Frankreichs Autobauer wehren sich

Drucken

france_cgt_170113_lesamisdevercoquin03.02.2013: Mit einer Serie von Streiks und Demonstrationen haben französische Arbeiter und Angestellte im vergangenen Monat verdeutlicht, dass auch 2013 unter dem sozialdemokratischen Staatspräsident Hollande der Widerstand gegen die sozialen Untaten des Kapitals und die sich den Kapitalinteressen unterordnenden Regierungspolitik anhält, während sich der von ihnen gewählte Staatschef in den letzten Wochen vorwiegend als Kriegherr mit der Militärintervention in Mail befasst hat.

Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt Hollandes sind am 31. Januar die Bediensteten staatlicher Dienststellen und territorialer Verwaltungen, des Bildungswesens und das Personal der staatlichen Krankenhäuser wieder in Aktion getreten. Mehr als 150.000 von ihnen folgten einem Aufruf der Gewerkschaften CGT, FSU und Solidaire zu Demonstrationen und Kundgebungen während der Arbeitszeit in 120 Städten. Hauptforderungen: Anhebung der Löhne und Gehälter, die die Regierung einfrieren will, Stopp des noch von Sarkozy verordneten und von der Hollande-Regierung fortgesetzten Stellenabbaus im öffentlichen Dienst und Abschaffung des von Sarkozy eingeführten unbezahlten Karenztages bei Krankmeldung. Die Hollande-Regierung hat jedoch verlauten lassen, dass es angesichts der "Haushaltszwänge" infolge der von ihr anvisierten Sparziele im Staathaushalt 2013 keine generelle Anhebung der Gehälter und keine Neueinstellungen geben könnte.

In den Tagen zuvor setzten sich die französischen Automobilarbeiter mit mehrfachen Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen und Kundgebungen gegen die von den Konzernleitungen angekündigten Werksschließungen und Stellenkürzungen und die damit verbundene Erpressung zur Hinnahme längerer Arbeitszeiten und schlechterer Arbeitsbedingungen zur Wehr.

Nach jüngst bekannt gewordenen statistischen Daten hatte der größte französische Automobilkonzern PSA (Peugeot/Citroën) 2012 gegenüber 2011 einen Absatzrückgang um 16,7 %, das zweitgrößte Unternehmen Renault einen Rückgang am 7,4 % zu verzeichnen. Die Verkauf von Neuwagen ist 2012 in Frankreich insgesamt um 13,9 % auf seinen tiefsten Stand seit 15 Jahren zurückgegangen. Den Konzerndirektionen fiel angesichts dieser Absatzeinbußen nichts anderes ein, als Produktionsstandorte zu schließen, die Belegschaften zu reduzieren und die 'Arbeitskosten' durch Lohnkürzungen und Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Überstundenvergütung zu senken. Die Folgen der Autokrise sollen also voll auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden.

Nachdem PSA bereits im Herbst 2012 die Schließung des Werkes in Aulnay-sous-Bois bei Paris und die 'Einsparung' von mehr als 8.000 Arbeitsplätzen auch an anderen Standorten angekündigt hatte, gab im Januar auch die Direktion von Renault ihre Anpassungspläne mit der Abschaffung von 7.500 Arbeitsplätzen bekannt.

In Aulnay-sous-Bois blockierten mehrere hundert PSA-Beschäftigte am 29. Januar die Produktion durch demonstrative Besetzung der Werkshalle und damit erzwungenes Anhalten der Fließbänder. Schon am 16./17. Januar hatte in diesem Werk eine Arbeitsniederlegung die Fabrikation des dort hergestellten Ciroen C3 stillgelegt. Danach hatte die Direktion eine zehntägige 'Betriebsruhe' angeordnet, weil angeblich Produktionsanlagen beschädigt worden waren. Für den 29. Januar hatte sie die Beschäftigten dann zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert und mehr als 200 auswärtige 'Kader' zusätzlich in das Werk geholt. Trotzdem konnte die Produktion nicht wieder anlaufen, weil zu viele Belegschaftsangehörige zu Hause geblieben waren und die Fehlstellen nicht besetzt werden konnten und zudem die Besetzung der Werkhalle durch die Streikenden dies verhinderte.

Auch bei Renault war es bereits am 16. Januar und dann wieder am 29. Januar auf Initiative der Gewerkschaften CGT, Force Ouvrière und SUD zu Arbeitsniederlegungen an mehreren Standorten gekommen. Die Renault-Direktion hatte ihre Abbaupläne nach der Salami-Taktik angekündigt. Mitte Januar wurde zunächst mitgeteilt, dass in den Renault-Werken bis Ende 2016 ein Abbau von 7500 Arbeitsplätzen, d. h. eine Kürzung der Beschäftigtenzahl um 17 Prozent erforderlich sei.

Kurz darauf folgte der zweite Schlag: die Direktion verkündete das "großzügige" Angebot, auf Standortschließungen und sozialplanpflichtige Entlassungen zu verzichten, falls die Belegschaften und ihre Gewerkschaften dem von ihr vorgelegten "Wachstumspakt" zustimmten. Der sah die Reduzierung der Belegschaften um 5.700 Arbeitsplätze durch Nichtersetzung von in Rente gehenden Beschäftigten und die Einrichtung von 1.800 Altersteilzeitarbeitsplätzen mit entsprechenden Lohnkürzungen vor. Zugleich wurde ein Einfrieren der Löhne auf dem aktuellen Stand, eine Verlängerung der Arbeitszeit über die geltende 35-Stunden-Woche-Regelarbeitszeit hinaus, die Abschaffung von den Beschäftigten bisher zustehenden freien Tagen und die Reduzierung der Überstundenvergütungen verlangt.

Die genannten Streikaktionen waren die erste Antwort der Betroffenen auf dieses "Erpressungspaket", dessen Annahme die Konzerndirektion mit der Drohung erzwingen will, dass andernfalls Massenentlassungen nicht zu vermeiden seien.

Text: Pierre Poulain    Foto: lesamisdevercoquin