Iraks Kommunisten rufen zum patriotischen Kampf gegen den ISIS-Terrorismus auf

Drucken

Irak ISIS 12.6.2014 middleeasteye12.06.2014: Nur vier Tage haben die Bewaffneten der reaktionär-fundamentalistischen ISIS im Nordirak gebraucht, um fast den gesamten Norden des Iraks - außer den kurdischen Gebieten und Kirkuk - unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Zerfall der offiziellen Staatsmacht in Mossul und der Region gleicht dem plötzlichen Zusammenbruch der libyschen Staatsmacht nach den Monate langen Bombardierungen durch die NATO. Das Verhalten der regulären militärischen Kräfte des Iraks ist dabei ebenso verheerend, wie die Behandlung der Krise in der heutigen Sitzung des Parlaments.

Ministerpräsident Maliki hatte versucht, das Parlament des Iraks zu Genehmigung des Ausnahmezustands zu bewegen. Doch von den 325 Mitgliedern des Parlaments waren nur 128 anwesend, der Antrag konnte wegen Verfehlung der Mindestteilnahme nicht verabschiedet werden. Der Vorgang drückt aus, wie unfähig diese Institution überhaupt ist, Probleme des Landes zu lösen. Nicht nur am heutigen glänzten die Parlamentarier mit Abwesenheit, seit Jahren ist dies der Fall. Und nur wenige bemerkenswerte Gesetze hat das Parlament überhaupt in den Jahren seiner Existenz nach Saddam Hussein verabschiedet.

Das Verhalten der militärischen Kräfte der Staatsmacht ist noch skandalöser. Soldaten der irakischen Armee, die sich in die kurdischen Gebiete im Norden des Iraks flüchteten, berichteten, dass ihre Kommandeure sich einfach kampflos nach Bagdad abgesetzt hätten. "Soldaten können nichts ohne Kommandeure ausrichten, und unsere Kommandeure hauten einfach ab", berichtete ein junger Soldat. "Sie betrogen uns und gaben keinerlei Befehle." Die oberen Ränge machten sich mit Hubschraubern davon, den einfachen Soldaten rieten sie, sich in die kurdischen Gebiete zu flüchten. So fielen den Militanten der Bewegung 'Islamischer Staat im Irak und Syrien/Levante' (ISIS/ISIL) nicht nur die Region, sondern auch große Bestände an Waffen in die Hände. 500.000 Menschen sind auf der Flucht vor den von vielen mehr als al-Qaida gefürchteten Fundamentalisten, die ihrem Ruf durchaus gerecht wurden, als sie Anfang dieser Woche in al-Abbasi (Provinz Kirkuk) 15 gefangen genommene Soldaten der irakischen Armee hinrichteten.

Mittlerweile beherrscht ISIS neben der Provinz Anbar - seit Januar Zug um Zug und in der Eroberung von Falludjah und einem Euphratstaudam im April mündend - nun die Provinz Ninive (Mossul) und große Teile von Salah al-Din (Tikrit). 1,1 Mio. Soldaten der regulären Armee sind offenbar unfähig und nicht Willens, die Bevölkerung vor dem Terror der ISIS zu schützen, die Mossul mit nur wenigen Hunderten von Kämpfern eroberten. Hier wäre noch anzumerken, dass Ministerpräsident Maliki in seiner Machtversessenheit auch den Oberbefehl der Streitkräfte an sich gerissen hat – und in dieser Funktion sowohl in der vergangenen Jahren, wie auch in der aktuellen Krise gegenüber den militärischen Bedrohungen des Landes völlig versagt hat.

ISIS ist ein direktes Erbe der US-Aggression gegen den Irak im Jahre 2003. Ursprünglich von Musab al-Zarqawi geführt, ist derzeit Abu Bakr al-Bagdadi ihr Oberhaupt. Sie gilt als Teil von al-Qaida, unterstellt sich in diesem Netzwerk aber keiner anderen Führung. Ihr Ziel ist die Errichtung eines Gottesstaats (Kalifat) unter striktester, reaktionärer Auslegung des Islams. ISIS kämpft im Osten Syriens vor allem mit ausländischen Kämpfern, im Irak konnte sie sich jedoch - auch dank der sektiererischen, religiös-einseitigen schiitischen Ausrichtung der Herrschenden unter Maliki - in gesellschaftliche Strukturen und Gemeinden einbetten und Stammesführer für sich einnehmen. Viele ihrer Mitglieder kämpften früher unter Saddam Hussein, sind militärisch gut ausgebildet und versiert.

Im Gegensatz zu anderen militanten Oppositionskräften in Syrien stützt sich ISIS zu einem überwiegenden Teil auf selbst beschaffte Finanzmittel. Sie erhebt in den kontrollierten Gebieten Steuern, betreibt Finanzierung durch Bankraub und Waffenhandel, greift Regierungsinstitutionen und Unternehmen an und raubt Waffen oder benutzt die in ihre Hände fallenden, wie in Mossul. ISIS wird zudem von Reichen in der Region und in den Golfstaaten, die ihre Ziele befürworten, finanziell erheblich ausgestattet.

ISIS verhält sich nicht nur gegenüber den Herrschenden in Syrien und im Irak feindlich, sondern steht gleichermaßen anderen Gruppen des al-Qaida-Netzwerks extrem feindlich gegenüber - so der al-Nusra-Front in Syrien. Die Bewegung ist für zahllose Morde von Zivilisten und anderen Personen verantwortlich, setzt Terror, Mord und Entführungen sowie Autobomben als taktisches Vorgehen ein. Ihr Regime ist für alle demokratischen Kräfte, für die Werktätigen in allen Bereichen eine faschistische Bedrohung, gegen die der breiteste Zusammenschluss aller friedliebenden, demokratischen Menschen und Organisationen auf einer nicht sektiererischen Basis erforderlich ist.

In diesem Sinne hat das Politbüro der Irakischen Kommunistischen Partei die nachstehende Erklärung (eigene Übersetzung aus dem Englischen) heraus gegeben:

Jedwede patriotische Anstrengung ist zur Niederschlagung des Terrorismus nötig!

Die Provinz Ninive und mehrere andere irakische Provinzen und Städte erleben derzeit eine sehr schwierige und kritische Zeit, weil mörderische Terroristen es geschafft haben, die Kontrolle über bedeutende und strategisch wichtige Stellungen zu erlangen und weiter gegen andere, noch sichere Städte vorrücken. Hunderte von Familien haben ihre Wohnungen verlassen und suchen unter verschlechterten Bedingungen und in kritischer humanitärer Lage an anderen sichereren Plätzen Zuflucht.

Dieses sind Augenblicke, in denen die Heimat schlimmsten Bedrohungen ihrer Einheit und des sozialen Gefüges sowie des gesamten politischen Zusammenwirkens ausgesetzt ist. Das erfordert von jedermann, einschließlich der politischen Parteien, der breiten Volksmassen, der bewaffneten Kräfte und der Perschmerga [der kurdischen Kämpfer], dass sie ihre Reihen schließen, sich den Herausforderungen stellen, kleinliche Rivalitäten überwinden und drängende Aktionen angehen, um die Anstrengungen der Soldaten sowie der Sicherheits- und Geheimdienste unserer Streitkräfte bei der Erfüllung ihrer nationalen Pflicht der Niederschlagung der terroristischen Kräfte, bei der Befreiung unserer Städte von ihren Abscheulichkeiten und Verbrechen und beim Durchkreuzen der Strategien externer Hintermänner, welche teuflische Pläne gegen unseren geliebten Irak hegen.

Die Schlacht um unser bedrohtes Heimatland steht nun an. Es müssen alle politischen, materiellen, logistischen und militärischen Voraussetzungen geschaffen werden, um die weitere Ausdehnung dieses bösartigen Krebses aufzuhalten. Der Terrorismus bedroht uns alle, er achtet keine Religion, keine Herkunft oder Nationalität. Und er will den politischen Prozess in unserem Land [zu einer demokratischen Ordnung] beenden und es zurück in die Tage der Tyrannei und des Obskurantismus führen.

Terrorismus ist der Feind aller. Unser Volk der verschiedenen Nationalitäten, verschiedener Religionen und religiöser Gruppen und aller ideologischer und politischer Zusammenschlüsse muss sich der konkreten Gefahr bewusst sein und sich davor hüten, auf das hereinzufallen, was die ISIS und die hinter ihr stehenden regionalen und internationalen Mächte mit dem Ziel planen, die nationale Einheit zu zerstören und sektiererischen Streit, sowie engstirnige nationalistische und chauvinistische Strömungen anzustacheln.

Wir in der Irakischen Kommunistischen Partei verurteilen Terrorismus in all seinen Formen und Darstellungen, und wir erneuern dabei unsere Zusage voller Unterstützung und uneingeschränkten Rückhalts der militärischen und der Sicherheitskräfte. Und wir rufen alle politischen Blöcke und Parteien auf – gleich ob an der Macht oder in der Opposition – sich unverzüglich zusammen zu finden und einen drängenden nationalen Dialog miteinander zu führen. Der sollte sich damit befassen, den Kräften des Übels, der Aggression und der Verbrechen wirksam entgegen zu treten, die Terroristen zu bekämpfen und in der laufenden Schlacht politische, materielle und moralische Unterstützung der Streitkräfte einzubringen – in Ergänzung einer gesunden Organisation der allseitigen Sicherheitspolitik.

Dabei ist [dem Schutz] der Zivilbevölkerung Aufmerksamkeit zu schenken, damit ihre Sicherheit gewährleistet wird und Auswirkungen militärischer Kämpfe vermieden werden, und damit Hunderten vertriebener Familien dringende humanitäre Hilfe gegeben wird.

Lasst uns alle gegen den Terrorismus und seine barbarischen Kräfte zusammen stehen und lasst uns zusammen wirken, damit er schleunigst nieder geschlagen wir.

Bagdad – 10. Juni 2014

Text: hth