Alle "Cuban 5" sind frei - USA und Kuba stellen Beziehungen wieder her

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cuba miami-five marcel60118.12.2014: Mit geradezu historischen Ansprachen haben die Präsidenten Kubas und der USA, Raúl Castro und Barack Obama, am Mittwoch das bilaterale Verhältnis neu definiert. Nach einem Austausch von Gefangenen kündigten beide Staatschefs weitreichende Veränderungen an. So sollen die diplomatischen Beziehungen wieder in vollem Maße aufgenommen werden. Am Dienstag hatten Castro und Obama rund eine Stunde lang telefoniert. Es war der erste direkte Kontakt auf dieser Ebene seit der kubanischen Revolution 1959.

In seiner Fernsehansprache (Text unten) an das kubanische Volk nahm Castro zu jüngsten Ereignissen im Verhältnis mit den USA Stellung. Die sozialistische Insel hat am Mittwoch den seit 2009 in Kuba inhaftierten US-Spion Alan Gross "aus humanitären Gründen" freigelassen. Aus der Haft entlassen wurde auch ein CIA-Spion, der in Kuba 20 Jahre lang gefangen war. Mehrere Dutzend Systemoppositionelle sollen begnadigt werden.

Im Gegenzug kamen die drei verbliebenen kubanischen Aufklärer der "Cuban Five" frei, die seit 1998 in den USA inhaftiert waren. "Wie von Fidel im Juni 2001 versprochen, als er sagte: ‚Sie werden zurückkehren!’, sind heute Gerardo, Ramón und Antonio in unserer Heimat eingetroffen", sagte Raúl Castro. Die bei den Verhandlungen mit den USA erzielten Fortschritte zeigten, dass für viele Probleme eine Lösung zu finden sei, so der kubanische Präsident.

In Bezug auf die Freilassung der drei Kubaner sagte Raúl Castro: "Diese Entscheidung von Präsident Obama verdient den Respekt und die Anerkennung unseres Volkes." Castro erneuerte die Bereitschaft seines Landes "auf der Grundlage souveräner Gleichheit einen respektvollen Dialog zu führen". Dabei könne auch über strittige Themen wie nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik gesprochen werden.

Castro forderte die US-Regierung auf, die weiterhin bestehende Handels- und Finanzblockade zu beenden. Obama solle von seinen Kompetenzen Gebrauch machen, um bestehende Hindernisse zu beseitigen. "Wie wir bereits wiederholt angemerkt haben, müssen wir die Kunst erlernen, mit unseren Differenzen auf zivilisierte Weise zusammenzuleben", sagte der kubanische Präsident und fügte hinzu: "Über diese wichtigen Themen werden wir später noch zu reden haben."

Obama kündigte in seiner rund viertelstündigen Rede eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Kuba an. Er habe Außenminister John Kerry beauftragt, entsprechende Verhandlungen einzuleiten. Seit der Regierung von Präsident James Carter verfügten die USA lediglich über eine Interessenvertretung in Havanna. Nun soll wieder eine Botschaft eröffnet werden. Obama zählte zudem eine Reihe von Maßnahmen auf, um die Beziehungen zu verbessern: Reisefreiheit für US-Amerikaner, Geldüberweisungen, Handel. "Die Isolationspolitik gegenüber Kuba hat nicht funktioniert", so sein Resümee. Er wolle sich im Kongress daher für eine Ende der Blockadegesetze einsetzen, die in den USA als "Embargo" bezeichnet werden.

Es wird tatsächlich spannend zu beobachten sein, wie der Vorstoß Obamas in Angeordnetenhaus und Senat aufgenommen wird. Unmittelbar nach der Ansprache des Präsidenten meldete sich der US-kubanische Senator Marco Rubio mit einer wüsten Attacke gegen Obama zu Wort. Auch der ebenfalls US-kubanische Vorsitzende des Außenpolitischen Komitees des Senats, Bob Menendez, dürfte nicht erfreut sein, von den exilkubanischen Hardlinern in Miami ganz zu schweigen. Doch Obama hat eben nur noch wenig zu verlieren. Und die Positionierung für oder gegen die Kuba-Blockade lässt sich in den USA schon lange nicht mehr an Parteigrenzen ausmachen. Rubio etwa ist Republikaner, Menendez Demokrat. In diplomatischen Kreisen Kubas hieß es zuletzt, der Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen in den USA sei daher sogar positiv zu bewerten: Menendez wird demnächst wohl seinen Posten verlieren.

 

Rede des kubanischen Präsidenten Raúl Castro zur Normalisierung der Beziehungen mit den USA

“Landsleute:
Seit meiner Wahl zum Präsidenten des Staats- und Ministerrates habe ich bei zahlreichen Gelegenheiten unsere Bereitschaft wiederholt, mit der Regierung der Vereinigten Staaten auf der Grundlage souveräner Gleichheit einen respektvollen Dialog zu führen, um unbeschadet der nationalen Unabhängigkeit und der Selbstbestimmung unseres Volkes wechselseitig die verschiedensten Themen zu behandeln.

Dies ist eine Position, die gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten in öffentlicher und privater Form auch von unserem Compañero Fidel in unterschiedlichen Momenten unseres Kampfes zum Ausdruck gebracht worden ist, um die bestehenden Differenzen zu erörtern und zu lösen, ohne dabei auch nur ein einziges unserer Prinzipien aufzugeben.

Das heldenhafte kubanische Volk hat angesichts großer Gefahren, Aggressionen, Widrigkeiten und Opfer bewiesen, dass es unseren Idealen der Unabhängigkeit und der sozialen Gerechtigkeit treu ist und treu bleiben wird. Eng verbunden in diesen 56 Jahren der Revolution, haben wir denjenigen gegenüber tiefe Loyalität bewahrt, die in Verteidigung dieser Prinzipien seit dem Beginn unserer Unabhängigkeitskriege im Jahre 1868 gefallen sind.

Heute treiben wir trotz der Schwierigkeiten die Aktualisierung unseres Wirtschaftsmodells voran, um einen blühenden und nachhaltigen Sozialismus aufzubauen.

Im Ergebnis eines Dialogs auf höchster Ebene, der auch ein Telefonat umfasste, das ich gestern mit Präsident Barack Obama geführt habe, ist es gelungen, bei der Lösung einiger Themen voranzukommen, die für beide Nationen von Interesse sind.

Wie von Fidel im Juni 2001 versprochen, als er sagte: Sie werden zurückkehren!, sind heute Gerardo, Ramón und Antonio in unserer Heimat eingetroffen.

Die ungeheure Freude ihrer Angehörigen und unseres ganzen Volkes, das sich unermüdlich für dieses Ziel eingesetzt hat, verbreitet sich unter den hunderten von Komitees und Solidaritätsgruppen, den Regierungen, Parlamenten, Organisationen, Institutionen und Persönlichkeiten, die während dieser 16 Jahre ihre Forderungen gestellt und unverzagte Anstrengungen für ihre Befreiung unternommen haben. All jenen bringen wir unsere tiefste Dankbarkeit und Verbundenheit zum Ausdruck.

Diese Entscheidung von Präsident Obama verdient den Respekt und die Anerkennung unseres Volkes.

Ich möchte auch Dank und Anerkennung für die Unterstützung des Vatikans und besonders von Papst Franziskus bei der Verbesserung der Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten aussprechen. Ebenso wie der Regierung von Kanada für die Schaffung der Möglichkeiten bei der Realisierung des hochrangigen Dialogs zwischen den beiden Ländern.

Zugleich haben wir die Haftentlassung eines Spions kubanischer Herkunft beschlossen und ihn in die Vereinigten Staaten geschickt, in deren Diensten er gestanden hatte.

Andererseits wurde heute, basierend auf humanitären Gründen, auch der US-amerikanische Bürger Alan Gross an sein Land zurück überstellt. Auf einseitige Weise, wie es unsere Praxis ist und in strikter Befolgung unserer Rechtsordnung haben die betreffenden Häftlinge Straferlass erhalten, einschließlich im Falle der Haftentlassung weiterer Personen, an denen sich die Regierung der Vereinigten Staaten interessiert gezeigt hatte.

Ebenso haben wir die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen vereinbart. Das soll nicht heißen, dass das Wichtigste schon gelöst sei. Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die unserem Land enorme menschliche und ökonomische Schäden zufügt, muss beendet werden.

Auch wenn die Blockademaßnahmen zu Gesetzen gemacht worden sind, kann der Präsident der Vereinigten Staaten ihre Anwendung in Ausübung seiner exekutiven Befugnisse modifizieren.

Wir schlagen der Regierung der Vereinigten Staaten die Ergreifung gegenseitiger Maßnahmen vor, um das bilaterale Klima zu verbessern und um basierend auf den Prinzipien des Internationalen Rechts und der Charta der Vereinten Nationen in Richtung auf eine Normalisierung der Verbindungen zwischen unseren Ländern voranzukommen.

Kuba wiederholt seine Bereitschaft, in multilateralen Gremien wie den Organisationen der Vereinten Nationen eine Zusammenarbeit zu unterhalten.

In Anerkennung bestehender tief greifender Differenzen, im Wesentlichen was die nationale Souveränität, die Demokratie, die Menschenrechte und die Außenpolitik angeht, bekräftige ich unseren Willen, über all diese Themen einen Dialog zu führen.

Ich fordere die Regierung der Vereinigten Staaten dazu auf, die Hindernisse zu beseitigen, die die Verbindungen zwischen unseren Völkern, den Familien und den Bürgern beider Ländern verhindern oder beschränken, insbesondere in Bezug auf die Reisen, den direkten Postverkehr und die Telekommunikation.

Die bei den unterhaltenen Austauschbemühungen erreichten Fortschritte zeigen, dass es möglich ist, für viele Probleme eine Lösung zu finden.

Wie wir bereits wiederholt angemerkt haben, müssen wir lernen, mit unseren Differenzen auf zivilisierte Weise umzugehen.

Über diese wichtigen Themen werden wir später noch zu reden haben.

Vielen Dank.”

Quelle: amerika21