Meine Antwort an Erika (Robert Steigerwald)

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Die Kreisorganisation der DKP Main-Taunus hat einen arbeitenden kleinen Vorstand und besteht real gesehen aus nur einer Gruppe, jener von Eschborn mit zehn Mitgliedern. Sie führt monatliche Mitgliederversammlungen durch und behandelt auch das Bildungsthema. Bei Wahlen, in denen wir eigenständig kandidieren, haben wir etwa 12 bis 15 Stimmen, wir sind aber mit anderen Linkskräften im Bündnis und da erreichen wir bei Wahlen fünf bis acht Prozent der Stimmen (acht Prozent für unseren Bürgermeister-Kandidaten, das in der Stadt wohlbekannte DKP-Mitglied Thomas Matthes, 600 Stimmen!). Zwei von unseren Genossen sind im Stadtparlament und leisten dort auch von der Presse wahrgenommen sehr gute Arbeit. Dies die konkrete Situation, die man zur Kenntnis nehmen sollte, wenn es um die Möglichkeiten steht, von dieser Basis her den Gegenangriff zu organisieren, wie das im Papier der 84 Genossinnen und Genossen gefordert wird.

In diesem Papier stehen auch die Unterschriften anderer Genossen, die teilweise führend auf Bezirksebene aktiv sind. Auch sie müssten die bezirklichen Bedingungen gut genug kennen, um die Probleme eines Gegenangriffs realistisch einschätzen zu können – und auch von diesen Genossen liegt ja bisher kein Aktionsplan vor, der in die angegebene Richtung zielt. Zu fragen ist wohl, wie es um die Diskussionsbereitschaft gerade jener Genossinnen und Genossen steht, die einen Mangel an Diskussionsmöglichkeit feststellen und den Parteivorstand dafür verantwortlich machen. Unter den bisher eingegangenen Diskussionsbeiträgen sind es nur wenige aus dem Kreis der 84 Genossinnen und Genossen, die sich zu Wort gemeldet haben (selbst ansonsten schreibgewohnte Genossen schweigen bisher!). Eine Mehrheit der Beiträge stammt von Genossen, die sich kritisch zum Papier äußerten. Erika Beltz schätzt die Beiträge pauschal so ein, als seien sich ihre Autoren nicht der Problemlage bewusst, argumentierten, wenn überhaupt, nicht sachlich. Freilich sieht sie das nur bei den Kritikern des 84-Papiers, ich könnte ihr leicht zeigen, dass sie da auf einem Auge blind ist.

Mir geht es aber um etwas anderes: Das Papier der 84 Genossinnen und Genossen fällt hinter jene Position zurück, die wir bereits im Parteiprogramm von 1978 erreicht hatten und die auch in das neue Parteiprogramm eingegangen ist. Wir gingen damals von der wichtigsten taktischen Regel aus, die es in kommunistischer Politik gibt, und die schon im „Kommunistischen Manifest“ formuliert wurde, dass die Kommunisten um Maßregeln kämpften, die zwar unzureichend doch im Verlauf ihrer Verwirklichung über sich selbsthin austrieben. Solche „Maßregeln“ haben wir in jeden der fünf Abschnitte des Kapitels „Für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ hineingeschrieben. Vergleichbares gibt es im Papier der 84 nicht.  Genossin Beltz beruft sich auf das Parteistatut, das dem Parteimitglied das Recht und die Pflicht zur Diskussion gewährt. Das Recht, Ja, die Pflicht? Nein. Niemand kann mich zwingen, zu diskutieren, wenn ich nicht will oder keinen Grund dazu sehe, dies zu tun. Hier, wo von Pflicht nicht die Rede ist, sieht Erika sie, aber dort, wo im Statut die Pflicht angesprochen wird, dass bei auf ordentlichem Weg zustande gekommenen Beschlüssen auch die Minderheit an diesen Beschuss gebunden ist, da gibt es bei ihr plötzlich keine Pflicht. Man darf das Parteistatut nicht wie einen herrenlosen Hund behandeln, den man einfangen und nach Belieben verwenden kann. Nun ist es doch so, dass laut Statut das oberste Beschluss-Organ der Partei der Parteitag ist. Und das jetzige Parteiprogramm ist ein Ergebnis einer etwa zehnjährigen Debatte entstanden und von einem Parteitag mit Zweidrittel-Mehrheit angenommen worden.

Und da nun meldet Erika Beltz an, das seien doch nur Zweidrittel gewesen im Unterschied zu früheren Programmen (es gab allerdings früher nur eines!). Erika vergisst zu fragen, wie denn die konkreten Bedingungen damals waren und wie sie heute sind. Hatten wir damals Stellung zu nehmen zum untergegangenen Sozialismus? Zu Fehlern und Dummheiten, die wir damals durchaus teilweise sahen aber nicht ansprachen, es heute aber tun müssen? Ging es damals hoch her bei den Fragen Stalin, Chruschtschow und XX. Parteitag usw. usf.? Das Nichtbeachten der konkreten gesellschaftlichen Bedingungen ist doch nicht marxistisch.

Es gibt da aber noch einen Punkt. Zwischen Parteitagen ist der Parteivorstand das höchste Führungsorgan und als solches auch berufen, den neuen Parteitag vorzubereiten. Dass in die Diskussionen für einen vorgesehenen Parteitag die Mitglieder und Organisationen eingreifen sollen, das ist ja auch im Statut geregelt. Und nun schaue man sich das Papier der 84 Genossinnen und Genossen an (und die Zusammenfassung des Diskussionsstandes durch Gen. Patrik Köbele): Da wird der Anspruch formuliert, die Parteitagsvorbereitung habe auf der Basis des Papiers der 84 Genossen zu erfolgen. Das ist nach meinem Dafürhalten in doppelter Hinsicht ungut: Erstens, dass sich diese 84 Genossen an die Stelle des Parteivorstands setzen (da wäre dann wieder die Frage nach dem Parteistatut angebracht) und zweitens, dass mir das Papier inhaltlich in keiner Hinsicht genügend für eine Parteitagsvorbereitung ist. Als ein Diskussionsbeitrag ja, aber als Grundlage?

Robert Steigerwald