Wie kam es zum Aufwind für die Rechten in Frankreich?

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front national protest marie ll06.06.2014: Der französische EU-Abgeordnete Patrick le Hyaric, zugleich Direktor der kommunistischen Zeitung „Humanité“, befasste sich in einem Leitartikel seines Blattes „Humanité Dimanche“ vom 31. Mai mit der seit der EU-Wahl in Frankreich heftig diskutierten Frage, wie es zu dem alarmierenden Vormarsch des „Front National“ in Frankreich kommen konnte und welche Lehren sich daraus ergeben.

Er verwies darauf, dass dieser Auftrieb in Frankreich und in einem guten Teil der übrigen EU-Staaten „nicht aus heiterem Himmel“ kam. Er habe sich schon seit Monaten, spätestens seit den letzten Kommunalwahlen abgezeichnet. Die Mischung aus Ablehnung der Politik generell und vor allem der praktizierten, Wahlabstinenz und der starke Anstieg des Rechtsextremismus, stelle „einen Cocktail von extremer Gefährlichkeit“ dar. Die „Familie Le Pen“ stehe „vor den Toren der Macht“ und profitiere dabei „von zahlreichen Steigbügelhaltern“. Schon unter Sarkozy habe man sich die Parolen und Ansichten der Rechtsextremen „ausgeliehen“ und vor dem Hintergrund der Krise hoffähig gemacht. Und die gegenwärtige sozialistische Regierung diskreditiere die gesamte Linke, indem sie den Werten der Linken und den linken Wahlkampfaussagen den Rücken kehrt und verkündet, dass es keinen anderen Ausweg als den Liberalismus gebe. Mangels einer glaubwürdigen Alternative der nicht regierenden Linken wähle ein erheblicher Teil der Wählerinnen und Wähler das Lager der Nichtwähler. Andere entschieden sich „in einem Klima der Ablehnung der politisch Verantwortlichen, der Korruptionsgeschäfte, der Missachtung durch die Eliten“ für eine Stimmabgabe, von der sie glauben, dass sie den größten Lärm macht. Die Nutzung des Rechtsextremismus als Werkzeug zum Ausdruck der Volkswut sei schon seit Monaten praktiziert worden.

Die großen Massenmedien hätten, indem sie die Wahlentscheidung auf die vereinfachten und für die Herrschenden recht bequemen Schlagworte „Pro-Europäer“ und „Europaskeptiker“ vereinfachten, ihren Teil zur Verwirrung beigetragen, heißt es weiter in dem Artikel. „Europa könnte eine Gemeinschaft gemeinsamer Güter, eine Gemeinschaft des Geistes sein, ererbt von Erasmus von Rotterdam, Goethe oder Rabelais, von Kant oder Voltaire, eine gemeinsame Kultur, eine der Förderung des Fortschritts und der Wissenschaft, von Galilei bis Einstein, Kopernikus bis Newton.“ Stattdessen sei die EU zum Synonym für eine bürokratische Maschine geworden, fern von den Menschen, eine Fabrik für Richtlinien und Regeln, um den freien Handel, die freie Konkurrenz, den freien Markt und die ökonomischen Kriterien einer rigorosen Sparpolitik durchzusetzen, ohne ein menschliches, soziales, umweltpolitisches Projekt.

Dabei könne es auf keinen Fall bleiben, heißt es weiter. Alle demokratischen Kräfte stünden „mit dem Rücken an der Wand“. Die Linken, die Ökologiebewegung und die Linksfront stehe vor der Notwendigkeit „der Klarsicht, Bescheidenheit und Neuerung“. Es gebe keinerlei unvermeidliches Schicksal: „Man muss sich erheben, miteinander reden, sich zusammenfinden in jedem Stadtteil und Dorf, jeder Stadt, jedem Betrieb und Büro, in jeder Schule, um das Projekt einer politischen Wende und eines Machtwechsels voranzubringen.“ Jeder müsse da, wo er sich befindet, in Kontakt mit anderen treten, gleich ob Sozialisten, Grüne, Kommunisten, andere Kräfte des Fortschritts, ohne Ausnahme, „um eine neue Sammlung der Bürger zu entwickeln und sich zu vereinigen in einer ideologischen und politischen Gegenoffensive, um den Weg für den Wiederaufbau einer neuen Linken zu öffnen“.

Text: Pierre Poulain (aus UZ vom 06.06.2014)   Foto: marie-ll

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