Frankreich: Wähler-Frust über Hollande-Kurs

Drucken

Die Hälfte ging nicht zur Wahl – Starke Verluste der regierenden „Sozialisten“ – Erfolg für Rechte und Rechtsextremisten
24.03.2015: Die stärkste Partei bei der Wahl zu den französischen Departements-Parlamenten am vergangenen Sonntag (22. März) blieben die Nichtwähler. Die Wahlbeteiligung lag zwar gegenüber 2011 um 6,5 Prozent höher, aber noch immer nur bei 50,17 Prozent. Die Hälfte aller Wahlberechtigten sah offenbar keinen Sinn darin, einer der kandidierenden Formationen die Stimme zu geben.

Die Wahlenthaltung ging in erster Linie zu Lasten der regierenden „Parti Socialiste“ (PS). Millionen Wähler, die vor drei Jahren den „Sozialisten“ Hollande zum Staatspräsidenten gewählt hatten, um einer Alternative zum neoliberalen Rechtskurs des vorhergehenden Staatschefs Sarkozy zum Erfolg zu verhelfen, blieben diesmal frustriert zu Hause. Sie haben erlebt, dass unter Hollande der Kurs der Begünstigung der Unternehmer und der Unterordnung unter die EU-Sparauflagen nahtlos fortgesetzt wurde und die Massenarbeitslosigkeit neue Rekorde erreichte. Von den 298 Wahlkreisen („cantons“), in denen schon im 1. Wahlgang ein Bewerberpaar (jeweils eine Frau und ein Mann) mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt wurde, waren die PS mit Verbündeten nur in 56 erfolgreich. Die neuformierte Sarkozy-Partei UMP und ihre Partner gewannen dagegen 220 Wahlkreisen. In fast der Hälfte der insgesamt 2054 Wahlkreisen reichte es für die PS nicht mal mehr dazu, mit 12,5 Prozent am kommenden Sonntag wenigstens noch in den 2. Wahlgang zu kommen. Die bürgerlichen Rechten liegen für die 2. Tour in 829 Wahlkreisen vorn, die „Sozialisten nur in 530.

Die Profiteure der Situation waren also in erster Linie Sarkozys UMP und andere rechtsbürgerliche Formationen. Ihnen gelang es offensichtlich weitaus besser, die bürgerlichen Wählerschichten zu mobilisieren. Alles sieht danach aus, dass Sarkozys UMP und die anderen Rechten nach dem 2. Wahlgang in zahlreichen Departements die Führung übernehmen werden, in denen bisher linke Koalitionen regierten.

Eine gefährliche Folge dieser Situation ist auch das erfolgreiche Abschneiden des rechtsextremistischen „Front National“(FN). Er eroberte im 1. Wahlgang mit jeweils mehr als 50 % der Stimmen in vier Wahlkreisen acht Mandate. Aber er kam in mehr als der Hälfte aller Wahlkreise mit mehr als 12,5 % in die 2. Runde. In 343 Wahlkreisen tritt er dabei als stärkste Partei mit hohen Gewinnchancen an. Damit wurde der FN zwar nicht, wie er in den Medien und von manchen Politikern hochgejubelt worden war, „die erste Partei Frankreichs“. Statt der ihm zugeschriebenen 30 Prozent erreichte er aber immerhin etwa 25 % der abgegebenen Stimmen, etwa gleich viel wie schon bei der letzten EU-Wahl. Dennoch ist es dem „Weichspülprogramm“ der Le Pen-Tochter Marine offensichtlich gelungen, die rechtsextremistische Partei für viele Menschen hoffähig und wählbar zu machen.
Mit den Wahlerfolgen der Rechten und Rechtsextremisten bei diesen Bezirkswahlen droht Frankreich eine neue reaktionäre Rechtsentwicklung.

Was die Kräfte links von den „Sozialisten“ angeht, erreichten sie in einigen Wahlkreisen Hoffnung machende Fortschritte, zum Teil auch mit Bündnissen über die bisherige Linksfront hinaus unter Einbeziehung von „Grünen“. Insgesamt aber zeichnete sich in den Ergebnissen die Möglichkeit der Herausbildung einer „neuen Linken“, die einer echten politischen Alternative zur derzeitiger Politik zum Durchbruch verhelfen kann, noch nicht ausreichend ab. Nach Angaben des französischen Innenministeriums errangen Linksfront und Kommunisten in der 1. Runde 6 Mandate. Die offiziellen Ministeriumszahlen verfälschen jedoch das Ergebnis, weil Linksbündnisse, in denen PCF und Linksfront die entscheidende Rolle spielten, unter verschiedenen „Etiketten“ zusammengezählt wurden. Nach Angaben der PCF erreichten die von ihr und ihren Partnern unterstützten Kandidaturen insgesamt einen Stimmenanteil von 9,4 Prozent. Das ist gegenüber den Departementswahlen 2008 und 2011 ein Fortschritt. „Diese Resultate sind eine Ermutigung, die Arbeit für die Sammlung der Kräfte und für die Hoffnung auf eine andere linke Politik fortzusetzen“, heißt es in einer Erklärung der PCF zum ersten Wahlgang.

txt: Pierre Poulain
foto: PCF