Diskussionsbeitrag zum Ukrainekrieg auf dem DKP-Parteitag online am 22.05.22

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von Thomas Hagenhofer, Bezirksvorsitzender der DKP Saarland

(Die erste Seite des Beitrags wurde aus Zeitgründen nicht vorgetragen.)

Liebe Genossinnen und Genossen,

angesichts der dramatischen politischen Veränderungen lohnt sich ein Blick in unser Parteiprogramm.

Dort steht: „Zugleich entfalten sich die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Metropolen und Blöcken. Allerdings wird der mit der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung im Imperialismus zusammenhängende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und der Einflusssphären heute in erster Linie mit ökonomischen und politischen Waffen oder mit „Stellvertreterkriegen“ ausgetragen, die von anderen Ländern gegeneinander bzw. in Bürgerkriegen ausgefochten werden.

Hochrüstung, Rüstungsexport und das Schüren von Spannungen und Konflikten in verschiedenen Regionen steigern die atomare Bedrohung und die Gefahr eines für die ganze Menschheit verheerenden Krieges.

Das schließt nicht aus, dass in der weiteren Perspektive mit der Veränderung der ökonomischen und militärischen Kräfteverhältnisse und – mit der Zuspitzung des Kampfes um die immer begrenzter werdenden Rohstoffquellen und um Vorherrschaft in der Welt – auch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen imperialistischen Metropolen wieder akut werden kann.

Krise, Militarisierung und Krieg sind prägende Bestandteile der kapitalistischen Globalisierung. Es geht um sicheren Zugriff auf die Schlüssel-Ressourcen, um die Absicherung der Herrschaft des Monopolkapitals weltweit. Widerstand gegen Unterdrückung und Armut soll mit militärischer Gewalt in Schach gehalten werden.“

(…)

„Die DKP kämpft in und mit der Friedensbewegung für eine Welt, in der die internationalen Beziehungen auf dem Prinzip der Gleichberechtigung, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, auf nationaler Souveränität und der territorialen Integrität aller Staaten beruhen. Sie tritt dafür ein, die UNO und das Völkerrecht zu stärken. Für dieses Ziel ist es notwendig, die UNO zu demokratisieren. Jede imperialistische Hegemonial-, Gewalt- und Interventionspolitik muss geächtet werden.“

(…)

Der DKP geht es um die kritische Überprüfung ihrer Geschichte, um Denkweisen und Strukturen zu überwinden, die dem humanistischen Anspruch unserer Idee und Weltanschauung widersprechen.

Es geht uns um die Schlussfolgerungen, wie heute eine kommunistische Partei aussehen muss, die den revolutionären Kampf führt und mit der Arbeiterklasse und allen dazu bereiten Bündnispartnern eine neue Gesellschaft aufbauen will.“

Liebe Genossinnen und Genossen,

es ist furchtbar, dass diese Positionen in den letzten Jahren in dieser Partei kaum noch in Politik umgesetzt werden. Es gibt in der DKP keinen hier immer wieder behaupteten Konsens zum Ukrainekrieg. Die Positionierung des Parteivorstands der DKP stellt eine neue Qualität im politischen Niedergang der Partei dar. Er kommt aber nicht unerwartet. Schon seit vielen Jahren werden in zahlreichen Dokumenten illusionäre Vorstellungen von einer „objektiv antiimperialistischen Außenpolitik“ Russlands verbreitet und der Friedenbewegung empfohlen, sich an die Seite der russischen Führung zu stellen. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ist dieses politische Kartenhaus endgültig zusammengebrochen. Die von vielen kritisierte schematische Trennung einer fortschrittlichen russischen Außenpolitik und einer reaktionär-nationalistischen im Inneren ist spätestens am 24.02.2022 implodiert.

Seit nunmehr knapp drei Monaten hatte der Parteivorstand die Chance, diese realitätsferne Einschätzung der russischen Führung und ihrer Handlungsweisen zu revidieren. Doch wer glaubte, es könne nicht schlimmer kommen, sieht sich eines Besseren belehrt.Die DKP hat mit dieser Position bei den Kommunistischen Parteien Europas ein Alleinstellungsmerkmal. Nahezu alle Kommunistischen Parteien in Europa verurteilen die Aggression Russlands und sehen in Russland eine imperialistische Macht, auch die KP der USA. Es ist Ausdruck der politischen Hilflosigkeit, dass uz und Parteivorstand dies der Mitgliedschaft verschweigen.

Der Parteivorsitzende, die uz und der vorliegende Initiativantrag unternehmen stattdessen fortwährend den Versuch, diesen Krieg zu rechtfertigen. Sie machen plumpe Antipropaganda gegen die derzeitige Medienhetze. Ohne Beweise wird intendiert, die russische Führung habe diesen Krieg beginnen müssen, sei ihr aufgezwungen worden. Dabei ähneln die Argumentationslinien der russischen Regierung immer stärker den Kriegsbefürwortern im Westen. Die USA mussten in den 70er Jahren vietnamesische Dörfer dem Erdboden gleichmachen, um sie vom Kommunismus zu befreien. Genau diese menschenverachtende Argumentation liefert gerade die russische Seite in diesem andauernden Krieg, den beide Seiten auf Kosten von Leben, Gesundheit und Besitz der Menschen in der Ukraine gewinnen wollen. Und natürlich wird behauptet, die „chirurgischen Angriffe“ schonten Menschenleben, wir kennen die Lügen aus dem Irak und anderen Kriege des Westens.

Es ist leicht zu erkennen: Putin ist ein gelehriger Schüler westlicher Politik der letzten 25 Jahre. Und natürlich ist wahr, dass es die Politik der NATO-Staaten am Ende des vergangenen Jahrhunderts war, die ein System gemeinsamer Sicherheit verhindert hat, dass die NATO-Osterweiterung die Sicherheitsinteressen Russlands massiv verletzt. Dies rechtfertigt aber in keiner Weise einen Angriffskrieg mit dem Potential der Eskalation bis hin zu einer atomaren Auseinandersetzung, die insbesondere von russischer Seite immer öfter leichtfertig ins Spiel gebracht wird.

In keinem Dokument der DKP-Führung wird der Fakt benannt, dass die russische Führung die staatliche Souveränität der Ukraine infrage stellt. Allein dieser Fakt widerlegt die Sichtweise eines Verteidigungskriegs. Nein, Russland will seine Rolle als Großmacht in Europa durch Annexion von Gebieten seiner westlichen Nachbarn festigen. Es spielt damit auf regionaler Ebene eine ähnlich aggressive Rolle wie die USA global gesehen. Hier gibt es kein besser oder schlechter – für eine Kommunistische Partei kann es hier nur maximale Distanz zu beiden kriegstreibenden Akteuren der aktuellen Auseinandersetzung geben. Wann wird in unserer Partei endlich begriffen, dass ein reaktionäres Regime niemals unsere Unterstützung oder Schonung finden darf – auch wenn es sich in Feindschaft zur NATO positioniert? Die Ziele der russischen Führung werden durch die Aggressivität des Westens historisch erklärbar – sie verdienen dennoch unsere tiefe Verachtung.

Die Parteiführung verbiegt in ihrer Einschätzung in infamer Weise das Völkerrecht wie es in der Erklärung der UNO verbindlich ist. Sie beraubt die Bundes-DKP damit jeder Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit in der aktuellen Auseinandersetzung für Frieden und gegen Hochrüstung. Wer den russischen Angriffskrieg rechtfertigt, verabschiedet sich von den Standards der Friedensbewegung. Er legitimiert imperiale Kriege und stellt sich damit objektiv an die Seite von AfD und Teilen der Querdenker-Bewegung. Das ist eine zutiefst inhumane und keine kommunistische Politik. Die heutige Situation ist eben nicht mit dem Zweiten sondern viel eher mit dem Ersten Weltkrieg vergleichbar. Eine Parteinahme für eine Seite verbietet sich für internationalistische marxistische Kräfte. Und dies ist eben kein Gegensatz sondern erst die Voraussetzung für einen glaubwürdigen Kampf gegen die Kriegstreiber im eigenen Land.

Deshalb: Lehnen wir hier und heute den Initiativantrag des Parteivorstandes ab. Kehren wir zurück zu einer antiimperialistischen Friedenspolitik ohne blinde Flecken. Beenden wir endlich die Schönfärberei der aktuellen nationalistischen revanchistischen Politik der russischen Regierung. Positionieren wir uns eindeutig auf Seiten der Friedenskräfte und des Völkerrechts anstatt die DKP endgültig in Spaltung und den politischen Untergang zu treiben. Wir KommunistInnen im Saarland werden uns diesem Untergang nicht anschließen.

 

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