„Ich hab da mal 5 Fragen“ – Karikaturenstreit in der DKP

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Karikaturen BB 30016.09.2016: Auf dem Pressefest der UZ in Dortmund hat der Karikaturist Bernd Bücking aus München 5 Zeichnungen ausgestellt, um zu 5 Themenkomplexen eine Diskussion anzuregen. Der Parteivorstand der DKP hat diese Aktion offiziell missbilligt und Bernd Bücking Antikommunismus vorgeworfen.

Bernd Bücking: Wenn ich höre, dass man mir Antikommunismus vorwirft, kann ich damit überhaupt nichts anfangen. Höchstens bei einer Zeichnung, in der ich den demokratischen Zentralismus erwähne, da geht es wirklich ums Eingemachte. Dabei habe ich eigentlich gegen den Begriff als solchen nichts einzuwenden, sondern nur gegen die Art, wie man ihn anwendet. Deshalb kann ich da eigentlich keinen Antikommunismus rauslesen. Aber das ist ja das Problem bei der ganzen Angelegenheit, nicht nur hier in Bezug auf meine Zeichnungen. Man ist nicht mehr bereit, Argumente auszutauschen.

Ich hatte ein Heftchen daneben gehängt mit dem schönen Hinweis “Ich hab da mal 5 Fragen. Bitte schreibt mir auf die freien Blätter nebenan ein paar überzeugende Argumente, die unsere, - ich betone unsere-, Parteitagsentscheidungen begründen und meine gezeichneten Befürchtungen widerlegen. Danke“

Wie war die Reaktion?
 
Bernd Bücking: Da hatte ich, offen gestanden, wirklich mit Argumenten gerechnet. Zwar nicht zu allen Zeichnungen, weil bei manchen ist mir wirklich mit besten Willen nichts eingefallen, was man dagegen hätte sagen könnte - aber ich habe doch gedacht, man würde sich zumindest drum bemühen.

Obwohl ich auch andere Erfahrungen habe. Vor 2 Jahren, als es um die Europa-Wahlen ging, hatte ich einen sehr ernüchternden E-Mail-Austausch mit Günther Pohl und Patrik Köbele, bei dem es genau um diese Fragen ging. Ich hatte gesagt, wir haben hier in Bayern eine Landtagswahl gehabt, und ich kann nur sagen, ich würde vor der Eigenkandidatur der DKP zur Europawahl warnen. Mir fiele kein Argument ein, das ich jemanden sagen könnte. Ob sie mir da helfen könnten.

Daraufhin hat mir Günther Pohl eine Mail zurückgeschickt, in der er schrieb, es genüge ja schon das Argument, „wenn wir uns nicht an der Wahl beteiligen, dann verlieren wir den Parteienstatus“. Daraufhin habe ich ihm zurückgeschrieben, ich hätte mich bei unserem Rechtsanwalt Hans-E erkundigt, und der hat gesagt, es genüge eine Landtagswahl, - also Kommunalwahl genügt tatsächlich nicht - , und zwar alle 10 Jahre. Da hatten wir nun wirklich unser Soll übererfüllt. Das habe ich ihm also zurückgeschrieben und gesagt, vielen Dank für das Argument, aber das Argument ist falsch. Und im Übrigen ist das kein politisches Argument.

Daraufhin hat mir Patrik zurückgeschrieben, - was ich übrigens toll fand, dass sie sofort geantwortet haben, was ich ihnen auch geschrieben habe. Und Patrik hat geantwortet, er sei der Meinung, wir sollten an jeder Wahl teilnehmen. Daraufhin habe ich ihm dann zurückgeschrieben, dass auch dies keine politische Begründungen sei, die ich nachvollziehen könne, sondern es sei seine Ansichten, die er dazu geäußert habe, und das ist ja doch ein kleines bisschen etwas was anderes.

Und im Übrigen hätte ich das Gefühl, dass man sich da der KKE anpasse, die ja auch forderte, dass die DKP aus der EL austreten solle. Das hat beiden nicht wirklich gefallen. Günther Pohl hat geschrieben, wenn ich wieder auf eine sachliche Ebene zurückkäme, könnte man ja eventuell tatsächlich diskutieren und damit war Schluss, Und Patrik sagte, ich sollte doch mit so albernen Verschwörungstheorien aufhören. Damit war mit 6 oder 7 Mails hin und her nicht ein vernünftiges Argument zu unserer Beteiligung an Wahlen gekommen.

Das hatte ich mir hier auf dem Pressefest anders vorgestellt, weil ich dachte, jetzt haben sie Zeit. Es sind einige gekommen, die gesagt haben, sie wären traurig darüber, aber es schiene so zu sein, wie ich es zeichne. Einer hat mir mündlich gesagt, er fände es toll, dass es in der kommunistischen Partei möglich ist, dass man sich so austauscht. 2 haben unflätige Antworten vom Stapel gelassen. Der eine hat geschrieben, ich wäre ein Linksfaschist, was immer man darunter zu verstehen hat, wahrscheinlich dasselbe wie der Kurt Schumacher mit seinen rotlackierten Nazis, und der andere hat nur eine sehr hübsche pornographische Zeichnung vom Stapel gelassen.

Hat jemand von der Parteiführung mit Dir gesprochen?

Bernd Bücking: Nein. Patrik hat sich allerdings an Walter Listl gewandt, er würde gerne Ablichtungen von den Karikaturen haben, weil er sie selber auf dem Pressefest nicht gesehen hätte. Und daraufhin habe ich ihm noch einen netten Brief dazu geschrieben, denn ich bin wirklich der Ansicht, man kann unter Kommunisten diskutieren. Und ich finde es wirklich toll, wenn das jemand in der kommunistischen Partei tut, und wenn ich da andere Ansichten habe, dann habe ich eine andere Ansicht unter Freunden.

Würdest Du von einem Karikaturenstreit innerhalb der DKP sprechen?

Bernd Bücking: Vor der PV-Tagung hätte ich nein gesagt, weil nur wenige die Karikaturen gesehen haben. Und mir hat erst ein Genosse aus dem Allgäu mitgeteilt, dass offenbar die nächste PV-Tagung sich damit beschäftigen will, sonst hätte ich das gar nicht gewusst. Und er hat mir freundlicherweise auch die Fotos der Karikaturen gesendet, sonst hätte ich sie gar nicht mehr.

Eigentlich sollten die Karikaturen für sich sprechen. Und ich war schon überrascht, als andere, die sie betrachtet hatten, sagten, „Oha, da hast Du Dich aber ganz schön aus dem Fenster gelehnt, sind schon scharfe Sachen“. Ich muss sagen, ich selber habe sie nicht als so scharf empfunden, bis auf eben auf diese Sache mit dem demokratischen Zentralismus, auch mit dem Bezug auf Stalin, der unmissverständlich auch dabei ist.

Zu dieser Zeichnung bin ich eigentlich gekommen, weil ich beide Stationen selber erlebt habe. Ich bin 1951/52, so genau weiß ich das gar nicht mehr, in die KPD eingetreten. Ich war damals in Bremen schon länger in der Partei aktiv, ich war da erst 16/17 Jahre alt, und bin dann beim Thälmann-Aufgebot eingetreten. Danach kam relativ schnell das Parteiverbot, und dann war ich im illegalen Apparat, bis ich nach Ende meiner Kunstschulzeit nach Hamburg gewechselt bin und dann nach Essen. Damals hatte ich keine Lust mehr, im illegalen Apparat zu arbeiten, ich wollte erst einmal beruflich „Karriere“ machen, und habe den Wohnungswechsel nicht gemeldet. Als ich dann nach Frankfurt umzog bin ich dort zu einer Veranstaltung gegangen, die als Kleinanzeige in der Zeitung stand. „Interessieren Sie sich für Marxismus?“. Das heißt also, das war schon nicht mehr in der ganz rigorosen Zeit, wo Du wegen so einer Anzeige sofort in den Knast gewandert wärst.

Ich bin dahin gegangen und da waren Heinz Jung und Robert Steigerwald, die völlig erstaunt waren, dass da wirklich ein Gast kam, den sie nicht kannten. Damit habe ich wahrscheinlich ihr ganzes Programm umgeschmissen. Denn nun mussten sie sich ja mit mir auseinandersetzen, und ich hatte mich auch nicht zu erkennen gegeben, Das haben sie auch gut gemacht und mir zum Schluss einige Broschüren gegeben. Ich solle mich nicht daran stören, dass diese aus der DDR seien, hier würde so etwas ja nicht gedruckt. Ein zweites Mal konnte ich dann aber nicht mehr hingegangen, weil ich meinen Job in Frankfurt auf Knall und Fall gekündigt hatte, um eine Stelle in der Schweiz anzunehmen. Das hat allerdings nicht geklappt, und so bin ich nach München gekommen.

In München bin ich gleich zur Tendenzen-Gruppe gegangen, weil ich Richard Hiepe über meinen Bruder aus der Zeit in Hamburg kannte. Wobei mir damals nicht klar war, dass das im Grunde genommen eine KPD-Parteigruppe war. Das habe ich eigentlich erst mitbekommen, als wir zusammen in Ost-Berlin Max Reimann gegenübersaßen.

In die DKP bin ich dann  erst 70 eingetreten, weil ich immer darauf gewartet hatte, dass mir meine KPD-Genossen das signalisierten, denn die neuen DKP-Genossen und Genossinnen kannte ich ja gar nicht. Ich bin dann relativ schnell Mitglied im Kreisvorstand und Kreissekretariat geworden. Und da habe ich den demokratischen Zentralismus von der anderen Seite kennengelernt. Dass wir Beschlüsse, die von oben kamen, im Kreissekretariat diskutieren konnten. Und wenn wir nicht einverstanden waren, das kam durchaus manchmal vor, dann wurde das offen diskutiert, auch an der Basis in den Gruppen. Und dann war der Beschluss wirklich der Beschluss der gesamten Partei.

Aber diesen 5 Fragen meiner Zeichnungen sind an der Basis überhaupt nicht diskutiert worden. Und deshalb hatte ich, auch um die Frage verständlich zu machen, daneben geschrieben, was diese Art, den Demokratischen Zentralismus anzuwenden, mit sich gebracht hat für die Jahre 1989/90. So etwas wollen wir nicht noch einmal, da müssen wir was ändern. Und das betrachte ich nicht als Antikommunismus, sondern im Gegenteil als etwas, was die kommunistischen Parteien stärken soll.

Das sieht der PV aber wohl anders. Im dem Beschluss werden auch organisationspolitische Maßnahmen gefordert
 
Bernd Bücking: Wenn mich das vor etwa einem Jahr erwischt hätte, wäre ich ziemlich fassungslos gewesen. Mittlerweile ist uns hier in München klar geworden ist, mit einer Totstell-Methode kommen wir jetzt nicht mehr weiter. Denn jetzt wird versucht, den Bezirken von oben so klare Anforderungen zu diktieren, dass wir sagen müssen, nein, damit sind wir nicht einverstanden und wir werden das nicht umsetzen. Den EL-Beschluss finde ich hanebüchen, aber das ist in der Praxis nicht unbedingt unser Bier. Aber der Beschluss zur Bundestagswahl ist der Punkt gewesen, wo ich persönlich auch gleich gesagt habe, ich werde mich nicht an der Unterschriftensammlung beteiligen, und ich werde an unseren Info-Ständen zur Wahl immer sagen, hier steht zwar DKP dran, aber ich würde unbedingt zur Wahl der Linkspartei aufrufen.

Wir sind jetzt in einer Situation, wo wir politisch Position beziehen müssen. Und da müssen wir uns auch klar darüber sein, dass dann auch versucht wird, uns rauszuschmeißen. Beim Pressefest hatten wir etwas das Gefühl, dass der Streitwert dem jetzigen Parteivorsitzenden schon klar ist. Dass, wenn sie die Konsequenzen ziehen, die ihnen der Kreis Niederrhein oder der Bezirk Berlin vorschlagen, also Schluss zu machen mit den „Verrätern“, dass dies die Partei möglicherweise in die Grube bringt. Vielleicht wollen sie aber auch nur gegen die „Rädelsführer“ ein Exempel zu statuieren um den übrigen zu sagen, lasst es Euch eine Lehre sein.

Meiner Ansicht nach ist einer der Gründe, warum die Dinge so in diese Richtung laufen, der, dass wir praktisch nicht mehr in der Lage sind, Praxis zu leisten. Die praktische Parteiarbeit vor Ort wird nur noch von wenigen Genossen und Genossinnen gemacht, die in Bewegungen an vorderster Front stehen und dort kommunistische Politik machen. Und dort weiß man auch, dass wir Kommunisten sind. Man hat sich vielleicht zuerst sogar dagegen gewehrt, aber nun den Stellenwert unserer Arbeit erkannt. Das ist konkret unsere Parteiarbeit.

Die anderen Sachen, die wir auch noch machen, wie Infostände, Flugblattverteilung, Kleinzeitungen usw. sind in der Außenwirkung außerordentlich gering, lassen kaum die Frage zu, was das bewirkt hat, ob es irgendeine Diskussion gegeben hat. Da ist kaum ein Re-Call. Mein Ding war immer, sich nicht nur mit anderen Linken zu unterhalten, sondern auch mit Außenstehenden. Mit denen wollte ich auch immer über meine Zeichnungen ins Gespräch kommen.

Ich war zwei Mal verantwortlicher Bildungssekretär in München. Wenn ich das Bildungsthema vorbereitet habe, kam der Bildungssekretär vom Bezirk und hat mir klar gemacht, um was es geht. Dann habe ich fleißig mitgeschrieben, und immer hinterher gesagt, ich könne das nur vermitteln mit eigenen Worten, das heißt, wenn ich das verstanden habe. Und dafür brauche ich irgendein konkretes Beispiel. Dann fuhr der Bildungssekretär immer aus der Haut und sagte, das ist doch genau der Witz von Theorie, dass sie nicht am einzelnen Beispiel hängt, welches immer hinkt, sondern die Verallgemeinerung von allen ist. Aber wenn er mir dann ein Einzelbeispiel genannt hat, dann habe ich gesagt, Okay, jetzt weiß ich, um was es geht.

Das ist eigentlich eine gute Illustration meiner politischen Auffassung, die ich ja schon von zu Hause mitbekommen hatte und die ich eigentlich immer in den Aktionen mit den Vor- und Nachbereitungen gelernt habe.

Ich bin hoffnungslos unterlegen, wenn irgendein Genosse kommt und sagt, hast Du eigentlich nie dieses oder jenes Zitat von Lenin gehört. Und wenn es mir gut gefällt, sage ich, wirklich ein tolles Zitat, das werde ich mir aufschreiben und meiner Zitatensammlung einverleiben, aber, sage ich dann, ich kenne auch ein Zitat von Lenin, aber leider nicht so wörtlich wie Du. Und das lautet in etwa so: „Und wenn morgen eine andere Lage ist, sehen unsere Beschlüsse anders aus“

Du hat mit Deinen Karikaturen auch immer die UZ begleitet. Es fällt auf, dass seit dem Pressefest keine Karikaturen von Dir mehr erschienen sind

Bernd Bücking: Seit über 10 Jahren stelle ich der UZ meine Karikaturen zur Verfügung. Auch jetzt hat die UZ noch zwei Karikaturen von mir vorliegen. Aber es hat in der Vergangenheit immer mal wieder Fälle gegeben, wo ein- oder zweimal meine Karikaturen ohne Erklärung nicht erschienen sind. Das ärgert mich etwas, weil das die alte Vorstellung ist, - die schon immer da war -, was umsonst ist, ist nichts wert. Dass aber ausgerechnet Kommunisten diesem kapitalistischen Grundsatz huldigen, ärgert mich schon.

Wir haben in der Partei noch nie einen wirklichen kulturellen Ansatz gehabt, bis auf eine relativ kurze Zeit, und zwar besonders hier in München, wo wir die Zeitschriften Tendenzen und Kürbiskern hatten und dementsprechend auch die dazu gehörigen Protagonisten. Die waren alles andere als einfach und es gab auch mehrere politische Auseinandersetzungen. Aber, wir sind zumindest respektvoll miteinander umgegangen. Obwohl wir meiner Ansicht nach auch viele Kulturschaffende nur als Aushängeschilder respektiert haben, und nicht aus der Überlegung, dass die kulturelle Komponente eine ganz wichtige ist.

Ich wäre überhaupt nicht sauer, wenn mir jemand sagen würde, natürlich hoffentlich auf eine nette Art, deine Zeichnungen sind uns nicht mehr gut genug. Da bin ich nun wirklich locker, weil ich als Freier in den Agenturen wirklich hart gesotten bin. Dieses Jahr werde ich 80, und ich merke ja selber wenn ich meine alten Sachen angucke, dass ich früher nicht nur besser gezeichnet habe, sondern auch interessanter gedacht habe. Aber eigentlich habe ich den Gegenbeweis mit isw, mit ver.di und der Linkspartei, die gerne meine Zeichnungen nehmen, und manchmal sogar dafür zahlen. Da habe ich eigentlich den Eindruck, dass die mich immer noch ganz gut gebrauchen können.

Wenn die Redaktion meint, dass sie meinen Namen in Verbindung mit Karikaturen nicht mehr in der UZ haben will, dann soll man mir das sagen. Dann sende ich eben keine Zeichnungen mehr. Da bin ich nun wirklich locker, weil ich als Freier in den Agenturen wirklich hart gesotten bin.

Das Gespräch führte Michael Maercks

Leser-Kommentare zu den Zeichnungen leiten wir gerne an Bernd Bücking weiter.
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Nachtrag: Die Redaktion der UZ hat nach der PV-Tagung Bernd Bücking darüber informiert, dass sie die Zusammenarbeit mit ihm einstellen.