Linksfront vor schwierigen Wahlgängen in Frankreich

Drucken

frankreich pcf fdg09.01.2014: Das politische Geschehen in Frankreich wird im Jahr 2014 von zwei Wahlterminen bestimmt. Am 23. und 30. März sind Kommunalwahlen, am 25. Mai die EU-Wahl. Können diese Wahlen zum Signal für eine neuerliche politische „Trendwende“ in Frankreich werden? Die im Frühjahr 2012 geschlagenen Rechten wittern Morgenluft. Sie hoffen, für ihre damalige Niederlage Revanche nehmen zu können. Kann daraus ein Signal für einen Machtwechsel, weg von den jetzt regierenden Sozialdemokraten und Grünen unter Präsident Hollande, zurück zu einer rechten Regierungskoalition auf nationaler Ebene werden? Und wie weit wird es den Rechtsextremisten von der „modernisierten“ Front National (FN) gelingen, mit Parolen gegen Immigranten, eingewanderten Moslems und Roma vom Frust enttäuschter Wähler zu profitieren?

Der unter Hollande eingeschlagene „sozialliberale“ Regierungskurs liefert dafür einen günstigen Boden. Es ist zu befürchten, dass viele linke Wählerinnen und Wähler von den Ergebnissen und nicht erfüllten Wahlversprechen Hollandes frustriert zu Hause bleiben werden oder sogar den Sirenenklängen der Rechten und Rechtsextremisten zum Opfer fallen. Das neue Jahr beginnt für die Franzosen mit neuen sozialen Belastungen, darunter einer spürbaren Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19,6 auf 20 Prozent. Von der versprochenen „Wende“ in der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen ist nichts zu sehen.

Unter diesen Umständen ist es für die französischen Linken eine schwierige Frage, wie ihre Wahlstrategie aussehen muss, um den Angriff der Rechten und Rechtsextremisten zurückzuschlagen und zugleich die Voraussetzungen für die tatsächliche Durchsetzung der seit 2012 gewollten Wende nach links in der französischen Politik zu verbessern. Kaum verwunderlich, dass in dieser Situation auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der „Linksfront“ stärker als sonst auftreten. Insbesondere verstärkten sich Differenzen zwischen den in der PCF organisierten Kommunisten und der „Linkspartei“ (Parti de Gauche – PG) des Linkssozialisten Jean- Luc Mélenchon.

So hatte Mélenchon, der erfolgreiche Präsidentschaftskandidat der Linksfront im ersten Wahlgang zur Präsidentenwahl 2012, sich schon im Januar 2013 sehr entschieden für „autonome Listen der Linksfront“ im ersten Wahlgang in allen französischen Städten über 20000 Einwohnern ausgesprochen. Im September rief er dazu auf, Hollande bei den Wahlen für den Verrat an seinen Wahlversprechen zu „bestrafen“.

Führende PCF-Politiker betonten demgegenüber, dass es politisch wenig Sinn mache, zu einer „Strafwahl“ und einem „Referendum“ gegen Hollande aufzurufen. Von einer solchen Anlage des Wahlkampfs würden letztlich nur die Rechten und Rechtsextremisten profitieren. Vielmehr müsse in den Mittelpunkt auch dieses Wahlkampfs das positive Ziel einer weiteren Sammlung aller erreichbaren Kräfte gestellt werden, möglichst über die Reihen der bisherigen Linksfront hinaus, im Interesse der Verteidigung der Interessen der Bürger gegen die Rechten und Rechtsextremisten wie auch gegen den Sparkurs Hollandes. Bereits bestehende linke Mehrheiten in vielen Kommunen müssten verteidigt und neue erobert werden. Das Schlüsselwort in dieser Situation sei daher „nicht Autonomie, sondern Sammlung“, erklärte PCF-Nationalsekretär Pierre Laurent. Er sei für eine „Linksfront des ausgestreckten Arms“ gegenüber anderen Linken, wo es möglich ist, auch mit den Sozialisten. Diese Orientierung schließt für die PCF auch die Möglichkeit unterschiedlicher politischer Konstellationen und Verhaltensweisen bei der Stimmabgabe je nach den gegebenen lokalen Bedingungen in den einzelnen Kommunen ein.

Eine besondere Zuspitzung erreichten die Differenzen in Paris. Hier war die PCF seit dreizehn Jahren mit acht Sitzen im Stadtrat an der von den Sozialisten geführten linken Mehrheit beteiligt, ebenso wie zwei Abgeordnete der „Linkspartei“ Mélenchons. Die neue PS-Spitzenkandidatin Anne Hidalgo, die den bisherigen PS-Bürgermeister Delanoë ablösen soll, machte ein offizielles Angebot, das Linksbündnis in Paris fortzusetzen und dafür bereits im ersten Wahlgang mit gemeinsamen Listen anzutreten. Umfragen sagen in Paris ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hidalgo und ihrer rechten Gegenkandidatin Kosciusko-Morizat vorher. Hidalgo erklärte sich mit einem gemeinsamen Wahlprogramm mit den Kommunisten einverstanden. Es sieht nach einem linken Wahlsieg die Durchführung konkreter sozialer Verbesserungen auf städtischer Ebene vor, u. a. die Beschleunigung des Baus von Sozialwohnungen, um bis 2030 einen Sozialwohnungsbestand von 30 Prozent zu erreichen (was angesichts der hohen Mieten bzw. Wohnungskosten in der Hauptstadt eine erhebliche Verbesserung bedeuten würde). Die PCF soll auf den gemeinsamen Listen dreizehn „sichere Plätze“ (statt bisher acht) erhalten. Die Pariser PCF-Führung sprach sich ebenso wie Nationalsekretär Laurent für die Annahme dieses Angebots aus. Bei einer Mitgliederabstimmung in der Pariser Bezirksorganisation der PCF waren 57 Prozent für die Annahme des Angebots, 43 Prozent hingegen für „autonome Listen“ mit den übrigen Komponenten der Linksfront im ersten Wahlgang ohne Bündnis mit der PS. Das Abstimmungsergebnis signalisiert, dass auch innerhalb der PCF die Meinungen zu dieser schwierigen Entscheidung geteilt waren.

Die „Linkspartei“ (PG) unter Mélenchon hat die Mehrheitsentscheidung der Pariser Kommunisten heftig kritisiert und als „Verrat“ an der Linksfront bezeichnet. Sie kündigte an, auch in Paris für den ersten Wahlgang auf jeden Fall eine eigene „autonome Liste“ ins Rennen zu schicken, in Konkurrenz zur gemeinsamen Liste von PS und PCF. Auch in einer Reihe weiterer Städte haben sich die Kommunisten in Mitgliederentscheiden für gemeinsame Listen mit der örtlichen PS schon im ersten Wahlgang entschieden, darunter in Toulouse und Nantes. In der großen Mehrzahl der Kommunen tritt die PCF jedoch weiterhin in Linksfront-Formationen ohne Abkommen mit der PS an, so in Marseille, Lyon, Nizza, Lille und vielen Kommunen des „roten“ Departements Seine-Saint-Denis. Teilweise auch, weil die örtlichen PS-Chefs von sich aus jedes Zusammengehen mit Kommunisten und Linksfront ablehnen.

Inzwischen haben die Differenzen auch zu einer Belastung des Verhältnisses für die EU-Wahl geführt. Mélenchon kündigte im Dezember nach dem Kongress der „Europäischen Linkspartei“ (EL) in Madrid eine zeitweilige „Suspendierung“ der Mitgliedschaft seiner Formation in der EL bis nach den französischen Kommunalwahlen an, nachdem der EL-Kongress den PCF-Chef Laurent erneut zum EL-Vorsitzenden gewählt hatte. Ob dies auch bereits eine Absage an eine gemeinsame Linksfrontliste der PG zur EU-Wahl andeuten soll, ist allerdings höchst unklar, wohl aber seither Gegenstand interessierter heftiger Spekulationen in den Medien. Eigentlich wissen aber alle Beteiligten, dass keiner von ihnen bei der EU-Wahl wirklich eine Chance auf ein politisch wirkungsvolles Ergebnis hat, wenn die Linksformationen nicht gemeinsam antreten.

Text: Pierre Poulain (aus UZ vom 10.01.2014)

Jetzt ein UZ-Probeabo bestellen...