Aktuelle Herausforderungen an kommunistische Politik

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Überarbeiteter Diskussionsbeitrag von Rainer Dörrenbecher (DKP Saarland) beim Videotreff des „Netzwerk Kommunistische Politik“ am 31.01.2021

Der Beitrag ist ein Versuch Diskussionen zusammenzufassen, die im Bezirksvorstand Saarland zu gegenwärtigen Herausforderungen an kommunistische Politik geführt wurden.

Vor 1 ½ Jahr war der Entwurf des Leitantrages des Parteivorstandes an den 23. Parteitag veröffentlicht worden. Der Titel war: „Die Kampffelder der DKP im Rahmen der antimonopolistischen Strategie“. Kritik bis in die parteivorstandsorientierte Mitgliedschaft gab es wegen des Fehlens des Kampffeldes „Ökologie und Klima“. Zum Parteitagsbeschluss „die ökologischen Krise und die Notwendigkeit einer antikapitalistischen Umweltpolitik“ gab es viele Änderungsanträge, wenige wurden berücksichtigt. In den „Kernaussagen“ zur Bundestagswahl fehlen Ökologie und Klima erneut. Patrik Köbele hat dies damit begründete, die DKP habe dazu nicht auch noch Kraft. Der Umgang des PV mit dieser Thematik lässt erkennen, dass das Problem des Klimawandels, damit verbunden die ökologische Krise in ihrer Tiefe, Auswirkungen und Schlussfolgerungen für kommunistische Politik sich nicht widerspiegelt.

Wir befinden uns gegenwärtig in tiefgreifenden Prozessen des Umbaus, der Transformation, der Weiterentwicklung der Produktivkräfte, einschließlich der menschlichen Arbeitskraft. Es geht nicht nur um den stofflichen Umbau der Energiewirtschaft, der Verkehrssysteme, der Stahlproduktion und anderer Bereiche. Der Versuch einer Umstellung auf sogenannte „Grüne Produktion“, auf einen „Grünen Kapitalismus“, ist nur ein Teil einer notwendigen technischen und wirtschaftspolitischen Umgestaltung der Produktivkräfte. Das betreiben gerade die Automobilkonzerne und die Energiewirtschaft im Bunde mit den regierungskompatiblen Parteien. Das Nichterreichen der Klimaziele der Pariser Vereinbarungen ist vorprogrammiert. Ob ein solcher Umbau im Kapitalismus überhaupt möglich ist, muss mit Fragezeichen versehen werden.

Nur nach dem Profitprinzip wird es nicht einmal Grüne Produktion geben. Im ND vom 23. Januar d.J. wird in dem Beitrag „Warum ein ressourcenschonender Kapitalismus prinzipiell unmöglich ist“ das Fragezeichen bestätigt.

Die gesellschaftspolitische Gestaltung dieses objektiv notwendigen Prozesses, die Transformation der Produktivkräfte, muss deshalb vor allem eine Aufgabe der Arbeiterbewegung werden. Es geht nicht „nur“ um ökologische Transformation, sondern um deren sozialen Charakter. Deshalb ist der Begriff sozialökolgischer Umbau aus unserer Sicht zutreffender. Darauf aufmerksam zu machen, dazu zu argumentieren, Initiativen ergreifen und unterstützen halten wir für eine wichtige Herausforderung an kommunistische Politik. Jetzt und in Perspektive. Nur darauf hinzuweisen, dass die Ökologiefrage nicht vergessen werden darf, ist nicht zukunftsfähig.

Kommunistische Politik kann sich meiner Meinung nach nicht darin erschöpfen die C02 -Steuer abzulehnen oder bei den Forderungen der IGMetall zur aktuellen Tarifrunde dieses oder jenes Detail für nicht ausreichend zu erklären. Die Hauptschwäche in der Begründung und Orientierung der tarifvertraglichen Konzeption ist das Zurückweichen vor den Konsequenzen einer wirklich qualitativen Weiterentwicklung der Mobilität. Die Verkehrswende wird angesprochen aber beschränkt auf den Austausch des Verbrenners durch den Elektroantrieb. Wir wissen, nicht nur das Problem der C02-Bilanz wird so in die außereuropäische Welt verlagert, es geht auch um ursprüngliche Formen der Ausbeutung und umfangreiche Umweltzerstörung.

Der angesprochene Transformationsprozess geht über die Veränderung des Menschen als Produktivkraft hinaus, er macht eine Änderung unserer Lebensweise notwendig. Wir sind uns eigentlich bewusst, dass nicht alle Menschen so leben können wie wir in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Dazu muss ich keine Beispiele anführen. Ein Endloswachstum von Wirtschaft, Naturzerstörung und Konsum kann sich die Erde nicht leisten und wir auch nicht. Unsere marxistische Politische Ökonomie, wissenschaftlich arbeitende Marxistinnen und Marxisten, beschäftigen sich schon seit einiger Zeit damit, wie z.B. das isw, aktuell mit dem Report vom Dez., auch die Marx-Engels-Stiftung mit Veranstaltungen.

Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft. Diese als Heilmittel für viele Probleme gepriesen, dient zuallererst als Rationalisierungsinstrument. Statt die Potenziale neuer Technologien zur Erleichterung und Aufwertung von Tätigkeiten zu nutzen, erleben die Beschäftigten eine weitere deutliche Verdichtung ihrer Arbeit. Digitalisierung wird nicht genutzt, um Arbeitszeiten zu verkürzen sondern dient dazu, noch mehr Profit aus den Beschäftigten herauszupressen. Der dadurch drohende Verlust von Arbeitsplätzen (ca. 30 Prozent in der industriellen Fertigung und viele im Verwaltungsbereich) verstärkt die Ängste in der Krise zusätzlich.

Ohne gesamtgesellschaftliche Planung, ohne Kontrolle und Steuerung von Investitionen, ohne strukturelle Eingriffe in die Eigentumsrechte, ohne Erweiterung der Mitbestimmungsrechte, wird sich an den bisherigen Produktionsverhältnissen nichts ändern. Forderungen und Konzeptionen außerhalb der Konzernlogik sind erst wenige erkennbar. Nicht nur die Gewerkschaften sind sozialökologisch gefordert.

Nun gibt es seit einem Jahr eine weitere, die Menschheit betreffende Herausforderung, die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Pandemien haben jetzt die hochentwickelten Länder erreicht. Und es kommt hinzu, dass Covid 19 gefährlicher für die Menschheit ist, als alles bisher gekannte.

Der Parteivorstand beschränkt sich darauf, die Abwälzung der finanziellen Auswirkungen auf die arbeitenden Menschen zu bekämpfen und sich für Arbeitsschutz einzusetzen. Die Pandemie wird als eine eigenständige Krise nicht wahrgenommen. Diese Pandemie hat doch nicht „nur“ finanzielle „Auswirkungen“, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen? Es geht darum, Gesundheit und Leben zu schützen hier in unserem Land genauso wie in Timbuktu und nicht nur in Havanna und Wuhan.

In dem Zusammenhang frage ich mich, ob es richtig und vertretbar ist, dass wir die Aufrechterhaltung nicht daseins-notwendiger Produktion befürworten können?

Virologen gehen inzwischen davon aus, das Virus werde bleiben. Welche Fragen ergeben sich für uns daraus? Nicht virologische oder medizinische, aber gesellschaftspolitische.

Schon im März vergangenen Jahres war in einem Beitrag auf Kommunisten.de auf den Zusammenhang von „westlicher“ Lebensweise und Corona hingewiesen. Wir hatten das in einer Erklärung des Bez.Vorstandes damals aufgegriffen und geschrieben: „Das Auftauchen von Corona und die schnelle Abfolge anderer Virusepidemien (SARS, Vogelgrippe, Zika, Ebola, Geflügelpest,...) in den letzten Jahren sind verbunden mit der sich immer weiter verschärfenden kapitalistischen Ausbeutung der Natur. Die immer weiter vordringende Abholzung von Wäldern für Ressourcenabbau, Holz und Agroindustrie zerstört jene Ökosysteme, die aufgrund ihrer Vielfältigkeit entsprechende Viren zurückhalten und isolieren können. Das ist die Meinung von Wissenschaftlern, die sich ernsthaft damit beschäftigen.

Der zweite Faktor ist nach Meinung vieler Wissenschaftler die kapitalistische Fleischproduktion, denn die damit einhergehenden genetischen Monokulturen und der hohe Durchlauf von Tieren in der industriellen Produktion sind optimale Bedingungen für Ausbreitung und Überspringen der Viren auf Menschen.

Bei Wissenschaftlern, die sich mit diesen Themen beschäftigen sind diese Zusammenhänge, unbestritten. Doch eine breite öffentliche Debatte darüber wird nicht geführt. Die ökonomisch Mächtigen und ihrer Vertreter unterdrücken sie. Corona verweist uns darauf, welche Verwüstungen die kapitalistische Produktionsweise im Feld der Gesundheit, der Ernährung, der Gesellschaft und der öffentlichen Infrastruktur nach sich gezogen hat.“

Auch im gewerkschaftlichen Bereich wird sich zumindest theoretisch mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Auf der Netzwerk-Veranstaltung im November hatte Hans-Jürgen Urban, Mitglied des IGMetall-Vorstandes, diese Zusammenhänge als Ausgangsthese seines Vortrages genommen. Sein Stichwort war: „Die kapitalistische Produktions- und Lebensweise bedroht Biodiversität und intakte Ökosysteme und fördert das Überspringen tierischer Erkrankungen auf den Menschen.“

Abschließend ein Resümee von Prof. Klaus Dörre, der gelegentlich auf kommunisten.de zu lesen ist. Er schreibt in dem Beitrag „Lockdowns sind kein Klimaschutz“ auf JACOBIN: „In Deutschland und Europa mangelt es nicht an … Entwürfen (zum Thema „New Green Deal“). Sie alle weisen große gemeinsame Schnittmengen auf. Nachhaltige Verkehrs- und Energiewende, Sicherheitsgarantien für Beschäftigte aus den Karbonbranchen, Umverteilung mittels gerechter Steuerpolitik, Aufwertung von Sorgearbeit, Arbeitszeitverkürzung, eine armutsfeste Grundsicherung, Bekämpfung prekärer Beschäftigung - sowie ein neuer Multilateralismus, der Aufrüstung und Kriege vermeidet, indem er einer gerechten Weltwirtschaftsordnung zum Durchbruch verhilft, gehören zum Standardrepertoire der meisten Konzepte.

……

Aktuell, dabei bleibe ich, sind die Aussichten für eine solche Perspektive nicht allzu gut. Die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse sperren sich gegen radikale Veränderungen. »Durchkommen« lautet die Devise, der viele folgen. Doch jede Verwerfung, die der Katastrophenkapitalismus erzeugt, schafft zugleich Gründe, die für seine Überwindung sprechen. Jedes systemkonforme Management der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise ist mit hohen Risiken behaftet, und auch die Gefahren durch eine autoritäre Rechte, die sich weiter radikalisiert, sind keineswegs gebannt.

Umso wichtiger ist, dass klar umrissene emanzipatorische Alternativen öffentlich sichtbar werden, die einen Bruch mit dem Bestehenden fordern. Auch dafür gibt es Beispiele: neue Allianzen von Klimabewegungen, Umweltverbänden und Gewerkschaften; Forderung nach einer Gemeinwohlwirtschaft, wie sie etwa der BUND propagiert; die Frauenstreikbewegung, die neue Formen des Arbeitskampfs erprobt; die weltweiten Proteste von Black Lives Matter gegen Rassismus und Polizeigewalt. All das zeigt: Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Und analytischer Realismus wirkt mobilisierend. 

Für alle, die die Zerstörung des Planeten durch den Kapitalismus stoppen wollen, kann die Zukunft nur eine ökosozialistische sein.“

Das Ergebnis unserer bisherigen Diskussionen könnte so zusammengefasst werden:

Die Herausforderungen der Klima- und Ökologiefrage nicht als politisches Stiefkind, als etwas zusätzliches, das nicht vergessen werden darf, wahrzunehmen. Unserer Meinung nach geht es darum, sie als fester, organischer Bestandteil unseres Wirkens als Kommunisten zu verstehen: In der kommunistischen Strategie und Taktik und vor allem in der gesellschaftspolitischen Praxis. Vor allem für zukünftige kommunistische Politik.

 

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