Redebeitrag von Uwe Fritsch zum Ukraine-Krieg auf der 10. PV-Tagung der DKP

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Gehalten auf der Parteivorstandstagung am 9./10.04.22. Es gilt das gesprochene Wort.

Bei meinem ersten Ostermarsch 1962 von Braunschweig über Pein nach Hannover ist mir das erste mal diese Losung begegnet:

„Frieden ist nicht alles – aber ohne Frieden ist alles nichts!“

diese Aussage begleitete mich über viele Jahre bei den Ostermärschen der 1960`er und 70`er,
bei den Vietnam-Demos,
danach auf den Friedensdemonstrationen gegen den Nato-Doppelbeschluss,
gegen den Krieg in Jugoslawien, gegen die Irak-Kriege;
eigentlich auf allen Friedensaktivitäten!
Wir,
die DKP ist seit ihrer Konstituierung die konsequenteste „Anti-Kriegs-Partei“!
Für uns ist Krieg kein Mittel oder gar Ersatz politischer Auseinandersetzungen!
Das ist ein wesentlicher Eckpfeiler unserer Existenz als kommunistische Partei. Dieser Grundsatz darf nicht zur Disposition gestellt
oder beliebig ausgelegt werden!
Wir haben in unserem Parteiprogramm schon 2006 auf die sich verschärfenden Gegensätze der unterschiedlichen Monopolgruppen hingewiesen.
Ich zitiere:

„Die ökonomischen Entwicklungen in der heutigen Phase des Monopolkapitalismus vollziehen sich im Widerstreit der Interessen,
in sich verschärfender Konkurrenz,
in Konflikten zwischen den Transnationalen Konzernen,
zwischen diesen und nationalem Monopolkapital,
zwischen Monopolkapital und nichtmonopolistischem Kapital.
Dabei mobilisieren die Konzerne und Kapitalgruppen aufgrund ihrer Herkunft und ökonomischen Verankerung außerökonomische Mittel.
Eine besondere Rolle spielen dabei Staaten und supranationale Institutionen.“

Zitat Ende.

Deshalb handelt es sich meiner Meinung nach im Kern
und dem Wesen nach um einen imperialistischen Krieg
zwischen zwei monopolkapitalistischen Gruppen.
Auch das russische Monopolkapital bedient sich des russischen Staates um seine Interessen durch zu setzen.
Wir sagen weiter in unserem Programm, ich zitiere noch einmal:

„Zugleich entfalten sich die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Metropolen und Blöcken.
Allerdings wird der mit der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung im Imperialismus zusammenhängende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und der Einflusssphären
heute in erster Linie mit ökonomischen und politischen Waffen
oder mit „Stellvertreterkriegen“ ausgetragen,
die von anderen Ländern gegeneinander bzw. in Bürgerkriegen ausgefochten werden.
Hochrüstung, Rüstungsexport und das Schüren von Spannungen und Konflikten in verschiedenen Regionen steigern die atomare Bedrohung und die Gefahr eines für die ganze Menschheit verheerenden Krieges.
Das schließt nicht aus,
dass in der weiteren Perspektive mit der Veränderung der ökonomischen und militärischen Kräfteverhältnisse und
– mit der Zuspitzung des Kampfes um die immer begrenzter werdenden Rohstoffquellen und um Vorherrschaft in der Welt –
auch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen imperialistischen Metropolen wieder akut werden kann.“

Zitat Ende
Das zeigt einmal mehr,
wie aktuell unser Parteiprogramm ist
und die kapitalistischen Ursachen der heutigen internationalen Lage beschreibt.
Unser Verständnis von kommunistischer Politik ist es,
dass es eben keine „Zwangsläufigkeit“ ist,
dass Russlands aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre
und der Aggressivität der NATO-Staaten, einen Angriffskrieg führt.
Es gab und es gibt immer Alternativen, sie wurden nicht gegangen.
Der Angriff ist eben kein verhältnismäßiges Mittel zur Reduzierung der Bedrohung durch die NATO-Staaten.
Er erhöht die Weltkriegsgefahr im Allgemeinen und die eines Atomkrieges im Besonderen.
Für uns ist auch das Völkerrecht nicht beliebig!
Selbst wenn die USA 100 fach und mehr das Völkerrecht mit „Füßen getreten haben“,
bleibt dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine ein Bruch des Völkerrechts.
?
Wenn unsere Erkenntnisse so sind,
was ergibt sich daraus für unser politisches Handeln und unser Eingreifen in der aktuellen Situation?
Die Aussage,
dass dieser Krieg eine Niederlage der Friedensbewegung ist,
teile ich nicht.
Diese Analyse ist verkürzt.
Sie lässt den Schluss zu,
dass am Ende die Schwäche der Friedensbewegung Mitschuld an diesem Krieg hätte.
Sie vermittelt den Eindruck,
es hätte in den letzten 20 Jahren eine reale Chance zur Verhinderung der Osterweiterung der Nato durch die internationale Friedensbewegung gegeben.
Diese Einschätzung des realen internationale Kräfteverhältnisses,
der politischen Möglichkeiten und der ökonomischen Entwicklungen halte ich für falsch.
Gleichzeitig wird dabei nicht beachtet,
dass es uns mit und in der Friedensbewegung gelungen ist,
trotz bescheidener Kräfte,
das Thema „Frieden und Abrüstung“ in unserer Bevölkerung wach zu halten.
• Bis zum Kriegsbeginn ist es der herrschenden Politik nicht gelungen eine Mehrheit der Bevölkerung vom „2%-Ziel“,
der dauerhaften Erhöhung des Militärausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes zu überzeugen.
• Bis zum Kriegsbeginn war das Thema „atomare Teilhabe der Bundeswehr“ in der Bevölkerung nicht Mehrheitsfähig.
• Bis zum Kriegsbeginn wäre ein „100-Milliarden-Rüstungsprogramm“ nicht denkbar und schon gar nicht durchsetzbar gewesen.
• Bis zum Kriegsbeginn war die Debatte in der IG-Metall geprägt vom Gewerkschaftstagbeschluss in Nürnberg – „keine Waffenexporte!“
Mit dem Krieg hat sich das dramatisch geändert.
Aus meiner Sicht ergibt sich daraus aktuell die Notwendigkeit
Sofortmaßnahmen zu fordern,
auf wenige der wichtigsten Forderungen zu orientieren,
auf die größtmögliche Gemeinsamkeit zur Friedenssicherung zu setzen!
Erst einmal aktuell das Trennende beiseite,
erst einmal die Unterschiede in der Analyse der Entstehung beiseite,
dafür ist historisch immer noch Zeit.

Streiten wir gemeinsam:
„für den sofortiger Stopp aller Kriegshandlungen!“
„für Friedensverhandlungen unter Leitung der UNO und der OSZE!“
„für Überwachung des Waffenstillstandes durch Blauhelmeinsatz unter Einbeziehung solcher Staaten wie China, Cuba und Vietnam!“
„für eine Atomwaffenfreie Zone in ganz Europa - vom Atlantik bis zum Ural!“

Organisieren wir auf breitester Basis mit den Gewerkschaften Widerstand:

„gegen das 100 Milliarden Hochrüstungsprogramm“
„gegen das 2% Ziel für die jährlichen Rüstungsausgaben“
„gegen den Kauf von Atombombern“

Die Chancen dazu sind gegeben.
Der unter anderen von Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, und Gewerkschafter*innen initiierte „Der Appell“ ist ein Anknüpfungspunkt für uns.
Für mich steht dieser Appell in der Traditionslinie des „Krefelder Appells“.
Auch damals musste ein Minimalkonsens gefunden werden,
um den breitesten Widerstand zu organisieren.
Wir stimmen nicht mit allem überein.
Wir haben ja auch in unserer Partei die unterschiedlichsten Einschätzungen zur aktuellen Situation und wie sie entstanden ist.
Mich beeindruckt die Breite dieser Initiative, die Schnelligkeit ihrer Verbreitung und ihres Wachstums.
Aus der Region Braunschweig sind alle Bevollmächtigten der IG-Metall Unterstützer*innen, Betriebsratsvorsitzende aus der Stahlindustrie und dem VW-Konzern,
Unterzeichner*innen sind Verd.Di Funktionär*innen, NaturFreunde, VVN, DfgVK, Grüne Jugend, SPD, Künstler, Professoren und mehr als 45.200 Einzelpersönlichkeiten.

Ich verstehe das auch als Möglichkeit nach dem Ende des Krieges das Thema „Abrüstung“ mit neuem Schwung zu beleben.
Unterstützen wir den Versuch aus aktuellem Anlass die fortschrittlichen Teile von Arbeiter- und Friedensbewegung zusammen zu bringen.
Unterstützen wir solche gewerkschaftlichen Persönlichkeiten
wie Frank Wernecke (artikel in der Zeitschrift „publik“) und Hans-Jürgen Urban (FAZ-Interview), die sich ganz bewusst gegen die Hochrüstung und gegen die Kriegshysterie stellen.
Wir Kommunistinnen und Kommunisten sollten den Appell unterstützen,
dafür werben und ihn in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten rund um die Ostermärsche stellen.
Das ist zumindest mein Verständnis von Bündnispolitik,
auch über aktuell unterschiedliche Einschätzungen hinweg,
die dringendsten Fragen gemeinsam angehen,
alle Kräfte bündeln im Kampf gegen Krieg,
Hochrüstung und atomare Bedrohung.
Ganz im Sinne von:

„Frieden ist nicht alles – aber ohne Frieden ist alles nichts!“

 

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