Von der Missachtung der bürgerlichen Demokratie zu rechtsoffener Bündnispolitik

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Zu aktuellen bündnispolitischen Positionen des DKP Parteivorstandes

November 2023, Rainer Dörrenbecher

Auf dem 25. Parteitag der DKP im März 2023 hatte Richard Höhmann, seit 2020 verantwortlich für die marxistische Bildungsarbeit, in einem Diskussionsbeitrag zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Bündnispolitik gesprochen. Der Beitrag beinhaltet eine Positionierung der DKP bei der Analyse rechtsoffener Bewegungen und Organisationen und eine bündnispolitische Orientierung der DKP. Veröffentlicht in der UZ, bekräftigt in UZ-Interviews mit dem Autor, unter dem Titel „Analyse statt Etiketten“ inhaltlich aufgearbeitet und wesentlich erweitert als Referat auf der 2. PV-Tagung im Juni d. J. und schließlich, erneut überarbeitet, in den Marxistischen Blättern 4/23 abgedruckt - der Beitrag kann nur als offizielle Positionsbestimmung des Parteivorstandes betrachtet werden.

Vor drei Jahren, im Sommer 2020, veröffentlichten der Parteivorstand und die Bildungskommission der DKP die Bildungszeitung „Reaktionärer Staatsumbau“. Von damals noch lebenden, ehemals führenden Gründungsmitgliedern der DKP und weiteren aktiven und führenden Genossinnen und Genossen war der PV aufgefordert worden, dieses Bildungsheft zurückzuziehen. Das Heft verfehlt eine dialektische Betrachtung des Wesens der bürgerlichen Demokratie und verfälscht die Bedeutung und Orientierung des Kampfes um demokratische Rechte.

Die bürgerliche Demokratie wird vorwiegend als Tarnung reaktionärer Ziele des Monopolkapitals betrachtet und entsprechend wird der Vorrang des Kampfes gegen das Monopolkapital gegenüber dem Kampf um die Demokratie und die Rechtsentwicklung gefordert. Bündnispolitik reduzierte sich auf die antimonopolistische Klassenstruktur.

Im Beschluss des 23. Parteitages, Ende Februar 2020, „Wut, Entrüstung und Widerstand brauchen eine Perspektive“ hieß es noch: „Die DKP stellt sich gemeinsam mit allen demokratischen Kräften Neofaschismus und Rassismus entgegen. Wir kämpfen vor Ort um ein möglichst breites Bündnis, lassen uns aber in der Auseinandersetzung um inhaltliche Positionen im Kampf gegen rechts nicht verdrängen.“ (Beschluss Seite 10) Der Kampf um demokratische Rechte hatte noch einen gewissen Stellenwert, wenn auch mit inhaltlichen Differenzen.

Gegenwärtig stellt sich die Frage, was unter „demokratischen Kräften“ und „möglichst breiten Bündnissen“ zu verstehen ist. Schon während der Corona-Pandemie (2020/21) bei den Aktionen diverser Gruppen gegen die Einschränkungen demokratischer Rechte fanden diese die Unterstützung des Parteivorstandes. Die Einschränkungen waren als Ausdruck und Bestandteile des „reaktionären Staatsumbaus“ definiert worden. Die Corona-Pandemie mit den Gefahren für die Gesundheit und das Leben tausender Menschen spielte keine Rolle.

Ignoriert wurden auch die politische Zusammensetzung diverser Aktionen und der politische Standort der Organisatoren. Neben bunten irrationalen Gruppierungen und Personen dominierten häufig Menschen mit antidemokratischen rechten Einstellungen, sowie Anhänger*innen der AfD. In dieser reaktionären Bewegung gründete sich die Partei „Die Basis“ bewusst als organisatorischer Ausdruck dieses „Widerstandspotentials“.  https://diebasis-partei.de/partei/geschichte/

In Folge hat der PV das damalige Zusammenwirken mit rechtsoffenen und rechten Kräften bei Aktionen verteidigt und fortgesetzt. Der Querfront-Vorwurf wurde empört zurückgewiesen und mit der Gegnerschaft der DKP zu offen rechten Parteien und Gruppen und gegenüber den Querfront-Bestrebungen von Jürgen Elsässer begründet.

Mit „Analyse statt Etiketten“ wurde dann eine „marxistisch-analytische“ Begründung nachgeliefert. Das sich durchziehende Thema des Beitrages ist die Zurückweisung der unterstellten Querfrontstrategie in der Friedensbewegung und in der DKP. Um die zentrale DKP-Orientierung zu begründen werden Zitate respektabler linker und marxistischer Persönlichkeiten genutzt. Klug werden diese eingebaut, obwohl sie aus anderen Zusammenhängen stammen. Die Politik der KPÖ-Steiermark bzw. der Partei der Arbeit Belgiens (PvdA/PTB) eignet sich wohl kaum als Beleg für die empfohlene politische Orientierung.

Wesentlicher Bestandteil der Argumentation ist das Problem der Alltagserfahrung, dessen politische Verarbeitung und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die Kommunistische Partei. Dazu wird u.a. Clara Zetkin zitiert: „… nicht nur um die Seelen der Proletarier, sondern auch um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen.“

Das war 1923, noch während der revolutionären Nachkriegsphase, allerdings schon abflauend. Es gab einflussreiche revolutionäre Parteien. Bedingungen, die mit den heutigen kaum zu vergleichen sind. Auch das sollte bei Clara Zetkins Rat bedacht werden. Geht es gegenwärtig wirklich darum „um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen“, bei der Stärke der Partei? Auf dem Parteitag wurde ein umfangreicher Beschluss „Heizung, Brot, Frieden“ verabschiedet, ursprünglicher Arbeitstitel „Heran an die Klasse“. Die Partei wird damit auf die Betriebsarbeit orientiert, Vorschläge und Wege zur Bildung von Betriebsaktivs und Betriebsgruppen werden aufgeführt. Was ist jetzt mit dem Stellenwert dieses Leitbeschlusses des 25. Parteitages, dessen Arbeitstitel „Heran an die Klasse“ ist?

Ausführlich wird sich mit der Partei Die Basis beschäftigt, die Kritik an der Zusammenarbeit zurückgewiesen. Wieso? Welche wichtige Rolle spielt diese Gruppierung? Wobei? Im gewerkschaftlichen Kampf? Im Kampf gegen Rechts? In der Friedensbewegung, was bewegt sie da?

Die Analyse von Richard Höhmann zur Partei „Die Basis“ ist oberflächlich und ignoriert Wesentliches. Er stützt sich auf Ausarbeitungen und Erkenntnisse der Heinrich-Böll-Stiftung, einer Stiftung der Partei „Die Grünen“ nahestehend; danach sei „Die Basis“ „keine genuin (echt) extrem rechte Partei. Ausweislich ihres Programms ist die Partei weder nationalistisch noch konservativ.“ Höhmann übernimmt ungeprüft diese politische Wertung der H.Böll-Stiftung. Das ist für einen Kommunisten schon merkwürdig. Eine marxistische Analyse bedeutet, sich das Programm, die offiziellen Stellungnahmen und das Auftreten in der Öffentlichkeit anzusehen.

Die Plakate der „Basis“ bei der Bundestagswahl waren inhaltsleere Sprüche, z.T. identisch mit der AfD, populistisch, einfach gegen die da Oben. Das „Rahmenprogramm“ mit seinen „vier Säulen“  https://diebasis-partei.de/wahlen/programm/ ist nicht „genuin rechts“. Es ist so allgemein gehalten, dass sich jede/r seins/ihres reindenken kann. Sie sind nicht rechts und nicht links, bekennen sich zum Grundgesetz und „grenzen sich gegen jede Form extremistischer Bestrebungen, die die freiheitlich-demokratische Ordnung untergraben, eindeutig und entschieden ab und versuchen diese aktiv zu verhindern.“ Wer aus bürgerlichem Verständnis mit „extremistisch“ so alles gemeint ist - dazu haben Kommunistinnen und Kommunisten mehr als theoretische Erkenntnisse.

Es gibt bei den „vier Säulen“ für jede/n etwas, auch für kritische und solidarische Menschen. Für Neoliberale in bester FDP-Manier: „Das Wirtschaftsleben beruht auf individueller Initiative und Interessenausgleich. Es darf deshalb nicht vom Staat gelenkt werden und muss auf gegenseitigen Absprachen der Wirtschaftsteilnehmer und auf freier Preisbildung beruhen.“ Die Wählerschaft ist für Klimaneutralität und langfristig für Verbrennermotoren, für Einschränkung des Asylrecht, kein Recht für Kriegsflüchtlinge und aus sozialer Not Geflüchtete, nur noch für politisch Verfolgte.

Das Verständnis von Extremismus der „Basis“ wird konkreter in Veröffentlichungen auf deren Homepage. In dem Beitrag  https://diebasis-partei.de/2023/07/wie-die-geschichte-aus-linksextremisten-rechtsextreme-machte-und-die-grunen-davon-profitieren/ wird er deutsche Faschismus als „linkester Linksextremismus“ definiert. Dazu wird er mit „den kommunistischen/sozialistischen Experimenten in der Sowjetunion und China“ verglichen. Die Schlussfolgerung ist, die Bevölkerung sei „durch einen genialen Schachzug in der Politikgeschichte … verwirrt worden. Indem man die linkesten Linksextremisten (die Nazis) zu Rechtsextremisten erklärte, schuf man die perfekte Verwirrung.“

Damit wird Rechtsextremismus zum Popanz erklärt, übrig bleibt der Linksextremismus, der „aktiv verhindert werden muss“.

All das wird in der Reinwaschung der „Basis“ bei Höhmann ignoriert. Kurt Baumann, nicht als Kritiker der Politik des Parteivorstandes bekannt, sieht die „Basis“ etwas differenzierter. (UZ 15. Sept.)  https://www.unsere-zeit.de/brandmauer-oder-antifaschismus-4783576/#more-4783576 „Dem Einfluss faschistischer Kräfte und reaktionärer Ideologien in der Partei „Die Basis“ oder der „Querdenker-Bewegung“ – aber auch in anderen Bereichen der Gesellschaft – entgegenzutreten ist notwendig.“

Ein weiteres Beispiel rechter, bzw. faschistoider Offenheit der Basis: „Am 21. Oktober fand in Erfurt eine Zukunftskonferenz für Thüringen unter der Überschrift „Brücken statt Brandmauern“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung durch das an diesem Tag offiziell beschlossene „Bündnis für Thüringen“, bestehend aus Bürger für Thüringen, dieBasis, Freie Wähler Thüringen e.V., sowie unterstützt durch die WerteUnion.“ Redner waren u.a. H.G. Maaßen und Vera Lengsfeld.  https://diebasis-partei.de/2023/10/bruecken-statt-brandmauern/

Gravierende Auswirkungen hat diese Orientierung in und für die Friedensbewegung und die antifaschistische Bewegung. Der PV unterstützte bisher die Einbeziehung von rechtsesoterischen Kräften wie der Partei Die Basis in die Friedensbewegung, einer antikommunistischen Partei, ohne Berührungsängste zu extrem rechten Gruppierungen oder Personen. Neben den inhaltlichen Differenzen zur Aggression Russlands gegen die Ukraine unterstützt der PV die Spaltung der Friedensbewegung. Wir befürchten, dass alle Erkenntnisse über rechtsoffene Parteien, Gruppen und Bewegungen nicht dazu führen, dass der DKP Vorstand seine Positionen überdenkt.

Vor diesem Hintergrund ist nun ein Streit zwischen der Bundes-DKP und der VVN entbrannt. Im Referat der letzten PV-Tagung fällt sogar der Vorwurf des Antikommunismus gegenüber der VVN-BdA. Hintergrund der Polemik ist der Widerstand in der VVN gegen die Einbeziehung der Basis u.a. rechtsoffener Gruppierungen in die Friedensbewegung. Gerade angesichts des aktuellen Rechtsrucks brauchen wir dringend den Schulterschluss von DKP und VVN. Wir weisen diese Polemik sprachlich und inhaltlich zurück.

Wir sollten den Weg in eine wie immer geartete Querfront nicht mitgehen und stattdessen den Aufruf für eine eindeutig gegen Rechts abgegrenzte Friedensbewegung unterstützen. „Die Friedensbewegung muss antirassistisch, antifaschistisch und integrativ bleiben!“.  https://weact.campact.de/petitions/die-friedensbewegung-muss-anti-rassistisch-antifaschistisch-und-integrativ-bleiben 

 

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