Die DKP und die Friedensbewegung

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06.08.2016: In dem Offenen Brief ( Aktuelle Herausforderungen annehmen- Kommunistische Politik entwickeln), der bisher von über 200 DKP Mitglieder unterschrieben wurde, heißt es: „ Die verbalen Angriffe gegen die Friedensbewegung ... ergänzen das Bild einer zunehmend sektiererischen Positionierung der Parteiführung.“

Dieser Halbsatz führte zu Nachfragen mit der Bitte um konkrete Darstellung. Ich will dazu mit der folgenden Argumentation einen Beitrag leisten, auch weil dieses Thema eine aktuell zunehmende Bedeutung hat.

In diesen Tagen wird mit dem sogenannten Weißbuch eine neue gefährliche Strategie der Aufrüstung begründet, nämlich für weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Der Rüstungsetat soll noch mehr Geld erhalten, das dringend für andere volkswirtschaftliche Aufgaben gebraucht wird.

Bundeswehr und NATO-Verbündete üben den Krieg an den Grenzen Rußlands, was selbst Außenminister Steinmeier zu besorgten Äußerungen veranlaßt. Die NATO setzt auf die Drohung mit militärischer Gewalt, um ihre Weltmachtrolle zu unterstreichen. Weltweite militärische Konflikte und Kriege führen zu wachsenden Opferzahlen, Vernichtung von Lebensgrundlagen, Verelendung und Flucht von aktuell 61 Millionen Menschen.

In Japan werden Gesetzesänderungen vorbereitet mit dem Ziel, eine weltweit einzusetzende Armee zu schaffen. Die Gefahr von Kriegen auch gegen Rußland und China steigen auch durch vielfältige Provokationen und Boykottmaßnahmen.

Für die DKP war der Kampf für Frieden und die Unterstützung der Friedensbewegung eine zentrale Aufgabe. „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“ war und ist ein prägendes politisches Motto. So auch im Mannheimer Parteiprogramm und im gültigen DKP-Programm von 2006 nachzulesen.

In den Beschlüssen des 20. und 21. Parteitages, in Reden führender Genossinnen und Genossen gibt es deutliche Änderungen in den Positionen durch die derzeitige PV-Mehrheit.

Auf dem Pressefest fand ein „Internationales Antikriegsmeeting“ auf der Hauptbühne statt. Dort wurde zu Recht die Einigung der verschiedenen Teile der Friedensbewegung als Erfolg bewertet, gemeinsam zu einer Demonstration gegen alte und neue Kriegsgefahren am 08. Oktober in Berlin aufzurufen. „Die Waffen nieder – Kooperation statt NATO Konfrontation – Abrüstung statt Sozialabbau“ ist das Motto des gemeinsamen Aufrufs.

In den Redebeiträgen führender DKP-Mitglieder wurde daraus eine Anti-Kriegs-Demonstration. Es wurde gefordert, den Klasseninhalt des Kampfes um Frieden in den Mittelpunkt zu stellen und vor allem den deutschen Imperialismus zu bekämpfen.

Diese politische Einengung des Kampfes um Frieden zu einer Aufgabe vor allem des Klassenkampfes und der Orientierung auf die Systemfrage des Kapitalismus / Imperialismus ist nicht nur eine gefährliche Verengung marxistischer Position, es ist auch ein Herangehen, das zur Abgrenzung von und der Ausgrenzung anderer Teile der Friedensbewegung führen kann, statt die Gemeinsamkeit zu fördern und weiterzuentwickeln.

Ich vertrete hier nicht die Position, auf die Benennung klassenspezifischer und systembedingter Ursachen auch aktueller Regierungspolitik zu verzichten, sondern plädiere dafür, das Verständnis von Gemeinsamkeiten zu entwickeln, maximale Breite der Friedensbewegung zu wollen und zugleich immer wieder auch gesellschaftspolitische Ursachen zu diskutieren und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen.

Es bleibt z. B.eine Aufgabe, vor allem die größte Organisation im Rahmen der Arbeiterklasse, die DGB Gewerkschaften, maximal einzubeziehen und dort um politische Weiterentwicklung zu ringen, z.B. zur Orientierung auf Rüstungskonversion. Und es ist auch Aufgabe von Marxistinnen und Marxisten, neue, noch nicht in der Friedensbewegung aktive Menschen aus allen Bevölkerungsteilen zu gewinnen mit dem Ziel, Mehrheitsmeinungen z.B. gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr politisch wirksam durchzusetzen.

Die DKP Gruppe Elmshorn hat am 27.7.2915 in ihrer Kritik auf den Entwurf des Leitantrages zum 21. Parteitag darauf hingewiesen, daß die Friedensfrage nicht den nötigen Stellenwert im Dokument hat. (s. kommunisten.de). Der Kampf um Frieden wird in dem Entwurf unter dem Begriff „antimilitaristischer Kampf“ verengt. Die Gewerkschaften werden ausschließlich aufgerufen, den antimilitaristischen Kampf zu unterstützen. Im Übrigen dienen manchen Aussagen im Text der hinlänglich bekannten Theorie, der Fokussierung auf die vor allem große traditionelle Gefahr durch den deutschen Imperialismus, dessen Wesen ausschließlich in Kontinuität des letzten Jahrhunderts gesehen wird.

Neue internationale Entwicklungen, wie z.B. im Parteiprogramm 2006 formuliert, werden ausgeblendet.

Es wird in manchen Äußerungen eine umfassende Kriegsgefahr, manchmal sogar der bereits begonnene 3. Weltkrieg unterstellt. Die „ Hamburger Utsichten“ zum Ostermarsch 2016 wurde unter den Überschriften „Europa droht der große Krieg“ und „Nie war in den letzten Jahrzehnten die Kriegsgefahr in Europa so groß wie heute“,verteilt . Ich teile durchaus die Sichtweise, daß sich neue Kriegsgefahren entwickeln, nicht aber die Behauptungen zur aktuellen Kriegsgefahr durch einen großen Krieg in Europa. Der Kalte Krieg, die Kubakrise und vieles andere belegen die latente Kriegsgefahr  und die Gefahr der Ausweitung lokaler Kriege in der Vergangenheit.

Auch diese meine Position kann und muss man diskutieren, wie auch z. B. die Rolle und Verantwortung der UN unter den konkreten Bedingungen heute, die bisher völlig ungenügend entwickelten Initiativen zur Abrüstung und für die Forderung Rüstungsexport zu stoppen, gegen die aktuelle Aufrüstung der NATO und vieles mehr.

Die marxistische Position muss sowohl aktuell notwendige Forderungen entwickeln, wozu auch die Verteidigung des Erreichten zählt, als auch weitergehende gesellschaftspolitische Ziele diskutieren. Dazu ist offener Dialog und keine Abgrenzung oder vordergründiger Avantgardismus in politischen Orientierungen nötig.

Ich schreibe diesen Beitrag auch aus Sorge um die in einigen Jahrzehnten erreichte Politikfähigkeit und Anerkennung von Kommunistinnen und Kommunisten in der Friedensbewegung. Wir haben unseren Beitrag geleistet zur Verhinderung der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr und der umfassenden Beteiligung der Bundeswehr an vielen Kriegseinsätzen der NATO, an der Entwicklung der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung gegen Auslandseinsätze und vieles mehr.

Andere Aufgaben bleiben.
Besonders auch Antworten, wie wir Bewegungen und Aktionen der Friedensbewegung stärken können, wie es gelingen kann, die junge Generation mit ihrem spezifischen Herangehen einzubeziehen.

Ein vordergründiges Reduzieren des anhaltenden Kampfes für Frieden und Abrüstung auf den zweifellos notwendigen Klassenkampf wird unsere Position schwächen und uns isolieren. Breitest mögliche gesellschaftliche Bündnisse und Allianzen müssen Bestandteil kommunistischer Friedenspolitik sein.

Text: Heinz Stehr