Italiens Linke vor weiterer Zerreißprobe

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01.11.2012: Mehrere zehntausend Menschen - die Zahlen schwanken zwischen 20.000 und 150.00 - sind am Samstag (27.10.2012) zum "No-Monti-Day" in Rom auf die Straße gegangen. Der Protest richtete sich gegen die Politik von Italiens Regierungschef Mario Monti, gegen den Fiskalpakt und gegen das Diktat der Europäischen Union. Im Demozug war auch Paolo Ferrero, Sekretär der Rifondazione Comunista, die sich als einzige Partei aus der Linksföderation an der Demo beteiligt hatte. Dass Rifondazione Comunista (PRC) als einzige Partei der Linksföderation FdS die Demonstration unterstützte, war kein Zufall, sondern zeigt die momentane Zerrissenheit der Linken Italiens und die Probleme für die Perspektive einer vereinigten Linken.


Die Demonstration hatte sich hinter dem Eröffnungs-Transparent "Mit dem rebellierenden Europa jagen wir die Regierung Monti davon" (Foto) gesammelt. Direkt hinter dem großen Transparent, gingen die führenden Vertreter der Organisationen, die zu diesem Protesttag aufgerufen hatten: Paolo Ferrero von der Rifondazione Comunista, Marco Ferrando von der Kommunistischen Arbeiterpartei und Giorgio Cremaschi, die zentrale Person im linken Spektrum des Gewerkschaftsdachverbandes CGIL, das sich "Netzwerk 28.April" nennt; außerdem alle wichtigen Funktionäre der Basisgewerkschaften Usb und Cobas, die mit ihren Fahnen und Transparenten unübersehbar im Protestzug vertreten waren. Zahlreich waren auch die StudentInnen bei der Demo dabei, die sich lautstark für die staatlichen Schulen einsetzten. Sie waren vom Piazzale Aldo Moro losmarschiert und vereinigten sich bei der Stazione Termini (Hbf.) mit den ArbeiterInnen. Mit den StudentInnen kamen auch die HauptschülerInnen, die damit schon an der 3. Demonstration in kaum einem Monat teilnahmen. 

Dann folgte der Block von Rifondazione Comunista, die als einzige Partei aus der Linksföderation FdS voll die Erklärung unterstützt hatte, mit der zur Demonstration aufgerufen wurde. In der Erklärung wird eine fundamentale Kritik an der aktuellen "Experten-Regierung" von Mario Monti, ehemals EU-Kommissar, Mitglied des Vorstands der Bilderberg-Konferenz und internationaler Berater bei Goldman Sachs und Coca-Cola, geübt.

Ferrero (PRC): ein Signal zum Aufbruch aus der Passivität
Paolo Ferrero erklärte gegenüber »oltremedia«, dass die politische Bedeutung dieser Demonstration darin liegt, "dass es jetzt eine soziale und politische Opposition zur Monti-Regierung gibt, die eine Opposition auf der Piazza ist; eine Opposition, die ein Signal gibt zum Aufbruch aus der Passivität, die heute das Tragischste an der italienischen Situation ist." Es war, so sagte er weiter, "eine Demonstration gegen Monti und gegen die Politik dieser Regierung, und es ist klar, dass die Kräfte, die diese unterstützen, absolut die politische Verantwortung mittragen für das, was dieses Exekutiv macht, und somit ist klar, dass dies eine Demonstration gegen die Regierung und gegen ihre Mehrheit ist."

Dass Rifondazione Comunista (PRC) als einzige Partei der Linksföderation FdS die Demonstration unterstützte, war kein Zufall, sondern zeigt die momentane Zerrissenheit der Linken Italiens und die Probleme für die Perspektive einer vereinigten Linken, zu der auch Sinistra Ecologia Libertà (SEL) mit Nichi Vendola und Di Pietro (Italia dei Valori ) zu zählen wären.

Einheit mit wem?
Meinungsverschiedenheiten bestehen aber selbst innerhalb der Linksföderation mit den anderen Gründern von der Partei der italienischen Kommunisten (PdCI) mit Oliviero Diliberto, Socialismo 2000 (eine Linksabspaltung der Demokratischen Partei) mit Cesare Salvi und Associazione 23 marzo "Lavoro-Solidarietà" (hervorgegangen aus einer Initiative einer Gruppe führender CGIL-Funktionäre) mit Gian Paolo Patta an der Spitze. Die Differenzen betreffen die strategische Orientierung für die Bildung von Allianzen: die letzteren neigen dazu, in das Mitte-Links-Lager einzutreten, PdCI will vermitteln und das Mitte-Links-Lager unterstützen, während die Rifondazione nach links auf die außerparlamentarischen Kräfte orientiert.

Für Ferrero ist "selbstverständlich, dass man eine alternative Gruppierung zu Mitte-Links bilden muss, um diesem Land eine politische Alternative vorzuschlagen, die dem europäischen Diktat nicht gehorcht, und die die Opferpolitik umkehrt, die uns Monti aufzwingt." Die Aussage von Ferrero "Jeder entscheidet für sich selbst" wird als Orientierung der PRC für die bevorstehende Vorstands-Tagung der FdS gewertet, bei der die Entscheidung über die Position der Föderation für die Wahl 2013 getroffen wird.

Diliberto (PdCI): "Wir haben eine große historische Verantwortung"
Die PdCI geht davon aus, dass sich alle führenden PolitkerInnen der EU, auch Merkel,  bewusst seien, dass die Länder die Schulden nicht bezahlen können. Der Fiskalpakt ist eine Maßnahme, um die Politik der Märkte durchzusetzen, die Souveränität der Staaten abzuschaffen und alles den Interessen der Banken unterzuordnen. Die Position der PdCi ist: Der Fiskalpakt ist abzuschaffen oder zu verändern, aber dazu muss Mitte-Links auch in Deutschland (außer in Italien) siegen. In Europa muss sich das politische Vorzeichen ändern, damit sich die Finanzpolitik ändert. Die Linke dürfe also nicht nur zuschauen und sagen, die Politik ist am Ende, weil es eine internationale Lage gibt, die den Märkten in die Hände spielt. Die Linke muss handeln, die Rechte darf nicht an die Regierungen kommen. Demonstrationen, Mobilisierungen und Proteste sind wichtig, reichen aber nicht aus, wenn die Linke nicht auch an der Regierung ist und Entscheidungen treffen kann. Wenn Mitte-Links siegt, werde die PdCI die Forderungen der Gewerkschaften und der Referenden in das Parlament einbringen. Die Demokratische Partei (PD) habe zwar der Methode der Referenden widersprochen, wolle diese Reformen jedoch angehen. Dies gelte insbesondere für Pier Luigi Bersani, den gegenwärtigen Generalsekretär der Partito Democratico, der die Phase von Monti beenden, auch die Dritte-Weg-Theorien von Blair und Clinton beiseitelegen und die Partei wieder auf einen labouristischen, sozialdemokratischen Kurs bringen wolle.

In einem Interview mit »oltremedia« äußerte sich Oliviero Diliberto, Nationalsekretär der PdCi, zu den Auseinandersetzungen innerhalb der Demokratischen Partei über den künftigen Kurs: "Einerseits gibt es Bersani, der etwas ändern und nicht weiter den Weg von Monti gehen will, auf der anderen Seite gibt es Rechte, die alles tun, was sie nur können, um dies zu verhindern. Kann die Linke, kann die Partei der italienischen Kommunisten, kann die Föderation der Linken, da gleichgültig bleiben, wenn es um solche Auseinandersetzungen geht? Können wir indifferent sein, wenn nach zwanzig Jahren Berlusconi versucht wird, Mitte-Links wieder aufzustellen gegen eine Rechte, die heimtückischer denn je ist und die sich anschickt, einen neuen 30-Jahres-Zyklus des Technoliberalismus zu eröffnen?
Wir glaubten nie an die Bertinotti-Theorie (Fausto Bertinotti, ehem. Nationalsekretär der PRC), dass Mitte-Rechts und Mitte-Links das Gleiche wären. Wir glauben es auch heute nicht. Die Linke sollte eine Politik machen, die denjenigen die Hand reicht, die die PD aus der Zange lösen wollen, in die sie von Monti, Merkel und der Troika genommen worden ist. Es ist unsere Pflicht dies zu versuchen. .... Die Kommunisten müssen, wenn sie nicht, zu einem kulturellen Club der Rückwärtsgewandten werden wollen, die reale Situation in Rechnung stellen, um die Kräfteverhältnisse zu bewerten und die erforderliche Taktik zu entwickeln. Die Kommunisten in Italien haben immer so gehandelt. .. . Wir haben eine große historische Verantwortung."

Die Linke vor einer komplizierten Entscheidung
Zu dem Problem der Zersplitterung der Linken sagte er. "Unser Vorschlag ist seit dem Kongress von Salsomaggiore 2008, die kommunistische Einheit. 2011 haben wir den Vorschlag der "drei Kreise" artikuliert: Einheit der Kommunisten, Einheit der Linken, Einheit der demokratischen Kräfte. Seit Jahren rufen wir Rifondazione zur Vereinigung unserer beiden Parteien auf, als Ausgangspunkt für eine breitere Einheit der Linken. Rifondazione war nie dazu bereit; die Föderation der Linken FdS war die Ebene, auf der die Einheit möglich war und realisiert wurde. Aber jetzt scheint die Föderation nicht zu einer gemeinsamen Linie der Politik der Allianzen zu finden.
Wir machten allen Beteiligten in der FdS einen politischen Vorschlag: Bauen wir eine Vereinigte Linke auf wie bei den Referenden. Es gibt keine einzelne politische Kraft, die in der Läge wäre, eine alternative Linke außerhalb von Mitte-Links aufzubauen. Mit wem machen wir dann die Einheit der alternativen Linken? Da sind Sinistra Ecologia Libertà (SEL) und Italia dei Valori (Idv). FIOM (Metallgewerkschaft im Cgil) zählt nicht direkt zu diesem Lager. Vielleicht hätten wir, wenn wir die Einheit der Linken von vorneherein vorgeschlagen hätten, ohne die als Bedingung wirkende Frage zur PD zu stellen, andere Ergebnisse erhalten. Die FdS ist in der Gefahr, sich in eine tödliche Isolation zu begeben. Retten der Linksföderation bedeutet, sie aus der politischen Isolierung heraus zu führen und sie ins Parlament zurück zu bringen. Wir werden bis zum letzten Moment, mit all unseren Kräften, für die Erreichung dieses Ziels arbeiten."

Die KommunistInnen und die Linke Italiens stehen vor einer schwierigen strategischen Entscheidung, die zu einer Zerreißprobe führen kann. Insofern könnte das Foto vom Haupttransparent der Demonstration schon symbolisch für eine veränderte politische Konstellation bei der Linken stehen.


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