Französische Kommunisten starteten EU-Wahlkampf

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12.02.2019: Mit einer großen Kundgebung im Dock des Suds im alten Hafengelände von Marseille starteten die französischen Kommunisten am Abend des 5. Februar ihren EU-Wahlkampf. Ihr Spitzenkandidat Ian Brossat, 38 Jahre alt, Lehrer für Französisch und derzeit kommunistischer Vizebürgermeister der Hauptstadt Paris, zuständig für Wohnungswesen und Notunterkünfte, präsentierte die vom PCF-Nationalrat aufgestellte Kandidatenliste. Gleichzeitig betonte der Listenführer aber, dass die PCF offen bleibe für Gespräche mit den anderen Linkskräften über die Bildung einer gemeinsamen EU-Wahlliste, um der Politik von Staatschef Macron und seiner Regierung sowie der Gefahr eines weiteren Vormarschs der Rechtsextremisten unter Marine Le Pen bei dieser EU-Wahl eine Sammlung der Linken entgegenzustellen.

Gut tausend Mitglieder und Sympathisanten der PCF hatten sich in der alten Lagerhalle für Zucker im Dock des Suds zusammengefunden, das seit der Verlagerung der Hafentätigkeit aus der Altstadt von Marseille in weiter draußen liegende Anlagen zu einem Veranstaltungszentrum mit mehreren großen Sälen vor allem für Musikveranstaltungen umgebaut worden war. -Symbolisch war für den Wahlkampfauftakt der 5. Februar ausgesucht worden, der Tag, an dem erstmals im neuen Jahr 2019 die linken Gewerkschaften zu einem neuen landesweiten Streik- und Aktionstag aufgerufen hatten und zum ersten Mal auch Anhänger der Bewegung der „Gelben Westen“ in größerem Ausmaß zusammen mit den Gewerkschaftern auftraten.

„Wir habe eine schöne Liste“, betonte Ian Brossat. „die einzige, die zur Hälfte aus Arbeitern und Angestellten besteht. Das ist die gesellschaftliche Linke, außerhalb der Mauern, die sich alle Tage in den Kämpfen schlägt. Der Geist des Widerstands gegen die Mächtigen“. Sie sei eine „Regenbogenliste“, die die Verschiedenartigkeit Frankreichs und „den Zorn und die Hoffnungen“ widerspiegelt, die im Land hochkommen.

Es handelt sich um eine offene Liste von Kandidatinnen und Kandidaten, die in den sozialen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit eine besondere aktive Rolle gespielt haben. Unter den ersten 15 Nominierten sind ein Drittel Nichtmitglieder der PCF, darunter drei aus den Reihen der Gelbwesten-Bewegung.

Von der „Arbeiterorientierung“ zeugt u.a. schon der Platz 2 der Liste, wo die Textilarbeiterin Marie-Hélène Bourlard, 61-jährige Gewerkschafterin  aus der Textilfabrik Ecce in Poix du Nord (Nordfrankreich) nominiert wurde, die einen jahrelangen Kampf gegen die Verlagerung der Firma ins Ausland geführt hat und eine zentrale Rolle in dem in Frankreich im letzten Jahr sehr bekannt gewordenen Dokumentarfilm „Merci patron!“ (Danke, Chef!) spielte. „Das würde sehr gut tun, die erste Arbeiterfrau zu haben, die in das EU-Parlament kommt“, freute sich Ian Brossat über diese Nominierung.  Weitere Beispiele sind der 28-jährige Arthur Hay, Fahrer bei einem Lieferdienst, der die erste Gewerkschaft der Fahrradaulieferer in Frankreich gegründet hat, oder Arjowiggins de Wizemes, Arbeiter in einer Papierfabrik im Pas-de-Calais, der mit seinen Kollegen drei Jahre lang Tag und Nacht seinen Betrieb besetzt hielt, um dessen Schließung und Verlagerung zu verhindern, was am Ende im letzten Herbst mit der Übernahme der Firma durch einen anderen Investor zum Erfolg führte und hunderte Arbeitsplätze rettete.

Auf Platz fünf findet sich der erste Aktivist aus der Gelbwesten-Bewegung, der 35-jährige Mamoudou Bassoum, ein Ingenieur aus dem mittelfranzösischen Departement Loiret und Goldmedaillen-Gewinner bei den Europameisterschaft des koreanischen Kampfsport Taekwondo, der am 1. Dezember mit seiner Gelben Weste auf das Podium der Preisträger gestiegen war.

Zu den landesweit bekanntesten Kandidatinnen gehört auch die in Teheran geborene iranisch-französische Schriftstellerin Maryam Madjidi, die als aufkommendes Talent der jüngeren französischen Literatur gilt und für ihren ersten autobiographisch angelegten Roman „Marx et la poupée“ (Marx und die Puppe) den in Frankreich hoch geschätzten Literaturpreises Prix Goncourt verliehen bekam.  Auf Platz 7 kandidiert der in Marseille und Umgebung sehr geschätzte Krebsmediziner und Universitätsprofessor Antony Gonçalves. Zu den öffentlich bereits bekannteren Kandidatinnen gehört auch die 50-jährige Elina Dumont, die in der Bewegung der Gelbwesten aktiv ist. Sie hat 15 Jahre lang als Obdachlose ohne festen Wohnsitz gelebt und ist heute als Schauspielerin und Mitarbeiterin der TV-Sendung „Les grandes gueules“ (Die großen Mäuler) tätig. Sie wurde bekannt durch ihre wiederholten öffentlichen Auftritte für eine bessere Verteilung des Reichtums und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Die von der PCF getragene Liste steht unter dem Motto „Für das Europa der Menschen, nicht das Europa des Geldes“. Ian Brossat bezeichnete es bei ihrer Vorstellung als eines der wichtigsten Ziele, „Europa nicht zu einem Kampf zwischen den Liberalen einerseits und den Faschos andererseits werden zu lassen‘“. Als Wahlkampfforderungen und Wählerauftrag für die PCF-KandidatInnen nannte er u.a. Forderung wie ein EU-weites Verbot der Auslagerung von Industriebetrieben, die Einführung eines europäischen Mindestlohnes, die Einführung einer Quellensteuer für die multinationalen Konzerne, den entschiedenen Kampf im Rahmen der EU gegen die Steuerflucht und die Steuerparadiese, die Schaffung eines von der Europäischen Zentralbank gespeisten EU Fonds für die Entwicklung der öffentlichen Dienste und eine Reform der geltenden Bestimmungen der EU-„Entsenderichtlinie“ für die Arbeit in anderen Ländern zugunsten der Beschäftigten.

Die PCT-Liste war vor ihrer öffentlichen Bekanntgabe durch eine Mitgliederabstimmung der PCF gebilligt worden, die vom 31. Januar bis zum 2. Februar stattfand. Dabei waren nach den Angaben der vom Nationalrat gewählten Wahlkommission 47 349 PCF-Mitglieder stimmberechtigt, die länger als drei Monate Mitglieder in der Partei sind und mit ihrer Beitragszahlung auf dem Laufenden waren. Davon haben 23 019 oder 48,6 Prozent an der Abstimmung teilgenommen. Für die vom Nationalrat vorgeschlagene Liste stimmten 21 578 Mitglieder oder 95,66 & für die Liste, 358 (1,6 % stimmten dagegen und 627 (2,8 %) enthielten sich.

G. Polikeit


 

siehe auch auf Kommunisten.de
CGT und "gelbe Westen": "Niemand hat ein Monopol auf Aktion, Streik oder Wut"

 

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