Politische Brüche – was tut sich da?

Drucken

In der DKP – Gruppe, im Netzwerk kommunistische Politik, während eines Ratschlages links interessierter Mitmenschen aus Elmshorn und dem Kreis Pinneberg diskutieren wir seit längerem Fragen, die sich für politisch interessierte Menschen geradezu aufdrängen: Was werden die umfassenden Krisenauswirkungen dieser Zeit für zukünftige politische Verhältnisse bewirken? Wie weit sind systemimmanente Folgen des neoliberalen Kapitalismus erkennbar, und was bewirkt die Erkenntnis im Bewusstsein politisch interessierter und aktiver Menschen? Wie real sind Gefahren für weitere Rechtsentwicklungen und für die bürgerliche Demokratie in der nächsten Zeit?

Dabei spiegeln sich in den Debatten nicht nur die aktuellen Erfahrungen vor Ort wider. Es wird in der Regel alles auch mit regionalen, bundesweiten und auch internationalen Entwicklungen verbunden.

Am meisten mobilisiert zurzeit die Debatte um progressive fortschrittliche Lösungsansätze und die Einschätzung , ob diese Ziele durchsetzbar sind.

Praktische Erfahrungen belegen, dass die Herausforderungen sehr komplex sind und ganz viele Themen – und Aufgabenfelder umfassen, die heute noch meistens vereinzelt bearbeitet werden. Es fehlen zusammenhängende Betrachtungen z. B. der Ursachen, Wirkungen und machbare Lösungsansätze in der coronabedingten Krise, und deren Wirkungen auch im Zusammenwirken mit anderen Krisen wie die Klimakrise, die wachsenden sozialen Widersprüche, die Herausforderungen der Flüchtlingskrise und die Gefahr der Rechtsentwicklung.

Konkret werden solche zusammenhängende Wirkungen z.B. in der politischen Wahlauseinandersetzung in den USA, auch durch die reaktionäre Extremposition der Trump – orientierten Teile der Bourgeoisie. Ähnliche Auseinandersetzungen deuten sich seit langem auch in der EU an, oder sie sind bereits Gegenstand von Konflikten und heftiger werdendem Streit, z.B. im Umgang mit der bürgerlichen Demokratie, mit der Corona Krise oder z. B. mit den Flüchtlingen. Auch in Lateinamerika zeigen nicht nur die Wahlergebnisse, sondern auch heftige Auseinandersetzungen, wie instabil aktuelle Kräfteverhältnisse sind.

Es fällt auf, dass in dieser Situation China ein stabiler Faktor ist, der zwar oft angegriffen und diskreditiert wird. Aber die messbaren Realitäten der gesellschaftlichen Entwicklung auch in der Corona Krise und ein ökonomisches Wachstum zeigen eine andere Realität als sie der immer widerholte Antikommunismus beschreibt.

Die spannende Frage, die sich z. B.auch den dreißig Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Ratschlag am 22. August auf dem Gelände des Reinhold–Jürgensen–Zentrums in Elmshorn stellte, war daraus abgeleitet: Wo sind Ansatzpunkte, um das politische Klima vor Ort und in der Region für linke Politik positiv zu beeinflussen?

Aus der Diskussion entwickelten sich zunächst Aktivitäten wie die Unterstützung des Aktionstages von Fridays for Future am 25.9. in Elmshorn, Initiativen um Themen die den geplanten Stadtumbau in Elmshorn betreffen, z.B. durch eine zuvor neu gegründete Genossenschaft, die sich vor allem für den sozialen Wohnungsbau engagiert. Ferner neue Ansätze für Bewegungen zu entwickeln, die Aktivitäten gegen Armut, besonders Kinderarmut, planen und Aktionen zum Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen, die in Elmshorn und Kreis Pinneberg aktuell gefährdet sind oder schon vernichtet wurden, z.B. durch Produktionsverlegung nach Ungarn.

Die Palette der Themen vor Ort ist sehr herausfordernd für die immer viel zu wenigen Kräfte. So konnte die Schließung des Krankenhauses in Wedel nicht verhindert werden, und auch die vielfachen Herausforderungen in sozialen Bereichen wie Wohnen, gesundheitliche Versorgung oder im Bildungssektor können nur unzureichend bearbeitet werden.

Ein gewisser verbindlicher Rahmen ist seit einigen Jahren in Elmshorn der Kampf um die Erhaltung bürgerlich demokratischer Rechte und Freiheiten. Es begann mit einer breiten antifaschistischen Bewegung in der 90 er Jahren. Beispielhaft erwähnt werden die Blauen Tafeln zur Darstellung der antifaschistischen Geschichte und der Selbstbefreing Elmshorns vom Faschismus und dann die Stolpersteine zur Erinnerung an Unrecht und Gewalt im faschistischen Deutschland. Dann die Aktionen gegen geplante Naziaufmärsche, die um die Jahrhundertwende in breiten antifaschistischen Bündnissen jeweils mehrere tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer mobilisierten.

Und 2018 und 2019 feierte, initiiert durch einen Kreis um Rechtsanwalt Jens Jähne, unter zahlreicher Beteiligung der Elmshorner Bevölkerung das „Fest für Demokratie“. Es soll eine Tradition werden, in diesem Jahr coronabedingt aber in anderer Form: Am 17. Oktober veröffentlichten die Elmshorner Nachrichten einen ganzseitigen Aufruf. Er wurde unterstützt von Kräften aus dem Parteienspektrum aus SPD, Die Linke, Die Grünen,der FDP, der ÖDP und der DKP, von außerparlamentarischen Bewegungen wie Fridays for Future, Seebrücke Kreis Pinneberg, BUND sowie aus den Gewerkschaften DGB, ver.di, IG Metall und Betriebsräte und der Kirchengemeindeverband Elmshorn. Zudem von vielen namhaften Persönlichkeiten wie der Exbürgermeisterin Dr. Brigitte Fronzek und dem jetzigen Bürgermeister Volker Hatje sowie Jan Schönstedt von den „Elmshorner Nachrichten“.

Auch diese Bewegung „Fest für Demokratie“ beeinflusst das politische Klima in der Region: Deutliche Akzente gegen reaktionäre Politik, gegen Faschismus und Rechtsentwicklung setzen gesellschaftspolitische Maßstäbe.

Das politische Engagement entwickelt sich in bescheidenem Maße, aus der Sicht vieler Aktiven noch zu langsam und zu wenige neue Menschen einbeziehend. Darüber, wie das zu ändern ist, muss weiter nachgedacht werden. Patentrezepte oder die geniale Initiative gibt es offensichtlich nicht.

Andererseits zeigen aktuelle Entwicklungen, dass es auch in Coronazeiten keinen Stillstand und keine Resignation gibt. Neue konstruktive Anstöße kommen meist zunächst von Wenigen, haben dann aber in der konkreten Entwicklung auch Chancen zu wachsen, sich auszubreiten und Wirkung zu zeigen. Aus unserer örtlichen und regionalen Sicht kommt zur Zeit manches politisch in Bewegung. Wie tiefgehend die Wirkungen sind muss die Zukunft zeigen. Kapitalismus, Profit, Ausbeutung gehören heute schon zum Vokabular vieler Aktiver zur Charakterisierung der Verhältnisse, die dann in ihren Überlegungen schon mal die Systemfrage aus ihrer Sicht stellen. Wenn dann marxistische Politik mit eingreift und solidarisch mitgestaltet, kann daraus mehr wachsen.

Heinz Stehr, 25.10.2020