Außerordentlicher Bundeskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e. V.)vom 4. bis zum 5. Oktober 2025 in Bad-Cannstatt

Vom 4. bis 5. Oktober – während des traditionsreichen Volksfestes „Cannstatter Wasen“ fand in Stuttgart-Bad Cannstatt der außerordentliche Bundeskongress der VVN-BdA statt.

Nach den Erfahrungen während des Bundeskongresses 2024 in Halle, beschloss der Bundesausschuss der VVN-BdA eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung dieses Stuttgarter Kongresses zu beauftragen, den Entwurf eines Aktionsprogramms zu erstellen. Entsprechend der Bandbreite der VVN-BdA-Mitglieder war diese Arbeitsgruppe zusammengesetzt worden. Jede/jeder sollte sich mit ihren/seinen Überzeugungen einbringen können, ohne parteipolitisch zu agieren.

Ziel war es, die VVN-BdA als größte antifaschistische Vereinigung handlungsfähig zu halten.

Die unterschiedlichen Haltungen berücksichtigend, sollten gemeinsame Bewertungen der existenziellen Menschheits-Probleme – auch auf internationaler Ebene – formuliert werden. Die Position der VVN-BdA zur aktuellen Kriegsgefahr, zum sozialen Kahlschlag mit dem einhergehenden Erstarken neofaschistischer Organisationen und zum Klimawandel sollte hierbei nicht nur beschrieben werden, sondern es war das Ziel Handlungsperspektiven aufzuzeigen.

Es zeigte sich dabei erfreulicherweise, dass die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe entsprechend der Zielvorgabe trotz unterschiedlichster Vorstellungen und kontroverser Diskussionen gemeinsam ein Aktionspapier für den Buko herausgeben konnten. In diesem waren zielgerichtet die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet worden. Strittige Positionen (z. B. Faschismustheorien…), die nicht notwendigerweise aktuell geklärt werden mussten, wurden bewusst nicht in diesen Programmentwurf aufgenommen. Hierfür sollen andere Formate für spätere Diskussionen genutzt werden.

Der Versand des Aktionsprogramms und weiterer Anträge ermöglichte es allen Delegierten, sich bereits im Vorfeld damit auseinanderzusetzen und ggf. Änderungsanträge zu stellen. Die zahlreichen Eingänge hierzu zeugten von der Brisanz der Themen und dem Wunsch der Mitglieder aktiv an der Zukunftsgestaltung der VVN-BdA mitzuarbeiten.

Vor Kongressbeginn fand am Nachmittag des 3. Oktober am Grab von Willi Bleicher eine Ehrung dieses Kameraden statt. Er war Widerstandskämpfer und wurde wegen der Rettung eines dreijährigen Jungen im KZ Buchenwald in Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. In der Bundesrepublik war er einer der maßgebenden Gewerkschafter, der sich für die antifaschistische Arbeit innerhalb der Gewerkschaftsbewegung einsetzte. Eine Ehrung zur Eröffnung des Buko, an der alle Delegierten – auch die Teilnehmer der Demonstration „Nie wieder kriegstüchtig!“ in Stuttgart am 3. Oktober 2025 – hätten teilnehmen können, hätte das Anliegen nicht geschmälert, im Gegenteil, der Konflikt mit der Friedensdemo wäre so leicht zu vermeiden gewesen.

Im barrierefreien Kurhaus in Bad Cannstatt begann dann der Bundeskongress am Samstagmorgen. Nach der Anmeldung bestand die Möglichkeit, sich bei VertreterInnen des Verbands für das Erinnern an die verleugneten Opfer des Nationalsozialismus (VEVON) über ihre Aktion und ihren Antrag zu informieren. Ebenfalls am Eingang waren Informations- und Materialstände zu Willi Bleicher und zur Berufsverbotsproblematik, zum Wohn- und Ferienheim Heideruh e.V. und zur VVN-BdA  e. V. aufgebaut.

Nach der Begrüßung durch die Bundesvorsitzende Cornelia Kerth und dem Grußwort von Anthony Cipriano als Vertreter der Landesvereinigung Baden-Württemberg erfolgten drei Input-Referate. Es wurde hierbei eingegangen auf die „Herausforderungen durch die AfD und andere Neofaschisten“ (Fritz Burschel), die „Herausforderungen durch Aufrüstung und Militarisierung“ (Paul Schäfer und Tobias Pflüger) und die „Herausforderungen in der Geschichtspolitik“ (Maxi Schneider). Ein Austausch im Anschluss war nicht vorgesehen.

Das vom Bundesausschuss vorgelegte Aktionsprogramm konnte von der Antragskommission unter Einbeziehung der Ergänzungen in neuer Form als Leitantrag herausgebracht werden. Ihm wurde so mit großer Mehrheit zugestimmt. Neben satzungsändernden und Anträgen zur Finanzordnung wurden auch politische Anträge beschlossen. Mehrheitlich wurde angenommen:

  • dass die VVN-BdA den Kampf des Holocaust-Überlebenden Salo Müller auf allen Ebenen unterstützt, um eine Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Deutschen Reichsbahn zu erhalten;
  • dass die VVN-BdA ihr Bedauern bekundet, die Ausgrenzung und Stigmatisierung der Verfolgten mit dem schwarzen und grünen Winkel teilweise mitgetragen zu haben. Sie begrüßt den Zusammenschluss der Hinterbliebenen und Angehörigen dieser verleugneten Opfergruppen zum Verband für das Erinnern an die verleugneten Opfer des Nationalsozialismus (VEVON). Sie unterstützt diesen in seinen Bemühungen und freut sich, wenn VEVON sich als kooperatives Mitglied der VVN-BdA anschließen würde;
  • dass die VVN-BdA die Nachzahlung der vorenthaltenen Löhne der ZwangsarbeiterInnen an die Nachfahren durch die Erben der Profiteure des faschistischen Raubkrieges und der Zwangsarbeit fordert („Braune Erben enterben“);
  • dass der Forderung „Der 8. Mai muss gesetzlicher Feiertag werden“ Nachdruck verliehen wird und eine Kampagne dazu gestartet werden soll;
  • dass die VVN-BdA und ihre Gliederungen die politische Kampagne der „Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer“ (FIR) gegen Einordnungen der „Antifa“ als inländische terroristische Organisation unterstützt. Mit eigenen Initiativen unterstützt die VVN-BdA mit ihren Gliederungen die Kampagne „Antifa ist weder kriminell noch terroristisch – Antifaschismus steht für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Frieden“; (siehe Anhang)
  • – dass die VVN-BdA ihre Solidarität mit den Bewegungen für Gleichberechtigung von Frauen, Lesben und Schwulen, Bi-,  Inter-, Trans- und Asexuellen sowie queren und nicht geschlechtlich binären Menschen bekundet;
  • dass Antifaschismus und Kampf für Umwelt- und Klimaschutz sowie Klimagerechtigkeit zusammen gehören; – VVN-BdA for Future!
  • dass die VVN-BdA das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht betont, die Gewährung von Asyl und einen Stopp der Verfolgung dieser Menschen fordert;
  • dass die Bundesvereinigung der VVN-BdA ihre Solidarität mit den AntifaschistInnen zeigt, die aufgrund ihres Engagements gegen Neonazis und den gesellschaftlichen Rechtsruck von staatlicher Repression betroffen sind.

Alle weiteren Anträge wurden auf Empfehlung der Antragskommission hin an den Bundesausschuss delegiert. Das Projekt „Antifaschismus als Zukunftsprojekt“ wurde ebenfalls an diesen weitergegeben, um eine Realisierung zu ermöglichen, die von der Gesamtorganisation getragen wird.

Insgesamt bleibt festzustellen:

Das vorrangige Ziel dieses außerordentlichen Bundeskongresses war, dass die VVN-BdA handlungsfähig bleibt und sich auf aktuelle Situationen einstellen kann. Der Antrag „Aktionsprogramm“ vom Bundesausschuss konnte dank des Engagements vieler ergänzt und durch die Antragskommission kompetent und zielführend zusammengefasst werden. Diesem Entwurf wurde mit eindeutiger Mehrheit als Leitantrag zugestimmt und somit das vorrangige Ziel erreicht.

Mit der vorgesehenen Konzeption konnte dieser zweitägige Bundeskongress aber in einigen wesentlichen Bereichen nicht zu den weiterführenden Diskussionen und den daraus resultierenden Beschlüssen führen.

Der herausfordernde und drängende Themenkomplex „Friedenspolitische Anträge“ konnte aus Zeitmangel nicht beraten werden. Auf diese vorherzusehende Problematik war wiederholt hingewiesen worden, sowohl vor dem Kongress während der Vorbereitung durch den Bundesausschuss, als auch noch während des Kongresses. Bedauerlicherweise wurden vorgeschlagene Änderungen der Tagesordnung wiederholt mehrheitlich abgelehnt.

Die Inputs während des Kongresses waren informativ und wären eine sinnvolle Grundlage für eine weitergehende Diskussion gewesen. Dies war für den Bundeskongress aber nicht vorgesehen. Daher wäre es sinnvoller gewesen, sie zu streichen und in Schriftform den Delegierten im Vorfeld zur Verfügung zu stellen, um sie als Grundlage für einen Austausch nutzen zu können. Auf diesem Bundeskongress blieben die informativen Inhalte daher leider ungenutzt und der drängende Themenkomplex „Friedenspolitische Anträge“ (u. a. mit den Themen Friedensinitiativen, Militarisierung, Kriegstüchtigkeit, Kriege, Atomwaffen) entfiel gänzlich.

Wie wichtig eine informative, solidarische und sachliche Bearbeitung dieses drängenden Themenkomplexes ist, wurde deutlich durch Gesprächsbeiträge, die weder inhaltlich noch in der Form angemessen waren.

Die fehlende Bereitschaft, sich mit dem Themenkomplex „Friedenspolitische Anträge“ auseinanderzusetzen, führte so leider zu sachlich unpassenden Aussagen. „Das spaltet die VVN-BdA“. Solch ein Vorwurf ist wahrlich ein ungeeignetes Argument, wird einer notwendigen inhaltlichen Diskussion nicht gerecht und sollte unterlassen werden. Innerhalb der VVN-BdA darf es keine Maulkörbe geben! Unterschiedliche Positionen (parteipolitisch, konfessionell…) und unterschiedliche Herangehensweisen gehören seit Anbeginn zur VVN / VVN-BdA, können bereichernd sein – auch für Außenstehende(!) – und zeichnen diese Vereinigung in ihrer Offenheit aus. Auch wenn dies nicht immer einfach ist, bleibt genau das unser Auftrag, wenn wir aus der Geschichte lernen wollen.

Bedauerlich war, dass ebenso eine Diskussion zu „Wie müssen wir aufgestellt sein?“, wenn die AfD Teil einer Regierung ist oder eine Regierung bildet? „Wo sind mögliche Bündnispartner, um dies zu verhindern?“ nicht geführt wurde.

Trotz des Engagements der Zivilgesellschaft und von uns und trotz unserer Kampagnen wurde die AfD erschreckend stärker. Daher sollten wir jetzt auch unsere Aktivitäten kritisch reflektieren und zukünftiges Handeln optimieren. Bei all dem bleibt es bei „Die Tür nach rechts bleibt zu!“, ohne dies unbegründet und inflationär zu nutzen.

Bei der Annahme des Entwurfs „Aktionsprogramm/Leitantrag“ wurde schon zu Beginn des Kongresses deutlich, dass kontroverse Themen durchaus in der Diskussion von der VVN-BdA produktiv genutzt werden können. Mit diesem Wissen und unserer jahrzehntelangen Erfahrung sollten wir weiterhin auch strittige Themen zuversichtlich und offen gemeinsam bearbeiten.

Unser gemeinsames Ziel eint uns:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Klaus Weißmann und Matthias Behring

Leitantrag auf den Seiten der VVN-BdA

Initiativantrag der FIR


Eine Antwort zu „geschlossen uneinig – Bericht vom VVN-Bundeskongress“

  1. Avatar von Heinz Stehr
    Heinz Stehr

    Danke für euren erhellenden Beitrag. Bei allen Problemen die noch offen sind ist es wichtig das die VVN/BdA handlungsfähig bleibt.
    Das ist ist für die vor uns stehenden Herausforderungen aber auch neuen Chancen sehr wesentlich. Junge Leute engagieren sich zunehmend mehr antifaschistisch.
    Die VVN/BdA muss gerade für die Jugend ein attraktives Angebot sein

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