DKP München: Partei und Politik auf Grundlage des Programms - Unabhängig von Mehrheiten im Parteivorstand

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Mit einer Kreisdelegiertenkonferenz am 25. April bereitete die DKP München den 21. Parteitag der DKP vor. Der Kreisvorstand entwickelte in seinem Referat ausführlich, warum sich der »Marxismus-Leninismus« nicht als Identifikationsmerkmal der DKP eignet und die DKP München "diesen Weg nicht mitgehen wird." Wir bringen Auszüge aus dem Referat (das vollständige Referat und die Beschlüsse können auf der Internetseite der DKP München nachgelesen werden):

Auszüge aus dem Referat des Kreisvorstandes der DKP München

(...)

21. Parteitag

Diese Kreisdelegiertenkonferenz dient auch der Vorbereitung des 21. Parteitages, der im November stattfinden wird. Die Mehrheit des Parteivorstandes hat einen umfassenden Leitantrag an den 21. Parteitag beschlossen. Außerdem liegt ein »Positionspapier zu Inhalten eines Leitantrags« vor, das von Uwe Fritsch als Material für die Diskussion eingebracht worden ist. Es gibt einen Antrag des Parteivorstandes zur Internationalen Arbeit und zum Austritt aus der Partei der Europäischen Linken.

Allein der Leitantrag fordert zur streitbaren Diskussion über zahlreiche Themen und Schlussfolgerungen heraus: Bündnispolitik, Verhältnis Reform – Revolution, Zusammenhang und Unterscheidung von ökonomischen, politischen und ideologischen Kampffeldern, Verhältnis von nationaler und internationaler Ebene des Kampfes, Rolle der Demokratie, .. .

Uns liegt heute ein Antrag der GO Moosach mit Änderungsanträgen zur Verbesserung des Leitantrages vor. Die GO München Ost und die GO Neuhausen sind der Meinung, dass der Leitantrag nicht verbesserungsfähig ist, weil er grundsätzlich in die falsche Richtung geht.

Zentral für den Parteitag werden die Punkte sein, die - wie Patrik Köbele auf der theoretischen Konferenz sagte – nach seiner Meinung entscheidungsreif seien. Denn da wird der Parteitag Weichenstellungen vornehmen, die eine Korrektur bisheriger Politik- und Parteikonzeption bedeuten.

Marxismus-Leninismus

Wenn Patrik auf der PV-Tagung sagte, dass wir uns mit dem Parteitag zum »Marxismus-Leninismus« „bekennen“(!) werden, dann ist damit auch eine strategische Umorientierung und eine Änderung des Selbstverständnisses und des Charakters der Partei verbunden.

Der gegenwärtigen Parteiführung geht es mit dem Leitantrag darum, die DKP als eine »marxistisch-leninistische Partei« zu definieren, deren Weltanschauung der »Marxismus-Leninismus« ist. Dieses Ansinnen stößt auf heftigen Widerspruch.

Handelt es nur ein Streit um Worte?

Wenn es ohne Inhalt und Bedeutung wäre, wie einige GenossInnen meinen, warum wird dann von der PV-Mehrheit diese Auseinandersetzung losgetreten?

Mario Barrios, LV-Vorsitzender der DKP Brandenburg und PV-Mitglied erklärte auf der 12. PV-Tagung, dass für die Brandenburger GenossInnen die Frage »Marxismus-Leninismus« oder »Marx, Engels und Lenin« - wie es im Parteiprogramm formuliert ist - eine Frage unterschiedlichen Parteiverständnisses darstelle. Deshalb drängen sie auf »Marxismus-Leninismus«.

Wie hat sich die DKP in ihrer Geschichte verstanden:

Was waren lt. Patrik die Hintergründe: „Zentraler Hintergrund für die Formulierung von 1978 war das KPD-Verbot, intern haben wir uns immer als marxistisch-leninistische Partei verstanden. Und die Ursache für die Abschwächung im Programm von 2006? Aus meiner Sicht eine Kompromissformulierung, weil wir das Programm in einer Phase beschlossen, in der wir über zentrale Bestandteile der Leninschen Weiterentwicklung der marxistischen Weltanschauung stritten. Z.B. über die Imperialismusanalyse.“ (Referat zur Theoretischen Konferenz [2])

Wie sich manche Genossen »intern« verstanden haben mögen, das bleibt deren persönliche Einstellung. Aber ein Blick in das gültige Parteiprogramm macht deutlich, warum der »Marxismus-Leninismus« nicht mehr zur Weltanschauung der Kommunisten erklärt wurde, und dies nichts mit unterschiedlichen Auffassungen über die „Leninsche Weiterentwicklung der marxistischen Weltanschauung“ zu tun hat. Dort heißt es:

"Neben bedeutenden neuen Entwicklungen und Erkenntnissen kam es zu dogmatischen Erstarrungen in den Gesellschaftswissenschaften. Diese wurden ihrer Kraft beraubt, durch wissenschaftlich begründete Prognosen fundierte Handlungsorientierungen für die Lösung sich entfaltender Widersprüche und die Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft zu erarbeiten. Die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik in Partei und Gesellschaft ging weitgehend verloren.“

Und Synonym für diese dogmatische Erstarrung ist eben der »Marxismus-Leninismus«.
Es waren die Schlussfolgerungen

die uns zu der Formulierung im jetzt gültigen Parteiprogramm brachten.

»Marxismus-Leninismus« versus »Leninismus«
Um eins ganz klar zu stellen: Bei der Kritik des von Stalin eingeführten Begriffs »Marxismus-Leninismus« ist weder Marx noch die Stellung, die Lenin als Theoretiker und Praktiker der Revolution bereits zu Lebzeiten einnahm, das Thema. Zu Recht gilt Lenin als bedeutendster Schüler von Marx. Lenin hat den Marxismus auf die Höhe der damaligen Zeit gebracht – auch in Revision mit einigen Anschauungen von Marx. Deshalb geht es auch nicht um den »Leninismus«. »Marxismus« und »Leninismus« sind nicht dasselbe wie »Marxismus-Leninismus« [3]. Unter »Leninismus« wurde in der internationalen kommunistischen Bewegung vor allem die mit Lenin verbundene konsequente revolutionäre Strömung des Marxismus verstanden - in Abgrenzung zu den sich auf den Marxismus beziehenden Reformisten der II. Internationale. So beriefen sich auch Bucharin, Sinowjew, Trotzki auf den »Leninismus«.

»Marxismus-Leninismus«: Dogmatisierung des Marxismus
Der Begriff des »Marxismus-Leninismus« wurde von Stalin 1934 auf dem 17. Parteitag der KPdSU eingeführt, um „die schädliche Trennung (…) zwischen Marxismus und Leninismus“ (ZK der KPdSU im Nov. 1938) zu bekämpfen und um sich gegenüber der Linken Opposition um Trotzki abzugrenzen. Die Einführung des »Marxismus-Leninismus« war von Beginn an damit verbunden „die Abweichungen mancher Genossen vom Marxismus-Leninismus nicht zu vertuschen, sondern mutig zu kritisieren“ [4]. Für viele Genossen führte die »Kritik« an ihrer »Abweichung« in die Straflager oder gar vor die Erschießungskommandos.

Der Begriff »Marxismus-Leninismus« wurde bei der Durchsetzung der Stalinschen Dogmatik, das heißt bei der Umwertung bzw. Kanonisierung des Werks Lenins, zu einem zentralen Hebel. Lenins Werk, dessen Wirksamkeit sich gerade aus Realitätsnähe, Vielfalt und Widersprüchen ergab, wurde in ein geschlossenes System verwandelt, »Marxismus-Leninismus« das Synonym für die von Stalin verkündeten Lehrsätze. So kann man bei ihm lesen: „Die Leninsche Theorie der proletarischen Revolution geht von drei grundlegenden Leitsätzen aus: Erster Leitsatz (...) Zweiter Leitsatz (...) Dritter Leitsatz (...). [5]  „Drei Lehrsätze", „ein Schema", in dem „alles enthalten" sein sollte, „was Marx geschaffen hat" und „was sich notwendig daraus ergibt" (...)

Unschwer vorstellbar, mit welcher Ironie Lenin selbst eine solche Darstellung seines Werks quittiert hätte.

Die Kritik von Friedrich Engels an einer damaligen Organisation - “.. die Marxsche Theorie der Entwicklung auf eine starre Orthodoxie heruntergebracht zu haben, zu der die Arbeiter sich nicht aus ihrem eigenen Klassengefühl heraus emporarbeiten sollen, sondern die sie als Glaubensartikel sofort und ohne Entwicklung herunter zu würgen haben.” – gilt für den »Marxismus-Leninismus« um ein vielfaches mehr.

Kampfbegriff »Marxismus-Leninismus«
Doch Stalins Formeln stellten weit mehr als die Karikatur des Leninismus dar. In erster Linie dienten sie der Disziplinierung und dem Ausschluss – bis hin zur physischen Vernichtung – innerparteilicher Opponenten. [6]

Es gab nur Entweder - Oder; abweichende Meinungen wurden weder zugelassen noch waren sie einfach Irrtümer, sondern sie wurden als revisionistisch, opportunistisch, die Partei zerstörend gebrandmarkt und ausgeschaltet (Luxemburgismus, Titoismus, ..); häufig im Zusammenhang mit Machtkämpfen in der Spitze der KPdSU.

Der »Marxismus-Leninismus« wurde zu einem Legitimationsgebilde, mit dem sowohl die Machtpragmatik der engsten Parteiführung sowie der Kampf – bis zur Vernichtung – der innerparteilichen Kontrahenten gerechtfertigt wurde.

Seine moralische Wirkung bestand vor allem darin, die humanistischen Aspekte des Kommunismus an den Rand zu drücken, zu versuchen, den KommunistInnen ethische Maßstäbe ihres Handelns zu nehmen, sowie den Widerspruch zwischen dem humanistischen, emanzipatorischen Wesen des Marxismus und der stalinistischen Wirklichkeit zu verschleiern.

Dieses dogmatische Denken hat jahrzehntelang die Theoriebildung und die politische Kultur in kommunistischen Parteien deformiert. Zwar verschwand der »Kurze Lehrgang« [7] nach dem XX. Parteitag der KPdSU in der Versenkung – aber meist sang- und klanglos, ohne dass die grundlegenden Thesen einer Kritik unterzogen worden wären, so dass unter dem Begriff des »Marxismus-Leninismus« häufig die Stalinsche Dogmatik weiter geführt wurde. Günter Judick, früherer Leiter der Geschichtskommission der DKP, schrieb: „Auch wenn viele Positionen nicht mehr vertreten wurden, blieben Denk- und Verhaltensweisen vor allem im Parteiverständnis wirksam.“ [8]

Mit einer Auffassung,

wurde und wird die Möglichkeit verbaut, Auffassungen von Gegnern danach zu prüfen, in welchem Maße deren Erkenntnisse in das eigene Theoriesystem integriert werden können, um die Realitäten besser zu erkennen.
Im Ergebnis kapselten sich Kommunistische Parteien mit diesem dogmatischen Verständnis vom Marxismus von vielem Neuen ab oder zogen aus wichtigen Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung keine oder nur unzureichende Schlussfolgerungen.

Es war den Umständen und – viel zu oft - der Willkür autorisierter Interpreten überlassen, was als Revisionismus und wer als „revisionistisch“ bezeichnet wurde, statt den tatsächlichen wissenschaftlichen Gehalt und die praktische Relevanz der Forschungsresultate zu untersuchen.

In dieser Denktradition wird bis heute ein pauschaler »Revisionismusvorwurf« dazu benutzt, Einzelnen nicht passende neue marxistische Erkenntnisse abzulehnen und mit einem Etikett zu versehen, das schon in der Vergangenheit zu oft willkürlich zur Ausgrenzung verwendet wurde.

In der Stellungnahme des Bezirksvorstandes – der Kreisvorstand schlägt den entsprechenden Antrag zur Annahme vor - sind weitere Aspekte zur Kritik des Begriffs »Marxismus-Leninismus« aufgeführt, auf die ich deshalb hier nicht eingehen muss.

Fakt ist, dass in unserem Verständnis und Sprachgebrauch »Marxismus-Leninismus« und »Stalinismus« untrennbar miteinander verbunden sind.

Patrik fällt zu dieser Symbiose von Marxismus-Leninismus und Stalinismus nur ein: „Nun wird möglicherweise eingewendet, dass der Terminus „marxistisch-leninistisch“ ja in der Zeit in der kommunistischen Weltbewegung geprägt wurde, in der Stalin Generalsekretär der KPdSU war. Dies wundert allerdings wenig, denn dies wurde er ja bald nach Lenins Tod. Und Lenin sprach natürlich nicht selbst vom Leninismus, genau so wenig wie Marx vom Marxismus.“ (Referat Theoretische Konferenz)

Umdeutung der Geschichte und des Charakters der DKP
Also worum geht es, wenn die DKP zur »marxistisch-leninistischen Partei« auf der Grundlage des »Marxismus-Leninismus« umgeformt werden soll:

Deshalb stellt der Bezirksvorstand in seiner Stellungnahme zu Recht fest, dass sich der »Marxismus-Leninismus« nicht als »Identifikationsmerkmal« für unsere Partei eignet, und der Bezirk diesen Weg nicht mitgehen wird!

Politische Macht – Diktatur des Proletariats

Geklärt werde auf dem Parteitag auch – so Patrik bei der Theoretischen Konferenz -, dass „die DKP den Terminus »Diktatur des Proletariats« in den programmatischen Dokumenten nicht verwendete, hat wiederum mit dem KPD-Verbot und dem veränderten Sprachgebrauch zu tun ..“

Nach unserer Auffassung ist der Verzicht auf die »Diktatur des Proletariats« keine Frage „veränderten Sprachgebrauchs“ und taktischer Überlegungen.

Die KommunistInnen in der BRD haben sich schon vor Gründung der DKP vom Begriff der »Diktatur des Proletariats« verabschiedet, weil der Begriff, der zu Zeiten von Karl Marx noch eine positive Bedeutung gehabt haben mag, mit der Nazi-Herrschaft diskreditiert war. Zusätzlich verstärkt wurde die Missverständlichkeit des Begriffs durch die Deformationen und Verbrechen, die mit der Zeit Stalins in Zusammenhang stehen. Spätestens nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und den Lehren daraus verbietet sich die Orientierung auf eine »Diktatur des Proletariats«, die Lenin als „eine sich unmittelbar auf Gewalt stützende Macht, die an keine Gesetze gebunden ist“ (LW 28/234) charakterisiert hat. Lenin war sich aber auch der Gefahren bewusst, „dass es dort, wo »gewaltsam niedergehalten« wird, wo es keine »Freiheit« gibt, selbstverständlich keine Demokratie gibt“ (LW 28/255). Und diese fehlende Demokratie war ja denn auch eine der Ursachen für den Zusammenbruch des Sozialismus.

Das Wesentliche ist aber, dass eine Konzeption der »Diktatur des Proletariats« überhaupt nicht mehr den heutigen Realitäten und den Aussagen unseres Parteiprogramms entspricht: Der Sozialismus wird ein Projekt unterschiedlicher sozialer, politischer und weltanschaulicher Kräfte sein. Dabei kommt es darauf an, „alle Betroffenen in einem alternativen politischen und sozialen Projekt zusammenzuführen, sie als Gesamtheit in ihrer Vielfalt und Autonomie zu vereinen.“ (Parteiprogramm) [9]

Dieses gemeinsame Projekt kann es nur sein, wenn es für uns keine taktische, sondern eine prinzipielle Frage ist,

Sozialistische Macht muss partizipativ und demokratisch sein
Für uns ist es keine taktische Frage, sondern fester Grundsatz, dass die sozialistische Macht demokratisch sein muss. In ihrem partizipativen demokratischen Charakter, und nicht in der puren Fähigkeit etwas zu erzwingen, liegt die Garantie für ökonomische Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Emanzipation – und den revolutionären Prozess zu vertiefen, auch angesichts einer sich restaurierenden Konterrevolution.

Damit wird die Machtfrage nicht ausgeblendet, sondern aus den geschichtlichen Erfahrungen anders beantwortet: Partizipativer Charakter der Macht statt »Diktatur des Proletariats« - die noch dazu stellvertretend für die Arbeiterklasse durch die Parteiführung ausgeübt wurde.

Demokratischer Zentralismus

Untrennbar verbunden mit den Vorstellungen von einer »marxistisch-leninistischen« Partei ist das Zentralistische im demokratischen Zentralismus: die Partei wird vertikal organisiert, von Oben dirigiert.
Um die Verstärkung des Zentralismus zu legitimieren heißt es: „die Schwäche der DKP wird zum Anlass genommen um den demokratischen Zentralismus seines zentralistischen Teils zu berauben.“ (Patrik Köbele, Theoretische Konferenz)

Welches Parteiverständnis dahinter steht, bringt wieder die DKP Brandenburg am Klarsten zum Ausdruck:
„Vom Parteivorstand und vom Landesvorstand erhalten wir entsprechende Orientierungen. … Unser Weg ist das schöpferische Bemühen, mit konkreten politischen Aktionen in diesem Sinne zu wirken. … Das heißt, wenn der Landesvorstand ruft, dann müssen wir als Kommunisten dem Ruf auch folgen. … Der demokratische Charakter unserer Partei offenbart sich auch in unserem einheitlichen, geschlossenen Handeln auch bei abweichenden Meinungen zu Einzelfragen.“ (Roter Brandenburger, Nov. 2014)

Da klingt das Parteiprogramm doch anders: „Die Mitglieder der DKP lassen sich von dem Grundsatz leiten, dass nur ein einheitliches, von der ganzen Partei getragenes Handeln das Unterpfand ihrer Aktionsfähigkeit und Stärke ist. Voraussetzung dafür ist die solidarische Diskussion und die Erarbeitung von Übereinstimmung.“

In Übereinstimmung mit diesem Organisationsverständnis entgegnete Thomas Hagenhofer [11] auf der Theoretischen Konferenz:

"Deshalb müssen die Grundorganisationen der DKP, die Genossinnen und Genossen in ihrem jeweiligen politischen Tätigkeitsfeld, sich wieder stärker dazu befähigen, eigenständig Politik zu entwickeln und einzugreifen.

Die politische Stärkung der Gruppenarbeit ist nicht durch Kampagnen von oben oder im Sinne eines Durchorganisierens der Partei zu erreichen. Selbständige Politikerarbeitung auf der Grundlage des Parteiprogramms erfordert die politische Qualifizierung der Mitglieder. Parteiweite Kampagnen benötigen eine breite Diskussion in der gesamten Partei und die Überzeugung der aktiven Genossinnen und Genossen vor Ort, um Wirkung zu erzielen. Die konkrete Politik muss demokratisch vor Ort entwickelt werden.

Genossinnen und Genossen bringen sich als überzeugte Kommunistinnen und Kommunisten eigenständig, mit ihrer eigenen Persönlichkeit in die Kämpfe ihrer Zeit ein und erwarten ein Höchstmaß an Einflussmöglichkeiten auf die Politik der DKP und demokratischer Beteiligung als Grundlage für das gemeinsame Handeln. ..

Das kann nur so, wie es das Statut vorgibt, nach den folgenden drei Grundprinzipien funktionieren: Breit geführte Debatte, keine Behinderung der Umsetzung von Mehrheitsbeschlüssen, kein Zwang, gegen die eigene Überzeugung handeln zu müssen.“


Oder wie Robert Steigerwald früher einmal formulierte: ".. , das Ringen der marxistischen Partei um eine führende Rolle erfordern einen ganz anderen Parteitypus als den einer straff zentralistisch organisierten Kraft, die es nicht vermag, ihre Mitglieder zu schöpferischer, eingreifender, auf den Grundlagen des Marxismus fußender selbstständiger Arbeit zu befähigen. Die Partei muss sich frei machen von Avantgarde-Ansprüchen, aber sich darum bemühen, durch ihr Wirken der Entwicklung Weg und Ziel zu weisen und sich gerade darin als eine führende Kraft zu bewähren.“ (Unsere Zeit, 23. April 2010)

"Emanzipation.. der große Endzweck"

In unserem Programm formulieren wir den "kategorischen Imperativ" des Kommunismus - “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist ...”.- als unser Ziel.

Dieser Anspruch drückt nicht nur ein gesellschaftliches und politisches Ziel aus, sondern auch eine Methode des Denkens und Handelns: Nicht Stellvertreterpolitik, sondern radikale Demokratie im Sinne von Marx und Engels und Partizipation müssen im Mittelpunkt kommunistischer Politik stehen. Demokratie, Selbstorganisation und Aufbau von Gegenmacht - das sind die zentralen Punkte. "Revolutionen von Unten" – nennen die GenossInnen in Lateinamerika diesen neuen Typ von Revolutionen.

Für uns bedeutet dies, dass wir eine Debattenkultur entwickeln, die darauf gerichtet ist, die Mitglieder der Partei zu befähigen, sich selbst eine eigene Einschätzung der konkreten Wirklichkeit zu erarbeiten und daraus politische Schlussfolgerungen zu ziehen; diese Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur Debatte zu stellen und gemeinsam Politik zu entwickeln. Die »Linien« und ihre Exponenten könnten dann in den Hintergrund treten und wären nur noch Ausgangspunkt für die Suche nach dem Richtigen, an dem sich die ganze Partei aktiv beteiligt, gewesen.

Das bedeutet auch, zu akzeptieren, dass es niemanden gibt, der „im Besitz der absoluten Wahrheit“ ist, die von den „sich Irrenden“ angenommen werden muss, sondern dass die „revolutionäre Wahrheit“ sich aus den verschiedenen Sichten, Erkenntnissen und Perspektiven, aus den Erfahrungen des gemeinsamen Kampfes und dessen theoretischer Verarbeitung entwickelt, und deshalb relativ, historisch und in Entwicklung ist. Der Respekt vor verschiedenen Anschauungen der Welt, unterschiedlichen politischen Kulturen etc. hebt nicht die Notwendigkeit auf, sich gemeinsam eine wissenschaftliche Erklärung der Realität zu erarbeiten.

Also, nicht die »Linie« steht im Vordergrund, sondern die Mitglieder stehen im Mittelpunkt, und die aktive Mitarbeit und Entwicklung jedes Einzelnen wird gefördert und gefordert. Die Debatte ist darauf gerichtet, dass jede Genossin und jeder Genosse sich selbst ein tiefgreifendes Bewusstsein von den gesellschaftlichen Verhältnissen erarbeitet; als die Grundbedingung dafür, dass der Mensch seine Bedingungen handelnd verändern kann und nicht nur Objekt fremdbestimmter Prozesse bleibt. Emanzipationsprozesse müssen in der Partei selbst beginnen. Vielleicht könnte dies auch der Tendenz entgegenwirken, dass eine wachsende Zahl von GenossInnen des „Streits“ müde ist und sich zurückzieht.

Mit dieser Auffassung stehen wir in einer - zeitweise unterbrochenen - Tradition der Bewegung des Kommunismus, die aus materieller Not entstanden und angetreten war für die revolutionäre Emanzipation der arbeitenden Menschen; oder um mit Marx zu sprechen, für die die „Emanzipation der Arbeiterklasse .. der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist“, und „die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muss“ [12].

Wie weiter in München

Mit diesen von der Mehrheit des Parteivorstands anvisierten Entscheidungen geht es v.a. um „Identität“ der DKP – und das in einer Zeit, in der mehr denn je Politik gefragt ist. Denn immer deutlicher wird, dass ein Umbruch ansteht - der aber nicht kommt. Der nicht kommt, weil eine realistisch erscheinende Alternative fehlt.

Zu einer realistisch erscheinende Alternative gehört eben auch eine politische Kraft, die sofort umsetzbare Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation der Einzelnen aufzeigt und gleichzeitig die nächsten Schritte und eine realistische Perspektive hin zu einer ökologischen und am Menschen orientierten Produktions- und Konsumtionsweise - und der zugetraut wird, gemeinsam mit ihr die Verhältnisse verändern zu können.

Zur Herausbildung dieser pluralen, politischen Kraft beizutragen, darin liegt eine der zentralen Aufgabe einer kommunistischen Partei in der heutigen Zeit. Sie muss Brücken zwischen Bewegungen und Kämpfen bauen, um die Suche nach Gemeinsamkeiten zu forcieren.

Oder wie es im Parteiprogramm heißt:

"In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.“

Dies ist die Orientierung der Münchner DKP. Deshalb schlägt der Kreisvorstand vor, den Antrag der GO München Ost "Zur Tätigkeit der DKP München" zu beschließen.

Uns wird vorgeworfen, dass die DKP in den Bewegungen verschwinden würde. Aber das Risiko des Verschwindens der DKP kommt, wenn sie nicht auf der Höhe der Zeit und den Menschen ist, die für eine andere Politik auf die Straße gehen. Mit einem Diskurs über ihre Identität - noch dazu wie die Mehrheit des PV „kommunistische Identität“ versteht -, wird die DKP sicher ganz in der völligen Bedeutungslosigkeit verschwinden, wird zu nichts mehr Nutze sein.

Deshalb werden wir diesen Weg nicht mitgehen.

Wir, der bisherige Kreisvorstand und unser Vorschlag für den nächsten KV, wir treten dafür ein, dass wir als DKP München eine Politik machen, die sich an der im Parteiprogramm entwickelten Strategie orientiert, die in der Linie unserer bisherigen Politik steht. Unabhängig von den Mehrheiten des Parteitages und des künftigen PV. Wenn es sein muss, in deutlicher Abgrenzung.

Deshalb gibt es auch keinen Grund, mit den Gedanken zu spielen, nach dem 21. Parteitag die Partei zu verlassen. Die DKP, das ist unsere Partei – mit der wir und in der wir auch weiter politisch arbeiten werden.

Fußnoten:

[2] http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/02/dkp-patrik-koebeles-referat-auf-der-theoretischen-konferenz-in-hannover-im-wortlaut/

[3] Statut der PC de Cuba: „El Partido Comunista de Cuba, partido único, fruto de la unidad de la nación cubana, mantiene una labor sistemática y tenaz por el desarrollo y consolidación en nuestra sociedad de la ideología de la Revolución Cubana, que resume e integra lo específico de nuestra Revolución: la fusión del ideario revolucionario radical de José Martí y de una tradición singular de lucha liberadora nacional y social en la que se destacan insignes revolucionarios y patriotas, con los principios fundamentales del marxismo y del leninismo y la necesidad histórica del socialismo que en nuestras condicione s se revela como única alternativa al subdesarrollo y a la dominación neocolonial.”

[4] J. Stalin: Fragen des Leninismus, Abschnitt III, S. 577

[5] J.Stalin: Über die Grundlagen des Leninismus (Vorlesungen an der Swerdlow- Universität, Anfang April 1924), in: Fragen des Leninismus, S.20.

[6] Zur Illustration der Vernichtungstendenz des stalinistischen Diskurses: In der Geschichte der KPdSU/Kurzer Lehrgang liest man im Abschnitt „Die Entartung der Bucharin-Leute zu politischen Doppelzünglern. Die Entartung der trotzkistischen Doppelzüngler zu einer weißgardistischen Bande von Mördern und Spionen" (S.404 ff): „Die Sowjetmacht straft mit fester Hand diesen Abschaum der Menschheit und rechnet schonungslos mit ihm ab. (...) Es wurde klar, dass die Sinowjew-Gruppe eine maskierte weißgardistische Organisation war, die es vollauf verdiente, dass man mit ihnen wie mit Weißgardisten verfuhr. (...) Das trotzkistisch-bucharinistische Häuflein von Spionen, Mördern und Schädlingen (...), dieses Häuflein von Leuten, das nicht begriff, dass der letzte Sowjetbürger (.. ,) turmhoch über jeder ausländischen Beamtenkreatur steht, wer braucht diese jämmerliche Bande, welchen Wert kann sie für das Volk haben?" (J.Stalin, Fragen des Leninismus, a.a.O., S. 709f)
siehe auch: Walter Baier, "Über den Stalinismus"

[7] Der »Kurze Lehrgang« „war die brutalste, willkürlichste Auslegung und Verfälschung der Geschichte, die jede schöpferische Entwicklung von Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften in der kommunistischen Weltbewegung blockierte und durch Dogmen, durch die verbindliche Festschreibung des durch Stalins Augen gesehenen und mit seinen Methoden praktizierten Partei- und Sozialismusmodells ersetzte.“ (Günter Judick, Der verkürzte Lehrgang, UZ, 14.11.2003)

[8] Günter Judick, Der verkürzte Lehrgang, UZ, 14.11.2003

[9] Programm der DKP: „Die DKP geht davon aus, dass der Sozialismus das gemeinsame Werk all der Menschen sein wird, die das Ziel einer von der Herrschaft des kapitalistischen Profitprinzips befreiten Gesellschaft verbindet, deren politische und weltanschauliche Zugänge zu diesem Ziel sich jedoch unterscheiden mögen. Die weltanschauliche Grundlage für die sozialistische Zielsetzung der DKP ist der wissenschaftliche Sozialismus, die Theorie von Marx, Engels und Lenin. Andere Zugänge können aus religiösen oder allgemein humanistischen Überzeugungen, aus antifaschistischen, feministischen, pazifistischen, globalisierungskritischen, aus antirassistischen oder ökologischen Motiven erwachsen.“ (…)

„Eine große Vielfalt neuer sozialer Akteure entsteht und entwickelt sich. Mit der antirassistischen Bewegung, in der Geschlechterfrage, zu Umwelt und Frieden und zu vielen anderen Fragen agieren neue Kräfte autonom. Die Existenz einer breiten Schicht von Ausgebeuteten und Ausgegrenzten eröffnet die Möglichkeit und die Notwendigkeit, alle Betroffenen in einem alternativen politischen und sozialen Projekt zusammenzuführen, sie als Gesamtheit in ihrer Vielfalt und Autonomie zu vereinen.“

[10] „Deshalb kann es für die DKP nur einen demokratischen Weg zum Sozialismus geben. 'Demokratisch' bedeutet, dass der revolutionäre Prozess durch das aktive Handeln der Mehrheit vorangetrieben wird, mit der vollständigen Achtung des Willens der Mehrheit, der Anerkennung unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Positionen in der Gesellschaft, der Entwicklung der individuellen und kollektiven Freiheiten und Menschenrechte, der Achtung der Autonomie der Gewerkschaften und Bewegungen, der Anerkennung der Freiheit der Forschung und der kulturellen und künstlerischen Aktivitäten auf der Grundlage eines gemeinsam erarbeiteten gesellschaftlichen Konsens. Wie dieser Prozess im Einzelnen unter entsprechenden neuen gesellschaftlichen Bedingungen ablaufen wird, ist offen. ..
Für uns ist es keine taktische Frage, sondern fester Grundsatz, dass die sozialistische Macht demokratisch sein muss.“ (Politische Thesen, S. 41)
http://www.kommunisten.eu/index.php?option=com_content&view=category&id=100&Itemid=236

[11] Thomas Hagenhofer: "Die kommunistische Partei heute – Zwischen revolutionärer Flaute, spontanen „neuen Massenbewegungen“, neuen Chancen und politischer Irrelevanz"
http://www.kommunisten.eu/attachments/5419_Konferenz_DKP_210215_Referat_Thomas_Hagenhofer.pdf

[12] Provisorische Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation. Marx/Engels: MEW Bd. 16, S. 14