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Zur organisationspolitischen Orientierung der DKP

Offener Brief der DKP Braunschweig an den Parteivorstand der DKP

Mit der 6. und 7. PV-Tagung wird ein neuer org-politischer Weg eingeschlagen, den wir nicht akzeptieren und der korrigiert werden muss.

Dazu Zitate aus den umfangreichen Dokumenten:

Zitate Referat Björn Blach, 6. und 7. PV-Tagung:

„Wir haben nach dem 20. Parteitag unsere Weltanschauung wieder zur Richtschnur für die Politikentwicklung unserer Partei gemacht.“

„organisationspolitische Neuaufstellung der DKP seit dem 20. Parteitag“

„Als in der Parteiauseinandersetzung gegenüber den „Thesen“ aus vielen Gruppen der Ruf kam „haben wir noch nie so gemacht“, hat es den revisionistischen Durchmarsch verhindert.“

„teilweise hat es aber auch mit der zeitweisen Entfernung der damaligen Führung der DKP vom Marxismus-Leninismus zu tun.“

Kommentar:

Mit diesen Einschätzungen beleidigt der Referent die Genossinnen und Genossen, die vor dem 20. Parteitag in der Partei aktiv waren. Nach welcher „Richtschnur“ handelten die – dem neuen Testament, dem Koran?

Das erinnert an den Umgang der Besserwessis mit DDR-Bürgern – was ihr die letzten 40 Jahre gemacht habt, könnt ihr vergessen . . .

Wer so argumentiert, reklamiert die Deutungshoheit der marxistischen Weltanschauung für sich und spricht sie anderen ab. Diese Herangehensweise hat von den 30er bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in den KP'n schwerwiegende Folgen gehabt.

Von einer org-politischen Neuaufstellung kann keine Rede sein, wenn man erst ein halbes Jahr nach Abschluss der MBNA eine konkrete Mitgliederzahl nennen kann und konstatiert, dass den Grundorganisationen „der Morast bis über den Kopf steht“.

 

Der o.g. Referent hat in der 6. und 7. PV-Tagung u.a. diese Konsequenzen vorgeschlagen:

„Dabei müssen wir Prioritäten setzen, eine Hierarchie der Strukturen und damit der Aufgaben entwickeln, was vor allem den Kadereinsatz betrifft. Diese Aufgaben haben auch Priorität gegenüber der Arbeit in Bündnisstrukturen.

„Wenn die zentralen Strukturen gesichert sind, inklusive der UZ, der KLS und der SDAJ, steht weiterhin im Mittelpunkt vor allem unsere aktiven Gliederungen zu stärken, da nur hier natürlich auch die Verankerung stattfinden kann.“

„Neu ist das wir dafür auf einer anderen Ebene beginnen. Es geht also wie bei Baron Münchhausen, darum sich mittels ziehen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Den Grundorganisationen steht der Morast schon bis über den Kopf, um sie daraus zu ziehen und zu entwickeln, müssen wir uns von oben her herausziehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen für die einzelnen Bereiche beginnen deshalb immer am Kopf und setzen sich über die Bezirke und Kreise zu den Grundorganisationen fort.

Die Schritte sind:

  • PV als politisches Leitungsgremium
  • Stärkung der „zentralen Verwaltung“
  • Fokussierung der Bezirke auf Anleitung
  • Kaderplanung und -entwicklung von den Grundorganisationen aus
  • Entwicklung und Stärkung der Grundorganisationen als Arme, Beine und Sinnesorgane in der Klasse“ „Wir ringen um die zentrale Rolle der PV- Referate. Wir versuchen diese besser zu strukturieren, so dass sie besser nachvollzogen und in der Partei besser diskutiert werden können.“

Kommentar:

Eine Parteiführung, die sich selbst als „Kopf“ bezeichnet und der Basis die Rolle von Sinnesorganen, Armen und Beinen zuordnet, kann keinen Respekt erwarten. Welches Bild hat der Referent von der Parteibasis, wenn er sie bis über den Kopf im Morast wähnt?

Diese Parteikonzeption ist autoritär und sektiererisch. Innerorganisatorischer Kadereinsatz vor „Arbeit in Bündnisstrukturen“ verringert politischen Einfluss. Eine „zentrale Rolle der PV-Referate“, die „besser nachvollzogen“ werden können, vernachlässigt Erkenntnisse marxistischer Wissenschaftler und Bündnispartner.

Zu dieser abgehobenen Konzeption passen die drei Seiten Tabellen mit einer völlig schematischen Einteilung der Gruppen.

Zum Thema Androhung von Konsequenzen an die Bezirksorganisation Saarland:

Der Bezirksorganisation wird vorgeworfen, sie verweigerte die Umsetzung des Beschlusses zur MBNA.

Tatsächlich haben die Genossinnen und Genossen mehr als 100 % der Mitglieder mit neuen Mitgliedsbüchern versorgt. Sie bemängelten die „überbürokratische“ Herangehensweise des PV und gingen ihren eigenen Weg.

Anscheinend zählt für den PV nicht das Ergebnis der MBNA sondern, dass die entsprechenden Formulare verwendet werden – ein Beweis für Überbürokratisierung!

Wir haben eine andere Auffassung von organisationspolitischer Orientierung:

„Die Deutsche Kommunistische Partei hat sich nicht um ihrer selbst Willen gebildet. Sie dient der Arbeiterklasse und dem Volk. Sie wirkt mit den Arbeitern für die Arbeiter, mit der Jugend für die Jugend, mit dem Volk für das Volk.“ - steht in unserem Parteibuch.

Das sollte Grundsatz der organisationspolitischen Orientierung der DKP sein.

Grundlage wäre eine konkrete, vollständige Bilanz der Mitgliedsbuch-Neuausgabe.

Wie viele Mitglieder hat die DKP, wie stark ist sie in welchem Bundesland?

Entsprechen unsere Strukturen und unsere Arbeitsweise der eigenen Stärke und den politischen Anforderungen?

Wo ist die DKP politisch wirksam?

Wo und in welchen politischen Handlungsfeldern haben wir politischen Einfluss?

Wo und wie erweist sich die DKP für andere Menschen als nützlich?

Zur Bestandsaufnahme gehört weiter:

Welche Kontakte haben wir? Welche Zusammenarbeit gibt es?

Welche Hindernisse gibt es für eine Zusammenarbeit?

Welche Stärken können wir in diese Zusammenarbeit einbringen, welche Schwächen müssen wir überwinden?

Welche Perspektiven ergeben sich aus der Zusammenarbeit für die Stärkung der DKP?

Es werden organisationspolitische Schlussfolgerungen gezogen, die sich auf die innere Verfasstheit der DKP beziehen und damit nicht den politischen Anforderungen genügen.

Die formale Kategorisierung der Parteigruppen vernachlässigt den Aspekt über welchen politischen Einfluss Genossinnen und Genossen, Gruppen und Kreise verfügen.

Ein „starkes Zentrum“, „von oben nach unten, langfristige Zeitpläne und eine Taktung der Partei“, „Leuchttürme“, „Anleitung zur Anleitung“, „zentrales Element bei der Leitung durch ein starkes Zentrum sind die Referate der PV-Sitzungen.“, sind eine falsche Orientierung. Bezugspunkt einer solchen Orientierung ist Zustand und Befindlichkeit der Partei selbst und damit zu eng. Diese von „von-oben-nach-unten“-Orientierung ist Ausdruck eines autoritären Parteiverständnisses. Die Formulierungen „Leitung aus einem starken Zentrum“, „Anleitung von Grundorganisationen durch PV und Bezirksorganisation“, „der PV (muss) die Bezirke in der Anleitungstätigkeit orientieren, also anleiten zum anleiten“ sind Beispiele für dieses autoritäre Parteiverständnis. Die Folge wird weiteres Schrumpfen der Partei, Verringerung ihres politischen Einflusses sein.

Eine organisationspolitische Orientierung muss über den Tellerrand der DKP hinaus reichen.

Erstens um unserer selbst willen, weil eine „von-oben-nach-unten“-Organisation keine Option für junge, fortschrittliche Menschen ist.

Zweitens können wir die politischen Kräfteverhältnisse nur gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Menschen verändern.

Im Parteiprogramm wird das so beschrieben:

„In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.“

Es gibt vielfältige politische Kräfte, die sich auf Marx, Engels, Lenin, Gramsci, Luxemburg u.a. beziehen, die den Kapitalismus aus den verschiedensten Gründen überwinden wollen.

Sie sind in Gewerkschaften, Umweltorganisationen und -initiativen, antifaschistischen Organisationen aktiv – besonders unter der jungen Generation.

Es gibt marxistische Gesellschafts- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die im Kapitalismus

keine Zukunft für Mensch und Natur sehen.

Deren Analysen, Einschätzungen, Orientierungen sind mindestens genauso wichtig wie „Kerngedanken der (PV-)Referate, die den Gliederungen bei deren Diskussion helfen“ sollen.

Eine Orientierung auf die Zusammenarbeit mit diesen Menschen, Initiativen, Organisationen erhöht unseren politischen Einfluss, schafft Kontakte und damit die Voraussetzung für die Stärkung der DKP.

Von den vielfältigen kapitalismus-kritischen Menschen/Organisationen wird das Fehlen eines „strategischen Zentrums“ beklagt. Das wäre eigentlich die Rolle einer kommunistischen Partei. Die DKP wird diese Rolle mit der von uns kritisierten org-politischen Orientierung nicht ausfüllen können.

Die Prinzipien einer Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften sind im Programm der DKP von 2006 so definiert: „Die Mitglieder der DKP arbeiten aktiv in demokratischen Bewegungen, Bündnissen und örtlichen Bürgerinitiativen mit. Die DKP geht davon aus, dass Inhalt und Form des Kampfes durch die jeweiligen Bewegungen selbst bestimmt werden. Die Mitglieder der DKP wirken konsequent für die gemeinsam erarbeiteten Forderungen und Ziele und bringen in die Debatten um Kampfformen und gesellschaftliche Alternativen ihre weltanschaulichen und politischen Positionen ein.“

Für eine organisationspolitische Orientierung sollten wir die Gründe für den wachsenden Einfluss erfolgreicher KP'n in Belgien und Österreich beachten.

Mit welcher politischen Orientierung, mit welchen Methoden haben sich diese Parteien gut entwickelt, was ist übertragbar?

 

Kreisvorstand der DKP Braunschweig

Werner Hensel, Vorsitzender

 

Braunschweig, 7. August 2024

Offener Brief des Netzwerks kommunistische Politik an den Parteivorstand der DKP

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir haben die erste Auswertung der Mitgliedsbuchneuausgabe (MBNA) und die bisherige Planung zum Parteitag zur Kenntnis genommen. Nach unseren Informationen hat die DKP seit der letzten MBNA erneut massiv Mitglieder verloren.

Wir machen uns große Sorgen um die weitere Existenz der Partei als marxistische Kraft in der BRD. Unserer Meinung nach ist es aus vielen Gründen nötig, in den Auseinandersetzungen dieser Zeit hör- und wahrnehmbar Präsenz zu zeigen.

Nie war nach dem Zweiten Weltkrieg die Kriegsgefahr so groß wie jetzt. Die sozialen und demokratischen Verhältnisse verändern sich zu reaktionären Verhältnissen zugunsten besonders des internationalen Monopolkapitals. Die Klimakatastrophe entwickelt existenzbedrohende Auswirkungen für Mensch, Tierwelt und die Natur.

Das Parteiprogramm der DKP formulierte Gefahren durch existenzbedrohende Krisen, deren Auswirkungen heute nachvollziehbarer sind. Faschistische und reaktionäre Kräfte entwickeln ihre menschenverachtenden Szenarien und haben dazu bereits Aktionen durchgeführt. Mehr als 200 Tote belegen dies.

In dieser Zeit muss aus unserer Sicht alles getan werden, um breite gesellschaftliche Allianzen und Bündnisse zu initiieren oder dort wo vorhanden konstruktiv mitzuwirken, um Gefahren abzuwehren und für progressive Alternativen zu streiten.

Die Existenzfrage der DKP als Partei der Arbeiterklasse in diesem Land entscheidet sich vor allem aus politischen Initiativen und Handlungen.

Wir sind bereit, im Rahmen der DKP und ihres Programms und Statuts für diese Ziele zu wirken. Wir müssen unser politisches Angebot formulieren, öffentlich machen und vor allem in Gewerkschaften, Verbänden, Initiativen und Bewegungen einbringen.

Kommunistische Politik, Strategie und Taktik in der DKP haben sich immer an zu lösenden politischen Aufgaben orientiert und nicht an unserer Befindlichkeit oder der Struktur und Stärke der Partei. Die Politik auf der Grundlage der wissenschaftlichen Strategie und Taktik von Marx, Engels und Lenin und anderer marxistischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu entwickeln, ist und bleibt der Kompass für aktuelles Handeln und für Vorschläge und Vorstellungen für eine sozialistische Zukunft.

Wir erwarten vom kommenden Parteitag eine schonungslose Darstellung der politischen Bilanz und der Organisation sowie eine offene demokratische Debatte zu politischen Einschätzungen der Situation und notwendigen Orientierungen daraus.

Es geht um die Existenz der DKP als politisch handlungsfähige Kraft in diesem Land und als zuverlässige Partnerin in regionalen und internationalen Zusammenhängen marxistischer, linker und demokratischer Parteien und Bewegungen.

Wir hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, die politischen Herausforderungen in diesem Sinne zu beeinflussen.

Für das Netzwerk kommunistische Politik

Isa Paape, Heinz Stehr, Norbert Heckl, Detlef Fricke, Uwe Fritsch, Thomas Hagenhofer, Volker Metzroth, Werner Hensel

Massendemos machen Mut!

Mehr als eine Million Menschen haben gegen die AfD und deren Vorhaben zu Massendeportationen demonstriert! Die Träger vor Ort sind oft sehr unterschiedlich: Einzelpersonen, Bündnisse, Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien, Sportvereine, Kirchen und andere Initiativen. Sie alle eint die Empörung über die AfD-Politik und der Wunsch, sich gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Faschismus zu wehren.

Der Protest zeigt Wirkung bei Faschisten. Das ist gut für die politische Kultur unseres Landes und für das Ansehen im Ausland.

Dass versucht wird, diese Bewegung  für eigene Zwecke zu nutzen, kann nicht überraschen. Regierung und einige Bundestagsparteien wollen so verloren gegangenes Ansehen korrigieren. Auch diese Tatsache erfordert immer wieder, deutlich zu machen, dass die Politik dieser Parteien die Rechtsentwickliung möglich gemacht hat und sie befeuert.

Völlig zu Recht stehen bei den Massenprotesten daher auch politische Forderungen im Mittelpunkt, die dem Rechtsextremismus die Stirn bieten können: Asylrecht verteidigen, Fluchtursachen bekämpfen! Rüstet endlich ab! Umfairteilung zur Bekämpfung der wachsenden Armut, zum Ausbau von Gesundheit, Pflege und Bildung! Rechte von Frauen und LGBTQ verteidigen! Klimaschutz sozial gerecht und demokratisch gestalten!

Die AfD ist wie die NPD eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, diese Tatsache fordert zwingend die Auflösung und das Verbot nach dem Artikeel 139 GG und den gültigen Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zur Entnazifizierung.

Dass Maßnahmen dieser Art eine ständige politische Auseinandersetzung und die Einbeziehung der Geschichte Deutschlands erfordern, ist gelebte Erfahrung.

Das Netzwerk Kommunistische Politik wird weiterhin initierend und aktiv dabei sein!

Denn wir Kommunist*innen stehen zu den Lehren der Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung 1933. Wir stehen für breite gesellschaftliche Bündnisse gegen faschistische Kräfte.

„Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.

Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.“

Erich Kästner

Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse

Aktualisiertes Referat, gehalten auf dem Netzwerktreffen in Göttingen

Altmaiers Industriestrategie

Anfang 2019 legte der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vor. Diese sah im Kern die Erleichterung von Unternehmens-zusammenschlüssen und die Schaffung großer Monopole, „nationale und europäische Champions“, vor, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Als Hauptgegner wurde in diesem Papier China genannt. Um mit den chinesischen Staatsunternehmen im Wettbewerb bestehen zu können, müsse der Staat stärker ins Marktgeschehen eingreifen. Je größer die wirtschaftliche Bedeutung eines Vorgangs, desto größer müsse der Spielraum des Staates für aktive und aktivierende Gestaltung sein. Altmaier bemängelte das seit etwa 15 Jahren lahmende Innovationstempo. Vor allem bei den „Schlüsseltechnologien und Basisinnovationen“, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz etwa, drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren, im neoliberalen Neusprech vom „rule-maker“ zum „rule-taker“ zu werden.

Altmaier beklagte die unfairen Bedingungen, mit denen die europäischen Unternehmen auf dem globalen Markt konfrontiert seien. (Wobei die EU bei ihren Handelsbeziehungen zu beispielsweise afrikanischen Ländern natürlich auf Fairness großen Wert legt!). Es ginge nicht darum, den Protektionismus anderer Länder zu kopieren, sondern „die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas“ zu verteidigen.

Das Papier stieß allerdings bei den Kapitalvertretern aufgrund des darin geforderten stärkeren staatlichen Eingreifens durch Erwerb von Unternehmensanteilen auf Ablehnung. Der BDI brachte einen Gegenentwurf heraus, der die Beschränkung des Staates auf marktkonforme Instrumente forderte.

Altmaiers Industriestrategie und die Reaktionen darauf sind Ausdruck des Dilemmas, in dem die Herrschenden stecken. Es besteht im Kern in dem kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen dem wachsenden gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung und Verfügung über die Produktivkräfte. Zunehmend wird das mit der Anhäufung von Kapital verbundene Wachstum der Produktivkräfte zu einem Hemmschuh für die Kapitalverwertung. „Die Vergesellschaftung der Produktion stößt beständig auf die Schranken des privatkapitalistischen Eigentums.“ (Peter Hess, Monopoltheorie und Kapitalismuskritik, in: Ökonomische Theorie, politische Strategie und Gewerkschaften, Frankfurt a.M., 1971).

Überakkumulation und periodische Krisen, in denen überschüssiges Kapital vernichtet wird, sind die Folge. Die Verfügung über fremdes Kapital in den Händen einer abnehmenden Zahl von Kapitaleigentümern, d.h. die Bildung von Monopolen ist zunehmend notwendig, um die immer schwieriger werdende Kapitalverwertung unter der Bedingung der hoch vergesellschafteten Produktion zu gewährleisten. Mit der Konsequenz der Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche, und dass dadurch „allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“ werden. (Kommunistisches Manifest)

Abwärtstrend

Der ökonomische Abstieg des Westens schreitet rapide voran. Der Abwärtstrend des Produktivitätswachstums lässt sich für alle wichtigen Industrieländer nachweisen. Der IWF sagt in seiner aktuellen Prognose für alle westlichen Industriestaaten einen deutlichen Rückgang des BIP voraus, für Deutschland sogar ein negatives Wachstum von - 0,5%. Deutschland ist damit unter den stärksten Volkswirtschaften das einzige Land, dem ein Schrumpfen der Wirtschaft prognostiziert wird. Besser sehen die Konjunkturaussichten für die Schwellenländer aus. Das BIP der Industrieländer steigt laut IWF in diesem Jahr um rund 1,5 % , das der Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen um rund 4 %. Für die USA hat der IWF seine Prognose vom Juli um 0,3% auf 2,06 % Wirtschaftswachstum angehoben. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag das Wachstum der US-Wirtschaft noch bei 5,95 %. Deutlich nach oben revidiert wurde die Prognose für Russland. Dessen BIP wird laut IWF in diesem Jahr um 2,2 % wachsen, 0,7 % mehr als noch im Juli angenommen. Die höchsten Wachstumsraten werden in den kommenden Jahren Indien und China vorausgesagt. Für China prognostiziert der IWF einen Anstieg des BIP von 3% auf 5%, für Indien ein Wachstum von 6,2%.

Die wirtschaftliche Bedeutung der BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) nimmt immer mehr zu. Die selbsternannten G7 sind schon lange nicht mehr die sieben größten Industrienationen. Der Trend der Verschiebung der Produktionsanlagenvon den westlichen Industrieländern in die Schwellen- und Entwicklungsländer setzt sich unvermindert fort. So ist der Anteil des „Globalen Südens“ an den weltweiten Warenexporten von 28,4% (1993) auf 49,2% (2022) gestiegen. Der Anteil des „Globalen Westens“ ist in diesem Zeitraum von 71,6% auf 50,8% gesunken.[1] China nimmt eine herausragende Bedeutung unter den Schwellenländern ein.[2]

Vor allem, was die internationalen Direktinvestitionen anbelangt. Zwischen 2000 und 2016 ist der chinesische Anteil am Bestand der internationalen Auslandsanlagen (2016: ca. 26 Billionen US-Dollar) von 10 auf etwa 24% gestiegen.[3] Während der Anteil Chinas am globalen Bruttoinlandsprodukt kaufkraftbereinigt von 2,27% im Jahr 1980 auf 18,48 % im Jahr 2022 anstieg, schrumpfte der US-Anteil am Welt-BIP von 21,41% im selben Zeitraum auf 15,98%. Die EU stürzte von 25,85% auf 14,9%.[4]

Neuer Kompass

Hervorzuheben ist die chinesische neue Seidenstraßen-Initiative („Belt and Road Initiative“ - BRI), ein Mammutinfrastrukturprojekt, das rund 6 Billionen US-Dollar an Direktinvestitionen, also nahezu ein Viertel der globalen Auslandsanlagen umfasst. 146 Länder Asiens, Europas und Afrikas haben sich dieser Initiative bisher vertraglich angeschlossen. Auch 30 internationale Organisationen sind daran beteiligt.

Die USA und die EU reagierten darauf mit eigenen Investitionsstrukturprogrammen, mit denen man dem chinesischen Projekt das Wasser abgraben will. Auf dem G7-Gipfel im Sommer 2021 wurde die US-amerikanische Initiative „Build Back Better World“ (B3W) vorgestellt. Die EU folgte im Dezember mit der „Global Gateway“ - Initiative (GG). Auf dem G7-Gipfel in Elmau Juni '22 wurde die „Partnership for Global Infrastructure and Investment“ (PGII) ins Leben gerufen, eine Neuauflage von B3W und GG. Es verspricht den Ländern des Globalen Südens durch Bereitstellung von Krediten die Realisierung von Infrastrukturprojekten. Dieses „riesige Investitionsprogramm“ (Zeit online vom 26. Juni '22) sieht Investitionen in der Höhe von 600 Mrd. USD für den Zeitraum von 2022-2027 vor. Es sei eine „umfassende, transparente und wertegeleitete Wahl für Infrastrukturentwicklung“, so Biden. Aber dieses im Vergleich zur Seidenstraßen-Initiative (6.000 Mrd. USD) allein von der Summe her klägliche Programm kommt bei den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht gut an. Zu sehr schrecken schlechte Erfahrungen mit den mit westlichen Krediten verbundenen Auflagen und „Strukturanpassungsmaßnahmen“ ab.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Länder der Dritten Welt den vom Westen dominierten Institutionen IWF und Weltbank alternativlos ausgeliefert waren und sich den von diesen verordneten neoliberalen Rosskuren fügen mussten.

Ausdruck einer sich entwickelnden multipolaren Weltordnung sind neue Allianzen, in denen der Westen keinen oder nur schwindenden Einfluss hat. Zu nennen sind hier neben dem schon erwähnten BRICS, das asiatische Freihandelszone ASEAN, die „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) und das RCEP-Abkommen („Regional Comprehensive Economic Partnership“). RCEP ist das größte Freihandelsabkommen der Welt. Es ist 2022 in Kraft getreten und umfasst neben China die ASEAN-Staaten, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Unterzeichnerstaaten beträgt rund 25 Billionen Euro und übertrifft damit das der am Freihandelsabkommen USMCA beteiligten Partner USA, Mexiko, Kanada und der EU.

Der von China, Russland und vier zentralasiatischen Republiken 2001 gegründeten SCO haben sich inzwischen Pakistan, Indien (2017) und Iran (2021) angeschlossen. Beobachterstatus haben Afghanistan, Belarus, Mongolei und Turkmenistan. Dialogpartner sind Armenien, Aserbeidschan, Nepal, Sri Lanka, Kambodscha und die Türkei. Anwärter sind Ägypten, Quatar und Saudi-Arabien. Bemerkenswert an dieser Liste vor allem unter dem Aspekt der Friedenssicherung ist, dass sich in diesem Bündnis auch verfeindete Staaten wie Pakistan und Indien und Armenien und Aserbaischan zusammengefunden haben.

Die Hauptziele der SCO sind die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und die Beförderung der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region sowie Fortschritte bei der Implementierung „einer demokratischen, fairen und rationalen politischen und ökonomischen Ordnung“. Ein wesentlicher Schwerpunkt der SCO bildet die Überwindung der Armut. Die Organisation unterhält Kooperationsbeziehungen mit der UNO und ASEAN.

Die BRICS-Staaten haben sich auf eine 2006 von Russland erfolgte Initiative hin zusammengeschlossen. Grundlagen des Bündnisses sind die UN-Charta, das Prinzip der Blockfreiheit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und die Neutralität gegenüber dritten Parteien. An vorderster Stelle der Agenda steht die Überwindung von Hunger und Armut und der Ungleichheit zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Erklärtes Ziel der BRICS-Staaten ist die Errichtung einer multipolaren Weltordnung, in der die Entwicklungsländer, vor allem Afrika, an den globalen Entscheidungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden. Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August wurden mit Argentinien (mittlerweile fraglich, nachdem der „Anarchokapitalist“ Javier Milei als Präsident aus den Stichwahlen vom 19. November hervorging), den Arabischen Emiraten, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien und Iran 6 weitere Länder in das Bündnis aufgenommen. Das Bündnis repräsentiert damit etwa 46 % der Weltbevölkerung. Mehr als 40 Staaten haben ihr Aufnahmeinteresse bekundet..

Frappierend ist die Gegensätzlichkeit der Ausrichtung der Gipfeltreffen der EU, G7 und NATO auf der einen und der BRICS auf der anderen Seite. Während jene auf Konfrontation gegen die Feinde der „regelbasierten Ordnung“, Abschottung und die Verfolgung der eigenen Interessen ausgerichtet sind, propagieren die BRICS-Staaten Multilateralismus, Offenheit und internationale Zusammenarbeit.

Der Ukraine-Krieg hat den Niedergang des Westens verdeutlicht und beschleunigt. Er ist Ausdruck der sich vor allem in den letzten Jahren verändernden weltweiten Kräfteverhältnisse. Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung begreift, dass es sich dabei um einen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland handelt, bei dem das ukrainische Volk als Kanonenfutter benutzt wird. Der Westen und die Hegemonialmacht USA versuchen militärisch ihren ökonomischen, politischen und kulturellen Abstieg aufzuhalten und ihr „regelbasiertes“ imperialistisches Weltsystem gegen eine multipolare Weltordnung zu verteidigen.

Auch der Gaza-Krieg zeigt die zunehmende Isolation des Westens. Während der Westen die rücksichtslose Bombardierung der Zivilbevölkerung mit nunmehr über 17.000 Toten, über die Hälfte die Hälfte davon Kinder und Frauen, als Selbstverteidigung Israels bezeichnet, hat bereits die UN-Versammlung Ende Oktober mit großer Mehrheit in einer Resolution die Gewalt gegen Zivilisten verurteilt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. Die USA verhinderte jüngst mit ihrem Veto eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates. In der UN-Vollversammlung am 13. Dezember sprach sich eine noch deutlichere Mehrheit als im Oktober für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand aus. 153 Länder stimmten für den von Ägypten eingebrachten Resolutionsentwurf, 10 dagegen und 23 Länder enthielten sich, darunter Deutschland.

Die Wirtschaftssanktionen gegen China und die Provokationen in der Taiwan-Frage zielen indes auf eine weitere militärische Eskalation. Am Ende der Eskalationsspirale steht der mit Nuklearwaffen ausgetragene Dritte Weltkrieg.

Erfolglos blieben alle Versuche westlicher Politiker, die mit Russland im BRICS-Staatenbund kooperierenden Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika in die Front gegen Russland einzureihen. Sie lehnen sowohl die Waffenlieferungen an die Ukraine als auch die Sanktionen gegen Russland ab und drängen auf einen Friedensschluss. Die westlichen Sanktionen schaden vor allem dem Westen selbst. Bei den BRICS-Staaten haben diese im Gegenteil zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Russland und zu einem Aufbau alternativer, von den USA unabhängiger Zahlungssysteme geführt.

Erfolgreich war Russlands Isolierung nur im Westen, nicht in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Am Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg nahmen 49 von 54 Ländern Afrikas teil. Es wurden Maßnahmen zur engeren Kooperation und das Eintreten gegen den Neokolonialismus beschlossen. Diese Konferenz zeugt sowohl vom wachsenden Selbstbewußtsein der afrikanischen Staaten als auch der zunehmenden Isolation des Westens.

Der ehemalige Premierminister von Benin, Lionel Zinsou, brachte die in Afrika vorherrschende Haltung zu Russland und zum Ukraine-Krieg in einem Gespräch mit westlichen Diplomaten und Ministern am 12. März in Paris zum Ausdruck: „Wie Sie wissen, haben die afrikanischen Länder die UNO-Resolution zur Verurteilung Russlands nicht unterstützt. Und sie werden niemals irgendwelche Resolutionen gegen Russland unterstützen. Das ist in unserem tiefsten Inneren verankert: Russland ist gut, egal, was Sie von ihm halten. Dies ist eine Tatsache…. Ihr könnt die Afrikaner nicht mit Geschichten über Demokratie ködern. Das sind nur eure Märchen für euren eigenen Bedarf. Der Großteil der afrikanischen Elite wurde in der Sowjetunion ausgebildet – Ärzte, Ingenieure, Piloten, Lehrer, Wissenschaftler. Die Russen sind die einzigen Europäer, die Afrika dekolonisiert haben. Und Afrika erinnert sich daran. Genauso wie Afrika sich an die europäischen Gräueltaten erinnert. Kommen Sie zur Vernunft, suchen Sie nach diplomatischen Lösungen.“

Hase und Igel

Die diplomatischen Bemühungen von Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz im Frühjahr dieses Jahres erinnern an den Wettlauf von Hase und Igel.

Laut Ludwig Bechstein macht sich eines Sonntagmorgens der Hase, vornehm und dünkelhaft dazu, über die krummen Beine des Igels lustig. „Du bildest dir wohl ein“, antwortet der Igel, „dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?“

Sie vereinbaren einen Wettlauf, es geht um einen goldenen „Lujedor“ (Louis d’or) und eine Flasche Schnaps. Der Hase rennt, stößt am Ende der Ackerfurche auf des Igels Frau. Sie sieht ihrem Gatten täuschend ähnlich und teilt dem Hasen mit: „Ick bün all hier!“. Der Hase will seine Niederlage nicht wahr haben, verlangt Revanche und führt insgesamt 73 Läufe mit stets demselben Ergebnis durch. Beim 74. Rennen bricht er erschöpft zusammen und stirbt. Soweit Ludwig Bechstein im Jahr 1853.

Vom 15. bis 17. Mai weilte Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien und Katar. Es ging unter anderem um Syrien. Dazu erklärt das Außenministerium: „Als weiteres Thema wird die von arabischen Staaten angestrebte Normalisierung der Beziehungen zu Syrien auf der Agenda stehen, die aus Sicht Deutschlands wegen der anhaltenden Repression des Assad-Regimes an klare Bedingungen geknüpft sein muss.“

Unterdessen hatte die Tagesschau schon am 7. Mai gemeldet, dass die Außenminister der arabischen Länder eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen haben. „Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga werten Analysten auch als Konsequenz der neuerdings verbesserten Beziehungen zwischen den langjährig verfeindeten regionalen Großmächten Saudi-Arabien und Iran. Im März hatten die beiden Staaten unter Vermittlung Chinas angekündigt, wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen.“

 Am 15. Mai kommentierte Alexander Haneke in der FAZ: „An Themen mangelt es nie, wenn deutsche Außenminister an den Golf reisen. Doch wenn Annalena Baerbock an diesem Montag in Saudi-Arabien eintrifft, landet sie in einer veränderten Welt. Spätestens seit der von China vermittelten Wiederannäherung zwischen den alten Rivalen Teheran und Riad ist klar, dass der Westen immer weniger Bedeutung hat für seine einstigen Verbündeten am Golf. Die arabischen Monarchien haben ihre Beziehungen wirtschaftlich und politisch diversifiziert. Sie machen gute Geschäfte mit China, Indien und dem Rest der Welt, während Europa mehr denn je von seinen arabischen Rohstofflieferanten abhängig ist und in Gestalt von Flüchtlingen die Folgen gescheiterter Politik im Nahen Osten trägt. Die Außenministerin wird darauf gefasst sein müssen, dass sie entsprechend nüchtern empfangen wird. Mit Anmerkungen zur Menschenrechtslage, so berechtigt sie sein mögen, kommt sie keinen Schritt weiter. In der heimischen Öffentlichkeit bringt das zwar Punkte, vor Ort aber nur Kopfschütteln über westliches Schulmeistertum...“

Für Waffenstillstand und Deeskalation

Im Mai war Chinas Sonderbeauftragter für den Ukraine-Krieg in Europa unterwegs. Li Hui leitet die Abteilung für eurasische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium. Die Reise ist von Xi Jinping in einem Telefonat mit Selenski Ende April angekündigt worden. Sie führte den Sonderbeauftragten nach Russland, in die Ukraine, nach Deutschland, Frankreich und Polen. Es ging um eine politische Lösung.

Nachdem die EU-Kommission Sekundärsanktionen gegen chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht hat, twitterte der Abteilungsleiter für europäische Angelegenheiten im Außenministerium, Wang Lutong: „Während China alle Anstrengungen unternimmt, um Frieden zu fördern, was im Interesse Europas liegt, revanchiert sich Europa mit einem Stich in den Rücken und schikaniert China in Wirtschaftsfragen“. Die Global Times: Neben dem unnötigen Ukraine-Knoten liege ein Hauptproblem im EU-China-Verhältnis in Europas „Unterwerfung und Abhängigkeit von Washingtons umfassender Eindämmungsstrategie gegen China“.

Vor der Abreise des Sonderbeauftragten Li Hui verwies Außenamtssprecher Wang Wenbin auf Chinas Positionspapier. Wir kennen es als 12 Punkte-Papier, in dem es heißt, Dialog und Verhandlungen seien die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise. Die USA lehnen das Papier ab. Peking nutze diesen Umstand laut FAZ (15. Mai) als angeblichen Beweis für eine unkonstruktive Haltung Washingtons. Diese Lesart verbreiteten chinesische Vertreter mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, wo man ein rasches Ende des Krieges befürworte, auch um Entspannung auf dem Getreidemarkt herbeizuführen. Wang: „Die Welt ist weiterhin von den Auswirkungen der Krise betroffen. In der internationalen Gemeinschaft mehren sich die Stimmen für Waffenstillstand und Deeskalation.“

Im selben Artikel ist von einem zehnstündigen Treffen von Außenminister Wan Yi mit dem amerikanischen Sicherheitsberater Jake Sullivan Anfang Mai in Wien die Rede. Das Weiße Haus sprach danach von offenen, sachlichen und konstruktiven Diskussionen. Die chinesische Verlautbarung klang ähnlich. FAZ-Korrespondent Jochen Stahnke: Das deute auf den gegenseitigen Wunsch nach Stabilisierung.

Und es mehren sich bourgeoise Stimmen, die die Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse zur Kenntnis nehmen und eine Änderung der Politik anmahnen. Nikolas Busse analysierte in einem Leitartikel (FAZ vom 22. August) anlässlich des BRICS-Treffens: „Kein Zweifel sollte allerdings daran bestehen, daß die Entwicklung der Gruppe ein Symptom einer grundlegenden Neuverteilung der globalen Machtverhältnisse darstellt. Sie war schon lange, bevor man in Deutschland eine „Zeitenwende“ ausrief, in voller Fahrt. Die internationale Ordnung, die nach 1945 von den Vereinigten Staaten aufgebaut und gegen die Sowjetunion durchgesetzt wurde, wird sich nicht in allen Ausformungen halten lassen. Die Vorstellung, dass sich Aufsteiger wie China in die bestehenden Strukturen eingliedern lassen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen kommt es zur Konkurrenz der Ordnungsentwürfe. In Osteuropa wird sie derzeit gewaltsam ausgetragen.“

Und im Leitartikel der FAZ vom 12. September mit dem Titel „Die nächste Niederlage“, stellt derselbe Autor, Nikolas Busse, fest: „Was der Westen, vor allem Europa, gerade in West- und Zentralafrika erlebt, ist eine strategische Niederlage. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn die eigenen Truppen zum Abzug gezwungen werden und in einem Land nach dem anderen verbündete Regierungen aus dem Amt geputscht werden.“

„Die gerade in Deutschland mit großer Überzeugung verfolgte 'wertebasierte Außenpolitik' wird offenbar von nicht wenigen Adressaten als übergriffig wahrgenommen. Manchmal fragt man sich, warum es deutschen Politikern so schwerfällt, das zu verstehen.“

„Wir hätten die Welt gerne so, wie wir selbst leben...Klappt das nicht, dann werden EU-Sanktionen verhängt. Schon geschehen im Fall Malis und in Vorbereitung für Niger. Damit fühlt man sich dann in Europa moralisch ins Recht gesetzt, überlässt das Feld aber Moskau und Peking.“

Die 24-Zeichen-Strategie

Vielleicht wirkt hier aber noch die 24-Zeichen-Strategie von Deng Xiaoping (1904–1997). (Sie heißt so, weil sie im chinesischen Original mit sechs mal vier Zeichen geschrieben wird.)

„Beobachtet mit kühlem Kopf; reagiert gelassen; bleibt standhaft; verbergt unsere Fähigkeiten und wartet, bis unsere Zeit gekommen ist; seid zurückhaltend und versucht niemals, die Führung zu übernehmen.“ (zitiert nach Kronauer, Der Rivale, 2019, Anmerkung S. 32) 

Nationale Sicherheitsstrategie und Chip-Krieg

Am 12. Oktober 2022 wurde die US-amerikanische „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Weltpresse vorgestellt. Im Vorwort fasst Biden seine Absichten zusammen: „Unsere Welt ist an einem Wendepunkt. Meine Präsidentschaft will dieses entscheidende Jahrzehnt ergreifen, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen, die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass unsere geopolitischen Wettbewerber ausmanövriert werden. Rund um die Welt ist das Bedürfnis nach amerikanischer Führerschaft so groß, wie es je gewesen ist. Wir sind inmitten eines strategischen Wettbewerbs um die Zukunft der internationalen Ordnung.“

Er sitzt im Glashaus und droht mit Steinen Richtung China: „Autokraten arbeiten Überstunden, um Demokratie zu unterminieren und ein Regierungsmodell zu exportieren, das durch Unterdrückung zuhause und Zwang außerhalb gekennzeichnet ist.“

„Also werden die USA fortfahren, die Demokratie überall in der Welt zu verteidigen. Wir werden mit jeder Nation zusammenarbeiten, die unsere Grundüberzeugung teilt, dass die wertebasierte Ordnung die Grundlage für globalen Frieden und Wohlstand bleibt. Wir kommen aus jeder Krise stärker hervor. Nichts liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.“

Vielleicht glaubt das US-amerikanische Regierungspersonal der eigenen Rhetorik. Aber den Rest der Welt nervt die Heuchelei, kürzlich erst kenntlich am Veto im Sicherheitrat gegen einen Waffenstillstand in Palästina.

Sicherheitsberater Jake Sullivan äußerte zum Thema „Nationale Sicherheitsstrategie“ gegenüber der Presse, die wichtigste Waffe sei die US-amerikanische Hochtechnologie. „Wir verfolgen eine moderne Industrie- und Innovationsstrategie, indem wir unsere ökonomische Stärke und unsere technologische Führerschaft zu Hause investieren. Das ist die tiefste Quelle unserer Macht in der Welt.“ Weitreichende Handelsbeschränkungen sollen verhindern, dass China Hochleistungschips bezieht. Solche Beschränkungen gelten ebenso für Ausrüstungen zur Herstellung von Halbleitern. US-Amerikanern ist es untersagt, für chinesische Chip-Fabriken zu arbeiten.

Am 27. Januar einigten sich die USA mit den Niederlanden und Japan auf ein Embargo. In beiden Ländern werden Spezialmaschinen zur Chip-Produktion hergestellt. Das niederländische Unternehmen ASML wird keine komplexe EUV-Maschinen an China liefern, gar solche, die die bislang kleinstmöglichen Chips von bis zu zwei Nanometern fertigen.

Das wiederum mutet der US-amerikanischen Technologiebranche Einbußen zu. Dreiviertel der Weltproduktion von Chips werden nach China exportiert, das selbst nur 15% der Halbleiter herstellt. Bei den Exportbeschränkungen geht es hauptsächlich um Chips einer Größe unter 14 Nanometer. In Taiwan und Südkorea wird schon an leistungsfähigeren Chips der Größe 5 und 3 Nanometer gebastelt. Die US-Regierung will die chinesischen Internetgiganten Baidu, Alibaba und Bytedance treffen. Der Chipmangel soll die Entwicklung Künstlicher Intelligenz bremsen. Der Boykott, der bislang nur den Smartphonehersteller Huawei traf, gilt jetzt für 28 weitere chinesische Firmen.

Indessen ist die Technologiebranche international höchst arbeitsteilig organisiert. Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) hat schon mal vorweg die Erlaubnis erlangt, für ein Jahr Ausrüstung und Maschinen für ihre in China liegenden Halbleiterwerke einzuführen. Auch andere Firmen kommen in den Genuss derartiger Ausnahmeregelungen, damit der US-Wirtschaftskrieg gegen China die Hightechindustrie von Taiwan nicht gefährde.

Huawei, Nvidia

Im September berichtete die Presse vom neuesten Huawei-Smartphone. Es heißt Huawei Mate 60 Pro. Das 5G-fähige Gerät enthält Halbleiter mit einer Strukturgröße von 7 Nanometern. Die FAZ empört sich. Zitat: „Während US-Handelsministerin Gina Raimondo vor anderthalb Wochen China besuchte, stellte der Konzern das Gerät still und heimlich zum Verkauf. Der Zeitpunkt dürfte bewusst gewählt gewesen sein, selbst Staatsmedien setzten in ihrer Berichterstattung das 'zufällig' in Anführungszeichen. Von der Entspannung, die Raimondos Besuch hatte bringen sollen, ist ohnehin längst nichts mehr zu spüren.“

Es schießen laut FAZ Spekulationen ins Kraut darüber, wie Huawei solch ein Handy produzieren konnte.

Dieser Erfolg ist nebenher die schöne Pointe einer Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hat. Die USA ließten am 1. Dezember 2018 Meng Wanzhou in Vancouver verhaften. Sie kam zwar frei, durfte die Stadt aber nicht verlassen. Frau Meng ist die stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzdirektorin von Huawei. Ihr Vater Ren Zhengfei hat das Unternehmen gegründet.

Meng wurden Verstöße gegen die US-Sanktionen, Bankbetrug, Geldwäsche und Industriespionage vorgeworfen. Sie sei eine Gefahr für die Cybersicherheit. Der Konzern ihres Vaters pflege eine zu große Nähe zu den chinesischen Behörden.

Ende Januar 2019 kam es zur Anklage. Am 9. Juli 2021 wies die kanadische Richterin ohne Begründung Mengs Antrag ab, eine Reihe von entlastenden Beweisen vorzulegen.

Die Managerin kam erst am 24. September 2021 frei, als die Anklage fallengelassen worden war, ebenso wie wenige Stunden danach zwei Kanadier, die in China wegen Spionage verurteilt worden waren.

Am vergangenen Donnerstag (14. Dezember) schilderte Jörg Kronauer in der jW, wie das US-Chip-Embargo dem gigantischen Chip-Konzern Nvidia schadet. Nvidia-Chef ist Jensen Huang, der 1963 in Taiwan geboren wurde, mittlerweile ist er amerikanischer Staatsbürger und Mäzen der einschlägigen Stanford-Uni. Huang hat den Ehrgeiz, die dominierende Position seines Unternehmens auf dem Weltmarkt für KI-Chips zu halten. Der Konzern kontrolliert den Weltmarkt zu 85 %. Im dritten Quartal 2023 verdreifachte Nvidia seinen Umsatz auf über 18 Milliarden US-Dollar. Und er wächst.

Aber US-Handelsministerin Gina Raimondo hatte schon vor einem Jahr die Ausfuhr hochentwickelter KI-Chips untersagt. Das traf Nvidias Erfolgsmodelle A100 und H100. Daraufhin vereinfachte der Konzern seine Modelle, um den chinesischen Markt dennoch bedienen zu können. Und die etwas primitiveren Halbleiter, sie wurden jetzt A800 bzw. H800 getauft, verkauften sich immer noch gut – bis die US-Handelsministerin im Oktober auch das verbot. Nvidia muss nun erhebliche Umsatzeinbußen für das vierte Quartal 2023 befürchten, reagiert aber unverdrossen mit noch schlapperen Halbleitern. Jetzt heißen sie H20, L20 und L2 und sollen die Marktposition von Nvidia halten.

Aber die chinesische Seite schläft nicht. Mittlerweile hat Huawei einen neuen KI-Chip entwickelt, der mit fast allen Eigenschaften gegen Nvidia konkurrieren kann. Ebenso clever ist der Konzern Tencent, auch seine neuen Modelle können Nvidia-Chips schon jetzt ersetzen. Die Umstellung ist technisch etwas umständlich, aber offenbar unumgänglich. In der vergangenen Woche fetzten sich Raimondo und Huang über die Auslegung der US-Richtlinien. Kronauer: „Am Ende könnten beide verlieren: Nvidia den chinesischen Markt, die US-Regierung ihren Kampf gegen den Aufstieg der chinesischen KI-Branche.“

Seltene Erden

Für die Produktion von Akkus und Halbleitern werden sogenannte Seltene Erden benötigt. Zwei Drittel davon importiert Deutschland aus China. Laut Tagesschau vom 24. Januar wurden von Januar bis November 2022 rund 5300 Tonnen dieser Rohstoffe im Wert von 49,3 Millionen Euro importiert. China liefert derzeit 94 Prozent der weltweiten Gallium-Produktion. Das seltene Metall wird für Chipkarten benötigt, aber auch für LEDs und Solaranlagen. Aber seit dem 1. August gilt eine Verfügung des Handelsministeriums der Volksrepublik China, wonach Unternehmen, die die Metalle mit den schönen Bezeichnungen Gallium oder Germanium ausführen möchten, eine gesonderte Lizenz benötigen. Das wurde Anfang Juli kurz vor dem Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellens mitgeteilt. Es könnten zudem Ausfuhrbeschränkungen bei weiteren Rohstoffen folgen. Mit Blick auf die verschärften US-Sanktionen erläuterte Wang Huiyao, Präsident des Center for China and Globalization, einer Denkfabrik in Beijing, die Volksrepublik könne unmöglich »einfach all die Giftpillen schlucken und weiterlächeln«.

Apple-Sturz

Die FAZ berichtete im September, innerhalb von zwei Tagen habe die Firma Apple 200 Mrd Dollar an Börsenwert verloren. Den Absturz hatte, wie sich unterdessen herausstellt, ein Gerücht ausgelöst. Man munkelte, Peking habe iPhones aus immer mehr Ministerien und staatseigenen Unternehmen verbannt.

BYD auf der IAA

Am 10. September, liebe Genossinnen und Genossen, endete die Internationale Automobil Ausstellung (IAA). 27 Klimafreunde verbrachten die Tage in Präventivhaft. Vom Protestcamp mit mehreren tausend Teilnehmern war wenig die Rede. Dafür aber vom chinesischen Auftritt, der den deutschen Platzhirschen die Show stahl, wie es Jörg Kronauer in der jW (14. September 2023) kommentierte. „Gut seien sie, die E-Autos aus der Volksrepublik, schwärmten Branchenexperten; in Sachen IT-Ausstattung seien sie Weltspitze, und vor allem brächten chinesische Produzenten auch kostengünstigere, für viele bezahlbare Modelle auf den Markt. Sie stünden in Europa wohl vor dem Durchbruch. Das war die gängige Meinung.“ Aber drei Tage nach der Automesse hat die EU-Kommissionschefin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union geklagt, dass die Weltmärkte durch chinesische Elektroautos überschwemmt würden, und Strafzölle angedroht. Angesichts dessen, dass China für deutsche Autokonzerne der wichtigste Markt ist, erscheinen solche Drohungen höchst riskant.

Kriegstreiber MIK

Selbstverständlich verlassen sich die USA nicht nur auf ihre ökonomische Stärke.

Den Knüppel halten sie immer parat. Er hat einen Namen. Es ist der mächtige militärisch-industrielle Komplex (abgekürzt: MIK), vor dessen Einfluss US-Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 schon gewarnt hatte. Allein die puren Militärausgaben machen den gewaltigen Einfluss des MIK sichtbar. Allein 800 Mrd Dollar stehen offiziell für die Rüstung im Haushalt. James M. Cypher (siehe „Z“ Nr. 135, September 2023) rechnet aber mit militärischen Gesamtausgaben von 1,6 Billionen Dollar.

Die Rüstungsindustrie, so Cypher, stelle gewissermaßen die Basis eines gleichseitigen Dreiecks des MIK dar, die zweite Seite bestehe aus den Streitkräften, den Nachrichtendiensten, den einsatzbereiten Einheiten der Nationalgarde, privaten Söldner-Sicherheitsunternehmen und Veteranenorganisationen. Die dritte Seite werden durch den zivilen nationalen Sicherheitsrat repräsentiert mit dem Chef der Exekutive an der Spitze, dem Außenminister, dem Nationalen Sicherheitsrat, den Mitgliedern der wichtigsten Rüstungs- und Sicherheitsausschüssen des Kongresses, der NASA und die vom Militär und von Auftragnehmern finanzierten, nur scheinbar unabhängigen Denkfabriken in Washington D.C.

Von den fünfundzwanzig meistzitierten US-Thinktanks erhalten zwölf „viel Geld von Waffenherstellern“, darunter das International Institute for Strategic Studies, die Brookings Institution, das Center for Strategic an International Studies und das Arab Gulf States Institute.

Eisenhower warnte seinerzeit vor der Einflussnahme des MIK auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Die politische Führung könne als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie geneigt sein, Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen.

Dirk Stehling

Klaus Stein

Göttingen, 16. Dezember 2023



[1] Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2022, Table A4. Globaler Westen: USA, Kanada, Europa und Japan.

[2] Obwohl China gemessen am nominalen BIP inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und gemessen am kaufkraftbereinigten BIP schon zur größten Volkswirtschaft aufgestiegen ist, wird das Land gemeinhin immer noch als Schwellenland beziehungsweise als eine der „aufstrebenden und sich entwickelnden Wirtschaften“ (emerging and developing economies) eingestuft. China selbst bezeichnet sich vor dem Hintergrund noch bestehender großer regionaler und sozialer Ungleichheiten und im Hinblick auf die sozialistische Zielsetzung als größtes Entwicklungsland der Welt.

[3] Quelle: UNCTAD, World Investment Report, 2017.

[4] Quelle: statista

Bericht vom Netzwerktreffen in Göttingen

Mitte Dezember trafen sich, zum zweiten Mal in diesem Jahr, Genossinnen und Genossen des Netzwerks in Göttingen. Themen des ersten Tags waren zum einen die Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis, erkennbar u.a. durch internationale Zusammenschlüsse, die sich gegen die sog. „regelbasierte internationale Ordnung“ richten, wie sie die NATO- und EU-Staaten versuchen aufrechtzuerhalten und durchzusetzen, oder auch durch die wachsende Bedeutung der BRICS-Staaten und speziell Chinas. Klaus Stein und Dieter Stehling referierten dazu, eine lebhafte Diskussion mit unterschiedlichen Bewertungen schloss sich an. Ob damit die Chancen für eine friedlichere Entwicklung der Welt steigen, war eine der diskutierten Fragestellungen.

Das zweite Referat hielt Ulrich Schneider, einer der Sprecher der VVN und Generalsekretär der FIR. Er befasste sich mit der politischen Rechtsentwicklung in Deutschland, weitete aber den Blick auch auf andere europäische Staaten wie Holland, die Schweiz oder Italien. Die Wurzeln der Rechtsentwicklung sah er in den multiplen (weltweiten) Krisen, die aufgrund der Schwäche der Linkskräfte zu einem Erstarken rechtsextremer bis neofaschistischer Bewegungen führten und führen. Als Gegenstrategie arbeitete er heraus, dass sich die fortschrittlichen Kräfte stärker mit den realen Problemen der Menschen befassen müssen, dieses Terrain nicht der AfD überlassen dürfen; diese greift zwar reale Probleme auf, gibt darauf aber nur reaktionäre, rassistische, neoliberale und mit dem Kapitalismus vereinbare Antworten. In der Diskussion wurde auch die VVN-Aktion „Höcke ist ein Nazi“ angesprochen, die Ulrich als Versuch erklärte, die „Brandmauer“ zur AfD aufrechtzuerhalten, die aber bereits viele Risse hat. Auch der Vorwurf der „Rechtsoffenheit“ gegenüber Teilen der Friedensbewegung wurde angesprochen, ebenso wie Spannungen zwischen dem DKP-Parteivorstand und der VVN.

Der zweite Tag war der Entwicklung der DKP und der Rolle des Netzwerks Kommunistische Politik vorbehalten. Es zeigte sich - bei allen Vorbehalten - eine vorsichtig optimistischere Einschätzung als bei den letzten Treffen. In manchen Bereichen finde eine begrüßenswerte Anpassung an die Realitäten statt, gleichzeitig gebe es aber nach wie vor unverständliches sektiererisches Herangehen, beispielhaft zu sehen an der Nichtunterzeichnung des Aufrufs zur Friedensdemonstration am 25.11. in Berlin bei gleichzeitiger Mobilisierung dafür. (Als Grund wurde die Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine genannt.) Die Offenheit gegenüber Positionen des Netzwerks und die Möglichkeiten, darüber zu diskutieren, beurteilten viele größer als bis vor 1 oder 2 Jahren.  

Das Netzwerk sahen alle Anwesenden weiterhin als wichtig für den Austausch über eine kommunistische Politik an, die auf dem Boden des DKP-Programms steht. Um diese Politik weiterzuentwickeln, ist eine Zusammenarbeit mit anderen marxistischen Kräften und mit marxistischen Wissenschaftlern nötig, wie die DKP es in den 70er Jahren beispielhaft praktiziert hat. Dem dienten die beiden vom Netzwerk und der „Marxistischen Linken“ angeregten „Marxistischen Ratschläge“, denen ein weiterer zum Thema „Marxisten und Gewerkschaftsbewegung“ folgen soll. Solche Treffen seien wichtig für die Ausstrahlungskraft marxistischer und auch kommunistischer Politik, aber ebenso für die Entwicklung einer realistischen Politik der Kommunisten, zu der es - so sahen es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer - keine sinnvolle Alternative gibt.

Norbert Heckl

 

DIE LINKE nach dem Augsburger Parteitag

Ellen Brombacher, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform in der LINKEN, referiert zu den Ergebnissen des Parteitags der Partei DIE LINKE Ende Nov. 2023 und nimmt Stellung zur Parteispaltung sowie zum Bündnis Sahra Wagenknecht.

https://kpf.die-linke.de/bundeskonferenzen/detail/die-linke-nach-dem-augsburger-parteitag/

 

Von der Missachtung der bürgerlichen Demokratie zu rechtsoffener Bündnispolitik

Zu aktuellen bündnispolitischen Positionen des DKP Parteivorstandes

November 2023, Rainer Dörrenbecher

Auf dem 25. Parteitag der DKP im März 2023 hatte Richard Höhmann, seit 2020 verantwortlich für die marxistische Bildungsarbeit, in einem Diskussionsbeitrag zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Bündnispolitik gesprochen. Der Beitrag beinhaltet eine Positionierung der DKP bei der Analyse rechtsoffener Bewegungen und Organisationen und eine bündnispolitische Orientierung der DKP. Veröffentlicht in der UZ, bekräftigt in UZ-Interviews mit dem Autor, unter dem Titel „Analyse statt Etiketten“ inhaltlich aufgearbeitet und wesentlich erweitert als Referat auf der 2. PV-Tagung im Juni d. J. und schließlich, erneut überarbeitet, in den Marxistischen Blättern 4/23 abgedruckt - der Beitrag kann nur als offizielle Positionsbestimmung des Parteivorstandes betrachtet werden.

Vor drei Jahren, im Sommer 2020, veröffentlichten der Parteivorstand und die Bildungskommission der DKP die Bildungszeitung „Reaktionärer Staatsumbau“. Von damals noch lebenden, ehemals führenden Gründungsmitgliedern der DKP und weiteren aktiven und führenden Genossinnen und Genossen war der PV aufgefordert worden, dieses Bildungsheft zurückzuziehen. Das Heft verfehlt eine dialektische Betrachtung des Wesens der bürgerlichen Demokratie und verfälscht die Bedeutung und Orientierung des Kampfes um demokratische Rechte.

Die bürgerliche Demokratie wird vorwiegend als Tarnung reaktionärer Ziele des Monopolkapitals betrachtet und entsprechend wird der Vorrang des Kampfes gegen das Monopolkapital gegenüber dem Kampf um die Demokratie und die Rechtsentwicklung gefordert. Bündnispolitik reduzierte sich auf die antimonopolistische Klassenstruktur.

Im Beschluss des 23. Parteitages, Ende Februar 2020, „Wut, Entrüstung und Widerstand brauchen eine Perspektive“ hieß es noch: „Die DKP stellt sich gemeinsam mit allen demokratischen Kräften Neofaschismus und Rassismus entgegen. Wir kämpfen vor Ort um ein möglichst breites Bündnis, lassen uns aber in der Auseinandersetzung um inhaltliche Positionen im Kampf gegen rechts nicht verdrängen.“ (Beschluss Seite 10) Der Kampf um demokratische Rechte hatte noch einen gewissen Stellenwert, wenn auch mit inhaltlichen Differenzen.

Gegenwärtig stellt sich die Frage, was unter „demokratischen Kräften“ und „möglichst breiten Bündnissen“ zu verstehen ist. Schon während der Corona-Pandemie (2020/21) bei den Aktionen diverser Gruppen gegen die Einschränkungen demokratischer Rechte fanden diese die Unterstützung des Parteivorstandes. Die Einschränkungen waren als Ausdruck und Bestandteile des „reaktionären Staatsumbaus“ definiert worden. Die Corona-Pandemie mit den Gefahren für die Gesundheit und das Leben tausender Menschen spielte keine Rolle.

Ignoriert wurden auch die politische Zusammensetzung diverser Aktionen und der politische Standort der Organisatoren. Neben bunten irrationalen Gruppierungen und Personen dominierten häufig Menschen mit antidemokratischen rechten Einstellungen, sowie Anhänger*innen der AfD. In dieser reaktionären Bewegung gründete sich die Partei „Die Basis“ bewusst als organisatorischer Ausdruck dieses „Widerstandspotentials“.  https://diebasis-partei.de/partei/geschichte/

In Folge hat der PV das damalige Zusammenwirken mit rechtsoffenen und rechten Kräften bei Aktionen verteidigt und fortgesetzt. Der Querfront-Vorwurf wurde empört zurückgewiesen und mit der Gegnerschaft der DKP zu offen rechten Parteien und Gruppen und gegenüber den Querfront-Bestrebungen von Jürgen Elsässer begründet.

Mit „Analyse statt Etiketten“ wurde dann eine „marxistisch-analytische“ Begründung nachgeliefert. Das sich durchziehende Thema des Beitrages ist die Zurückweisung der unterstellten Querfrontstrategie in der Friedensbewegung und in der DKP. Um die zentrale DKP-Orientierung zu begründen werden Zitate respektabler linker und marxistischer Persönlichkeiten genutzt. Klug werden diese eingebaut, obwohl sie aus anderen Zusammenhängen stammen. Die Politik der KPÖ-Steiermark bzw. der Partei der Arbeit Belgiens (PvdA/PTB) eignet sich wohl kaum als Beleg für die empfohlene politische Orientierung.

Wesentlicher Bestandteil der Argumentation ist das Problem der Alltagserfahrung, dessen politische Verarbeitung und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die Kommunistische Partei. Dazu wird u.a. Clara Zetkin zitiert: „… nicht nur um die Seelen der Proletarier, sondern auch um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen.“

Das war 1923, noch während der revolutionären Nachkriegsphase, allerdings schon abflauend. Es gab einflussreiche revolutionäre Parteien. Bedingungen, die mit den heutigen kaum zu vergleichen sind. Auch das sollte bei Clara Zetkins Rat bedacht werden. Geht es gegenwärtig wirklich darum „um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen“, bei der Stärke der Partei? Auf dem Parteitag wurde ein umfangreicher Beschluss „Heizung, Brot, Frieden“ verabschiedet, ursprünglicher Arbeitstitel „Heran an die Klasse“. Die Partei wird damit auf die Betriebsarbeit orientiert, Vorschläge und Wege zur Bildung von Betriebsaktivs und Betriebsgruppen werden aufgeführt. Was ist jetzt mit dem Stellenwert dieses Leitbeschlusses des 25. Parteitages, dessen Arbeitstitel „Heran an die Klasse“ ist?

Ausführlich wird sich mit der Partei Die Basis beschäftigt, die Kritik an der Zusammenarbeit zurückgewiesen. Wieso? Welche wichtige Rolle spielt diese Gruppierung? Wobei? Im gewerkschaftlichen Kampf? Im Kampf gegen Rechts? In der Friedensbewegung, was bewegt sie da?

Die Analyse von Richard Höhmann zur Partei „Die Basis“ ist oberflächlich und ignoriert Wesentliches. Er stützt sich auf Ausarbeitungen und Erkenntnisse der Heinrich-Böll-Stiftung, einer Stiftung der Partei „Die Grünen“ nahestehend; danach sei „Die Basis“ „keine genuin (echt) extrem rechte Partei. Ausweislich ihres Programms ist die Partei weder nationalistisch noch konservativ.“ Höhmann übernimmt ungeprüft diese politische Wertung der H.Böll-Stiftung. Das ist für einen Kommunisten schon merkwürdig. Eine marxistische Analyse bedeutet, sich das Programm, die offiziellen Stellungnahmen und das Auftreten in der Öffentlichkeit anzusehen.

Die Plakate der „Basis“ bei der Bundestagswahl waren inhaltsleere Sprüche, z.T. identisch mit der AfD, populistisch, einfach gegen die da Oben. Das „Rahmenprogramm“ mit seinen „vier Säulen“  https://diebasis-partei.de/wahlen/programm/ ist nicht „genuin rechts“. Es ist so allgemein gehalten, dass sich jede/r seins/ihres reindenken kann. Sie sind nicht rechts und nicht links, bekennen sich zum Grundgesetz und „grenzen sich gegen jede Form extremistischer Bestrebungen, die die freiheitlich-demokratische Ordnung untergraben, eindeutig und entschieden ab und versuchen diese aktiv zu verhindern.“ Wer aus bürgerlichem Verständnis mit „extremistisch“ so alles gemeint ist - dazu haben Kommunistinnen und Kommunisten mehr als theoretische Erkenntnisse.

Es gibt bei den „vier Säulen“ für jede/n etwas, auch für kritische und solidarische Menschen. Für Neoliberale in bester FDP-Manier: „Das Wirtschaftsleben beruht auf individueller Initiative und Interessenausgleich. Es darf deshalb nicht vom Staat gelenkt werden und muss auf gegenseitigen Absprachen der Wirtschaftsteilnehmer und auf freier Preisbildung beruhen.“ Die Wählerschaft ist für Klimaneutralität und langfristig für Verbrennermotoren, für Einschränkung des Asylrecht, kein Recht für Kriegsflüchtlinge und aus sozialer Not Geflüchtete, nur noch für politisch Verfolgte.

Das Verständnis von Extremismus der „Basis“ wird konkreter in Veröffentlichungen auf deren Homepage. In dem Beitrag  https://diebasis-partei.de/2023/07/wie-die-geschichte-aus-linksextremisten-rechtsextreme-machte-und-die-grunen-davon-profitieren/ wird er deutsche Faschismus als „linkester Linksextremismus“ definiert. Dazu wird er mit „den kommunistischen/sozialistischen Experimenten in der Sowjetunion und China“ verglichen. Die Schlussfolgerung ist, die Bevölkerung sei „durch einen genialen Schachzug in der Politikgeschichte … verwirrt worden. Indem man die linkesten Linksextremisten (die Nazis) zu Rechtsextremisten erklärte, schuf man die perfekte Verwirrung.“

Damit wird Rechtsextremismus zum Popanz erklärt, übrig bleibt der Linksextremismus, der „aktiv verhindert werden muss“.

All das wird in der Reinwaschung der „Basis“ bei Höhmann ignoriert. Kurt Baumann, nicht als Kritiker der Politik des Parteivorstandes bekannt, sieht die „Basis“ etwas differenzierter. (UZ 15. Sept.)  https://www.unsere-zeit.de/brandmauer-oder-antifaschismus-4783576/#more-4783576 „Dem Einfluss faschistischer Kräfte und reaktionärer Ideologien in der Partei „Die Basis“ oder der „Querdenker-Bewegung“ – aber auch in anderen Bereichen der Gesellschaft – entgegenzutreten ist notwendig.“

Ein weiteres Beispiel rechter, bzw. faschistoider Offenheit der Basis: „Am 21. Oktober fand in Erfurt eine Zukunftskonferenz für Thüringen unter der Überschrift „Brücken statt Brandmauern“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung durch das an diesem Tag offiziell beschlossene „Bündnis für Thüringen“, bestehend aus Bürger für Thüringen, dieBasis, Freie Wähler Thüringen e.V., sowie unterstützt durch die WerteUnion.“ Redner waren u.a. H.G. Maaßen und Vera Lengsfeld.  https://diebasis-partei.de/2023/10/bruecken-statt-brandmauern/

Gravierende Auswirkungen hat diese Orientierung in und für die Friedensbewegung und die antifaschistische Bewegung. Der PV unterstützte bisher die Einbeziehung von rechtsesoterischen Kräften wie der Partei Die Basis in die Friedensbewegung, einer antikommunistischen Partei, ohne Berührungsängste zu extrem rechten Gruppierungen oder Personen. Neben den inhaltlichen Differenzen zur Aggression Russlands gegen die Ukraine unterstützt der PV die Spaltung der Friedensbewegung. Wir befürchten, dass alle Erkenntnisse über rechtsoffene Parteien, Gruppen und Bewegungen nicht dazu führen, dass der DKP Vorstand seine Positionen überdenkt.

Vor diesem Hintergrund ist nun ein Streit zwischen der Bundes-DKP und der VVN entbrannt. Im Referat der letzten PV-Tagung fällt sogar der Vorwurf des Antikommunismus gegenüber der VVN-BdA. Hintergrund der Polemik ist der Widerstand in der VVN gegen die Einbeziehung der Basis u.a. rechtsoffener Gruppierungen in die Friedensbewegung. Gerade angesichts des aktuellen Rechtsrucks brauchen wir dringend den Schulterschluss von DKP und VVN. Wir weisen diese Polemik sprachlich und inhaltlich zurück.

Wir sollten den Weg in eine wie immer geartete Querfront nicht mitgehen und stattdessen den Aufruf für eine eindeutig gegen Rechts abgegrenzte Friedensbewegung unterstützen. „Die Friedensbewegung muss antirassistisch, antifaschistisch und integrativ bleiben!“.  https://weact.campact.de/petitions/die-friedensbewegung-muss-anti-rassistisch-antifaschistisch-und-integrativ-bleiben 

Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse

von Dirk Stehling und Klaus Stein

Altmaiers Industriestrategie

Anfang 2019 legte der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vor. Diese sah im Kern die Erleichterung von Unternehmens-zusammenschlüssen und die Schaffung großer Monopole, „nationale und europäische Champions“ , vor, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Als Hauptgegner wurde in diesem Papier China genannt. Um mit den chinesischen Staatsunternehmen im Wettbewerb bestehen zu können, müsse der Staat stärker ins Marktgeschehen eingreifen. Je größer die wirtschaftliche Bedeutung eines Vorgangs, desto größer müsse der Spielraum des Staates für aktive und aktivierende Gestaltung sein. Altmaier bemängelte das seit etwa 15 Jahren lahmende Innovationstempo. Vor allem bei den „Schlüsseltechnologien und Basisinnovationen“, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz etwa, drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren, im neoliberalen Neusprech vom „rule-maker“ zum „rule-taker“ zu werden.

Altmaier beklagte die unfairen Bedingungen, mit denen die europäischen Unternehmen auf dem globalen Markt konfrontiert seien. (Wobei die EU bei ihren Handelsbeziehungen zu beispielsweise afrikanischen Ländern natürlich auf Fairness großen Wert legt!). Es ginge allerdings nicht darum, den Protektionismus anderer Länder zu kopieren, sondern „die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas“ zu verteidigen.

Das Papier stieß allerdings bei den Kapitalvertretern aufgrund des darin geforderten stärkeren staatlichen Eingreifens durch Erwerb von Unternehmensanteilen auf Ablehnung. Der BDI brachte einen Gegenentwurf heraus, der die Beschränkung des Staates auf marktkonforme Instrumente forderte.

Altmaiers Industriestrategie und die Reaktionen darauf sind Ausdruck des Dilemmas, in dem die Herrschenden stecken. Es besteht im Kern in dem kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen dem wachsenden gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung und Verfügung über die Produktivkräfte. Zunehmend wird das mit der Anhäufung von Kapital verbundene Wachstum der Produktivkräfte zu einem Hemmschuh für die Kapitalverwertung. „Die Vergesellschaftung der Produktion stößt beständig auf die Schranken des privatkapitalistischen Eigentums.“ (Peter Hess, Monopoltheorie und Kapitalismuskritik, in: Ökonomische Theorie, politische Strategie und Gewerkschaften, Frankfurt a.M., 1971).

Überakkumulation und periodische Krisen, in denen überschüssiges Kapital vernichtet wird, sind die Folge. Die Verfügung über fremdes Kapital in den Händen einer abnehmenden Zahl von Kapitaleigentümern, d.h. die Bildung von Monopolen ist zunehmend notwendig, um die immer schwieriger werdende Kapitalverwertung unter der Bedingung der hoch vergesellschafteten Produktion zu gewährleisten. Mit der Konsequenz der Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche und dass dadurch „allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“ werden. (Kommunistisches Manifest)

Abwärtstrend

Der ökonomische Abstieg des Westens schreitet rapide voran. Der Abwärtstrend des Produktivitätswachstums lässt sich für alle wichtigen Industrieländer nachweisen. Der IWF sagt für alle westlichen Industriestaaten einen deutlichen Rückgang des BIP voraus, für Deutschland sogar ein Minus von 0,3%. Besser sehen die Konjunkturaussichten für die Schwellenländer und China aus. Für China prognostizierte der IWF einen deutlichen Anstieg des BIP von 3,0 auf 5,2%, für die Schwellenländer einen leichten Anstieg von 3,9 auf 4,0%.

Die wirtschaftliche Bedeutung der BRICS-Länder (Brasilien, Russland Indien, China und Südafrika) nimmt immer mehr zu. Die selbsternannten G7 sind schon lange nicht mehr die 7 größten Industrienationen. Der Trend der Verschiebung der Produktionenstrukturen von den westlichen Industrieländern in die Schwellen- und Entwicklungsländer setzt sich unvermindert fort. So ist der Anteil des „Globalen Südens“ an den weltweiten Warenexporten von 28,4% (1993) auf 49,2% (2022) gestiegen. Der Anteil des „Globalen Westens“ ist in diesem Zeitraum von 71,6% auf 50,8% gesunken.[1] China nimmt eine herausragende Bedeutung unter den Schwellenländern ein.[2]

Vor allem, was die internationalen Direktinvestitionen anbelangt. Zwischen 2000 und 2016 ist der chinesische Anteil am Bestand der internationalen Auslandsanlagen (2016: ca. 26 Billionen US-Dollar) von 10 auf etwa 24% gestiegen.[3] Während der Anteil Chinas am globalen Bruttoinlandsprodukt kaufkraftbereinigt von 2,27% im Jahr 1980 auf 18,48 % im Jahr 2022 anstieg, schrumpfte der US-Anteil am Welt-BIP von 21,41% im selben Zeitraum auf 15,98%. Die EU stürzte von 25,85% auf 14,9%.[4]

Neuer Kompass

Hervorzuheben ist die chinesische neue Seidenstraßen-Initiative („Belt and Road Initiative“ - BRI), ein Mammutinfrastrukturprojekt, das rund 6 Billionen US-Dollar an Direktinvestitionen, also nahezu ein Viertel der globalen Auslandsanlagen umfasst. 146 Länder Asiens, Europas und Afrikas haben sich dieser Initiative bisher vertraglich angeschlossen. Auch 30 internationale Organisationen sind daran beteiligt.

Die USA und die EU reagierten darauf mit eigenen Investitionsstrukturprogrammen, mit denen man dem chinesischen Projekt das Wasser abgraben will. Auf dem G7-Gipfel im Sommer 2021 wurde die US-amerikanische Initiative „Build Back Better World“ (B3W) vorgestellt. Die EU folgte im Dezember mit der „Global Gateway“ - Initiative (GG). Auf dem G7-Gipfel in Elmau Juni '22 wurde die „Partnership for Global Infrastructure and Investment“ (PGII) ins Leben gerufen, eine Neuauflage von B3W und GG. Es verspricht den Ländern des Globalen Südens durch Bereitstellung von Krediten die Realisierung von Infrastrukturprojekten. Dieses „riesige Investitionsprogramm“ (Zeit online vom 26. Juni '22) sieht Investitionen in der Höhe von 600 Mrd. USD für den Zeitraum von 2022-2027 vor. Es sei eine „umfassende, transparente und wertegeleitete Wahl für Infrastrukturentwicklung“, so Biden. Aber dieses im Vergleich zur Seidenstraßen-Initiative (6.000 Mrd. USD) allein von der Summe her klägliche Programm kommt bei den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht gut an. Zu sehr schrecken womöglich negative Erfahrungen mit den mit westlichen Krediten verbundenen Auflagen und „Strukturanpassungsmaßnahmen“ ab.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Länder der Dritten Welt den vom Westen dominierten Institutionen IWF und Weltbank alternativlos ausgeliefert waren und sich den von diesen verordneten neoliberalen Rosskuren fügen mussten.

Ausdruck einer sich entwickelnden multipolaren Weltordnung sind neue Allianzen, in denen der Westen keinen oder nur schwindenden Einfluss hat. Zu nennen sind hier neben dem schon erwähnten BRICS, das asiatische Freihandelszone ASEAN, die „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) und das RCEP-Abkommen („Regional Comprehensive Economic Partnership“). RCEP ist das größte Freihandelsabkommen der Welt. Es ist 2022 in Kraft getreten und umfasst neben China die ASEAN-Staaten, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Unterzeichnerstaaten beträgt rund 25 Billionen Euro und übertrifft damit das der am Freihandelsabkommen USMCA beteiligten Partner USA, Mexiko, Kanada und der EU.

Der von China, Russland und vier zentralasiatischen Republiken 2001 gegründeten SCO haben sich inzwischen Pakistan, Indien (2017) und Iran (2021) angeschlossen. Beobachterstatus haben Afghanistan, Belarus, Mongolei und Turkmenistan. Dialogpartner sind Armenien, Aserbeidschan, Nepal, Sri Lanka, Kambodscha und die Türkei. Anwärter sind Ägypten, Quatar und Saudi-Arabien. Bemerkenswert an dieser Liste vor allem unter dem Aspekt der Friedenssicherung ist, dass sich in diesem Bündnis auch verfeindete Staaten wie Pakistan und Indien und Armenien und Aserbaischan zusammengefunden haben.

Die Hauptziele der SCO sind die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und die Beförderung der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region sowie Fortschritte bei der Implementierung „einer demokratischen, fairen und rationalen politischen und ökonomischen Ordnung“. Ein wesentlicher Schwerpunkt der SCO bildet die Überwindung der Armut. Die Organisation unterhält Kooperationsbeziehungen mit der UNO und ASEAN.

Die BRICS-Staaten haben sich auf eine 2006 von Russland erfolgte Initiative hin zusammengeschlossen. Grundlagen des Bündnisses sind die UN-Charta, das Prinzip der Blockfreiheit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und die Neutralität gegenüber dritten Parteien. An vorderster Stelle der Agenda steht die Überwindung von Hunger und Armut und der Ungleichheit zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Erklärtes Ziel der BRICS-Staaten ist die Errichtung einer multipolaren Weltordnung, in der die Entwicklungsländer, vor allem Afrika, an den globalen Entscheidungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden. Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August wurden mit Argentinien, den Arabischen Emiraten, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien und Iran 6 weitere Länder in das Bündnis aufgenommen. Das Bündnis repräsentiert damit etwa 46 % der Weltbevölkerung. Mehr als 40 Staaten haben ihr Aufnahmeinteresse bekundet..

Frappierend ist die Gegensätzlichkeit der Ausrichtung der Gipfeltreffen der EU, G7 und NATO auf der einen und der BRICS auf der anderen Seite. Während jene auf Konfrontation gegen die Feinde der „regelbasierten Ordnung“, Abschottung und die Verfolgung der eigenen Interessen ausgerichtet sind, propagieren die BRICS-Staaten Multilateralismus, Offenheit und internationale Zusammenarbeit.

Der Ukraine-Krieg hat den Niedergang des Westens verdeutlicht und beschleunigt. Er ist der vorläufige Kulminationspunkt der sich vor allem in den letzten Jahren verändernden weltweiten Kräfteverhältnisse. Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung begreift, dass es sich dabei um einen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland handelt, bei dem das ukrainische Volk als Kanonenfutter benutzt wird. Der Westen und die Hegemonialmacht USA versuchen militärisch ihren ökonomischen, politischen und kulturellen Abstieg aufzuhalten und ihr „regelbasiertes“ imperialistisches Weltsystem gegen eine multipolare Weltordnung zu verteidigen. Die Wirtschafts-sanktionen gegen China und die Provokationen in der Taiwan-Frage zielen auf eine weitere militärische Eskalation. Bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine fallen alle Hemmungen. Am Ende der Eskalationsspirale steht der mit Nuklearwaffen ausgetragene Dritte Weltkrieg.

Erfolglos blieben alle Versuche westlicher Politiker, die mit Russland im BRICS-Staatenbund kooperierenden Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika in die Front gegen Russland einzureihen. Sie lehnen sowohl die Waffenlieferungen an die Ukraine als auch die Sanktionen gegen Russland ab und drängen auf einen Friedensschluss. Die westlichen Sanktionen schaden vor allem dem Westen selbst. Bei den BRICS-Staaten haben diese im Gegenteil zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Russland und zu einem Aufbau alternativer, von den USA unabhängiger Zahlungssysteme geführt.

Erfolgreich war Russlands Isolierung nur im Westen, nicht in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Am Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg nahmen 49 von 54 Ländern Afrikas teil. Es wurden Maßnahmen zur engeren Kooperation und das Eintreten gegen den Neokolonialismus beschlossen. Diese Konferenz zeugt sowohl vom wachsenden Selbstbewußtsein der afrikanischen Staaten als auch der zunehmenden Isolation des Westens.

Der ehemalige Premierminister von Benin, Lionel Zinsou, brachte die in Afrika vorherrschende Haltung zu Russland und zum Ukraine-Krieg in einem Gespräch mit westlichen Diplomaten und Ministern am 12. März in Paris zum Ausdruck: „Wie Sie wissen, haben die afrikanischen Länder die UNO-Resolution zur Verurteilung Russlands nicht unterstützt. Und sie werden niemals irgendwelche Resolutionen gegen Russland unterstützen. Das ist in unserem tiefsten Inneren verankert: Russland ist gut, egal, was Sie von ihm halten. Dies ist eine Tatsache…. Ihr könnt die Afrikaner nicht mit Geschichten über Demokratie ködern. Das sind nur eure Märchen für euren eigenen Bedarf. Der Großteil der afrikanischen Elite wurde in der Sowjetunion ausgebildet – Ärzte, Ingenieure, Piloten, Lehrer, Wissenschaftler. Die Russen sind die einzigen Europäer, die Afrika dekolonisiert haben. Und Afrika erinnert sich daran. Genauso wie Afrika sich an die europäischen Gräueltaten erinnert. Kommen Sie zur Vernunft, suchen Sie nach diplomatischen Lösungen.“

 

Hase und Igel

Die diplomatischen Bemühungen von Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz im Frühjahr dieses Jahres erinnern an den Wettlauf von Hase und Igel.

Laut Ludwig Bechstein macht sich eines Sonntagmorgens der Hase, vornehm und dünkelhaft dazu, über die krummen Beine des Igels lustig. „Du bildest dir wohl ein“, antwortet der Igel, „dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?“

Sie vereinbaren einen Wettlauf, es geht um einen goldenen „Lujedor“ (Louis d’or) und eine Flasche Schnaps. Der Hase rennt, stößt am Ende der Ackerfurche auf des Igels Frau. Sie sieht ihrem Gatten täuschend ähnlich und teilt dem Hasen mit: „Ick bün all hier!“. Der Hase will seine Niederlage nicht wahr haben, verlangt Revanche und führt insgesamt 73 Läufe mit stets demselben Ergebnis durch. Beim 74. Rennen bricht er erschöpft zusammen und stirbt. Soweit Ludwig Bechstein im Jahr 1853.

Vom 15. bis 17. Mai weilte Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien und Katar. Es ging unter anderem um Syrien. Dazu erklärt das Außenministerium: „Als weiteres Thema wird die von arabischen Staaten angestrebte Normalisierung der Beziehungen zu Syrien auf der Agenda stehen, die aus Sicht Deutschlands wegen der anhaltenden Repression des Assad-Regimes an klare Bedingungen geknüpft sein muss.“

Unterdessen hatte die Tagesschau schon am 7. Mai gemeldet, dass die Außenminister der arabischen Länder eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen haben. „Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga werten Analysten auch als Konsequenz der neuerdings verbesserten Beziehungen zwischen den langjährig verfeindeten regionalen Großmächten Saudi-Arabien und Iran. Im März hatten die beiden Staaten unter Vermittlung Chinas angekündigt, wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen.“

Erinnert sei an das Attentat auf General Qasem Soleimani in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 2020. Soleimani war in diplomatischer Mission in Bagdad und starb zusammen mit neun Begleitern durch eine US-Drohne. Hernach berichtete der irakische Ministerpräsident Adel Abd Al-Mahdi: Er sei mit General Qasem Soleimani verabredet gewesen. Dieser hatte eine Antwort der iranischen Führung auf eine Botschaft Saudi- Arabiens zu überbringen, die der Irak vermittelt habe. Nach dem Demonstrationen vor der US-Botschaft in Bagdad hätte Donald Trump telefonisch um diese Vermittlung gebeten und für die entsprechenden Bemühungen gedankt. Dann aber erteilte Trump den Mordbefehl. Offenkundig bestand keine „unmittelbare Gefahr“, wie die offizielle Begründung lautete. Im Gegenteil. Für die USA drohte zumindest Entspannung, wenn nicht sogar Frieden im Nahen und Mittleren Osten.

Nach einer Frist von etwas mehr als drei Jahren wiederholt sich gegenwärtig die Chance, die militärischen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu lösen und die staatlichen Beziehungen zu normalisieren.

Am 15. Mai kommentierte Alexander Haneke in der FAZ: „An Themen mangelt es nie, wenn deutsche Außenminister an den Golf reisen. Doch wenn Annalena Baerbock an diesem Montag in Saudi-Arabien eintrifft, landet sie in einer veränderten Welt. Spätestens seit der von China vermittelten Wiederannäherung zwischen den alten Rivalen Teheran und Riad ist klar, dass der Westen immer weniger Bedeutung hat für seine einstigen Verbündeten am Golf. Die arabischen Monarchien haben ihre Beziehungen wirtschaftlich und politisch diversifiziert. Sie machen gute Geschäfte mit China, Indien und dem Rest der Welt, während Europa mehr denn je von seinen arabischen Rohstofflieferanten abhängig ist und in Gestalt von Flüchtlingen die Folgen gescheiterter Politik im Nahen Osten trägt. Die Außenministerin wird darauf gefasst sein müssen, dass sie entsprechend nüchtern empfangen wird. Mit Anmerkungen zur Menschenrechtslage, so berechtigt sie sein mögen, kommt sie keinen Schritt weiter. In der heimischen Öffentlichkeit bringt das zwar Punkte, vor Ort aber nur Kopfschütteln über westliches Schulmeistertum...“

Für Waffenstillstand und Deeskalation

Im Mai war Chinas Sonderbeauftragter für den Ukraine-Krieg in Europa unterwegs. Li Hui leitet die Abteilung für eurasische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium. Die Reise ist von Xi Jinping in einem Telefonat mit Selenski Ende April angekündigt worden. Sie führte den Sonderbeauftragten nach Russland, in die Ukraine, nach Deutschland, Frankreich und Polen. Es ging um eine politische Lösung.

Nachdem die EU-Kommission Sekundärsanktionen gegen chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht hat, twitterte der Abteilungsleiter für europäische Angelegenheiten im Außenministerium, Wang Lutong: „Während China alle Anstrengungen unternimmt, um Frieden zu fördern, was im Interesse Europas liegt, revanchiert sich Europa mit einem Stich in den Rücken und schikaniert China in Wirtschaftsfragen“. Die Global Times: Neben dem unnötigen Ukraine-Knoten liege ein Hauptproblem im EU-China-Verhältnis in Europas „Unterwerfung und Abhängigkeit von Washingtons umfassender Eindämmungsstrategie gegen China“.

 

Vor der Abreise des Sonderbeauftragten Li Hui verwies Außenamtssprecher Wang Wenbin auf Chinas Positionspapier. Wir kennen es als 12 Punkte-Papier, in dem es heißt, Dialog und Verhandlungen seien die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise. Die USA lehnen das Papier ab. Peking nutze diesen Umstand laut FAZ (15. Mai) als angeblichen Beweis für eine unkonstruktive Haltung Washingtons. Diese Lesart verbreiteten chinesische Vertreter mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, wo man ein rasches Ende des Krieges befürworte, auch um Entspannung auf dem Getreidemarkt herbeizuführen. Wang: „Die Welt ist weiterhin von den Auswirkungen von der Krise betroffen. In der internationalen Gemeinschaft mehren sich die Stimmen für Waffenstillstand und Deeskalation.“

Im selben Artikel ist von einem zehnstündigen Treffen von Außenminister Wan Yi mit dem amerikanischen Sicherheitsberater Jake Sullivan Anfang Mai in Wien die Rede. Das Weiße Haus sprach danach von offenen, sachlichen und konstruktiven Diskussionen. Die chinesische Verlautbarung klang ähnlich. FAZ-Korrespondent Jochen Stahnke: Das deute auf den gegenseitigen Wunsch nach Stabilisierung.

Und es mehren sich bourgeoise Stimmen, die die Verschiebung der globalen Kräfteverhälnisse zur Kenntnis nehmen und eine Änderung der Politik anmahnen. Nikolas Busse analysierte in einem Leitartikel (FAZ vom 22. August) anlässlich des BRICS-Treffens: „Kein Zweifel sollte allerdings daran bestehen, daß die Entwicklung der Gruppe ein Symptom einer grundlegenden Neuverteilung der globalen Machtverhältnisse darstellt. Sie war schon lange, bevor man in Deutschland eine „Zeitenwende“ ausrief, in voller Fahrt. Die internationale Ordnung, die nach 1945 von den Vereinigten Staaten aufgebaut und gegen die Sowjetunion durchgesetzt wurde, wird sich nicht in allen Ausformungen halten lassen. Die Vorstellung, dass sich Aufsteiger wie China in die bestehenden Strukturen eingliedern lassen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen kommt es zu Konkurrenz der Ordnungsentwürfe. In Osteuropa wird sie derzeit gewaltsam ausgetragen.“

Und im Leitartikel der FAZ vom 12. September mit dem Titel „Die nächste Niederlage“, stellt derselbe Autor, Nikolas Busse, fest: „Was der Westen, vor allem Europa, gerade in West- und Zentralafrika erlebt, ist eine strategische Niederlage. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn die eigenen Truppen zum Abzug gezwungen werden und in einem Land nach dem anderen verbündete Regierungen aus dem Amt geputscht werden.“

„Die gerade in Deutschland mit großer Überzeugung verfolgte 'wertebasierte Außenpolitik' wird offenbar von nicht wenigen Adressaten als übergriffig wahrgenommen. Manchmal fragt man sich, warum es deutschen Politikern so schwerfällt, das zu verstehen.“

„Wir hätten die Welt gerne so, wie wir selbst leben...Klappt das nicht, dann werden EU-Sanktionen verhängt. Schon geschehen im Fall Malis und in Vorbereitung für Niger. Damit fühlt man sich dann in Europa moralisch ins Recht gesetzt, überlässt das Feld aber Moskau und Peking.“

 

Nationale Sicherheitsstrategie und Chip-Krieg

„America first“ versteht sich zunächst mal als Absicht. Auch Trumps Losung „Make America great again“ lässt doch erst einmal den Schmerz über ein Defizit an US-amerikanischer Größe und Macht spüren.

Und dieser Schmerz dauert an, denn offenbar werden Trumps Sorgen von Biden geteilt.

Am 12. Oktober 2022 wurde die „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Weltpresse vorgestellt. Im Vorwort fasst Biden seine Absichten zusammen: „Unsere Welt ist an einem Wendepunkt. Meine Präsidentschaft will dieses entscheidende Jahrzehnt ergreifen, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen, die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass unsere geopolitischen Wettbewerber ausmanövriert werden. Rund um die Welt ist das Bedürfnis nach amerikanischer Führerschaft so groß, wie es je gewesen ist. Wir sind inmitten eines strategischen Wettbewerbs um die Zukunft der internationalen Ordnung.“

Er sitzt im Glashaus und zeigt mit dem Finger auf China: „Autokraten arbeiten Überstunden, um Demokratie zu unterminieren und ein Regierungsmodell zu exportieren, das durch Unterdrückung zuhause und Zwang außerhalb gekennzeichnet ist.“

„Also werden die USA fortfahren, die Demokratie überall in der Welt zu verteidigen. Wir werden mit jeder Nation zusammenarbeiten, die unsere Grundüberzeugung teilt, dass die wertebasierte Ordnung die Grundlage für globalen Frieden und Wohlstand bleibt. Wir kommen aus jeder Krise stärker hervor. Nichts liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.“

Nicht erst angesichts des Jahrestags des Chileputsches vor 50 Jahren erscheint derartige Heuchelei schwer erträglich.

Technologische Führerschaft

Just bei Gelegenheit der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie äußerte Sicherheitsberater Jake Sullivan gegenüber der Presse, die wichtigste Waffe sei die US-amerikanische Hochtechnologie. „Wir verfolgen eine moderne Industrie- und Innovationsstrategie, indem wir unsere ökonomische Stärke und unsere technologische Führerschaft zu Hause investieren. Das ist die tiefste Quelle unserer Macht in der Welt.“ Folglich sollen weitreichende Handelsbeschränkungen verhindern, dass China Hochleistungschips beziehe. Solche Beschränkungen gelten aber auch für Ausrüstungen zur Herstellung von Halbleitern. US-Amerikanern ist verboten, für chinesische Chip-Fabriken zu arbeiten.

Am 27. Januar einigten sich die USA mit den Niederlanden und Japan auf ein Embargo. In beiden Ländern werden Spezialmaschinen zur Chip-Produktion hergestellt. Das niederländische Unternehmen ASML wird keine komplexe EUV-Maschinen an China liefern, gar solche, die die bislang kleinstmöglichen Chips von bis zu zwei Nanometern fertigen.

Das wiederum mutet der US-amerikanischen Technologiebranche Einbußen zu. Dreiviertel der Weltproduktion von Chips werden nach China exportiert, das selbst nur 15% der Halbleiter herstellt. Bei den Exportbeschränkungen geht es hauptsächlich um Chips einer Größe unter 14 Nanometer. In Taiwan und Südkorea wird schon an leistungsfähigeren Chips der Größe 5 und 3 Nanometer gebastelt. Die US-Regierung will die chinesischen Internetgiganten Baidu, Alibaba und Bytedance treffen. Der Chipmangel soll die Entwicklung Künstlicher Intelligenz bremsen. Der Boykott, der bislang nur den Smartphonehersteller Huawei traf, gilt jetzt für 28 weitere chinesische Firmen.

Indessen ist die Technologiebranche international höchst arbeitsteilig organisiert. Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) hat schon mal vorweg die Erlaubnis erlangt, für ein Jahr Ausrüstung und Maschinen für ihre in China liegenden Halbleiterwerke einzuführen. Auch andere Firmen kommen in den Genuss derartiger Ausnahmeregelungen, damit der US-Wirtschaftskrieg gegen China die Hightechindustrie von Taiwan nicht gefährde.

Nun werden für die Produktion von Akkus und Halbleitern sogenannte Seltene Erden benötigt. Zwei Drittel davon importiert Deutschland aus China. Laut Tagesschau vom 24. Januar wurden von Januar bis November 2022 rund 5300 Tonnen dieser Rohstoffe im Wert von 49,3 Millionen Euro importiert. China liefert derzeit 94 Prozent der weltweiten Gallium-Produktion. Das seltene Metall wird für Chipkarten benötigt, aber auch für LEDs und Solaranlagen. Aber seit dem 1. August gilt eine Verfügung des Handelsministeriums der Volksrepublik China, wonach Unternehmen, die die Metalle mit den schönen Bezeichnungen Gallium oder Germanium ausführen möchten, eine gesonderte Lizenz benötigen. Das wurde Anfang Juli kurz vor dem Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellens mitgeteilt. Es könnten zudem Ausfuhrbeschränkungen bei weiteren Rohstoffen folgen. Mit Blick auf die verschärften US-Sanktionen erläuterte Wang Huiyao, Präsident des Center for China and Globalization, einer Denkfabrik in Beijing, die Volksrepublik könne unmöglich »einfach all die Giftpillen schlucken und weiterlächeln«.

Apple-Sturz

Die FAZ berichtete kürzlich, innerhalb von zwei Tagen habe die Firma Apple an Börsenwert 200 Mrd Dollar verloren. Den Absturz hatte, wie sich unterdessen herausstellt, ein Gerücht ausgelöst. Man munkelte, Peking habe iPhones aus immer mehr Ministerien und staatseigenen Unternehmen verbannt.

BYD auf der IAA

Am vergangenen Sonntag, liebe Genossinnen und Genossen, endete die Internationale Automobil Ausstellung (IAA). 27 Klimafreunde verbrachten die Tage in Präventivhaft. Vom Protestcamp mit mehreren tausend Teilnehmern war wenig die Rede. Dafür aber vom chinesischen Auftritt, der den deutschen Platzhirschen die Show stahl, wie es Jörg Kronauer in der jW am Donnerstag kommentierte. „Gut seien sie, die E-Autos aus der Volksrepublik, schwärmten Branchenexperten; in Sachen IT-Ausstattung seien sie Weltspitze, und vor allem brächten chinesische Produzenten auch kostengünstigere, für viele bezahlbare Modelle auf den Markt. Sie stünden in Europa wohl vor dem Durchbruch. Das war die gängige Meinung.“ Aber drei Tage nach der Automesse hat die EU-Kommissionschefin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union geklagt, dass die Weltmärkte durch chinesische Elektroautos überschwemmt würden, und Strafzölle angedroht. Angesichts dessen, dass für deutsche Autokonzerne China der wichtigste Markt ist, erscheinen solche Drohungen höchst riskant.

 

Huawei-Erfolg

Vor einer Woche berichtete die Presse vom neuesten Huawei-Smartphone. Es heißt Huawei Mate 60 Pro. Das 5G-fähige Gerät enthält Halbleiter mit einer Strukturgröße von 7 Nanometern. Die FAZ empört sich. Zitat: „Während US-Handelsministerin Gina Raimondo vor anderthalb Wochen China besuchte, stellte der Konzern das Gerät still und heimlich zum Verkauf. Der Zeitpunkt dürfte bewusst gewählt gewesen sein, selbst Staatsmedien setzten in ihrer Berichterstattung das 'zufällig' in Anführungszeichen. Von der Entspannung, die Raimondos Besuch hatte bringen sollen, ist ohnehin längst nichts mehr zu spüren.“

Es schießen laut FAZ Spekulationen ins Kraut darüber, wie Huawei solch ein Handy produzieren konnte.

Im übrigen kann man der Firma Huawei nur gratulieren. Ihr Erfolg ist die schöne Pointe einer Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hat. Am 1. Dezember 2018 wurde die 46-jährige Geschäftsfrau Meng Wanzhou in Vancouver aufgrund eines Ersuchens der Vereinigten Staaten verhaftet. Unter strengen Auflagen kam sie gegen eine millionenschwere Kaution frei. Vancouver durfte sie aber nicht verlassen.

Meng Wanzhou war (und ist) stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzdirektorin von Huawei. Ihr Vater Ren Zhengfei hat das Unternehmen gegründet.

Huawei verkauft sehr erfolgreich Mobiltelefone. Zumindest 2020 war das Unternehmen Weltmarktführer. Aber das US-Justizministerium warf Meng und dem Konzern Verstöße gegen die US-Sanktionen gegen den Iran, Bankbetrug, Geldwäsche und Industriespionage vor. Die USA halten das Unternehmen für eine Gefahr für die Cybersicherheit. Es pflege eine zu große Nähe zu den chinesischen Behörden.

Ende Januar 2019 kam es zur Anklage vor einem Bundesgericht in New York.

Mengs Anwälte hielten dagegen.

Aber am 9. Juli 2021 wies die kanadische Richterin Heather Holmes ohne Begründung Mengs Antrag ab, eine Reihe von entlastenden Beweisen vorzulegen.

Erst am 24. September 2021 beendete Richterin Holmes das Auslieferungsverfahren gegen Meng und ordnete gemäß einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium die Aufhebung ihrer Haftauflagen an.

Wenige Stunden nach der Bekanntmachung wurden von chinesischer Seite Michael Spavor und Michael Kovrig freigelassen, zwei Kanadier, die wegen Spionage verurteilt worden waren.

Kriegstreiber MIK

Selbstverständlich verlassen sich die USA nicht nur auf ihre ökonomische Stärke.

Den Knüppel halten sie immer parat. Er hat einen Namen. Es ist der mächtige militärisch-industrielle Komplex (abgekürzt: MIK), vor dessen Einfluss US-Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 schon gewarnt hatte. Allein die puren Militärausgaben machen den gewaltigen Einfluss des MIK sichtbar. Der US-Bundeshaushalt des Jahres 2023 hat die Höhe von 1,6 Billionen Dollar. Davon geht schon die Hälfte ganz offiziell in die Rüstung.

James M. Cypher nimmt aber militärische Gesamtausgaben von 1,6 Billionen Dollar an. Dazu zitiert er in seinem Beitrag vom April 2023, der in der jüngsten „Z“ (Nr. 135, September 2023) abgedruckt ist. Mandy Smithberger und William Hartung hatten im Juni 2021 die Militärausgaben untersucht. Ihre Schätzung beläuft sich auf 1,268 Billionen Dollar. Sie wird von Cypher aktualisiert und angepasst. Er bezieht unter anderem den NASA-Haushalt in Höhe von 24,8 Mrd Dollar ein. Denn der sei seit langem der Entwicklung von Weltraumwaffen gewidmet. Außerdem zählt er die 62,5 Mrd Dollar aus dem US-Finanzministerium dazu, mit denen der Ruhestand der Militärs finanziert werde. Zudem falle die Verdoppelung der Schuldentilgung (auf 40%), die den Militärausgaben der Vergangenheit zuzuschreiben seien, unter die Rubrik Militärhaushalt. Und für eine Summe von 155 Mrd Dollar seien ausländische Militärverkäufe vom Pentagon genehmigt worden.

Die Rüstungsindustrie, so Cypher, stelle gewissermaßen die Basis eines gleichseitigen Dreiecks des MIK dar, die zweite Seite bestehe aus den Streitkräften, den Nachrichtendiensten, den einsatzbereiten Einheiten der Nationalgarde, privaten Söldner-Sicherheitsunternehmen und Veteranenorganisationen. Die dritte Seite werden durch den zivilen nationalen Sicherheitsrat repräsentiert mit dem Chef der Exekutive an der Spitze, dem Außenminister, dem Nationalen Sicherheitsrat, den Mitgliedern der wichtigsten Rüstungs- und Sicherheitsausschüssen des Kongresses, der NASA und die vom Militär und von Auftragnehmern finanzierten, nur scheinbar unabhängigen Denkfabriken in Washington D.C. Laut einer Studie von Shana Marshall (Middle East Report 294 von 2020) erhalten von den fünfundzwanzig meistzitierten US-Thinktanks zwölf „viel Geld von Waffenherstellern“, darunter das International Institute for Strategic Studies, die Brookings Institution, das Center for Strategic an International Studies und das Arab Gulf States Institute.

Eisenhower sah seinerzeit die Gefahr der Einflußnahme des MIK auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Die politische Führung könnte als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie geneigt sein, Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen. Wörtlich sagte Eisenhower 1961: „Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“

 

Solingen, 16. September 2023

 

 



[1] Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2022, Table A4. Globaler Westen: USA, Kanada, Europa und Japan.

[2] Obwohl China gemessen am nominalen BIP inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und gemessen am kaufkraftbereinigten BIP schon zur größten Volkswirtschaft aufgestiegen ist, wird das Land gemeinhin immer noch als Schwellenland beziehungsweise als eine der „aufstrebenden und sich entwickelnden Wirtschaften“ (emerging and developing economies) eingestuft. China selbst bezeichnet sich vor dem Hintergrund noch bestehender großer regionaler und sozialer Ungleichheiten und im Hinblick auf die sozialistische Zielsetzung als größtes Entwicklungsland der Welt.

[3] Quelle: UNCTAD, World Investment Report, 2017.

[4] Quelle: statista

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