Walter Listl: Warum ich den Leitantrag ablehne

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14.11.2015: In einem UZ-Beitrag zum 21. Parteitag der DKP hat Wera Richter, stellvertretende Vorsitzende der DKP, begründet, warum im Personalvorschlag für den neuen Parteivorstand keine GenossInnen vorgeschlagen sind, die „führend am Aufbau der marxistischen Linken beteiligt sind". Da ist es dann wohl auch kein Zufall, dass diese GenossInnen auch keinen Platz auf der Rednerliste des Parteitags gefunden haben.
Wir dokumentieren deshalb den Redebeitrag von Walter Listl, Bezirkssprecher der DKP-Südbayern, den er nicht halten konnte:

Warum ich den Leitantrag ablehne

Einige Positionen im Leitantrag und in Referaten der theoretischen Konferenzen, die diesen Parteitag inhaltlich vorbereitet haben, sehe ich im Widerspruch bzw. in einem Spannungsverhältnis zu Geist und Aussagen von Programm und Statut.

Im Leitantrag zu diesem Parteitag wird die DKP als marxistisch-leninistische Partei definiert.

Dies steht im Widerspruch zu Programm und Statut der DKP

Dort heißt es:

“... Die DKP orientiert sich an den Ideen von Marx, Engels und     Lenin...“ (DKP-Programm)

„... Als marxistische Partei mit revolutionärer Zielsetzung orientiert sich die DKP an den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus, deren Weiterentwicklung sie fördert...“ (Statut der DKP).

Im Parteiprogramm treten wir zwar für die freie Verbreitung des Marxismus-Leninismus ein – aber wir beanspruchen den M-L eben nicht als unsere weltanschauliche Grundlage.

Aus gutem Grund hat die DKP mit dem Parteiprogramm von 2006 und in ihrem Statut darauf verzichtet, den Marxismus-Leninismus als ihre weltanschauliche Grundlage zu bezeichnen, weil dieser Begriff eng verbunden ist mit der Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, mit Repression, Massenverfolgung und Verbrechen. (Siehe Programm)

Auf der 12. PV-Tagung wurde im Referat von Hans Peter Brenner (zurecht!) Stalin als Kronzeuge für den marxistisch-leninistischen Charakter einer Kommunistischen Partei aufgerufen

Eben deshalb haben wir in Südbayern in einem Beschluss des BV diesen Begriff für unser Selbstverständnis abgelehnt

Auch Versuche, Stalin als Theoretiker in unsere Bildungsarbeit  einzuführen  (H.P.Brenner auf der 12. PV-Tagung) lehnen wir ab.

Wer zum stalinschen Verständnis des Marxismus-Leninismus zurückkehren will, verlässt Parteiprogramm und Statut.

An einer Rückkehr zu einem marxistisch-leninistischen Parteiverständnis werden wir nicht teilnehmen.

Zur Diktatur des Proletariats:

Patrik Köbele sagt in seinem Referat auf der theoretischen Konferenz, dass wir den Begriff der Diktatur des Proletariats nicht verwenden, hinge mit dem KPD-Verbot zusammen, sei also taktischer Natur.

Ich habe dazu eine andere Position.

Im Parteiprogramm heißt es:
“Die DKP geht davon aus, dass der Sozialismus das gemeinsame Werk aller Menschen sein wird, die das Ziel einer von der Herrschaft des kapitalistischen Profitprinzips befreiten Gesellschaft verbindet, der politische und weltanschauliche Zugänge zu diesem Ziel sich jedoch unterscheiden mögen. Die Weltanschauliche Grundlage für die sozialistische Zielsetzung der DKP ist der wissenschaftliche Sozialismus, die Theorie von Marx, Engels und Lenin. Andere Zugänge können aus religiösen oder allgemein humanistischen Überzeugungen, aus antifaschistischen, feministischen, globalisierungskritischen, aus antirassistischen oder ökologischen Motiven erwachsen...

Wenn wir diese anderen „Zugänge“ ernst nehmen, heißt das auch:
Ein neuer Sozialismus muss diese Elemente aus den anderen Zugängen in sich aufnehmen.

Dann kann aber die Denkfigur einer Diktatur des Proletariats nicht ernsthaft aufrecht erhalten werden.

Mit diesem Begriff kommt der Sozialismus in den Wortkostümen der Vergangenheit daher.

Diktatur des Proletariats ist ein historischer Begriff, ins Kommunistische Manifest geschrieben im vorletzten Jahrhundert in Erwartung der Revolution.

Ist unsere heutige Situation wirklich mit damals so vergleichbar, dass wir nur die selben Begriffe zu ihrer Erklärung verwenden müssten?

Die Welt von heute und morgen mit Begriffen des 19. Jahrhunderts zu beschreiben - da verkäme das Manifest zu einem Gebetbuch.

Der Begriff der Diktatur des Proletariats ist heute strategisch falsch, taktisch unbrauchbar, nicht verstehbar und nicht vermittelbar.

Daher lehne ich diesen Begriff nicht aus taktischen Gründen ab, sondern weil er ist mit der Logik unseres Parteiprogramms unvereinbar ist.

Zur Haltung der PV-Mehrheit zum Ausbruchsversuch Griechenlands aus dem Diktat der Troika:

Welche politischen Positionen aus solch dogmatischem Selbstverständnis abgeleitet werden, sieht am an der Haltung der PV-Mehrheit und in weiten Teilen der UZ zum Ausbruchsversuch Griechenlands aus dem Diktat der Troika.

Da werden von der deutschen Zuschauerbank aus Noten an die gewählte Linksregierung Griechenlands erteilt und Syriza abwechselnd der Zeigefinger und der Mittelfinger gezeigt.

Auf der Internetseite des PV wird gar die These vertreten:

“Syriza ist im Moment der entscheidende Beitrag zur Rettung des Kapitalismus in Griechenland...“

Auf Seite eins der UZ (3.7.15) werden die griechischen Wähler mit einem Esel verglichen, denen Syriza mit der Umschuldung eine Karotte vor die Nase hält damit sie weitertrotten.

Mit diesen sektiererischen Positionen, gepaart mit einer unerträglichen Besserwisserei und Arroganz treibt die DKP weiter in die Isolation.

Solidarität mit Griechenland darf nicht heißen, kritiklos die Positionen der KKE zu teilen.

Es ist tragisch, dass diese Partei, anstatt zur Solidarität mit der Linksregierung aufzurufen gerade davor warnt, weil diese Solidarität angeblich eine Kampagne sei, „die von der Partei der Europäischen Linken und anderen Gestrandeten des Klassenkampfes wie der KP-USA orchestriert wird“.

Das Problem liegt ganz anders:

Die europäische Linke war nicht in der Lage, in ihren Ländern und europaweit solchen Druck zu entwickeln, der die Regierungen, die EU-Kommission und die EZB zu Zugeständnissen an die griechische Regierung hätte zwingen können.

Das war nicht böse Absicht, sondern ist Ausdruck der Kräfteverhältnisse und des Zustandes der Linken in Europa.

Da dieser Druck jedoch eine wesentliche Voraussetzung der Strategie von SYRIZA war, kam es zu der Entwicklung, die mit dem 12. Juli dann zur großen Enttäuschung in weiten Teilen der Linken führte.

Insofern dokumentiert das Abkommen vom 12. Juli nicht einen Verrat von Syriza, sondern ein Kräfteverhältnis in Europa.

Es wurde Schlacht verloren im Kampf um einen neuen Kurs in Europa. Der konnte in fünf Monaten allein in Griechenland nicht gewonnen werden, aber er ist auch mit einer Etappenniederlage nicht verloren.

Für uns sollte nicht die Suche nach Fehlern von SYRIZA im Vordergrund stehen, sondern die Suche nach Wegen, um unsere eigene Schwäche zu überwinden.

Dazu gehören solche Fragen wie

Antworten auf diese Fragen werden im Leitantrag nicht einmal versucht.

Das sind meine Gründe für die Ablehnung des Leitantrages und dafür, dass ich niemanden von der alten PV-Mehrheit wählen werde.