Die Diskussion hat Leben in die ideologische Selbstverständigung der Partei gebracht (Hans Heinz Holz)

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Die Diskussion um das Papier Den Gegenangriff organisieren hat Leben in die ideologische Selbstverständigung der Partei gebracht. Es ist erfreulich, dass die Parteiführung nach langem Zögern erkannt hat, dass Positionen in der Auseinandersetzung zu erarbeiten und nicht schon in der einen oder anderen Richtung festgeschrieben sind. In diesem Sinne möchte ich das Papier Hager-Brenner als einen Vorschlag zur Güte verstehen.

Beide Papiere bleiben aber so im allgemeinen, dass ihre grundsätzlichen Aussagen kaum kontrovers sein können. Der Streit beginnt im konkreten Detail. Ich möchte darum auf Beispiele kommen.

  1. Natürlich versteht es sich, dass Kommunisten da, wo sie überhaupt Einfluss haben, an allen Massnahmen und Aktionen zur Erhaltung und Verbesserung der Rechte und Lebensbedingungen der Bevölkerung teilnehmen und dazu Bündnisse mit allen Kräften eingehen, die progressive Reformen anstreben. Das wird vor allem im kommunalen Bereich, in den Betrieben, im Bildungs- und Kultursektor der Fall sein. Dabei sollten Kommunisten sich nicht auf die Verteidigung von Bestehendem beschränken, sondern immer weiterführende Perspektiven einbringen, wobei dann automatisch die Systemfrage ins Spiel kommt, ohne dass das dogmatisch in den Mittelpunkt gerückt werden muss.
  2. Daraus ergibt sich bündnispolitisch ein breites Kooperationsfeld in diesen Bereichen, auf die die Strategie ausgerichtet sein muss. Ganz anders aber sieht es auf Landes- und Bundesebene aus. Mit Parteien, die das herrschende System reformistisch stützen, statt es zu bekämpfen, und dabei sogar wesentliche Elemente ihres eigenen Programms preisgeben, kann es keine Wahlbündnisse geben, also auch nicht mit der PdL. Da waren die Äusserungen von Heinz Stehr und Leo Mayer nicht nur politisch falsch, sondern auch verwirrend für jeden, der sich der DKP zuwenden wollte. Bei überregionalen Wahlen gilt, dass man da, wo die DKP nicht antritt, es von örtlichen personellen Bedingungen abhängig macht, ob man die Wahl eines Kandidaten freistellt, der sich für von uns vertretbare Positionen einsetzt. Wo es irgend möglich ist, muss sich die DKP selbst zeigen, nicht wegen parlamentarischer Prozentpunkte, denn unsere Stärke und Aufgabe liegt allemal im ausserparlamentarischen Kampf, sondern der öffentlichen Präsenz wegen.
  3. In der Tat hat sich der Imperialismus seit unserer Programmarbeit noch einmal weiterentwickelt. Nicht aber im Sinn der Transnationalisierungsthese von Leo Mayer, sondern durch die Tatsache, dass mit dem Erstarken eines kapitalistischen Russland und der rasanten Expansion der chinesischen Wirtschaft zwei neue global players aufgetreten sind, und sich die Schwellenländer selbständig zu organisieren beginnen. Damit wird das Verhältnis der imperialistischen Mächte untereinander komplexer – gemeinsame Interessen gegen Aufsteiger und sich verschärfende Konkurrenz um die Verteilung der Märkte führen zu  widerspruchsvollen Konstellationen. Da sind Analysen unter verschiedenen Gesichtspunkten und aus verschiedenen Erfahrungsbereichen nötig. Es ist störend, dass die wirtschaftspolitische Meinungsbildung der Parteiführung sich sehr stark von der wohl verdienstvollen, aber doch ziemlich einseitig auf linksgewerkschaftliche Ideologie ausgerichteten Tätigkeit des ISW dominieren lässt.
  4. Ein letztes Beispiel. Ich entnehme einem Bericht in der mitveranstaltenden Jungen Welt, dass bei einer Tagung der Marx-Engels-Stiftung deren Vorstandsmitglied Prof. Lieberam die Ereignisse in der DDR im November 1989 als eine halbe Revolution bezeichnete, die dann in eine Konterrevolution umgeschlagen sei. Was für ein Revolutionsbegriff. Eine Revolution ist
    ein Umsturz politischer Machtverhältnisse zur Durchsetzung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse – französische Revolution – oder zu deren Herstellung – Oktoberrevolution. Neue gesellschaftliche Verhältnisse wurden in der DDR bereits erfolgreich aufgebaut. Auch eine halbe Revolution wäre dann schon Konterrevolution. Das wollte die Mehrheit der DDR-Bevölkerung nicht. Wohl aber mag man sagen, es war ein massiver Protest gegen Bürokratie, gegen Stagnation des gesellschaftlichen Fortschritts, gegen einzelne Beschwernisse wie Reisebeschränkung, Güterverteilung u.a Ein falscher Revolutionsbegriff gibt der Propaganda der westlichen Eroberer recht. Man sieht, wie dringend nötig die ideologische Arbeit ist. Ich könnte noch viele Beispiele solcher begrifflicher Schlamperei anführen.

Genug. Es wird deutlich, was mit Gegenangriff gemeint ist. Die herrschende Klasse ist aggressiv, die Macht des Kapitals auszuweiten, verlorenes Terrain zurückzuerobern. In blosser Verteidigung werden wir die Verlierer sein. Wir müssen politisch einleuchtende Kampfziele setzen, ideologisch wissenschaftlich fundierte Analysen geben, die sich nicht von dem Theorie-Instrumentarium der bürgerlichen Wissenschaft beeinflussen lassen. Dass es dazu auch bei uns kontroverse Standpunkte gibt, ist eine Stärke. Die Widersprüche der Wirklichkeit spiegeln sich im Meinungsstreit. So habe ich es verstanden, als wir im Programm offene Fragen auch offen hielten – nicht als Kompromiss und schon gar nicht als Legitimation einseitiger Auslegungen. Dass das geschehen ist, musste verärgern. Dass wir jetzt wieder argumentieren wollen, ist ein Fortschritt.

Hans Heinz Holz