußen zu halten. Es handelt sich um Negativbündnisse, Vermeidungskoalitionen. Wird durch Isolierung der AfD der Korridor, in dem die verbleibenden Fraktionen zusammenrücken müssen, immer enger, nimmt deren inhaltliche Politikfähigkeit ab: Sie können nur noch dort agieren, wo Schnittflächen zwischen ihnen bestehen. Damit schleift sich ihr Profil ab, an ihren Rändern entsteht Dissidenz, bisherige Wähler(innen) orientieren sich woandershin. So profitiert sogar das BSW vom Aufwuchs der AfD. Die von Sahra Wagenknecht 2018 gegründete Bewegung „Aufstehen“ war noch ein Fehlschlag. Auf das BSW richteten sich in den Landtagswahlen von 2024 Hoffnungen der rechten oder linken „Mitte“ und der dieser zugeneigten Medien, es werde der AfD Stimmen wegnehmen. Sie erwiesen sich inzwischen allerdings als trügerisch: Wichtiger waren Gewinne zu Lasten der SPD und der Partei „Die Linke“. Schon als das BSW-Projekt sich noch im Embryonalzustand befand, ahnten einige Freunde der bedrohten Mitte, es könne für Vermeidungskoalitionen gebraucht werden. Der Umgang mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht war sehr schonend, oft sogar wohlwollend. Die Welle, die so entstand, trug es ins Europaparlament und drei ostdeutsche Landtage. Ohne AfD-Panik wäre das wohl schwieriger gewesen.

Für einen historischen Moment wurde die „Alternative für Deutschland“ durch diese Entwicklungen insofern zum wichtigsten Machtfaktor zumindest im parlamentarischen und medialen Getriebe, als alle anderen sich nach ihr richten. Seit 2015 – der so genannten Flüchtlingskrise – besetzt sie ein massenwirksames Thema der politischen Agenda: die Migrationsfrage, und der Druck, der davon ausgeht, macht sichtbar, dass Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, FDP und SPD sich hier nicht mehr fundamental von ihr unterscheiden. Ursache und Wirkung sollten dabei auseinandergehalten werden: Bereits 1993 hat die Erosion des ursprünglichen Artikels 16 des Grundgesetzes begonnen, mit dem Asylkompromiss zwischen Union, FDP und SPD. Die AfD aber gibt es erst seit 2013.

Diese Langfrist-Betrachtung empfiehlt sich auch, wenn die Frage behandelt werden soll, wann die 2021 gegründete Ampelregierung enden wird: 2025 oder noch in diesem Jahr. Vorläufige Antwort: Sie war ohnehin nicht das wegweisende Zukunftsprojekt, als das sie sich in ihrem Koalitionsvertrag vorstellte. Es hat in der Realität nie bestanden. Die Ampel hatte also von Anfang an ihre Zukunft schon hinter sich. [1]

Was jetzt geschieht, macht diese Tatsache nur sichtbar.

Es empfiehlt sich deshalb, die Oberfläche der aktuellen Aufgeregtheiten zu verlassen und nach darunter liegenden systemischen Ursachen zu fragen.

Damit sind wir wieder beim Begriff der Systemischen Krise, über die ich vorhin gesprochen habe. Das muss ich nicht wiederholen. An einer Stelle muss es aber ergänzen. Die jetzige Krise ist nicht nur eine systemische krise, sie ist auch eine suspendierte Krise. Was ist da?

Antwort: Sie ist noch nicht an ihr Ende gekommenen, sie ist keine sogenannte reinigungskrise, nach der es wieder mit einem aufschwung weitergehen könnte. Die neue Form des Kapitalismus ist noch nnicht da. Deshalb der Eindruck einer lan dauenden Stagnation.

Es gibt noch keinen Ausweg aus der ständigen Zunahme der Ungleichheit.

In seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (frz. 2013, dt. 2014) konstatierte Thomas Piketty, dass die Ungleichheit zwischen Eigentümern enormer Vermögen sowie Beziehern riesiger Einkommen einerseits und den Unterklassen andererseits jetzt wieder so groß sei wie unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg, der sie auf wenngleich katastrophale Weise verringerte, bevor die Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs ab 1933 in Deutschland und der Eintritt der USA in diesen 1941 die Große Depression überwanden. Eine solche Rosskur hält der Autor angesichts der atomaren Waffenarsenale nicht für tunlich und warnt vor einer Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Diese Befürchtung muss etwas untersucht werden. Wenn die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, folgt daraus nicht notwendig politische Zerklüftung, und zwar dann nicht, wenn zugleich das Sozialprodukt so steigt, dass sich die Lage der Unterklassen hebt, auch wenn deren Vermögen (falls überhaupt vorhanden) und Einkommen hinter dem der Oberklassen zunehmend zurückbleibt. Versperren Stagnation oder Schrumpfung diesen Ausweg, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt tatsächlich in Gefahr. In den eineinhalb Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg sank in Deutschland die Lohnquote, und die Klassenauseinandersetzungen verschärften sich. Fehlt – anders als damals – eine sozialistische Perspektive, entlädt populäre Unzufriedenheit sich nach rechts.

Dies gilt umso mehr, wenn Ungleichheit nicht nur im nationalen Rahmen betrachtet wird, sondern gegenwärtig im Verhältnis der OECD-Staaten zu den armen Gesellschaften an deren Peripherien. Hier führt deren Zunahme zu Massenmigration. Drängt diese in die mittlerweile stagnierenden Zentren, löst sie dort Abwehrressentiments aus, die innerhalb von deren traditionellen Parteiensystemen nicht mehr verarbeitetet werden können. Dies öffnet Chancen für den so genannten Rechtspopulismus, der auch faschistischen Kadern Wirkungsmöglichkeiten bietet.

Bleiben wir bei unserem Axiom (man darf es auch gern eine fixe Idee nennen), dass eine aktuell nicht mehr beherrschbare Überakkumulation von Kapital die Ursache Grund für die aktuelle systemische Krise ist, dann muss neben der Zunahme krasser Ungleichheit die Bedrohung der Biosphäre, am meisten thematisiert als drohende Klimakatastrophe, zu den Folgen gerechnet werden.

»Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ›ungeheure Warensammlung‹, die einzelne Ware als seine Elementarform.«(MEW 23: 49) Dieser erste Satz des Marxschen „Kapital“ liefert einen Einblick in die Problematik des Mensch-Naturverhältnisses, die sich gegenwärtig zuspitzt. Die Produktion der „ungeheuren Warensammlung“ plündert Ressourcen und belastet zusammen mit der Entsorgung Senken. Ob dies innerhalb des Kapitalismus vermeidbar sein wird, ist strittig und wird, falls überhaupt realisierbar, zumindest vorerst mit einem Investitionsaufwand verbunden sein, bei dessen Aufbringung sich die konfliktträchtige Frage stellt, wer die Hauptlast zu tragen hat. Wird der Druck von oben nach unten weitergegeben und fehlt eine handlungsfähige Linke, gibt es Morgenluft rechtsaußen und dicke Luft nach oben.

Ein weiteres Merkmal systemischer Übergangskrisen ist die Zunahme internationaler Konflikte mit Kriegsgefahr. Der Übergang in den Imperialismus ab ca. 1970 führte 1914 in den Ersten Weltkrieg, die Große Depression 1929 ff. in den Zweiten. Gegenwärtig kollidieren die Interessen der großen Mächte nicht nur im von den USA ausgerufenen Zweiten Kalten Krieg, sondern auch zwischen Verbündeten. Die Kappung kostengünstiger Energielieferungen aus Russland unter dem Druck der Vereinigten Staaten ist eine der Ursachen für wirtschaftspolitische Positionsverluste der Bundesrepublik. Das Nein der „Alternative für Deutschland“ zur antirussischen Politik von Ampel und Union, als Friedenspolitik deklariert, speist sich nicht nur aus Kriegsangst, sondern auch aus der Erfahrung von Wohlfahrtseinbußen und der Furcht vor ihnen. AfD und BSW haben hier eine Repräsentationslücke besetzt.

So stellt sich die Frage:

Wagenburg oder Durchbruch nach rechts?

In der Auseinandersetzung mit der Klimakrise ist an einen alten Begriff erinnert worden: New Deal. Heute heißt er Green. Er kennzeichnete nach 1933 u.a. die enormen Investitionsanstrengungen Franklin D. Roosevelts zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise. „Deal“ meinte aber zugleich, dass die Karten neu gemischt werden sollten. Das ist auch eine Art Umverteilung. Die fehlt bei Joseph Biden. Immerhin aber kündigte er zu Beginn seiner Amtszeit eine Investitionsoffensive an, ebenfalls Ursula von der Leyen zwecks Rettung des Klimas. Das war die Konstellation, auf die sich die Versprechen der Ampel 2021 gründeten. Der Nachteil solcher Unternehmungen besteht darin, dass ihre Umsetzung allenfalls langfristig wirkt und aktuelle Erwartungen nicht schnell erfüllt. Schon 2022 erfolgte die Umorientierung auf Kriegswirtschaft. Die versprochenen großen Investitionen sollen dorthin gelenkt werden. Das Klima-Thema tritt hinter die Sicherheitspolitik und Förderung der je nationalen Wettbewerbsfähigkeit zurück. Das ist die Agenda für eine nunmehr von den Leitmedien propagierte neue Koalition der Mitte, die nach der Bundestagswahl von 2017 kurzfristig möglich schien und 2018 scheiterte: ein schwarzgrünes Bündnis oder – unter Einbeziehung der FDP – Jamaika. Robert Habeck treibt den Umbau seiner Partei in dieser Richtung voran. Lässt die Union sich darauf ein, wird ihre offene Flanke hin zur AfD noch größer.

Diese ist mittlerweile eine in der Gesellschaft fest verankerte Partei, gestützt auf breite rechtspopulistische (protektionistische und fremdenfeindliche) Strömungen, geführt und auch von außen beeinflusst von politischen und intellektuellen Kadern, zu denen Faschisten gehören. Ihre Stabilität zeigt sich daran, dass sie nicht von einer als unentbehrlich erscheinenden Person abhängig ist, deren Wegfall ihre Fortexistenz in Frage stellten würde.


Ganz anders das BSW, eine top-down zusammengestellte, nach seiner Urheberin, ohne die sie gegenwärtig nicht denkbar wäre, benannte Gruppe. Ihre Mitglieder werden derzeit noch durch Kooptation rekrutiert. Wie einst die WASG beschränkt die Kaderauswahl sich auf Personal aus dem gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bestand, zu dem nunmehr auch Teile der Linkspartei gerechnet werden können. Robert Crumbach in Brandenburg, Katja Wolf in Thüringen und Sabine Zimmermann in Sachsen gehören dazu. Ob dieser Rahmen in Zukunft überschritten werden kann, ist noch unsicher. Stabilisiert sich das BSW in solchen Grenzen, wäre das Ergebnis eine Spaltung des insgesamt geschrumpften sozialdemokratischen Potentials, das sie sich mit der der SPD zu teilen hätte. Parallelen mit Frankreich und der Funktion von Jean-Luc Mélenchons „La France Insoumise“ liegen nahe.

Ob eine Wagenburg der Mitte im Bund gegen die AfD, ohne sich (anders als in Ostdeutschland) auf das BSW als Krücke stützen zu müssen, Chancen hat, hängt auf längere Sicht nicht von ihr selbst ab, sondern von den (am Gelingen oder Ausbleiben eines Aufschwungs messbaren) ökonomischen Realisierungschancen ihres Projekts. Rüstung und internationale Wettbewerbsfähigkeit haben Priorität. Biosphären- und Sozialpolitik sind ihnen untergeordnet, können aber aus Gründen der Systemstabilisierung nicht völlig aufgegeben werden.

Es muss nicht für alle Zeit Jamaika oder Schwarzgrün sein. Die Einbeziehung der SPD wird sich vielleicht schon 2025 nicht vermeiden lassen. Ein faschistoider Block rechtsaußen wird zur neuen Realität gehören. Ursula von der Leyen probiert in der EU bereits Arrangements mit ihm, in Ostdeutschland werden zumindest auf kommunaler Ebene auf Druck der Basis Löcher in der Brandmauer größer werden. Das Neben-, Mit- und Gegeneinander von ÖVP und FPÖ in Österreich könnte irgendwann in Deutschland eine Entsprechung finden.


Herbert Wehner hätte solche noch recht harmlosen Vorstellungen aufgrund seiner historischen Erfahrungen vielleicht als Wunschtraum von Milchreis mit Zucker und Zimt beargwöhnt. Er konnte sich jähe Durchbrüche nach rechts noch vorstellen, etwa, falls künftig Faschisten die AfD vollends übernehmen sollten und die Union hinterhertaumelt. 

Der Aufstieg des Rechtspopulismus und die Koalitionen, die gegen ihn versucht werden, haben eine gemeinsame Voraussetzung: die seit dem letzten Viertel des 20.Jahrhunderts durchgesetzten marktradikalen nationalen und internationalen Ungleichheitsverhältnisse. Wem deren Wirkungen nicht passen, sollte sich um ihre Ursache kümmern. Das Spektakel liberale Mitte gegen illiberale Rechte relativiert sich.

 III Was tun?

 Bis 1990 bekannte sich die DKP zu dem Thälmann-Wort, das Kriterium eines Kommunisten/einer Kommunistin sei deren Haltung zur Sowjetunion. Das ist ja nun entfallen und sollte nicht durch einen neuen Großen Bruder, zum Beispiel China, ersetzt werden.

Als zweiter Punkt kommunistischer Identität galt: die DKP sei Partei der Arbeiterklasse. Ob sie das wirklich ist, müsste die Arbeiterklasse entscheiden. Man kann sich nicht selbst dazu erkennen.

Fallen die Identitätspunkte 1 (Sowjetunion) und 2 (Partei der Arbeiterklasse) weg, was bleibt dann?

Man sollte nicht zum Kostümverleih gehen und sich anderer Leute Kleider anziehen. Obwohl Friedrich Engels ein früher Ökologe war, hat die DKP dieses Erbe spätestens dann geschädigt, als sie mit Rücksicht auf DDR und UdSSR sich gegenüber der Anti-AKW-Bewegung isolierte.

August Bebel und Clara Zetkin erarbeiteten einen marxistischen Feminismus. Während wir das Geschlechterverhältnis im Register „Nebenwiderspruch“ ablegten, wurde die Neue Frauenbewegung ab 1975 eine bürgerliche.

Glaubwürdig bleiben wir als Partei der Friedensbewegung.

Im Kapitalismus 2.0 (siehe oben) wird die alte Handarbeiterklasse nicht verschwinden, aber nicht die einzige progressive Kraft sein. Hier ist vielleicht Hans Jürgen Urbans Konzept einer „Mosaiklinken“ bedenkenswert. Gemeint ist ein Bündnis zwischen u.a. Arbeiterbewegung, Umweltbewegung, Friedensbewegung. Unser Platz wäre wohl am Scharnier zwischen Arbeiterbewegung und Friedensbewegung.

Vielleicht wird es Umschichtungen geben:

Habeck entsorgt gerade die Umweltbewegung. Funktionäre der Grünen Jugend haben ihre Partei verlassen und zeigen Nähe zur Partei „Die Linke“. Diese will eine linksliberale Bewegungspartei werden. Die Frage von Krieg und Frieden hat sie aus dem Katalog der von ihr vorrangig zu bearbeitenden Themen gestrichen. Dieses Problem sollte nicht AfD und BSW allein überlassen bleiben. Hier hat die DKP eine Aufgabe in der Gegenwart.

Wer engagiert sich gegenwärtig wo?

Ungleichheitsbekämpfung: Die Linke, Gewerkschaften, Sozialverbände.

Umweltbewegung: Nach der Absetzbewegung der Grünen ist sie außerparlamentarisch geworden. Friedensbewegung wurde schwächer, lebt aber.

Nötig ist eine Instanz, die Umweltbewegung, Bewegung gegen Ungleichheit und Friedensbewegung zusammenbringt. Wir, die DKP, sind diese Instanz nicht. Aber wir sollten uns an ihrer Herausbildung beteiligen. Zu den Qualifikationen, die wir uns in der Vergangenheit erarbeitet haben, gehört die Bündnisfähigkeit. Sollte sie mittlerweile Schaden genommen haben, sollte sie wiederhergestellt werden. Bilanzieren wir realistisch, wirken Kommunistinnen und Kommunisten derzeit dort am meisten, wo sie als Individuen in Bündnissen tätig sind. Die Partei sollte Ort des Erfahrungsaustauschs darüber sein, von dem dann auch Impulse nach außen gehen könnten.

Das sind kleine Brötchen. Größere gibt es gerade nicht.



[1]          Siehe: Neue Farben des Fortschritts? Umbrüche, Machtverschiebungen und ungelöste Krisen der Gegenwart. Köln: PapyRossa Verlag 2022.

„Engpass“ oder „Sackgasse“ des Kapitalismus

Bericht vom Jahrestreffen des Netzwerks kommunistische Politik

Vierzig Genossinnen und Genossen – einige auch nicht mehr in der DKP – kamen zum Jahrestreffen des „Netzwerks Kommunistische Politik“ Mitte Oktober in Hannoversch-Münden, um u.a. mit Georg Fülberth darüber zu diskutieren, ob wir am „Ende des Kapitalismus“ (Ulrike Herrmann) stehen, oder ob er sich nicht eher neu sortiert und sich umbaut. G. Fülberth sieht den Kapitalismus in einem „Engpass“, der 4. Systemischen Krise, die gekennzeichnet sei durch Überakkumulation, extreme und zunehmende Ungleichheit, eine Biosphärenkrise und eine wachsende (Welt-) Kriegsgefahr. In den vergangenen Jahren versuchten Regierung und Kapital, dieser Überakkumulation durch Investitionen in die Bekämpfung des Klimawandels zu begegnen (Stichwort „Green New Deal“). Inzwischen aber wurde dieser Versuch abgelöst durch „Kriegskeynesianismus“. Mit der „Neusortierung“ des Kapitalismus geht auf der Seite der Arbeit eine Reduzierung der Arbeitszeit des Einzelnen einher, gleichzeitig aber nimmt die insgesamt geleistete gesellschaftliche Arbeitszeit zu; intellektuelle Arbeit wird z.T. durch Künstliche Intelligenz ersetzt. Bisher vor allem von Männern geleistete Arbeit nimmt ab, damit verändert sich auch die „binäre“ Geschlechterordnung bzw. löst sich auf. Mit diesen Stichpunkten legte Georg die Grundlage für eine erste lebhafte Diskussion, auch über die Frage, ob ein „Kapitalismus 2.0“ zu einem schonenderen Umgang mit Res-sourcen fähig ist. Diskutiert wurden auch die Auswirkungen der Entwicklung Chinas und der BRICS-Staaten auf den globalen Kapitalismus und wie die westlichen imperialistischen Staaten damit umgehen.

Eine zweite Referats- und Diskussionsrunde befasste sich mit den Wahlen in 2024, dem Erstarken der AfD und der Gründung des BSW. Das Ende der „Ampel“ ist absehbar, gleichzeitig haben bisherige Koalitionen keine Mehr-heit, es bleibt eine – negative – Gemeinsamkeit (noch!): die AfD bleibt bei Regierungsbildungen draußen, was sie zu einem „zentralen Punkt der Politik“ macht. Hintergrund dieser Lage ist die „suspendierte Krise“ von 2008/9, also eine nicht gelöste Krise, die zu einer langdauernden Stag-nation und einem rasant abnehmendem gesellschaftlichen Zusammenhalt geführt hat, bei einer sich immer weiter zuspitzenden Krise des Mensch-Natur-Verhältnisses. Internationale Konflikte mit dem Potential zu großen Kriegen nehmen zu. Wie bereits im ersten Teil angesprochen, tritt das Klima- hinter dem Rüstungsthema und dem Schwerpunkt auf internationale wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zurück. Innenpolitisch wird versucht, eine „Wagenburg der (sog.) Mitte gegen die AfD zu schaffen – allerdings ist die Gefahr eines Durchbruchs nach Rechts sehr groß. Die AfD, so Georg, gehört zur Gesellschaft der BRD und kann sich auf eine breite rechtspopulistische Strömung stützen, die geprägt ist von Protektionismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie ist eine faschistoide Partei, die von einer Bewegung getragen wird. Mit Symbolpolitik gegen diesen faschistoiden Block mit der AfD als Kern wird der Durchbruch nach Rechts nicht aufzuhalten sein. Auf kommunaler Ebene funktioniert die propagierte „Brandmauer gegen Rechts“ oft schon nicht mehr. Wenn wir über die Grenze Deutschlands hinausschauen, sehen wir in der EU bereits eine zunehmende Öffnung zum rechtsradikalen Block, auch inhaltlich. Die Diskussion drehte sich stark um die AfD. Es wurde festgehalten, dass wenig über ihre Programmatik gesprochen wird; dabei würde man feststellen, dass sie sich inhaltlich immer wieder an die Bedürfnisse des Großkapitals anpasst; Beispiele seien die Haltung zur EU, zum Euro, oder auch in sozialen Fragen wie der Ablehnung von Vermögens- und höheren Unternehmenssteuern. Eine offene Flanke für die AfD ist, dass das Aufstiegsversprechen in unserer Wirtschaftsordnung nicht mehr aufrecht-erhalten werden kann. Ihre Haltung zu Russland, die für manche friedensbewegte Menschen irritierend ist, ergibt sich aus der Einschätzung der AfD, dass eine Politik gegen Russland die internationale Konkurrenz-position Deutschlands schwächt. Dass das „AfD-Phänomen“ nicht etwas typisch deutsches ist, belegt ein Blick in andere Länder Europas oder auch Amerikas. Die Gründung des BSW, die von einigen positiv gesehen wurde, wurde nur kurz angesprochen und vor allem als Antwort auf die Krise der Sozialdemokratie interpretiert.

Das dritte Referat und die nachfolgende Diskussion stand unter dem Motto: „Was tun?“ und beschäftigte sich mit den Gegenkräften. Wo wird die DKP sichtbar, fragte Georg, und nannte die Friedensbewegung und auch, abgeschwächt, die Gewerkschaftsbewegung. Es gibt uns nicht in der Umweltbewegung. Es muss um ein Zusammenfassen des Oppositionspotentials gehen, im Sinne von nicht nur solidarischer Vernetzung, sondern von solidarischer Zusammenarbeit und gemeinsamem Entwickeln von Alternativen zum Neoliberalismus und auch zum Kapitalismus. Ein widersprüchliches System wie der Kapitalismus bringt immer wieder Menschen in Bewegung. In der Diskussion wurde u.a. festgestellt, dass wir dazu beitragen müssen, soziale und gewerkschaftliche Auseinandersetzungen zu politischen Kämpfen weiterzuentwickeln, was auch eine Bewußtseinsentwicklung der Akteure bedeutet. Auch Fülberth hatte betont, dass dafür die DKP wichtig und nötig ist.

(Die Inhalte der drei einführenden Vorträge von Georg Fülberth werden ab-gedruckt in der nächsten Ausgabe von „Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung“ und im Heft „Lunapark“, das im Dezember wieder erscheint.)

Wie weiter mit dem „Marxistischen Ratschlag“?

Die bisherigen drei Ratschläge mit hochkarätigen Referentinnen und Referenten befassten sich mit der Einschätzung und möglichen Entwicklung der Krise unserer Wirtschaft und Gesellschaft, auch unter internationalen Gesichtspunkten, der Kriegsgefahr und den „Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf“. Gedacht waren sie als Beitrag zur Verständigung von sich als marxistisch verstehenden Kräften. Sie wurden gemein-sam mit der Marxistischen Linken und Genoss/inn/en der Linkspartei organisiert. Referate und Diskussionen, so wurde festgestellt, waren von hoher Qualität, gleichzeitig ging allerdings die Teilnehmerzahl zurück, vor allem aus Kreisen der PdL. Einig waren wir uns, dass es sinnvoll ist, die Marxistischen Ratschläge fortzuführen. Wir müssen und wollen aber den Vorbereitungs- und Teilnehmerkreis erweitern. Diesen Vorschlag wollen wir mit den bisherigen Organisatoren besprechen, mögliche Themen für einen Ratschlag im Herbst kommenden Jahres könnten Fragen der Demokratie und des Kampfs gegen Rechts sein – bestimmt sehr aktuell nach den Bundestagswahlen im September 2025. Erfreulich war die Aussage von Braunschweiger Genossen, dass die Rat-schläge positive Auswirkungen auf die jährlichen „Gramsci-Tage“ hatten, beispielsweise was Referenten betraf.

Netzwerk und Lage der DKP

Besorgniserregend bleibt weiterhin die Lage der DKP mit weiter abnehmen-der Mitgliederzahl. Dabei trat der jetzige PV vor mehr als 10 Jahren mit dem Ziel gegen die als „revisionistisch“ diffamierte damalige Parteiführung an, die DKP als „marxistisch-leninistische Partei“ wieder zu größerer Bedeutung zu führen. Anstelle aber über die Gründe für den fehlenden Erfolg ernsthaft nachzudenken, wird immer noch der „alte“ PV dafür verantwortlich gemacht. Es drängt sich der Vergleich mit der SED auf, die noch nach Jahrzehnten für Alles verantwortlich gemacht wird, was in den ostdeutschen Bundesländern schief läuft. In einem Brief der Braunschweiger Genossen (s. „Zur organisationspolitischen Orientierung der DKP“) wurde die Herangehensweise des PV kritisiert und auch in unserer Diskussion geteilt: Eine Zentralisierung der Entscheidungen beim PV und eine „Anleitung“ der Parteigruppen, die dazu dient, von oben entwickelte und verordnete Politik (besser) umsetzen zu können, führt nicht zu einer Stärkung der DKP. Es muss vielmehr darum gehen, die Parteigruppen zu unterstützen beim eigenständigen Entwickeln der Politik, und ein offenes solidarisches Diskussionsklima fördern, wo um die besten Wege gerungen wird, um die Rechtsentwicklung in unserem Land zu stoppen und eine gute Bündnispolitik zu entwickeln. Gleichzeitig wird durch diese „Top-Down“-Orientierung aber auch deutlich, dass offenbar viele Parteigruppen sich nicht an die zentralen Orientierungen gebunden fühlen, vielleicht auch, weil sie nicht genügend in die Politikentwicklung eingebunden sind. D.h., es wird „unten“ korrigiert, was „oben“ „falsch“ oder aus ungenügender Kenntnis der Verhältnisse vor Ort beschlossen wurde. In vielen Diskussionsbeiträgen wurde dies untermauert und festgehalten, dass die DKP nicht nur der Parteivorstand ist: die Partei besteht aus eigenständig und marxistisch denkenden Mitgliedern mit ganz unter-schiedlichen Lebenswelten und Erfahrungen. Aber sie sind einig im Ziel, den Frieden zu bewahren und den Kapitalismus zu überwinden. Über die Wege dazu lohnt es sich zu streiten. Das sehen wir als einen ständigen Prozess, der organisiert werden muss. Einigkeit bestand darin, dass wir uns als Netzwerk weiterhin treffen, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen. Wir wollen die Politik der DKP weiterentwickeln mit dem Ziel, sie zu stärken und wieder zu einem anerkannten Partner anderer fortschrittlicher Bewegungen zu werden, und dabei können wir durchaus optimistisch sein. Wir wollen unsere Politik nicht abgeschottet von anderen Kräften entwickeln, sondern im Austausch mit anderen linken und marxistischen Kräften, auch mit solchen, die wissenschaftlich tätig sind. Dem dient auch unser Papier „Nein zum Katastrophenkapitalismus – Gemeinsam für ein menschenwürdiges Leben, gegen Profitgier und Kapital“, das wir beim Treffen ebenfalls diskutiert haben und nach entsprechenden Veränderungen veröffentlichen werden. Es ist als Diskussionsangebot nicht nur innerhalb der DKP gedacht und kann auch bei der inhaltlichen Vorbereitung des Parteitags im nächsten Jahr helfen.

Kein Schritt vorwärts – drei Schritte zurück

Zum Partei- und organisationspolitischen Verständnis der Führung der DKP

Rainer Dörrenbecher - Anfang Sept. 2024

Der Kreisvorstand der DKP Braunschweig, unterzeichnet von Werner Hensel, hat Anfang August mit einem offenen Brief die gegenwärtige organisationspolitische Orientierung der DKP kritisiert und Anregungen gegeben für eine den politischen Herausforderungen entsprechende Organisationspolitik. Die folgende Argumentation stützt sich auf meinen Diskussionsbeitrag auf dem Mitgliedertreff der DKP Saarland im Juli nach der 7. Parteivorstandstagung im Juni d.Js.

Auf dieser 7. PV-Tagung fand die abschließende Auswertung der Mitgliedsbuchneuausgabe statt. Bei diesem Tagesordnungspunkt wurde der Brief des Bezirksvorstandes der DKP Saarland an den PV behandelt. Darin hatte diese gegen die diffamierenden Aussagen von Björn Blach zur DKP Saarland auf der 6. PV-Tagung protestiert. (Dokumentiert im Info-Brief der DKP Saarland vom 29.04.2024) Thomas Hagenhofer, Bezirksvorsitzender, und Rainer Dörrenbecher nahmen zu diesem TOP an der 7. PV-Tagung teil. Dem Parteivorstand lag eine Stellungnahme des Sekretariats zum Saarland-Brief vor und als Schlussfolgerung aus der MBNA der Beschlussvorschlag „zur Verbesserung unserer Anleitungstätigkeit.“ Björn Blach, im Sekretariat verantwortlich für Organisationspolitik, referierte zur Thematik „Erste Schlussfolgerungen für die Qualifizierung der Anleitung aus MBNA und 6. PV-Tagung“. In DKP Intern Nr. 03/2024 sind Kurzreferat und die genannten Beschlüsse veröffentlicht.

In unserem Info-Brief vom 16. Juni d.Js. heißt es dazu: „In dem Sekretariatsantrag und in der Einführung von Björn werden unsere Zurückweisungen der diffamierenden Äußerungen auf der 6. PV-Tagung als „Vorwürfe“ abgetan. Der Antrag wurde einstimmig vom PV beschlossen. Der Beschluss ist in der Wortwahl weniger scharf als die vorherigen Aussagen von Björn, bestätigt allerdings inhaltlich die Unterstellungen. Korrigiert wird der Vorwurf, wir hätten die Durchführung der Mitgliedsbuchneuausgabe verweigert. Jetzt heißt es: „Der Bezirksvorstand Saarland hat also eine Neuausgabe von Mitgliedbüchern durchgeführt, einzelne statistische Angaben erfasst und weitergeleitet, sich dem Beschluss »Mitgliedsbuchneuausgabe ist ein politisches Projekt« des 25. Parteitages allerdings verweigert.“

In der Aussprache wurden unsere „Vorwürfe“ einhellig zurückgewiesen, zum Teil gab es scharfe Angriffe. Es gab kein Aufgreifen der Widersprüche in der Einschätzung der MBNA, auf die wir hingewiesen hatten. Deutlich wurde, der Parteivorstand insgesamt hat inzwischen ein anderes Parteiverständnis als das, welches wir in den 90er Jahren erarbeitet hatten und im Statut niedergeschrieben ist. Die weitere Entwicklung dürfte schwierig werden.“

Seit dem Wende-Parteitag von 2013 vollzieht die Parteiführung unter Patrik Köbele und Wera Richter Schritt für Schritt eine politische, programmatische und organisationspolitische Rückwende in ein Politik- und Parteiverständnis aus den frühen 50er Jahren der KPD. Im folgenden Beitrag geht es um Entwicklungen im Parteiverständnis und der Organisationspolitik.

Das Statut von 1990/1993 - eine der Zeit bedingte Irritation?

Ende der 80er Jahre war in der Partei eine Diskussion auch über das Parteiverständnis, die Dialektik des Demokratischen Zentralismus im Statut und in der Parteipraxis entstanden. Das bisherige starre, dogmatische Verständnis des Demokrat. Zentralismus wurde nicht mehr akzeptiert, hatte sich nach breiter Überzeugung historisch als überlebt herausgestellt. Auf dem 9. Parteitag Anfang 1989 wurde beschlossen, ein neues Statut zu erarbeiten. Eine breite Übereinstimmung nach einem mehr demokratischen Parteiverständnis hatte sich entwickelt. In einem neuen Statut sollten mehr Rechte der Mitglieder enthalten sein und eine innerparteilich-dialektische Kontrolle als demokratisches Element verstanden werden.

Damit sollten auch Schlussfolgerungen gezogen werden aus der Entwicklung der Produktivkräfte, den Strukturveränderungen der Arbeiter*innenklasse und der Mitgliedschaft der Partei. Politisches Selbstbewußtsein, demokratisches Selbstverständnis, höhere Bildung und Anforderungen an politische Herausforderungen brauchten ein weiterentwickeltes Parteiverständnis.

Mit dem Zusammenbruch der SED Ende 1989, der DDR 1990, der KPdSU und der Sowjetunion und der weiteren europäischen sozialistischen Länder mit den regierenden kommunistischen Parteien war für die DKP eine gänzliche neue Situation entstanden. Letztlich ging es um die weitere Existenz der DKP als kommunistische Partei. Ein neues Partei-Programm musste erarbeitet werden - und dringend ein neues Parteistatut. Schon im März 1990 wurde auf dem 10. Parteitag ein vorläufiges Statut beschlossen. Im Januar 1993, auf dem 12. Parteitag, wurde nach ausführlicher Diskussion das vorläufige Statut mit einigen Änderungen beschlossen. Es ist mit einigen Anpassungen heute noch gültig.

Rolf Priemer begründete auf dem 10. Parteitag ausdrücklich die demokratischen Gesichtspunkte: „… Wir brechen also heute mit überlebten, erschöpften Formen der Partei. Doch zugleich bestehen wir auf dem Inhalt, auf dem grundlegenden Charakter einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse.

Eine erneuerte, eigenständige und gemeinsam handlungsfähige kommunistische Partei ist in Deutschland unverzichtbar. Die Erneuerung der Deutschen Kommunistischen Partei ist ein tiefgreifender weltanschaulicher, theoretischer, politischer und organisatorischer Prozess. Ziel der Erneuerung ist die Wiedergewinnung einer kollektiv getragenen Vorstellung vom Sinn unserer Partei und die Wiedererlangung von Handlungsfähigkeit der ganzen DKP.

Im Zuge dieser Entwicklung müssen die inneren Strukturen so gestaltet werden, dass sie der Erneuerung förderlich sind und es ermöglichen, die Fähigkeit zum einheitlichen Handeln zurückzugewinnen und zu sichern. Dazu schaffen die Entwürfe der Neufassung von Statut, Schiedsordnung sowie Beitrags- und Finanzordnung einen Handlungsrahmen.

Von welchen Grundsätzen ließen wir uns leiten?

  •  Es ging uns zuallererst um die Neufassung eines Statuts, das die DKP nicht als Selbstzweck, sondern als revolutionäre Organisation der Arbeiterklasse, als Instrument zur Veränderung der Gesellschaft erhalten hilft;
  •  es geht uns um die vollständige Demokratisierung der Partei, um die Beseitigung aller Strukturen, die der Willensbildung von unten nach oben entgegenstanden und entgegen stehen, um die Durchsetzung von Mitgliederinteressen;
  •  es geht um die Durchsetzung von Kollektivität und Effektivität, um den Abschied von Administration und Ritualen;
  •  es geht um Rechtssicherheit für die Mitglieder, für die Gliederungen und Vorstände;
  •  es geht um die Entwicklung der Fähigkeit zu einheitlichem Handeln unter Berücksichtigung von Schwerpunkten. …“
  • Von diesen Grundsätzen ist im Parteiverständnis der Führung und in deren organisationspolitischer Praxis nichts mehr geblieben.

Seit dem 20. Parteitag Schritt für Schritt zurück

Mit der Mehrheit auf dem 20. Parteitag 2013 wurde sofort begonnen diese Mehrheit rücksichtslos durchzusetzen. Am zweiten Tagungstag wurde dem Parteitag eine eigene über Nacht geschriebene politische Erklärung zur Beschlussfassung vorgelegt, eine Erklärung, die die Partei nicht kennen konnte und von der politischen Diskussion ausschloss. Dies widersprach allem bisherigen Parteitagsverständnis und aller bisherigen Parteitagsgeschäftsordnungen. Das neue Parteiverständnis war geboren, noch nicht in seiner Tiefe erkannt, weder von den Akteuren noch von den Betroffenen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die damalige sehr heterogen zusammengesetzte Parteiführung ein Konzept hatte, weder programmatisch noch im Parteiverständnis. Eine gewisse Einheit entstand durch die Austritte der Ultralinken; es blieben die Dogmatiker. Die Dogmatisierung der Partei wurde Schritt für Schritt vollzogen, je nach aktuellen Anforderungen. Unmissverständlich erkennbar jedoch ist die Richtung auf Zentralisierung und Administrieren.

Ein nächster gravierender Schritt um die politische Willensbildung der Parteimitglieder einzuschränken war die Auseinandersetzung um das „Netzwerk kommunistische Politik“. Die Parteiführung verweigerte jegliche inhaltliche Diskussion um die programmatischen und politischen Meinungsverschiedenheiten. Mit der eigenen Mehrheit wurde das „Netzwerk“ als Fraktion in der DKP bezeichnet. Im Statut der DKP heißt es in Artikel 3, Abschn. 3: „Kommunistinnen und Kommunisten halten die innere Ordnung der Partei als für jedes Mitglied verbindlich. Sie verstehen die Bildung von Fraktionen, d.h. Gruppen mit eigener Disziplin, eigenen Strukturen und politischen Plattformen als Gefahr für den Bestand der Partei.“ Das Statut von 1969 enthält keine Formulierung zu Fraktionen in der Partei.

Die im Statut genannten Kriterien entsprachen und entsprechen nicht der Arbeitsweise des „Netzwerkes“; deren Richtigstellungen wurden ignoriert. Der Durchsetzungspraxis folgend beschloss der 22. Parteitages 2018 „dass die Mitgliedschaft im sogenannten „Netzwerk kommunistische Politik“ bzw. „Netzwerk kommunistische Politik in der DKP“ mit der Mitgliedschaft in der DKP unvereinbar ist“. Dieser Beschluss ist selbst mit Artikel 3, Abschn. 3 des Statuts kaum vereinbar.

Text und Inhalt des Artikels 3 des Statuts „Innerparteiliche Demokratie“ sind in der Praxis außer Kraft gesetzt. Meinungsverschiedenheiten werden nicht diskutiert. Mit der Mehrheit werden politische und organisationspolitische Beschlüsse durchgesetzt. Politische Stellungnahmen des Netzwerks u.a. werden als illegitim diffamiert.

Ein weiterer Schritt dogmatischer parteitheoretischer Einengung ist die Definierung der „DKP als marxistisch-leninistische Partei“. Diese begriffliche Festlegung gab es in der DKP bisher nicht, weder im Parteiprogramm noch im Statut. Genossinnen und Genossen der Gründergeneration der DKP wie Ellen Weber und Georg Polikeit hatten damals dagegen argumentiert. Im Partei-Programm von 1984 steht: „Die DKP gründet ihre Politik auf die Theorie von Marx, Engels und Lenin. Sie kämpft für die freie Verbreitung der Weltanschauung der Kommunisten, den Marxismus-Leninismus, in der Bundesrepublik.“ Im Programm von 2006 heißt es: „Die Die DKP gründet ihre Weltanschauung, Politik und Organisationsverständnis auf den wissenschaftlichen Sozialismus, der von Marx, Engels und Lenin begründet wurde und ständig weiterentwickelt werden muss, damit er nicht hinter den Realitäten zurückbleibt. Sie kämpft für die freie Verbreitung des Marxismus-Leninismus.“

Die DKP bekannte und bekennt sich unmissverständlich zu den Theorien von Marx, Engel und Lenin und betont im 2006er Programm die Notwendigkeit dialektischer Weiterentwicklung. Der Marxismus-Leninismus wird ebenfalls unmissverständlich als Weltanschauung definiert. Die Köbele/Richter Parteiführung, noch mit H.-P. Brenner und M. Grüß betrieb erfolgreich das Gegenteil, die marxistisch-leninistische Weltanschauung wurde dogmatisiert, mit dem Begriff der marxistisch-leninistischen Partei wurde die Parteitheorie in die 20er Jahre zurückgesetzt.

Diese Zurücksetzung wurde und wird nicht in einer parteitheoretischen Konzeption der Partei dargelegt. Wahrscheinlich gibt es keine derartige Konzeption, warum auch immer. Schritt für Schritt wird in der Praxis ein ausgeprägter Zentralismus, ein administratives Parteiverständnis von oben nach unten durchgesetzt.

Die 7. PV-Tagung - gravierender Schritt der Zentralisation

Mit der 7. PV-Tagung wurde ein wesentlicher Schritt der Zentralisation, eines Durchregierens des Sekretariats der Partei vollzogen. Die kritischen Erkenntnisse auf der 6. PV-Tagung zur MBNA, dargelegt im Referat von B. Blach, wurden in ihr Gegenteil verkehrt.

Referat B. Blach, 6. PV-Tagung:

„Qualitative Auswertung: Der Zustand unserer Gliederungen

In den Rückmeldungen fällt auf, dass die Gliederungen sich auf den Versammlungen stark mit Bundespolitik, wenn nicht gar weltweiten Fragen beschäftigen. Die Lage vor Ort, die (soziale) Lage der Genossinnen und Genossen oder der Arbeiterklasse scheint nur in wenigen Gliederungen regelmäßiges Thema zu sein. Die „große Politik“ scheint naheliegender.

Die Gliederungen verteilen vor allem zentrales Material und die UZ. In einigen Regionen (Hessen, Rheinland) werden viele Kleinzeitungen erstellt, die teilweise in vierstelliger Auflage verteilt werden. … Nur wenige Gliederungen berichten über eigene Aktionen, eigenes Material oder eigene Veranstaltungen.“

(Nebenbei bemerkt, werden in der bezirklichen Öffentlichkeitsarbeit die regelmäßigen „Saarland-Report“ u. a., wie der „Kreuznacher Bote“ ignoriert.)

Festgestellt wird, dass die Partei nur in wenigen Beispielen sich mit Landes-, regionaler und örtlicher Politik beschäftigt oder mit „Arbeiterpolitik“ vor Ort. Müsste dann nicht als eine Schlussfolgerung daran gearbeitet werden, die Politikfähigkeit der Bezirks- und Kreisvorstände und Parteigruppen zu entwickeln?

Die 7. PV-Tagung gab mit dem „Beschluss zur Verbesserung der Anleitungsfähigkeit“ eine andere Schlussfolgerung; von B. Blach einführend begründet.

„Ein zentrales organisationspolitisches Problem ist die mangelnde Anleitungstätigkeit in der DKP.“

„Unter Anleitung verstehen wir das Herunterbrechen der zentralen Orientierungen des Parteivor­stands in Kenntnis der konkreten Situation der Gliederungen. Mit den Leitungen werden nächste Aktivitäten sowie eine politische Perspektive im Einklang mit der Strategieentwicklung der Ge­samtpartei erarbeitet. Dazu müssen die übergeordneten Leitungen die Situation und Möglichkei­ten der Strukturen darunter kennen und in einem gemeinsamen Austausch stehen. Es geht dabei nicht um ein Durchstellen von Beschlüssen, sondern deren konkrete Umsetzung vor Ort und die Rückmeldung über Erfahrungen damit.“

Der Text ist in sich widersprüchlich. Der PV bescheinigt sich „Kenntnis der konkreten Situation der Gliederungen“. Die PV-Tagungen lassen dies nicht erkennen. Dann wird den übergeordneten Leitungen der Gruppen die Aufgabe gestellt, „die Situation und Möglichkeiten der Strukturen darunter zu kennen.“ Dieses Erkennen und Kennen dient nicht, wie festgestellt, der Entwicklung von Politikfähigkeit vor Ort. Zu den von B. Blach in der vorherigen Tagung genannten Problemen findet sich nichts in dem Beschluss. Es geht um „das Herunterbrechen der zentralen Orientierungen des Parteivorstandes.“

Die erste Maßnahme ist die inhaltliche Einbeziehung der Regionalberatungen mit den Bezirks- und Landesvorständen in das Anleitungssystem. Diesen soll eine zentrale Rolle zwischen den PV-Tagungen spielen. „Die Regio-Beratungen haben die Aufgabe die Diskussionsprozesse in der Partei zusammen­zutragen und bei Bedarf nachschärfen zu können, sowie Aufgaben zu kontrollieren.“ Die Beratungen finden nach den PV-Tagungen statt.

Eine zweite Maßnahme zur „Verbesserung der Anleitungstätigkeit“ ist die Zusammenfassung der Kerngedanken der PV-Tagungen für die Parteiorganisationen. Dies könnte eine Hilfe zur Auswertung der PV-Tagungen sein. Doch im Zusammenhang mit dem vorher Gesagten eher eine Anleitung zum Herunterbrechen der zentralen Orientierungen.

Kein Zurück zur Partei uralten Typus

Vertreter*innen der Parteiführung benutzen seit einiger Zeit zum Parteiverständnis den Begriff der DKP als „Partei neuen Typus“, ein Begriff der Parteitheorie, im Wesentlichen identisch mit „marxistisch-leninistische Partei. Damit bezeichnen diese Genoss*innen ihr Verständnis einer zentralistischen Partei mit alleinigem politischem Aussagerecht des PV, der politischen Entmündigung der Mitglieder der Partei und lediglich der Wahlmöglichkeit von unten nach oben. Beide Begriffe gehen nicht auf Lenin zurück, sie wurden erst nach dessen Tode im Zuge der „Bolschewisierung“ der Mitgliedsparteien der Komintern geschaffen.

Bis zum Zusammenbruch um 1990 verstanden sich die meisten KPen als marxistisch-leninistische Parteien neuen Typus. Es waren damals die regierenden KPen in Europa mit dem konsequentesten marxistisch-leninistischen Verständnis als Partei neuen Typus, die zusammengebrochen waren, sich auflösten, in sozialdemokratische Parteien und kleine kommunistische Parteien aufspalteten. Die Schlussfolgerung daraus kann 30 Jahre danach nicht sein, noch einen Schritt weiter zurück in die Zeit der Komintern.

Kann diese Entwicklung aufgehalten werden? Das ist offen. Widerstand allerdings ist notwendig und auch möglich.

Es müsste zunächst diskutiert werden, ob diese Analyse zutreffend ist.

Das Problem der Umwandlung unseres Parteiverständnisses müsste entsprechend unseren Möglichkeiten in der Partei erkannt werden. Dazu können der offene Brief von Braunschweig und dieser Beitrag genutzt werden.

Wie können wir an die Parteiführung herantreten? Können wir in einen Dialog kommen? Macht es Sinn einige Kerngedanken zusammenzuschreiben und an den PV schicken mit dem Vorschlag eine Diskussionsveranstaltung zum Parteiverständnis zu machen.

Nein zum Katastrophenkapitalismus! - ein Diskussionspapier des Netzwerk kommunistische Politik

Gemeinsam für ein menschenwürdiges Leben
gegen Profitgier und Kapital

Wir Kommunistinnen und Kommunisten sehen Kriegsgefahr, sozialer Verelendung und ökologischen Katastrophen nicht tatenlos zu. Gemeinsam mit allen Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen einsetzen für menschliche Verhältnisse und für Gesellschaften, die nicht dem Kapital, sondern den Interessen der Mehrheit der Menschen verpflichtet sind, kämpfen wir weltweit für Veränderungen. Gemeinsam werden wir „Geschichte machen“, allerdings unter den Bedingungen, die wir heute vorfinden. Dieser Text ist ein Gesprächsangebot und gleichzeitig die Aufforderung, aktiv zu werden. Gemeinsam und solidarisch.

I. Nie wieder ist jetzt: Deutschland friedensfähig machen!


Das kapitalistische Profitsystem war schon immer ungerecht, führte und führt zu enormem Reichtum für wenige und zu Ausbeutung und Armut für die Massen – bis heute. Es ist die tiefere Ursache für Kriege und steht damit seit 1945 mit der atomaren Bewaffnung für die reale, aber zeitlich unbestimmte Gefahr der globalen Vernichtung. Zugleich führt der profitgetriebene Raubbau an Mensch und Natur zu immer größeren Gefahren für den gesamten Planeten. Klimakrise, Nahrungsmittelengpässe, Wasserknappheit und Energiemangel erfordern radikale Veränderungen, um eine lebenswerte Zukunft für Mensch und Natur zu ermöglichen.

Der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Europa und dessen Folgen haben eine Zeitlang die Sicht auf diesen krisengeschüttelten Kapitalismus erschwert. Heute jedoch wird an vielen Stellen deutlich, dass ein profitgetriebenes „Weiter so“ keinerlei Perspektiven mehr bieten kann. Change the system – weltweit stehen die Menschen vor der Aufgabe eines Systemwechsels. Die Antwort der ökonomisch und politisch Mächtigen in den militärisch dominanten imperialistischen NATO-Staaten ist die fortgesetzte Eskalation von Krisen und Kriegen bis zur möglichen globalen Vernichtung.

Gemeinsam mit der Friedensbewegung haben wir in der Vergangenheit den verschärften Kurs der USA

und der EU gegen China und Russland verurteilt und vor der wachsenden Kriegsgefahr gewarnt. Statt Deeskalation aber erlebten und erleben wir eine beispiellose Hochrüstung und den Bruch mit internationalen Vereinbarungen und Abrüstungsverträgen, die Verletzung von Menschenrechten und Bestimmungen der UNO-Charta. Wenn diese Entwicklungen auch weltweit zu beobachten sind, und auf nahezu allen Kontinenten bewaffnete Auseinandersetzungen befeuern, so haben die Regierungen der USA und anderer NATO-Staaten in besonderem Ausmaß beigetragen zu Kriegen und einer Militarisierung der Weltpolitik.

In Missachtung europäischer und weltweiter Sicherheitsinteressen haben die USA wichtige Abrüstungsverträge wie den INF zur Begrenzung von Mittelstreckenraketen oder den ABM-Vertrag zu Raketenabwehrsystemen aufgekündigt und damit eine anhaltende Hochrüstung angeschoben. Die von der US-Regierung geplante Stationierung von Lang- und Mittelstreckenraketen in Deutschland erhöht die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen. Dennoch hat Bundeskanzler Scholz ohne parlamentarische Beteiligung die Stationierung bei einem Besuch in Washington abgenickt und Deutschland damit zur Zielscheibe russischer „militärischer Antworten“ gemacht.

Wir verurteilten den Angriff Russlands auf die Ukraine und bleiben bei dieser Position. Allerdings sehen wir auch die Vorgeschichte dieses Krieges. Entgegen den Abmachungen im Rahmen der Verhandlungen zum 2plus4-Vertrag und öffentlich verkündeten Zusagen hat die NATO ihren Einflussbereich bis an die Grenzen Russlands verschoben. Die entstandenen Volksrepubliken im Osten der Ukraine waren Ziele militärischer Überfälle der ukrainischen Armee. Die Politik der NATO ist auch eine Ursache des Krieges zwischen der Ukraine und Russland.

Ein umgehender Waffenstillstand muss nicht nur das Morden beenden, sondern auch Wege für weitergehende Verhandlungsoptionen in Richtung Frieden und Abrüstung in Europa eröffnen.
Mit der Verhängung von Blockaden und Sanktionen werden zudem Wirtschaftskriege entfacht, oder Verhandlungslösungen erheblich erschwert. Zudem haben sie in einer eng verflochtenen Weltwirtschaft zwingend Auswirkungen auf die Ökonomie aller Beteiligten. In der Regel verteuern sie die Lebenshaltungskosten für die breite Bevölkerung, und zwar nicht nur im unmittelbar sanktionierten Land. Wie die Hochrüstung selbst verschlingen sie unendlich viele Mittel, die für soziale Belange dringend benötigt werden.            

Angesichts der grauenvollen Bilder und Nachrichten, die uns täglich aus den Kriegsgebieten erreichen, erscheinen alle Vorstellungen einer militärischen Niederringung nicht nur im Fall Ukraine-Russland, sondern auch Israel-Palästina vollkommen irrational. Umfragen bestätigen, dass nach wie vor eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung davon überzeugt ist, dass Frieden nicht herbeigebombt werden kann. Waffenstillstand, Verhandlungen und Hilfen zum Wiederaufbau, diese Forderungen erhalten regelmäßig größere Zustimmung als die immer schneller sich drehende und stets teurer werdende Aufrüstungsspirale. Eine permanente Propaganda versucht, diese Mehrheitsmeinung z. B. auch in Deutschland entsprechend zu manipulieren. Die Medien betätigen sich eher als Verlautbarungsorgan der Regierung und erscheinen nahezu gleichgeschaltet. Transparente Berichterstattung oder gar Kritik an einer immer autoritärer agierenden Regierung fehlen fast vollständig. Das gipfelt in der medial begleiteten Forderung nach einer deutschen Kriegstüchtigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre. Minister Pistorius stellt sich damit außerhalb der Verfassung, denn die Bundeswehr hat nach dem Grundgesetz nur einen Verteidigungs- und keinen Kriegsauftrag.

Parallel dazu wird das Bundeswehrimage aufpoliert, um die Bereitschaft junger Menschen und deren Eltern und Verwandten zu Gunsten der Kriegspolitik zu ändern. Mittelfristig geht es um die Gewinnung von genügend qualifizierten und gut zu beeinflussenden jungen Menschen, die man für den Kriegsfall benötigt. Neue Waffensysteme sollen von einer sehr schnell wachsenden Rüstungsindustrie produziert werden. Sie sollen auch suggerieren, es gebe Möglichkeiten der Kriegsführung ohne Grausamkeiten. Welch perfides Spiel mit dem Vertrauen der Menschen! Drohnen, superschnelle Jets und Raketen, neue Technologien bei Waffensystemen haben immer das gleiche Ziel: Menschen töten und Infrastruktur vernichten, um Machtverhältnisse zum eigenen Vorteil zu ändern. Aktuelle Nato-Großmanöver auch an den Grenzen Russlands eskalieren die Situation weiter. Die Einführung hochmoderner Militärtechnik und automatisierter Waffensysteme senken die Hemmschwellen der Kriegsführung weiter ab, wie derzeit in Gaza. Die Haushaltstitel und Sondervermögen sollen neue Kampfpanzer, Radarsysteme, Drohnen und Kriegsschiffe, sowie das Kampfflugzeugsystem FCAS finanzieren. Die aktuell neu inszenierte Diskussion zur Beschaffung von Atomwaffen für die Bundeswehr ist eine zusätzliche Zuspitzung. Bereits jetzt sind 20 Atomwaffen in Büchel stationiert, die modernisiert werden.

So werden immer mehr Mittel für Rüstung vergeudet, anstatt benötigte Investitionen in Gesundheit, Pflege, Mobilität und Wohnen zu tätigen. Kein Wunder, dass die Aktionäre der größten Rüstungskonzerne Milliardengewinne einstreichen – und vom Kriegstreiben nie genug bekommen.

Wir sagen dagegen: Deutschland muss friedensfähig werden. Friedensfähigkeit erfordert eine Abkehr vom derzeitigen Eskalations- und Hochrüstungskurs. Es geht um den erneuten Aufbau eines Systems der gemeinsamen Sicherheit, das nach 1989 von den westlichen Staaten torpediert wurde. Wir brauchen friedliche Koexistenz und Kooperation statt immer neue Kriegs- und Krisenherde. Wenn der Washingtoner NATO-Gipfel im Juli 2024 den Beschluss, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, für „unumkehrbar“ erklärt, schafft das eine ständige Gefährdung der Region, die so über Jahrzehnte nicht zur Ruhe kommen wird. Wer in diesen Tagen solches beschließt, der hat offenbar kein Interesse an einer Friedenslösung. Wer eine wirkliche „regelbasierte Ordnung“ in der Weltpolitik anstrebt, muss sich an die Regeln des Völkerrechts halten anstatt seine Weltsicht imperial durchsetzen zu wollen.

Wir sind davon überzeugt, dass die großen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, nur international und unter respektvoller Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen bearbeitet werden können. Die Vereinten Nationen bieten für Debatten und die Suche nach Konfliktlösungen das geeignetste Forum. Eine weitere Demokratisierung und Aufwertung der UNO kann Wege öffnen zu einer friedlicheren und sozialeren Welt. Dabei bietet die UN-Charta, 1945 als Gründungsdokument der Vereinten Nationen und Schlussfolgerung aus Faschismus und Weltkrieg wertvolle Anknüpfungspunkte. Angesichts der deutschen Geschichte wäre gerade die Bundesregierung dazu verpflichtet, hierzu in der EU entscheidende Signale zu setzen. Das wäre eine Option im Interesse der Menschen und zugleich Ausdruck einer wesentlichen Lehre aus der Rolle Deutschlands im letzten Jahrhundert.

In Übereinstimmung mit der Friedensbewegung sagen wir: Statt der Schaffung von „Kriegstüchtigkeit“ ist die Verhinderung eines atomaren Infernos Gebot der Stunde! Von der Bundesregierung fordern wir deshalb

Nukleare Abrüstung auf Basis des Nichtverbreitungsvertrages für Atomwaffen und den Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag

Einstellung aller Waffenlieferungen der Bundesregierung in Kriegs– und Krisengebiete, insbesondere in die Ukraine und an Israel

Keine Stationierung von neuen atomwaffenfähigen US-Raketen und Kampfjets in unserem Land. Wir unterstützen und verbreiten den Berliner Appell der Friedensbewegung.

Es bleibt bei der Essenz des Schwurs von Buchenwald: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

II. Klimakatastrophe verhindern

Flutkatastrophen, Hitzewellen, Waldbrände in bisher nicht gekannten Ausmaßen stellen uns täglich vor Augen, dass die Klimaveränderungen bereits heute lebensbedrohlich sind. Die Erde hat durch den vom Kapitalismus getriebenen Raubbau an der Natur ein Haltbarkeitsdatum bekommen. Es bleiben nur wenige Jahre, um eine globale Klimakatastrophe abzuwenden. Notwendig ist eine weltweite Transformation der Entwicklung der Produktivkräfte, eine Transformation der menschlichen Lebensweise. Stichworte sind Dekarbonisierung, Energie- und Mobilitätswende und Ressourcenschonung in der Produktion und bei der Lebensweise. Dies betrifft in erster Linie die hochentwickelten kapitalistischen Länder, die Gruppe der G7 und weitere Länder. Diese sind Hauptverursacher der Klimakrise; sie haben immer noch pro Kopf den höchsten CO2 Ausstoß. Es betrifft auch die VR China mit der weiter ansteigenden CO2 Produktion und Ölförder-Länder der OPEC.

Die Reichen und Konzerne haben sich über viele Jahrzehnte durch die Ausbeutung von Mensch und Natur bereichert. Dem Kapitalismus ist ein schonender Umgang mit Mensch und Natur wesensfremd. Sein Ziel ist Maximalprofit. Der versprochene „Grüne Kapitalismus“ ist eine Mogelpackung, der vor allem die Rettung der kurzfristigen Konzernprofite zum Ziel hat; Kapital drängt auf aktuell größtmögliche Verwertung. Die Verhinderung der Klimakatastrophe wird auf die politisch Verantwortlichen abgeschoben und die Finanzierung auf die arbeitenden Klassen abgewälzt. Doch die politisch Verantwortlichen des Neoliberalismus wie des Sozialreformismus scheitern an der Entwicklung einer sozial-ökologischen Transformation der Produktivkräfte und Lebensweise. Sie beschränken sich auf „markwirtschaftliche Lösungen“ wie die unsoziale CO2-Bepreisung oder E-Mobilität, die von unteren Einkommensschichten nicht bezahlt werden kann.

Im herrschenden System sind gesamtgesellschaftliche Planung und demokratisch-geplante Entwicklung der Produktivkräfte ohne Zurückdrängung der Macht der Transnationalen Monopole und Finanzinstitute nicht durchsetzbar. Aber gerade diese beiden Elemente sind Voraussetzung, um zu verhindern, dass die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise unseren Planeten zerstört. Notwendig sind eine gesamtgesellschaftliche Planung und vor allem die gesellschaftliche Kontrolle über Produktion und Investitionen sowie Eingriffe in die Eigentumsrechte großer Unternehmen und Konzerne.

Erste Schritt wären die Ausweitung der Mitbestimmung in den Betrieben und die Einrichtung von Klimaschutz- und Transformationsräten unter Beteiligung gesellschaftlich relevanter Organisationen wie Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden auf allen Ebenen. Eine besondere Verantwortung liegt beim DGB und den Mitgliedsgewerkschaften. Notwendig ist, die bisherigen betriebs- und branchenbezogenen Transformationskonzepte zu einer einheitlichen gesellschaftlichen Konzeption zusammenzufassen und gesellschaftlich einzufordern.

„Change the system – not the climate" – "Systemwechsel statt Klimawandel" – das ist daher die einzig richtige Losung. Der Klimawandel betrifft die Menschheit - den ärmeren Teil sehr viel stärker als die Reichen und Mächtigen dieser Welt - das Verhindern der Klimakatastrophe ist daherKlassenfrage.

III. Faschisierungsgefahr stoppen!

Esther Bejarano, Kommunistin und Antifaschistin, sagte einmal: „Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen!“ Deshalb unterstützen Kommunist*innen jede Bewegung, die konsequent und konkret gegen das Wiedererstarken faschistischer Kräfte wirkt.

In nahezu allen kapitalistischen Ländern erstarken derzeit rechte, rassistische oder faschistische Parteien. Sie profitieren von der multiplen Krise des Kapitalismus und lenken den berechtigten Unmut über die Krisenlösungen der Herrschenden in für das Kapital unschädliche Bahnen. Vor allem verstärken sie die Spaltungstendenzen in der Arbeiter*innenklasse. Nicht das Monopolkapital wird als Hauptverursacher der Krisen ins Visier genommen. Stattdessen werden Migrant*innen, Asylsuchende und Klimaaktivist*innen zu Feindbildern gemacht. Gleichzeitig sollen bereits erkämpfte Rechte von Frauen und queeren Menschen in einem Roll-back beschnitten werden.

In Deutschland hat die AfD eine Schlüsselrolle für die faschistoide Umgestaltung der Gesellschaft eingenommen. Sie hat sich zu einer von Faschisten dominierten Partei entwickelt, die die bürgerliche Demokratie durch eine neoliberale Diktatur gegen die Arbeiterbewegung und gesellschaftliche Minderheiten ersetzen will. Und sie ist trotz ihrer Radikalisierung erschreckend erfolgreich bei Wahlen und Meinungsumfragen, in manchen Bundesländern droht sie zur stärksten Partei zu werden.

Diese neue Gefahr muss auf verschiedenen Feldern bekämpft werden. Erstens ist die Angst großer Teile der Arbeiter*innenklasse und der Mittelschichten vor sozialer Deklassierung der entscheidende Nährboden für die Rechten, Rassisten und Faschisten. Ein enormer Niedriglohnbereich, Wohnungsnot, Altersarmut und eine ausgedünnte Gesundheitsversorgung: Die Sorgen der Menschen nehmen zu und sind nur allzu berechtigt. Deshalb brauchen wir dringend mehr Kämpfe für eine Umverteilung von oben nach unten, für mehr Lohn und bessere soziale Absicherung. Hierbei kommt den Gewerkschaften eine Schlüsselrolle zu. Sie sind unverzichtbar für den Widerstand gegen die soziale Verunsicherung und Rechtsentwicklung. Deswegen setzen wir uns ein für eine Stärkung der Gewerkschaften und deren aktives Eintreten für die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten. Eine autonome Interessenvertretung setzt voraus, dass die Gewerkschaften auch zu allgemeinpolitischen Themen Stellung beziehen, gegen Krieg und neoliberale Zerstörung aktiv werden.

Zweitens muss eine Ächtung rassistischer und frauenfeindlicher Ideologien in der Gesellschaft durchgesetzt werden. Die erfreulich großen aktuellen Demonstrationen gegen die AfD zu Beginn des Jahres 2024 müssen in eine breite Bewegung gegen Rechts und für Bewahrung und Ausbau demokratischer und sozialer Rechte münden, auch wenn diese Rechte von Regierung oder CDU/CSU angegriffen werden. Der Aufstieg der AfD und ihrer Nebenorganisationen ist konsequent zu bekämpfen. Gemeinsam mit anderen antifaschistischen Organisationen fordern wir eine Auflösung der Partei nach Art. 139 GG.

Die im Bundestag vertretenen Parteien distanzieren sich von der AfD, doch deren politische Forderungen finden Eingang in das Regierungshandeln, egal unter welcher Führung. Die immer weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl oder Kürzungen bei Sozialleistungen etwa werden selbst in Teilen der Regierungsparteien, mindestens aber in der SPD kritisch diskutiert. Die AfD lässt sich nicht mit ihren eigenen Positionen schlagen. Wir treten energisch gemeinsam ein für Bleiberecht und das individuelle Recht auf Asyl. Auch das gehört zum „Nie wieder“. Die Festung Europa ist eine Schande und tötet Menschen, weil sie immer gefährlichere Fluchtrouten nutzen müssen. Wir wenden uns gegen die Benachteiligung von Geflüchteten z. B. durch die Bezahlkarte. Solche Maßnahmen sind immer auch Testläufe, die bei Gelegenheit auf weitere Gruppen von Zuwendungsempfänger*innen ausgeweitet werden.

Fluchtursachen bekämpfen heißt auch Reparationszahlungen der imperialistischen Länder an jene Nationen, die Opfer brutalster Gewalt kapitalistischer Ausbeutung wurden. Gleichberechtigung aller Völker und Nationen ist unabdingbar. Solidarität als Prinzip internationaler Zusammenarbeit muss letztendlich durchgesetzt werden.

Zur Umsetzung diese Ziele braucht es unterschiedliche Bündniskonstellationen. Dies ist eine große Herausforderung für eine kommunistische Bündnispolitik, die in breiten Bündnissen gegebenenfalls bis hin zur Zusammenarbeit mit Teilen der CDU/CSU reichen muss. In allen Bündnissen treten Kommunist*innen Spaltungsversuchen oder antikommunistischer Ausgrenzung entgegen. In allen Bündnissen zur Verteidigung sozialer und Menschenrechte, in allen Bündnissen gegen die Rechtsentwicklung sollte der DGB, sollten die Einheitsgewerkschaften eine tragende Rolle spielen.

IV. Demokratische Rechte ausbauen

Wir erleben einen breit angelegten Abbau demokratischer Rechte, etwa bei juristischen Angriffen auf Streikende, in der faktischen Abschaffung des Asylrechts, der Verschärfung von Polizeigesetzen oder der Erweiterung von Überwachungstechnik z. B. durch KI. Die Aufstandsbekämpfung wird regelmäßig bei Aktionen gegen linke Demonstrationen oder Fußballfans geübt. Es ist daher besonders beängstigend, wenn Organe der inneren Sicherheit von AfD-Anhängern durchsetzt sind.

Wir fordern eine offensive Bekämpfung von rassistischen Tendenzen bei Polizei und Bundeswehr sowie Maßnahmen gegen die zunehmende Polizeigewalt, gerade gegen Migrant*innen. Wir fordern weiter eine Auflösung aller Geheimdienste, die nicht nur nichts beitragen zur Aufklärung rassistischer und faschistischer Straftaten, sondern selbst zum Aufbau und Schutz dieser Strukturen erheblich beitragen.

Mehr demokratische Mitbestimmung in allen gesellschaftlichen Bereichen bedeutet die Umsetzung der im Grundgesetz garantierten Menschenrechte, den verfassungsrechtlichen Schutz des Streikrechts, die Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung und den Schutz Asyl suchender Menschen ohne Wenn und Aber.

In dieser Zeit verteidigen wir das Grundgesetz gegen die weitere Aushöhlung wichtiger Rechte und gegen rechte reaktionäre Kräfte die einen reaktionären faschistoiden Staat wollen.

Zugleich streiten wir für eine Demokratie die in allen Lebensbereichen qualifizierte Mitbestimmung und Selbstbestimmung der Menschen möglich macht.

V. Wer den Reichen nichts nimmt …

Mit dem Haushaltsplan für 2025 macht die Regierung erneut deutlich, dass sie für soziale Belange nichts übrighat: Im Vordergrund stehen Milliarden für Aufrüstung und die weitere Subventionierung von Unternehmen und Konzernen. So bleibt etwa der verbilligte Strompreis für milliardenschwere Konzerne bestehen, während Schulen und KiTas mit Kleinstbeträgen abgespeist werden. Zeitenwende heißt vor allem: Gelder und Einkommen von unten nach ganz oben schaufeln und gleichzeitig die Kriegsgefahr in Europa eskalieren.

Immer mehr Menschen in Deutschland müssen in Armut leben, spätestens mit Renteneintritt droht Hunderttausenden der Absturz. Und das liegt nicht an Zuwanderung oder Asyl-Bewerber:innen, sondern an unsozialen politischen Weichenstellungen und immer mächtigeren Konzernen, Banken und Fonds.

Sollen wir den Milliardären die Entscheidung darüber überlassen, wie wir leben wollen? Was wir essen können und in welcher Qualität? Ob wir Arbeit haben und wie wir dafür entlohnt werden? Ob im Notfall ein Krankenhaus erreichbar ist, oder nur noch eine medizinische Hotline? Ob wir die letzten Lebensjahrzehnte genießen können, oder in verschämter Armut bei Tafel und Suppenküche herumhocken? Ob unsere Kinder mutig ihre Wunsch-Ausbildung beginnen, oder an langen Wegen, fehlenden Informationen und Sprachbarrieren scheitern? Ob wir in einer Gesellschaft leben, in der neben ungeheurem Reichtum die erbärmlichsten Zustände bestehen?

Soll wirklich 1 % bestimmen über 99 %, die reichsten Menschen der Welt über alle anderen? – Besser nicht.

Zunächst sind Grundbedürfnisse zu sichern, und zwar für alle Menschen. Dazu zählen wir gesunde Ernährung, Wohnen, Mobilität, Energie, Wasser, Bildung, Gesundheitseinrichtungen und eine menschengerechte Umwelt. Weder mit Krankenhäusern noch mit unseren Wohnungen soll spekuliert werden auf immer höhere Profite.

Das gehört nicht in private Hände, sondern vergesellschaftet und transparent verwaltet: Sozialer Wohnungsbau, Bus und Bahn, Energie- und Wasserversorgung, Schulen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen. Für den Schutz unserer Umwelt schlagen wir regionale Transformationsräte vor, die aus der Zivilgesellschaft, Organisationen und Einzelpersonen gebildet werden, umfassendes Vorschlagsrecht und eigenes Budget haben sowie national wie international vernetzt arbeiten.

Für eine Umverteilung von Vermögen und Ressourcen von oben nach unten, für eine Politik, die Privatisierungen beendet und gesellschaftliches Eigentum schützt! So wird es möglich, wirkliche Reformen, also Verbesserungen für die Menschen durchzusetzen.

Rente mit 65 für alle         
Im Auftrag des DGB haben Wissenschaftler:innen das österreichische und das deutsche Rentensystem verglichen und kommen zum Ergebnis: Eine Rentenversicherung kann bessere Leistungen erbringen als in Deutschland, wenn sie denn darf! Dafür ist eine kapitalgedeckte Rente weder notwendig noch nachhaltiger, wir lehnen sie ab. Allerdings empfiehlt der DGB keine komplette Übernahme des österreichischen Systems, sondern konzentriert sich auf zwei Stellschrauben: Einbeziehung aller Beschäftigten in das Rentensystem, also auch Beamte und Selbständige; und zweitens müssen die Unternehmen einen höheren Beitragswert in die Rentenkassen zahlen als die Beschäftigten. Dann ist nicht nur eine schrittweise Absenkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre möglich, sondern auch die sofortige Möglichkeit von Altersteilzeit für alle ab 60.

Deutsche Wohnen und Co. enteignen!
Wir können es uns nicht länger leisten, einigen wenigen großen Immobilienkonzernen riesige Profite zuzuschanzen. Wohnungen sind für die Menschen da. Dann sind sie auch bezahlbar, gepflegt und nachhaltig für die Gesellschaft verfügbar. Schluss mit Privatisierungen und Subventionierung von Sozialbindung! Im Wohnungsneubau müssen der soziale Wohnungsbau und genossenschaftliches Wohneigentum absoluten Vorrang haben. Vergesellschaftung ist der Weg aus der Jahrzehnte alten Wohnungsmisere.

Gesundheit darf keine Ware sein
Corona hatte die Defizite des auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesundheitssystems nochmals deutlich gemacht hat. Nun droht immer mehr Krankenhäusern die Pleite. Die Reformen der Bundesregierung kommen vielfach zu spät und reichen nicht weit genug. Wir brauchen endlich einen radikalen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik.
Das Gesundheitswesen muss komplett bedarfsdeckend finanziert werden. Die Jagd nach gewinnbringenden Behandlungen und OPs muss sofort beendet und kein Krankenhaus darf geschlossen werden. Zur Fachkräftesicherung brauchen wir höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte. Die staatliche Subventionierung der teilweise dysfunktionalen Pharmaindustrie ist ein Skandal. Schluss mit privaten Krankenversicherungen. Das Land braucht eine gesetzliche selbstverwaltete Krankenversicherung und eine staatlich gelenkte Pharmaproduktion.
Im Gesundheitswesen muss der Vorbeugung von Erkrankungen und Schäden mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dazu gehört insbesondere die Arbeitssicherheit für die Beschäftigten; Möglichkeiten zur Gesundheitsprävention wie Rehabilitation und Kuren müssen jedem offen stehen. Insbesondere sollte endlich selbstverständlich sein, dass vorübergehend oder dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigte Menschen und Menschen mit Behinderungen die volle gesellschaftliche Unterstützung erhalten, um mit Behinderung gleichberechtigt leben zu können.

Bildung raus aus der Kaputtsparzone!
In kaum einem anderen Land weltweit ist Bildungserfolg so stark vom Einkommen der Eltern abhängig wie bei uns. Ursachen sind ein ungerechtes Bildungssystem, das die sozialen Unterschiede verstärkt und jahrzehntelanges Sparen an der Bildung. Auch hier wird deutlich, dass die Aufstiegsversprechen aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts für wachsende Bevölkerungsteile nicht mehr gelten. Ein Studium ist für immer mehr Arbeiter*innenfamilien nicht mehr finanzierbar – allein durch die hohen Mieten in den meisten Großstädten. Auch hier hilft nur radikales Umsteuern. Personalschlüssel ausbauen, sämtliche Kosten sind gesellschaftliche Kosten und dürfen nicht den Eltern oder Studierenden aufgehalst werden; Sprachförderung und kleinere Gruppen bzw. Klassen helfen bei Integration und Inklusion, Öffnungszeiten müssen für Eltern und Kinder passen, Tagesbetreuung an Schulen ausbauen und Essensversorgung in allen Einrichtungen anbieten; BaFöG endlich an den tatsächlichen Bedarf anpassen!
Eine Schule für alle hat sich international als das Modell herausgestellt, das am ehesten das Ziel der Chancengleichheit erreichen kann. Um den desaströsen Zustand an den Schulen und in den KiTas zu beheben, muss sofort ein Sondervermögen von deutlich mehr als 100 Milliarden EUR aufgestellt werden. Dauerhaft braucht es Ausgaben von mindestens 10 Prozent des BIP für Bildung und Forschung, wie dies in skandinavischen Ländern gehandhabt wird. So können endlich auch genug Lehrer*innen eingestellt werden, um die vorhandenen strukturellen Probleme (Bildungsungerechtigkeit, mangelnde Inklusion und Integration) zu lösen.

35 Stunden sind genug! Wirksame Entlastung bei der Arbeit durch generelle gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden; Gesundheitsschutz für besonders Belastete durch verbesserte Personalschlüssel; Verbot der Leiharbeit; Rücknahme von Schikanen für Bezieher:innen von Arbeitslosen- oder Bürgergeld; Hände weg vom Streikrecht! Schluss mit der Subventionierung von Konzernen, die Jobs verlagern oder damit drohen; Tarifbindung und gewerkschaftliche Mitbestimmung in transnationalen Konzernen weltweit per Gesetz; Schluss mit einer Asylpolitik, die Menschen für Jahre in Lager einsperrt und den Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt.

9-Euro-Ticket für alle und auf Dauer! Für Zur-Arbeit-Pendler, Zur-Schule-oder-Uni-Pendler, für Familien und Rentner, für Menschen mit und ohne Migrationserfahrung, für Groß und Klein: Kostengünstig und umweltschonend mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr fahren – das macht Sinn und Spaß!

Für all diese Forderungen gibt es Mehrheiten in der Bevölkerung, für all diese Forderungen sind Hunderte Organisationen, Tausende engagierter Einzelpersonen, unzählige Bündnisse in Städten und kleineren Gemeinden aktiv. Diese Kraft kann wirksam werden in gemeinsamen Aktionen. Das Geld für all diese notwendigen Maßnahmen kann nur aufgebracht werden, wenn die derzeitige monströse Aufrüstung gestoppt und umgekehrt wird. Rüstung tötet und verhindert dringend nötigen gesellschaftlichen Fortschritt.

Wir sind die 99 %. Die anderen sind bloß reich.

VI. Wie weiter—Alternativen zum Kapitalismus

Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass die Regierenden der wichtigsten kapitalistischen Länder nicht in der Lage sind, die vielfältigen Krisen im Interesse der Menschen zu lösen. Diese Probleme erscheinen oftmals als vom Einzelnen „selbstverschuldet“, im Grunde liegt ihre tiefere Ursache aber im Wirken der Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Ordnung. Sie bedingen inzwischen eine Tendenz zur Selbstzerstörung. Wir leben in einer Katastrophenzeit, „in der ein Kollaps der ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Systeme nicht unwahrscheinlich erscheint“ (Sighard Neckel). Es geht um das Ineinandergreifen bzw. die wechselseitige Verstärkung verschiedener Krisenlogiken, die solche Diagnosen begründen (Frank Deppe).

Die im Februar 2022 erfolgte Verkündung der „Zeitenwende“ und die daraufhin vorgenommene weltweite politische Wende haben die widersprüchlichen Systemzusammenhänge enorm verschärft. Keines der Probleme wurde einer Lösung nähergebracht, vielmehr muss man den Eindruck gewinnen, dass die Staaten des Westens mit Macht (und gewollt!) auf einen Punkt zusteuern, von dem ein Zurück kaum mehr möglich erscheint: die Zerstörung unseres Planeten! Die dem zugrunde liegende staatsmonopolistische Steuerung erstreckt sich auf praktisch alle gesellschaftspolitischen Bereiche.

International sind immer mehr Menschen von bewaffneten Konflikten und von den Folgen des Klimawandels betroffen und zur Flucht gezwungen. Hochrüstung und Militarisierung bergen die Gefahr eines Atomkriegs.

Die Auswirkung der „Zeitenwende“ auf die arbeitende Bevölkerung ist verheerend. Die Inflation, maßgeblich bedingt durch die Sanktionen gegen Russland und die rasant ansteigenden Rüstungsausgaben, spüren wir jetzt im dritten Jahr. Auch wenn die staatliche Propaganda versucht, eine Abschwächung der Inflation herbeizureden, wächst die Armut im Land. Betroffen davon sind vor allem arme Familien und Kinder. Die vollen Auswirkungen werden wir erst nach und nach spüren, erst wenn die Milliarden für die Rüstung, die bei Rheinmetall die Kassen füllen, auf die arbeitende Bevölkerung vollends umgelegt sind.

Nicht erst seit der „Zeitenwende“ gibt es gezielte Angriffe auf die demokratischen Rechte, aber sie sind noch weiter verschärft worden. Staatliche Politik darf in wichtigen Teilen nicht mehr offen kritisiert werden. Es gibt bestimmte Sprachregelungen, gegen die man nicht verstoßen darf. Die sind zwar nirgendwo festgehalten, man merkt allerdings sehr schnell, wenn man sich nicht daran gehalten hat. So vor allem, wenn man sich zu den Konflikten in der Ukraine und in Gaza anders positioniert als der regierungsgeführte mainstream, Was für Viele nur unangenehm bzw. ätzend ist, kann für andere, z. B. Journalisten oder sonst in der Öffentlichkeit stehende Menschen leicht beim beruflichen Weiterkommen hinderlich werden. Inzwischen wurden aus Zensurgründen ganze Kongresse von der Polizei geschlossen und ausländische TeilnehmerInnen an der Einreise gehindert (Palästina-Kongress in Berlin). Unterstützt wird diese antidemokratische Offensive durch die sogenannte Kognitive Kriegsführung (cognitive warfare), die die Nato im Begriff ist, zu einer eigenen Waffengattung zu etablieren. Hier geht es darum, alle geeigneten Ressourcen zusammenzufassen (u. a. Propagandaproduzenten, Medien – öffentliche wie private sowie staatliche und militärische Stellen) mit dem Ziel die Bevölkerungen des Feindes aber auch die eigene in die Richtung zu manipulieren, die gewünscht ist, z. B. hin zur Kriegsakzeptanz. Dass unsere Medien heute zu vielen politischen Themen quasi gleichgeschaltet erscheinen, ist Ausdruck der Kognitiven Kriegsführung.

Auch die Praxis der Berufsverbote wird neu belebt. Frau Faeser arbeitet hart daran. Das Bundesbeamtengesetz und viele Länderpolizei- bzw. Verfassungsschutzgesetze sollen zum Schlechten geändert werden oder sind es bereits.

Nicht zuletzt sind wir mit einer Klimakatastrophe konfrontiert, die schon heute das Leben auf dem Planeten nachhaltig verändert und für Milliarden Menschen erheblich erschwert.

Ausblick

Die dargestellten Probleme sind Probleme des kapitalistischen Systems. Sie lösen sich nicht von selbst, und sie werden auch nicht von der herrschenden Klasse oder einer Regierung gelöst. Die, wie sie sich gerne selbst bezeichnen, demokratischen Parteien suchen Lösungen für die ärgsten Probleme – nur auf dem Boden dieses Systems. Das aber schließt Lösungen für die Mehrheit der Menschen im Land aus. Wo das große Kapital mit seinen kurzfristigen Profitinteressen den Gang der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmt, gibt es kaum langfristige Zukunftsplanung, bleiben die Interessen der arbeitenden Menschen, der Frauen, der Kinder, der Jugend, der Alten der Kranken und Unterstützungsbedürftigen auf der Strecke.

Eine alternative Gesellschaftsordnung muss eine sein, in der die Macht der großen Kapitale, der Monopole beschnitten und durch demokratische Strukturen ersetzt wird. Wir wissen, dieser Kampf wird sehr schwer und aufreibend sein. Und er kann nicht alleine von einer Partei, sei es auch eine marxistische, geführt werden. Die Suche nach und der Kampf um Verbündete ist von grundlegender Bedeutung.

So erdrückend und übermächtig die Veranstalter und Nutznießer der „Zeitenwende“ auch erscheinen mögen – es gibt doch Widerstand im Land. Es gibt viele demokratische Bewegungen: die Friedensbewegung, Bewegungen in den Betrieben für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, Gewerkschaftsaktivitäten, Demokratiebewegungen zu verschiedenen Facetten des Demokratieabbaus, Umwelt- und Klimabewegung u.v.a. All diese Bewegungen arbeiten gegenwärtig unter dem verstärkten Druck, der von staatlicher Seite und den Medien ausgeübt wird. Es ist schon ein großer Erfolg, dass sie weiter existieren und oft auch öffentlich als Korrektiv zur herrschenden Politik wirken. Es ist das Verdienst der AktivistInnen dieser Bewegungen, dass sie nicht totgeschwiegen werden können.

Die mangelnde Vernetzung der aktuellen Bewegungen und die fehlende Konzentration auf die Schwächung des gemeinsamen Gegners müssen überwunden werden. Vernetzung darf dabei nicht mehr nur solidarisches Sich-aufeinander-beziehen im Sinne politischer Erklärungen sein. Es geht darum, den Gegner als gemeinsamen Gegner zu erkennen und in koordinierten Aktionen für eine Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zu kämpfen. Angesichts der zu überwindenden Widerstände für eine andere Politik ist Vernetzung zur Grundbedingung erfolgreicher Bewegungen geworden.

Offene Diskussion mit den Bewegungen, die Suche nach vorwärtsweisenden Kompromissen (Verbindendes nach vorne, Trennendes nach hinten stellen), kameradschaftliche Zusammenarbeit auf allen Ebenen – das sollte das Vorgehen bestimmen. Ziel wäre die Schaffung eines immer breiter werdenden Blocks, der die kapitalistische Produktionsweise ablehnt wegen der ihr systematisch innewohnenden Menschenfeindlichkeit und Zerstörungskraft. Der Kapitalismus muss überwunden werden und einer anderen Wirtschaftsweise, einer anderen Gesellschaftsordnung Platz machen. Wir Kommunist:innen sprechen von Sozialismus, wenn wir über diese künftige Gesellschaft nachdenken und wir bleiben dabei: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung kann nur durch den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus durchgesetzt werden!

Die Kommunistische Partei kann eine positive Rolle bei der Vernetzung der verschiedenen Bewegungen spielen – wenn sie offen ihre Vorstellungen vertritt, aber gleichzeitig kompromissbereit und kameradschaftlich auf die Partner im Kampf zugeht. Und sie kann, wie die beteiligten Bewegungen, dabei nur gewinnen.

1.11.2024

Detlef Fricke, Uwe Fritsch, Thomas Hagenhofer, Norbert Heckl, Werner Hensel, Volker Metzroth, Isa Paape, Axel Seiderer, Heinz Stehr

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Zur organisationspolitischen Orientierung der DKP

Offener Brief der DKP Braunschweig an den Parteivorstand der DKP

Mit der 6. und 7. PV-Tagung wird ein neuer org-politischer Weg eingeschlagen, den wir nicht akzeptieren und der korrigiert werden muss.

Dazu Zitate aus den umfangreichen Dokumenten:

Zitate Referat Björn Blach, 6. und 7. PV-Tagung:

„Wir haben nach dem 20. Parteitag unsere Weltanschauung wieder zur Richtschnur für die Politikentwicklung unserer Partei gemacht.“

„organisationspolitische Neuaufstellung der DKP seit dem 20. Parteitag“

„Als in der Parteiauseinandersetzung gegenüber den „Thesen“ aus vielen Gruppen der Ruf kam „haben wir noch nie so gemacht“, hat es den revisionistischen Durchmarsch verhindert.“

„teilweise hat es aber auch mit der zeitweisen Entfernung der damaligen Führung der DKP vom Marxismus-Leninismus zu tun.“

Kommentar:

Mit diesen Einschätzungen beleidigt der Referent die Genossinnen und Genossen, die vor dem 20. Parteitag in der Partei aktiv waren. Nach welcher „Richtschnur“ handelten die – dem neuen Testament, dem Koran?

Das erinnert an den Umgang der Besserwessis mit DDR-Bürgern – was ihr die letzten 40 Jahre gemacht habt, könnt ihr vergessen . . .

Wer so argumentiert, reklamiert die Deutungshoheit der marxistischen Weltanschauung für sich und spricht sie anderen ab. Diese Herangehensweise hat von den 30er bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in den KP'n schwerwiegende Folgen gehabt.

Von einer org-politischen Neuaufstellung kann keine Rede sein, wenn man erst ein halbes Jahr nach Abschluss der MBNA eine konkrete Mitgliederzahl nennen kann und konstatiert, dass den Grundorganisationen „der Morast bis über den Kopf steht“.

 

Der o.g. Referent hat in der 6. und 7. PV-Tagung u.a. diese Konsequenzen vorgeschlagen:

„Dabei müssen wir Prioritäten setzen, eine Hierarchie der Strukturen und damit der Aufgaben entwickeln, was vor allem den Kadereinsatz betrifft. Diese Aufgaben haben auch Priorität gegenüber der Arbeit in Bündnisstrukturen.

„Wenn die zentralen Strukturen gesichert sind, inklusive der UZ, der KLS und der SDAJ, steht weiterhin im Mittelpunkt vor allem unsere aktiven Gliederungen zu stärken, da nur hier natürlich auch die Verankerung stattfinden kann.“

„Neu ist das wir dafür auf einer anderen Ebene beginnen. Es geht also wie bei Baron Münchhausen, darum sich mittels ziehen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Den Grundorganisationen steht der Morast schon bis über den Kopf, um sie daraus zu ziehen und zu entwickeln, müssen wir uns von oben her herausziehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen für die einzelnen Bereiche beginnen deshalb immer am Kopf und setzen sich über die Bezirke und Kreise zu den Grundorganisationen fort.

Die Schritte sind:

  • PV als politisches Leitungsgremium
  • Stärkung der „zentralen Verwaltung“
  • Fokussierung der Bezirke auf Anleitung
  • Kaderplanung und -entwicklung von den Grundorganisationen aus
  • Entwicklung und Stärkung der Grundorganisationen als Arme, Beine und Sinnesorgane in der Klasse“ „Wir ringen um die zentrale Rolle der PV- Referate. Wir versuchen diese besser zu strukturieren, so dass sie besser nachvollzogen und in der Partei besser diskutiert werden können.“

Kommentar:

Eine Parteiführung, die sich selbst als „Kopf“ bezeichnet und der Basis die Rolle von Sinnesorganen, Armen und Beinen zuordnet, kann keinen Respekt erwarten. Welches Bild hat der Referent von der Parteibasis, wenn er sie bis über den Kopf im Morast wähnt?

Diese Parteikonzeption ist autoritär und sektiererisch. Innerorganisatorischer Kadereinsatz vor „Arbeit in Bündnisstrukturen“ verringert politischen Einfluss. Eine „zentrale Rolle der PV-Referate“, die „besser nachvollzogen“ werden können, vernachlässigt Erkenntnisse marxistischer Wissenschaftler und Bündnispartner.

Zu dieser abgehobenen Konzeption passen die drei Seiten Tabellen mit einer völlig schematischen Einteilung der Gruppen.

Zum Thema Androhung von Konsequenzen an die Bezirksorganisation Saarland:

Der Bezirksorganisation wird vorgeworfen, sie verweigerte die Umsetzung des Beschlusses zur MBNA.

Tatsächlich haben die Genossinnen und Genossen mehr als 100 % der Mitglieder mit neuen Mitgliedsbüchern versorgt. Sie bemängelten die „überbürokratische“ Herangehensweise des PV und gingen ihren eigenen Weg.

Anscheinend zählt für den PV nicht das Ergebnis der MBNA sondern, dass die entsprechenden Formulare verwendet werden – ein Beweis für Überbürokratisierung!

Wir haben eine andere Auffassung von organisationspolitischer Orientierung:

„Die Deutsche Kommunistische Partei hat sich nicht um ihrer selbst Willen gebildet. Sie dient der Arbeiterklasse und dem Volk. Sie wirkt mit den Arbeitern für die Arbeiter, mit der Jugend für die Jugend, mit dem Volk für das Volk.“ - steht in unserem Parteibuch.

Das sollte Grundsatz der organisationspolitischen Orientierung der DKP sein.

Grundlage wäre eine konkrete, vollständige Bilanz der Mitgliedsbuch-Neuausgabe.

Wie viele Mitglieder hat die DKP, wie stark ist sie in welchem Bundesland?

Entsprechen unsere Strukturen und unsere Arbeitsweise der eigenen Stärke und den politischen Anforderungen?

Wo ist die DKP politisch wirksam?

Wo und in welchen politischen Handlungsfeldern haben wir politischen Einfluss?

Wo und wie erweist sich die DKP für andere Menschen als nützlich?

Zur Bestandsaufnahme gehört weiter:

Welche Kontakte haben wir? Welche Zusammenarbeit gibt es?

Welche Hindernisse gibt es für eine Zusammenarbeit?

Welche Stärken können wir in diese Zusammenarbeit einbringen, welche Schwächen müssen wir überwinden?

Welche Perspektiven ergeben sich aus der Zusammenarbeit für die Stärkung der DKP?

Es werden organisationspolitische Schlussfolgerungen gezogen, die sich auf die innere Verfasstheit der DKP beziehen und damit nicht den politischen Anforderungen genügen.

Die formale Kategorisierung der Parteigruppen vernachlässigt den Aspekt über welchen politischen Einfluss Genossinnen und Genossen, Gruppen und Kreise verfügen.

Ein „starkes Zentrum“, „von oben nach unten, langfristige Zeitpläne und eine Taktung der Partei“, „Leuchttürme“, „Anleitung zur Anleitung“, „zentrales Element bei der Leitung durch ein starkes Zentrum sind die Referate der PV-Sitzungen.“, sind eine falsche Orientierung. Bezugspunkt einer solchen Orientierung ist Zustand und Befindlichkeit der Partei selbst und damit zu eng. Diese von „von-oben-nach-unten“-Orientierung ist Ausdruck eines autoritären Parteiverständnisses. Die Formulierungen „Leitung aus einem starken Zentrum“, „Anleitung von Grundorganisationen durch PV und Bezirksorganisation“, „der PV (muss) die Bezirke in der Anleitungstätigkeit orientieren, also anleiten zum anleiten“ sind Beispiele für dieses autoritäre Parteiverständnis. Die Folge wird weiteres Schrumpfen der Partei, Verringerung ihres politischen Einflusses sein.

Eine organisationspolitische Orientierung muss über den Tellerrand der DKP hinaus reichen.

Erstens um unserer selbst willen, weil eine „von-oben-nach-unten“-Organisation keine Option für junge, fortschrittliche Menschen ist.

Zweitens können wir die politischen Kräfteverhältnisse nur gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Menschen verändern.

Im Parteiprogramm wird das so beschrieben:

„In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.“

Es gibt vielfältige politische Kräfte, die sich auf Marx, Engels, Lenin, Gramsci, Luxemburg u.a. beziehen, die den Kapitalismus aus den verschiedensten Gründen überwinden wollen.

Sie sind in Gewerkschaften, Umweltorganisationen und -initiativen, antifaschistischen Organisationen aktiv – besonders unter der jungen Generation.

Es gibt marxistische Gesellschafts- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die im Kapitalismus

keine Zukunft für Mensch und Natur sehen.

Deren Analysen, Einschätzungen, Orientierungen sind mindestens genauso wichtig wie „Kerngedanken der (PV-)Referate, die den Gliederungen bei deren Diskussion helfen“ sollen.

Eine Orientierung auf die Zusammenarbeit mit diesen Menschen, Initiativen, Organisationen erhöht unseren politischen Einfluss, schafft Kontakte und damit die Voraussetzung für die Stärkung der DKP.

Von den vielfältigen kapitalismus-kritischen Menschen/Organisationen wird das Fehlen eines „strategischen Zentrums“ beklagt. Das wäre eigentlich die Rolle einer kommunistischen Partei. Die DKP wird diese Rolle mit der von uns kritisierten org-politischen Orientierung nicht ausfüllen können.

Die Prinzipien einer Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften sind im Programm der DKP von 2006 so definiert: „Die Mitglieder der DKP arbeiten aktiv in demokratischen Bewegungen, Bündnissen und örtlichen Bürgerinitiativen mit. Die DKP geht davon aus, dass Inhalt und Form des Kampfes durch die jeweiligen Bewegungen selbst bestimmt werden. Die Mitglieder der DKP wirken konsequent für die gemeinsam erarbeiteten Forderungen und Ziele und bringen in die Debatten um Kampfformen und gesellschaftliche Alternativen ihre weltanschaulichen und politischen Positionen ein.“

Für eine organisationspolitische Orientierung sollten wir die Gründe für den wachsenden Einfluss erfolgreicher KP'n in Belgien und Österreich beachten.

Mit welcher politischen Orientierung, mit welchen Methoden haben sich diese Parteien gut entwickelt, was ist übertragbar?

 

Kreisvorstand der DKP Braunschweig

Werner Hensel, Vorsitzender

 

Braunschweig, 7. August 2024

Offener Brief des Netzwerks kommunistische Politik an den Parteivorstand der DKP

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir haben die erste Auswertung der Mitgliedsbuchneuausgabe (MBNA) und die bisherige Planung zum Parteitag zur Kenntnis genommen. Nach unseren Informationen hat die DKP seit der letzten MBNA erneut massiv Mitglieder verloren.

Wir machen uns große Sorgen um die weitere Existenz der Partei als marxistische Kraft in der BRD. Unserer Meinung nach ist es aus vielen Gründen nötig, in den Auseinandersetzungen dieser Zeit hör- und wahrnehmbar Präsenz zu zeigen.

Nie war nach dem Zweiten Weltkrieg die Kriegsgefahr so groß wie jetzt. Die sozialen und demokratischen Verhältnisse verändern sich zu reaktionären Verhältnissen zugunsten besonders des internationalen Monopolkapitals. Die Klimakatastrophe entwickelt existenzbedrohende Auswirkungen für Mensch, Tierwelt und die Natur.

Das Parteiprogramm der DKP formulierte Gefahren durch existenzbedrohende Krisen, deren Auswirkungen heute nachvollziehbarer sind. Faschistische und reaktionäre Kräfte entwickeln ihre menschenverachtenden Szenarien und haben dazu bereits Aktionen durchgeführt. Mehr als 200 Tote belegen dies.

In dieser Zeit muss aus unserer Sicht alles getan werden, um breite gesellschaftliche Allianzen und Bündnisse zu initiieren oder dort wo vorhanden konstruktiv mitzuwirken, um Gefahren abzuwehren und für progressive Alternativen zu streiten.

Die Existenzfrage der DKP als Partei der Arbeiterklasse in diesem Land entscheidet sich vor allem aus politischen Initiativen und Handlungen.

Wir sind bereit, im Rahmen der DKP und ihres Programms und Statuts für diese Ziele zu wirken. Wir müssen unser politisches Angebot formulieren, öffentlich machen und vor allem in Gewerkschaften, Verbänden, Initiativen und Bewegungen einbringen.

Kommunistische Politik, Strategie und Taktik in der DKP haben sich immer an zu lösenden politischen Aufgaben orientiert und nicht an unserer Befindlichkeit oder der Struktur und Stärke der Partei. Die Politik auf der Grundlage der wissenschaftlichen Strategie und Taktik von Marx, Engels und Lenin und anderer marxistischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu entwickeln, ist und bleibt der Kompass für aktuelles Handeln und für Vorschläge und Vorstellungen für eine sozialistische Zukunft.

Wir erwarten vom kommenden Parteitag eine schonungslose Darstellung der politischen Bilanz und der Organisation sowie eine offene demokratische Debatte zu politischen Einschätzungen der Situation und notwendigen Orientierungen daraus.

Es geht um die Existenz der DKP als politisch handlungsfähige Kraft in diesem Land und als zuverlässige Partnerin in regionalen und internationalen Zusammenhängen marxistischer, linker und demokratischer Parteien und Bewegungen.

Wir hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, die politischen Herausforderungen in diesem Sinne zu beeinflussen.

Für das Netzwerk kommunistische Politik

Isa Paape, Heinz Stehr, Norbert Heckl, Detlef Fricke, Uwe Fritsch, Thomas Hagenhofer, Volker Metzroth, Werner Hensel

Massendemos machen Mut!

Mehr als eine Million Menschen haben gegen die AfD und deren Vorhaben zu Massendeportationen demonstriert! Die Träger vor Ort sind oft sehr unterschiedlich: Einzelpersonen, Bündnisse, Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien, Sportvereine, Kirchen und andere Initiativen. Sie alle eint die Empörung über die AfD-Politik und der Wunsch, sich gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Faschismus zu wehren.

Der Protest zeigt Wirkung bei Faschisten. Das ist gut für die politische Kultur unseres Landes und für das Ansehen im Ausland.

Dass versucht wird, diese Bewegung  für eigene Zwecke zu nutzen, kann nicht überraschen. Regierung und einige Bundestagsparteien wollen so verloren gegangenes Ansehen korrigieren. Auch diese Tatsache erfordert immer wieder, deutlich zu machen, dass die Politik dieser Parteien die Rechtsentwickliung möglich gemacht hat und sie befeuert.

Völlig zu Recht stehen bei den Massenprotesten daher auch politische Forderungen im Mittelpunkt, die dem Rechtsextremismus die Stirn bieten können: Asylrecht verteidigen, Fluchtursachen bekämpfen! Rüstet endlich ab! Umfairteilung zur Bekämpfung der wachsenden Armut, zum Ausbau von Gesundheit, Pflege und Bildung! Rechte von Frauen und LGBTQ verteidigen! Klimaschutz sozial gerecht und demokratisch gestalten!

Die AfD ist wie die NPD eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, diese Tatsache fordert zwingend die Auflösung und das Verbot nach dem Artikeel 139 GG und den gültigen Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zur Entnazifizierung.

Dass Maßnahmen dieser Art eine ständige politische Auseinandersetzung und die Einbeziehung der Geschichte Deutschlands erfordern, ist gelebte Erfahrung.

Das Netzwerk Kommunistische Politik wird weiterhin initierend und aktiv dabei sein!

Denn wir Kommunist*innen stehen zu den Lehren der Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung 1933. Wir stehen für breite gesellschaftliche Bündnisse gegen faschistische Kräfte.

„Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.

Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.“

Erich Kästner

Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse

Aktualisiertes Referat, gehalten auf dem Netzwerktreffen in Göttingen

Altmaiers Industriestrategie

Anfang 2019 legte der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vor. Diese sah im Kern die Erleichterung von Unternehmens-zusammenschlüssen und die Schaffung großer Monopole, „nationale und europäische Champions“, vor, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Als Hauptgegner wurde in diesem Papier China genannt. Um mit den chinesischen Staatsunternehmen im Wettbewerb bestehen zu können, müsse der Staat stärker ins Marktgeschehen eingreifen. Je größer die wirtschaftliche Bedeutung eines Vorgangs, desto größer müsse der Spielraum des Staates für aktive und aktivierende Gestaltung sein. Altmaier bemängelte das seit etwa 15 Jahren lahmende Innovationstempo. Vor allem bei den „Schlüsseltechnologien und Basisinnovationen“, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz etwa, drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren, im neoliberalen Neusprech vom „rule-maker“ zum „rule-taker“ zu werden.

Altmaier beklagte die unfairen Bedingungen, mit denen die europäischen Unternehmen auf dem globalen Markt konfrontiert seien. (Wobei die EU bei ihren Handelsbeziehungen zu beispielsweise afrikanischen Ländern natürlich auf Fairness großen Wert legt!). Es ginge nicht darum, den Protektionismus anderer Länder zu kopieren, sondern „die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas“ zu verteidigen.

Das Papier stieß allerdings bei den Kapitalvertretern aufgrund des darin geforderten stärkeren staatlichen Eingreifens durch Erwerb von Unternehmensanteilen auf Ablehnung. Der BDI brachte einen Gegenentwurf heraus, der die Beschränkung des Staates auf marktkonforme Instrumente forderte.

Altmaiers Industriestrategie und die Reaktionen darauf sind Ausdruck des Dilemmas, in dem die Herrschenden stecken. Es besteht im Kern in dem kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen dem wachsenden gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung und Verfügung über die Produktivkräfte. Zunehmend wird das mit der Anhäufung von Kapital verbundene Wachstum der Produktivkräfte zu einem Hemmschuh für die Kapitalverwertung. „Die Vergesellschaftung der Produktion stößt beständig auf die Schranken des privatkapitalistischen Eigentums.“ (Peter Hess, Monopoltheorie und Kapitalismuskritik, in: Ökonomische Theorie, politische Strategie und Gewerkschaften, Frankfurt a.M., 1971).

Überakkumulation und periodische Krisen, in denen überschüssiges Kapital vernichtet wird, sind die Folge. Die Verfügung über fremdes Kapital in den Händen einer abnehmenden Zahl von Kapitaleigentümern, d.h. die Bildung von Monopolen ist zunehmend notwendig, um die immer schwieriger werdende Kapitalverwertung unter der Bedingung der hoch vergesellschafteten Produktion zu gewährleisten. Mit der Konsequenz der Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche, und dass dadurch „allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“ werden. (Kommunistisches Manifest)

Abwärtstrend

Der ökonomische Abstieg des Westens schreitet rapide voran. Der Abwärtstrend des Produktivitätswachstums lässt sich für alle wichtigen Industrieländer nachweisen. Der IWF sagt in seiner aktuellen Prognose für alle westlichen Industriestaaten einen deutlichen Rückgang des BIP voraus, für Deutschland sogar ein negatives Wachstum von - 0,5%. Deutschland ist damit unter den stärksten Volkswirtschaften das einzige Land, dem ein Schrumpfen der Wirtschaft prognostiziert wird. Besser sehen die Konjunkturaussichten für die Schwellenländer aus. Das BIP der Industrieländer steigt laut IWF in diesem Jahr um rund 1,5 % , das der Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen um rund 4 %. Für die USA hat der IWF seine Prognose vom Juli um 0,3% auf 2,06 % Wirtschaftswachstum angehoben. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag das Wachstum der US-Wirtschaft noch bei 5,95 %. Deutlich nach oben revidiert wurde die Prognose für Russland. Dessen BIP wird laut IWF in diesem Jahr um 2,2 % wachsen, 0,7 % mehr als noch im Juli angenommen. Die höchsten Wachstumsraten werden in den kommenden Jahren Indien und China vorausgesagt. Für China prognostiziert der IWF einen Anstieg des BIP von 3% auf 5%, für Indien ein Wachstum von 6,2%.

Die wirtschaftliche Bedeutung der BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) nimmt immer mehr zu. Die selbsternannten G7 sind schon lange nicht mehr die sieben größten Industrienationen. Der Trend der Verschiebung der Produktionsanlagenvon den westlichen Industrieländern in die Schwellen- und Entwicklungsländer setzt sich unvermindert fort. So ist der Anteil des „Globalen Südens“ an den weltweiten Warenexporten von 28,4% (1993) auf 49,2% (2022) gestiegen. Der Anteil des „Globalen Westens“ ist in diesem Zeitraum von 71,6% auf 50,8% gesunken.[1] China nimmt eine herausragende Bedeutung unter den Schwellenländern ein.[2]

Vor allem, was die internationalen Direktinvestitionen anbelangt. Zwischen 2000 und 2016 ist der chinesische Anteil am Bestand der internationalen Auslandsanlagen (2016: ca. 26 Billionen US-Dollar) von 10 auf etwa 24% gestiegen.[3] Während der Anteil Chinas am globalen Bruttoinlandsprodukt kaufkraftbereinigt von 2,27% im Jahr 1980 auf 18,48 % im Jahr 2022 anstieg, schrumpfte der US-Anteil am Welt-BIP von 21,41% im selben Zeitraum auf 15,98%. Die EU stürzte von 25,85% auf 14,9%.[4]

Neuer Kompass

Hervorzuheben ist die chinesische neue Seidenstraßen-Initiative („Belt and Road Initiative“ - BRI), ein Mammutinfrastrukturprojekt, das rund 6 Billionen US-Dollar an Direktinvestitionen, also nahezu ein Viertel der globalen Auslandsanlagen umfasst. 146 Länder Asiens, Europas und Afrikas haben sich dieser Initiative bisher vertraglich angeschlossen. Auch 30 internationale Organisationen sind daran beteiligt.

Die USA und die EU reagierten darauf mit eigenen Investitionsstrukturprogrammen, mit denen man dem chinesischen Projekt das Wasser abgraben will. Auf dem G7-Gipfel im Sommer 2021 wurde die US-amerikanische Initiative „Build Back Better World“ (B3W) vorgestellt. Die EU folgte im Dezember mit der „Global Gateway“ - Initiative (GG). Auf dem G7-Gipfel in Elmau Juni '22 wurde die „Partnership for Global Infrastructure and Investment“ (PGII) ins Leben gerufen, eine Neuauflage von B3W und GG. Es verspricht den Ländern des Globalen Südens durch Bereitstellung von Krediten die Realisierung von Infrastrukturprojekten. Dieses „riesige Investitionsprogramm“ (Zeit online vom 26. Juni '22) sieht Investitionen in der Höhe von 600 Mrd. USD für den Zeitraum von 2022-2027 vor. Es sei eine „umfassende, transparente und wertegeleitete Wahl für Infrastrukturentwicklung“, so Biden. Aber dieses im Vergleich zur Seidenstraßen-Initiative (6.000 Mrd. USD) allein von der Summe her klägliche Programm kommt bei den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht gut an. Zu sehr schrecken schlechte Erfahrungen mit den mit westlichen Krediten verbundenen Auflagen und „Strukturanpassungsmaßnahmen“ ab.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Länder der Dritten Welt den vom Westen dominierten Institutionen IWF und Weltbank alternativlos ausgeliefert waren und sich den von diesen verordneten neoliberalen Rosskuren fügen mussten.

Ausdruck einer sich entwickelnden multipolaren Weltordnung sind neue Allianzen, in denen der Westen keinen oder nur schwindenden Einfluss hat. Zu nennen sind hier neben dem schon erwähnten BRICS, das asiatische Freihandelszone ASEAN, die „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) und das RCEP-Abkommen („Regional Comprehensive Economic Partnership“). RCEP ist das größte Freihandelsabkommen der Welt. Es ist 2022 in Kraft getreten und umfasst neben China die ASEAN-Staaten, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Unterzeichnerstaaten beträgt rund 25 Billionen Euro und übertrifft damit das der am Freihandelsabkommen USMCA beteiligten Partner USA, Mexiko, Kanada und der EU.

Der von China, Russland und vier zentralasiatischen Republiken 2001 gegründeten SCO haben sich inzwischen Pakistan, Indien (2017) und Iran (2021) angeschlossen. Beobachterstatus haben Afghanistan, Belarus, Mongolei und Turkmenistan. Dialogpartner sind Armenien, Aserbeidschan, Nepal, Sri Lanka, Kambodscha und die Türkei. Anwärter sind Ägypten, Quatar und Saudi-Arabien. Bemerkenswert an dieser Liste vor allem unter dem Aspekt der Friedenssicherung ist, dass sich in diesem Bündnis auch verfeindete Staaten wie Pakistan und Indien und Armenien und Aserbaischan zusammengefunden haben.

Die Hauptziele der SCO sind die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und die Beförderung der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region sowie Fortschritte bei der Implementierung „einer demokratischen, fairen und rationalen politischen und ökonomischen Ordnung“. Ein wesentlicher Schwerpunkt der SCO bildet die Überwindung der Armut. Die Organisation unterhält Kooperationsbeziehungen mit der UNO und ASEAN.

Die BRICS-Staaten haben sich auf eine 2006 von Russland erfolgte Initiative hin zusammengeschlossen. Grundlagen des Bündnisses sind die UN-Charta, das Prinzip der Blockfreiheit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und die Neutralität gegenüber dritten Parteien. An vorderster Stelle der Agenda steht die Überwindung von Hunger und Armut und der Ungleichheit zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Erklärtes Ziel der BRICS-Staaten ist die Errichtung einer multipolaren Weltordnung, in der die Entwicklungsländer, vor allem Afrika, an den globalen Entscheidungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden. Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August wurden mit Argentinien (mittlerweile fraglich, nachdem der „Anarchokapitalist“ Javier Milei als Präsident aus den Stichwahlen vom 19. November hervorging), den Arabischen Emiraten, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien und Iran 6 weitere Länder in das Bündnis aufgenommen. Das Bündnis repräsentiert damit etwa 46 % der Weltbevölkerung. Mehr als 40 Staaten haben ihr Aufnahmeinteresse bekundet..

Frappierend ist die Gegensätzlichkeit der Ausrichtung der Gipfeltreffen der EU, G7 und NATO auf der einen und der BRICS auf der anderen Seite. Während jene auf Konfrontation gegen die Feinde der „regelbasierten Ordnung“, Abschottung und die Verfolgung der eigenen Interessen ausgerichtet sind, propagieren die BRICS-Staaten Multilateralismus, Offenheit und internationale Zusammenarbeit.

Der Ukraine-Krieg hat den Niedergang des Westens verdeutlicht und beschleunigt. Er ist Ausdruck der sich vor allem in den letzten Jahren verändernden weltweiten Kräfteverhältnisse. Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung begreift, dass es sich dabei um einen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland handelt, bei dem das ukrainische Volk als Kanonenfutter benutzt wird. Der Westen und die Hegemonialmacht USA versuchen militärisch ihren ökonomischen, politischen und kulturellen Abstieg aufzuhalten und ihr „regelbasiertes“ imperialistisches Weltsystem gegen eine multipolare Weltordnung zu verteidigen.

Auch der Gaza-Krieg zeigt die zunehmende Isolation des Westens. Während der Westen die rücksichtslose Bombardierung der Zivilbevölkerung mit nunmehr über 17.000 Toten, über die Hälfte die Hälfte davon Kinder und Frauen, als Selbstverteidigung Israels bezeichnet, hat bereits die UN-Versammlung Ende Oktober mit großer Mehrheit in einer Resolution die Gewalt gegen Zivilisten verurteilt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. Die USA verhinderte jüngst mit ihrem Veto eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates. In der UN-Vollversammlung am 13. Dezember sprach sich eine noch deutlichere Mehrheit als im Oktober für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand aus. 153 Länder stimmten für den von Ägypten eingebrachten Resolutionsentwurf, 10 dagegen und 23 Länder enthielten sich, darunter Deutschland.

Die Wirtschaftssanktionen gegen China und die Provokationen in der Taiwan-Frage zielen indes auf eine weitere militärische Eskalation. Am Ende der Eskalationsspirale steht der mit Nuklearwaffen ausgetragene Dritte Weltkrieg.

Erfolglos blieben alle Versuche westlicher Politiker, die mit Russland im BRICS-Staatenbund kooperierenden Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika in die Front gegen Russland einzureihen. Sie lehnen sowohl die Waffenlieferungen an die Ukraine als auch die Sanktionen gegen Russland ab und drängen auf einen Friedensschluss. Die westlichen Sanktionen schaden vor allem dem Westen selbst. Bei den BRICS-Staaten haben diese im Gegenteil zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Russland und zu einem Aufbau alternativer, von den USA unabhängiger Zahlungssysteme geführt.

Erfolgreich war Russlands Isolierung nur im Westen, nicht in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Am Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg nahmen 49 von 54 Ländern Afrikas teil. Es wurden Maßnahmen zur engeren Kooperation und das Eintreten gegen den Neokolonialismus beschlossen. Diese Konferenz zeugt sowohl vom wachsenden Selbstbewußtsein der afrikanischen Staaten als auch der zunehmenden Isolation des Westens.

Der ehemalige Premierminister von Benin, Lionel Zinsou, brachte die in Afrika vorherrschende Haltung zu Russland und zum Ukraine-Krieg in einem Gespräch mit westlichen Diplomaten und Ministern am 12. März in Paris zum Ausdruck: „Wie Sie wissen, haben die afrikanischen Länder die UNO-Resolution zur Verurteilung Russlands nicht unterstützt. Und sie werden niemals irgendwelche Resolutionen gegen Russland unterstützen. Das ist in unserem tiefsten Inneren verankert: Russland ist gut, egal, was Sie von ihm halten. Dies ist eine Tatsache…. Ihr könnt die Afrikaner nicht mit Geschichten über Demokratie ködern. Das sind nur eure Märchen für euren eigenen Bedarf. Der Großteil der afrikanischen Elite wurde in der Sowjetunion ausgebildet – Ärzte, Ingenieure, Piloten, Lehrer, Wissenschaftler. Die Russen sind die einzigen Europäer, die Afrika dekolonisiert haben. Und Afrika erinnert sich daran. Genauso wie Afrika sich an die europäischen Gräueltaten erinnert. Kommen Sie zur Vernunft, suchen Sie nach diplomatischen Lösungen.“

Hase und Igel

Die diplomatischen Bemühungen von Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz im Frühjahr dieses Jahres erinnern an den Wettlauf von Hase und Igel.

Laut Ludwig Bechstein macht sich eines Sonntagmorgens der Hase, vornehm und dünkelhaft dazu, über die krummen Beine des Igels lustig. „Du bildest dir wohl ein“, antwortet der Igel, „dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?“

Sie vereinbaren einen Wettlauf, es geht um einen goldenen „Lujedor“ (Louis d’or) und eine Flasche Schnaps. Der Hase rennt, stößt am Ende der Ackerfurche auf des Igels Frau. Sie sieht ihrem Gatten täuschend ähnlich und teilt dem Hasen mit: „Ick bün all hier!“. Der Hase will seine Niederlage nicht wahr haben, verlangt Revanche und führt insgesamt 73 Läufe mit stets demselben Ergebnis durch. Beim 74. Rennen bricht er erschöpft zusammen und stirbt. Soweit Ludwig Bechstein im Jahr 1853.

Vom 15. bis 17. Mai weilte Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien und Katar. Es ging unter anderem um Syrien. Dazu erklärt das Außenministerium: „Als weiteres Thema wird die von arabischen Staaten angestrebte Normalisierung der Beziehungen zu Syrien auf der Agenda stehen, die aus Sicht Deutschlands wegen der anhaltenden Repression des Assad-Regimes an klare Bedingungen geknüpft sein muss.“

Unterdessen hatte die Tagesschau schon am 7. Mai gemeldet, dass die Außenminister der arabischen Länder eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen haben. „Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga werten Analysten auch als Konsequenz der neuerdings verbesserten Beziehungen zwischen den langjährig verfeindeten regionalen Großmächten Saudi-Arabien und Iran. Im März hatten die beiden Staaten unter Vermittlung Chinas angekündigt, wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen.“

 Am 15. Mai kommentierte Alexander Haneke in der FAZ: „An Themen mangelt es nie, wenn deutsche Außenminister an den Golf reisen. Doch wenn Annalena Baerbock an diesem Montag in Saudi-Arabien eintrifft, landet sie in einer veränderten Welt. Spätestens seit der von China vermittelten Wiederannäherung zwischen den alten Rivalen Teheran und Riad ist klar, dass der Westen immer weniger Bedeutung hat für seine einstigen Verbündeten am Golf. Die arabischen Monarchien haben ihre Beziehungen wirtschaftlich und politisch diversifiziert. Sie machen gute Geschäfte mit China, Indien und dem Rest der Welt, während Europa mehr denn je von seinen arabischen Rohstofflieferanten abhängig ist und in Gestalt von Flüchtlingen die Folgen gescheiterter Politik im Nahen Osten trägt. Die Außenministerin wird darauf gefasst sein müssen, dass sie entsprechend nüchtern empfangen wird. Mit Anmerkungen zur Menschenrechtslage, so berechtigt sie sein mögen, kommt sie keinen Schritt weiter. In der heimischen Öffentlichkeit bringt das zwar Punkte, vor Ort aber nur Kopfschütteln über westliches Schulmeistertum...“

Für Waffenstillstand und Deeskalation

Im Mai war Chinas Sonderbeauftragter für den Ukraine-Krieg in Europa unterwegs. Li Hui leitet die Abteilung für eurasische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium. Die Reise ist von Xi Jinping in einem Telefonat mit Selenski Ende April angekündigt worden. Sie führte den Sonderbeauftragten nach Russland, in die Ukraine, nach Deutschland, Frankreich und Polen. Es ging um eine politische Lösung.

Nachdem die EU-Kommission Sekundärsanktionen gegen chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht hat, twitterte der Abteilungsleiter für europäische Angelegenheiten im Außenministerium, Wang Lutong: „Während China alle Anstrengungen unternimmt, um Frieden zu fördern, was im Interesse Europas liegt, revanchiert sich Europa mit einem Stich in den Rücken und schikaniert China in Wirtschaftsfragen“. Die Global Times: Neben dem unnötigen Ukraine-Knoten liege ein Hauptproblem im EU-China-Verhältnis in Europas „Unterwerfung und Abhängigkeit von Washingtons umfassender Eindämmungsstrategie gegen China“.

Vor der Abreise des Sonderbeauftragten Li Hui verwies Außenamtssprecher Wang Wenbin auf Chinas Positionspapier. Wir kennen es als 12 Punkte-Papier, in dem es heißt, Dialog und Verhandlungen seien die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise. Die USA lehnen das Papier ab. Peking nutze diesen Umstand laut FAZ (15. Mai) als angeblichen Beweis für eine unkonstruktive Haltung Washingtons. Diese Lesart verbreiteten chinesische Vertreter mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, wo man ein rasches Ende des Krieges befürworte, auch um Entspannung auf dem Getreidemarkt herbeizuführen. Wang: „Die Welt ist weiterhin von den Auswirkungen der Krise betroffen. In der internationalen Gemeinschaft mehren sich die Stimmen für Waffenstillstand und Deeskalation.“

Im selben Artikel ist von einem zehnstündigen Treffen von Außenminister Wan Yi mit dem amerikanischen Sicherheitsberater Jake Sullivan Anfang Mai in Wien die Rede. Das Weiße Haus sprach danach von offenen, sachlichen und konstruktiven Diskussionen. Die chinesische Verlautbarung klang ähnlich. FAZ-Korrespondent Jochen Stahnke: Das deute auf den gegenseitigen Wunsch nach Stabilisierung.

Und es mehren sich bourgeoise Stimmen, die die Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse zur Kenntnis nehmen und eine Änderung der Politik anmahnen. Nikolas Busse analysierte in einem Leitartikel (FAZ vom 22. August) anlässlich des BRICS-Treffens: „Kein Zweifel sollte allerdings daran bestehen, daß die Entwicklung der Gruppe ein Symptom einer grundlegenden Neuverteilung der globalen Machtverhältnisse darstellt. Sie war schon lange, bevor man in Deutschland eine „Zeitenwende“ ausrief, in voller Fahrt. Die internationale Ordnung, die nach 1945 von den Vereinigten Staaten aufgebaut und gegen die Sowjetunion durchgesetzt wurde, wird sich nicht in allen Ausformungen halten lassen. Die Vorstellung, dass sich Aufsteiger wie China in die bestehenden Strukturen eingliedern lassen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen kommt es zur Konkurrenz der Ordnungsentwürfe. In Osteuropa wird sie derzeit gewaltsam ausgetragen.“

Und im Leitartikel der FAZ vom 12. September mit dem Titel „Die nächste Niederlage“, stellt derselbe Autor, Nikolas Busse, fest: „Was der Westen, vor allem Europa, gerade in West- und Zentralafrika erlebt, ist eine strategische Niederlage. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn die eigenen Truppen zum Abzug gezwungen werden und in einem Land nach dem anderen verbündete Regierungen aus dem Amt geputscht werden.“

„Die gerade in Deutschland mit großer Überzeugung verfolgte 'wertebasierte Außenpolitik' wird offenbar von nicht wenigen Adressaten als übergriffig wahrgenommen. Manchmal fragt man sich, warum es deutschen Politikern so schwerfällt, das zu verstehen.“

„Wir hätten die Welt gerne so, wie wir selbst leben...Klappt das nicht, dann werden EU-Sanktionen verhängt. Schon geschehen im Fall Malis und in Vorbereitung für Niger. Damit fühlt man sich dann in Europa moralisch ins Recht gesetzt, überlässt das Feld aber Moskau und Peking.“

Die 24-Zeichen-Strategie

Vielleicht wirkt hier aber noch die 24-Zeichen-Strategie von Deng Xiaoping (1904–1997). (Sie heißt so, weil sie im chinesischen Original mit sechs mal vier Zeichen geschrieben wird.)

„Beobachtet mit kühlem Kopf; reagiert gelassen; bleibt standhaft; verbergt unsere Fähigkeiten und wartet, bis unsere Zeit gekommen ist; seid zurückhaltend und versucht niemals, die Führung zu übernehmen.“ (zitiert nach Kronauer, Der Rivale, 2019, Anmerkung S. 32) 

Nationale Sicherheitsstrategie und Chip-Krieg

Am 12. Oktober 2022 wurde die US-amerikanische „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Weltpresse vorgestellt. Im Vorwort fasst Biden seine Absichten zusammen: „Unsere Welt ist an einem Wendepunkt. Meine Präsidentschaft will dieses entscheidende Jahrzehnt ergreifen, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen, die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass unsere geopolitischen Wettbewerber ausmanövriert werden. Rund um die Welt ist das Bedürfnis nach amerikanischer Führerschaft so groß, wie es je gewesen ist. Wir sind inmitten eines strategischen Wettbewerbs um die Zukunft der internationalen Ordnung.“

Er sitzt im Glashaus und droht mit Steinen Richtung China: „Autokraten arbeiten Überstunden, um Demokratie zu unterminieren und ein Regierungsmodell zu exportieren, das durch Unterdrückung zuhause und Zwang außerhalb gekennzeichnet ist.“

„Also werden die USA fortfahren, die Demokratie überall in der Welt zu verteidigen. Wir werden mit jeder Nation zusammenarbeiten, die unsere Grundüberzeugung teilt, dass die wertebasierte Ordnung die Grundlage für globalen Frieden und Wohlstand bleibt. Wir kommen aus jeder Krise stärker hervor. Nichts liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.“

Vielleicht glaubt das US-amerikanische Regierungspersonal der eigenen Rhetorik. Aber den Rest der Welt nervt die Heuchelei, kürzlich erst kenntlich am Veto im Sicherheitrat gegen einen Waffenstillstand in Palästina.

Sicherheitsberater Jake Sullivan äußerte zum Thema „Nationale Sicherheitsstrategie“ gegenüber der Presse, die wichtigste Waffe sei die US-amerikanische Hochtechnologie. „Wir verfolgen eine moderne Industrie- und Innovationsstrategie, indem wir unsere ökonomische Stärke und unsere technologische Führerschaft zu Hause investieren. Das ist die tiefste Quelle unserer Macht in der Welt.“ Weitreichende Handelsbeschränkungen sollen verhindern, dass China Hochleistungschips bezieht. Solche Beschränkungen gelten ebenso für Ausrüstungen zur Herstellung von Halbleitern. US-Amerikanern ist es untersagt, für chinesische Chip-Fabriken zu arbeiten.

Am 27. Januar einigten sich die USA mit den Niederlanden und Japan auf ein Embargo. In beiden Ländern werden Spezialmaschinen zur Chip-Produktion hergestellt. Das niederländische Unternehmen ASML wird keine komplexe EUV-Maschinen an China liefern, gar solche, die die bislang kleinstmöglichen Chips von bis zu zwei Nanometern fertigen.

Das wiederum mutet der US-amerikanischen Technologiebranche Einbußen zu. Dreiviertel der Weltproduktion von Chips werden nach China exportiert, das selbst nur 15% der Halbleiter herstellt. Bei den Exportbeschränkungen geht es hauptsächlich um Chips einer Größe unter 14 Nanometer. In Taiwan und Südkorea wird schon an leistungsfähigeren Chips der Größe 5 und 3 Nanometer gebastelt. Die US-Regierung will die chinesischen Internetgiganten Baidu, Alibaba und Bytedance treffen. Der Chipmangel soll die Entwicklung Künstlicher Intelligenz bremsen. Der Boykott, der bislang nur den Smartphonehersteller Huawei traf, gilt jetzt für 28 weitere chinesische Firmen.

Indessen ist die Technologiebranche international höchst arbeitsteilig organisiert. Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) hat schon mal vorweg die Erlaubnis erlangt, für ein Jahr Ausrüstung und Maschinen für ihre in China liegenden Halbleiterwerke einzuführen. Auch andere Firmen kommen in den Genuss derartiger Ausnahmeregelungen, damit der US-Wirtschaftskrieg gegen China die Hightechindustrie von Taiwan nicht gefährde.

Huawei, Nvidia

Im September berichtete die Presse vom neuesten Huawei-Smartphone. Es heißt Huawei Mate 60 Pro. Das 5G-fähige Gerät enthält Halbleiter mit einer Strukturgröße von 7 Nanometern. Die FAZ empört sich. Zitat: „Während US-Handelsministerin Gina Raimondo vor anderthalb Wochen China besuchte, stellte der Konzern das Gerät still und heimlich zum Verkauf. Der Zeitpunkt dürfte bewusst gewählt gewesen sein, selbst Staatsmedien setzten in ihrer Berichterstattung das 'zufällig' in Anführungszeichen. Von der Entspannung, die Raimondos Besuch hatte bringen sollen, ist ohnehin längst nichts mehr zu spüren.“

Es schießen laut FAZ Spekulationen ins Kraut darüber, wie Huawei solch ein Handy produzieren konnte.

Dieser Erfolg ist nebenher die schöne Pointe einer Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hat. Die USA ließten am 1. Dezember 2018 Meng Wanzhou in Vancouver verhaften. Sie kam zwar frei, durfte die Stadt aber nicht verlassen. Frau Meng ist die stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzdirektorin von Huawei. Ihr Vater Ren Zhengfei hat das Unternehmen gegründet.

Meng wurden Verstöße gegen die US-Sanktionen, Bankbetrug, Geldwäsche und Industriespionage vorgeworfen. Sie sei eine Gefahr für die Cybersicherheit. Der Konzern ihres Vaters pflege eine zu große Nähe zu den chinesischen Behörden.

Ende Januar 2019 kam es zur Anklage. Am 9. Juli 2021 wies die kanadische Richterin ohne Begründung Mengs Antrag ab, eine Reihe von entlastenden Beweisen vorzulegen.

Die Managerin kam erst am 24. September 2021 frei, als die Anklage fallengelassen worden war, ebenso wie wenige Stunden danach zwei Kanadier, die in China wegen Spionage verurteilt worden waren.

Am vergangenen Donnerstag (14. Dezember) schilderte Jörg Kronauer in der jW, wie das US-Chip-Embargo dem gigantischen Chip-Konzern Nvidia schadet. Nvidia-Chef ist Jensen Huang, der 1963 in Taiwan geboren wurde, mittlerweile ist er amerikanischer Staatsbürger und Mäzen der einschlägigen Stanford-Uni. Huang hat den Ehrgeiz, die dominierende Position seines Unternehmens auf dem Weltmarkt für KI-Chips zu halten. Der Konzern kontrolliert den Weltmarkt zu 85 %. Im dritten Quartal 2023 verdreifachte Nvidia seinen Umsatz auf über 18 Milliarden US-Dollar. Und er wächst.

Aber US-Handelsministerin Gina Raimondo hatte schon vor einem Jahr die Ausfuhr hochentwickelter KI-Chips untersagt. Das traf Nvidias Erfolgsmodelle A100 und H100. Daraufhin vereinfachte der Konzern seine Modelle, um den chinesischen Markt dennoch bedienen zu können. Und die etwas primitiveren Halbleiter, sie wurden jetzt A800 bzw. H800 getauft, verkauften sich immer noch gut – bis die US-Handelsministerin im Oktober auch das verbot. Nvidia muss nun erhebliche Umsatzeinbußen für das vierte Quartal 2023 befürchten, reagiert aber unverdrossen mit noch schlapperen Halbleitern. Jetzt heißen sie H20, L20 und L2 und sollen die Marktposition von Nvidia halten.

Aber die chinesische Seite schläft nicht. Mittlerweile hat Huawei einen neuen KI-Chip entwickelt, der mit fast allen Eigenschaften gegen Nvidia konkurrieren kann. Ebenso clever ist der Konzern Tencent, auch seine neuen Modelle können Nvidia-Chips schon jetzt ersetzen. Die Umstellung ist technisch etwas umständlich, aber offenbar unumgänglich. In der vergangenen Woche fetzten sich Raimondo und Huang über die Auslegung der US-Richtlinien. Kronauer: „Am Ende könnten beide verlieren: Nvidia den chinesischen Markt, die US-Regierung ihren Kampf gegen den Aufstieg der chinesischen KI-Branche.“

Seltene Erden

Für die Produktion von Akkus und Halbleitern werden sogenannte Seltene Erden benötigt. Zwei Drittel davon importiert Deutschland aus China. Laut Tagesschau vom 24. Januar wurden von Januar bis November 2022 rund 5300 Tonnen dieser Rohstoffe im Wert von 49,3 Millionen Euro importiert. China liefert derzeit 94 Prozent der weltweiten Gallium-Produktion. Das seltene Metall wird für Chipkarten benötigt, aber auch für LEDs und Solaranlagen. Aber seit dem 1. August gilt eine Verfügung des Handelsministeriums der Volksrepublik China, wonach Unternehmen, die die Metalle mit den schönen Bezeichnungen Gallium oder Germanium ausführen möchten, eine gesonderte Lizenz benötigen. Das wurde Anfang Juli kurz vor dem Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellens mitgeteilt. Es könnten zudem Ausfuhrbeschränkungen bei weiteren Rohstoffen folgen. Mit Blick auf die verschärften US-Sanktionen erläuterte Wang Huiyao, Präsident des Center for China and Globalization, einer Denkfabrik in Beijing, die Volksrepublik könne unmöglich »einfach all die Giftpillen schlucken und weiterlächeln«.

Apple-Sturz

Die FAZ berichtete im September, innerhalb von zwei Tagen habe die Firma Apple 200 Mrd Dollar an Börsenwert verloren. Den Absturz hatte, wie sich unterdessen herausstellt, ein Gerücht ausgelöst. Man munkelte, Peking habe iPhones aus immer mehr Ministerien und staatseigenen Unternehmen verbannt.

BYD auf der IAA

Am 10. September, liebe Genossinnen und Genossen, endete die Internationale Automobil Ausstellung (IAA). 27 Klimafreunde verbrachten die Tage in Präventivhaft. Vom Protestcamp mit mehreren tausend Teilnehmern war wenig die Rede. Dafür aber vom chinesischen Auftritt, der den deutschen Platzhirschen die Show stahl, wie es Jörg Kronauer in der jW (14. September 2023) kommentierte. „Gut seien sie, die E-Autos aus der Volksrepublik, schwärmten Branchenexperten; in Sachen IT-Ausstattung seien sie Weltspitze, und vor allem brächten chinesische Produzenten auch kostengünstigere, für viele bezahlbare Modelle auf den Markt. Sie stünden in Europa wohl vor dem Durchbruch. Das war die gängige Meinung.“ Aber drei Tage nach der Automesse hat die EU-Kommissionschefin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union geklagt, dass die Weltmärkte durch chinesische Elektroautos überschwemmt würden, und Strafzölle angedroht. Angesichts dessen, dass China für deutsche Autokonzerne der wichtigste Markt ist, erscheinen solche Drohungen höchst riskant.

Kriegstreiber MIK

Selbstverständlich verlassen sich die USA nicht nur auf ihre ökonomische Stärke.

Den Knüppel halten sie immer parat. Er hat einen Namen. Es ist der mächtige militärisch-industrielle Komplex (abgekürzt: MIK), vor dessen Einfluss US-Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 schon gewarnt hatte. Allein die puren Militärausgaben machen den gewaltigen Einfluss des MIK sichtbar. Allein 800 Mrd Dollar stehen offiziell für die Rüstung im Haushalt. James M. Cypher (siehe „Z“ Nr. 135, September 2023) rechnet aber mit militärischen Gesamtausgaben von 1,6 Billionen Dollar.

Die Rüstungsindustrie, so Cypher, stelle gewissermaßen die Basis eines gleichseitigen Dreiecks des MIK dar, die zweite Seite bestehe aus den Streitkräften, den Nachrichtendiensten, den einsatzbereiten Einheiten der Nationalgarde, privaten Söldner-Sicherheitsunternehmen und Veteranenorganisationen. Die dritte Seite werden durch den zivilen nationalen Sicherheitsrat repräsentiert mit dem Chef der Exekutive an der Spitze, dem Außenminister, dem Nationalen Sicherheitsrat, den Mitgliedern der wichtigsten Rüstungs- und Sicherheitsausschüssen des Kongresses, der NASA und die vom Militär und von Auftragnehmern finanzierten, nur scheinbar unabhängigen Denkfabriken in Washington D.C.

Von den fünfundzwanzig meistzitierten US-Thinktanks erhalten zwölf „viel Geld von Waffenherstellern“, darunter das International Institute for Strategic Studies, die Brookings Institution, das Center for Strategic an International Studies und das Arab Gulf States Institute.

Eisenhower warnte seinerzeit vor der Einflussnahme des MIK auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Die politische Führung könne als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie geneigt sein, Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen.

Dirk Stehling

Klaus Stein

Göttingen, 16. Dezember 2023



[1] Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2022, Table A4. Globaler Westen: USA, Kanada, Europa und Japan.

[2] Obwohl China gemessen am nominalen BIP inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und gemessen am kaufkraftbereinigten BIP schon zur größten Volkswirtschaft aufgestiegen ist, wird das Land gemeinhin immer noch als Schwellenland beziehungsweise als eine der „aufstrebenden und sich entwickelnden Wirtschaften“ (emerging and developing economies) eingestuft. China selbst bezeichnet sich vor dem Hintergrund noch bestehender großer regionaler und sozialer Ungleichheiten und im Hinblick auf die sozialistische Zielsetzung als größtes Entwicklungsland der Welt.

[3] Quelle: UNCTAD, World Investment Report, 2017.

[4] Quelle: statista

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