Trotz Fußball-EM: Aktionen gegen das „Arbeitsgesetz“ gehen weiter

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Frankreich-Streiks 2016-0608.06.2016: In welchem Ausmaß es auch während der am Freitag (10. Juni) beginnenden Fußball-EM in Frankreich Streiks geben wird, ist derzeit nicht genau zu übersehen. Vieles deutet darauf hin, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften, die  sich seit drei Monaten mit Demonstrationen, Streiks und Blockadeaktionen gegen den Entwurf eines neuen „Arbeitsgesetzes“ wehren, nicht damit abfinden, dass Staatschef Hollande und seine Regierung starrsinnig auf der Durchsetzung dieses Gesetzes beharren.

Fest steht bis jetzt, dass die „Intersyndicale“ der linken Gewerkschaftsbünde CGT, FO und SUD, der Studentengewerkschaft UNEF und den Schülergewerkschaften UNL und FIDL an ihrem Aufruf zu einem großen nationalen Streik- und Demonstrationstag am 14. Juni mit einer zentralen Demonstration in Paris festhalten. An diesem Tag soll die Beratung über das „Loi Khomri“ („Arbeitsgesetz“) im Senat beginnen. Da dies ein Dienstag ist, verbindet sich die Teilnahme aus allen Teilen Frankreichs an dieser Demonstration mit entsprechenden Arbeitsniederlegungen in den Heimatorten.

Außerdem haben alle drei Pilotengewerkschaften bei der Air France für den 11. – 14. April einen mehrtägigen Streik angekündigt, falls die Direktion bis dahin keine befriedigende Antwort auf ihre Forderungen gegeben hat. Es geht dabei um Gehaltskürzungen im Rahmen von „Sparmaßnahmen“ zur Sicherung der „Wettbewerbsfähigkeit“ des Unternehmens durch Umgruppierung von Teilen des fliegenden Personals in das Unternehmen KLM, mit dem Air France fusioniert hat, und andere Sub-Unternehmen und die Senkung der Nachtzuschläge von bisher 50 auf 40 Prozent sowie um den Erhalt der bestehenden und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, während die Direktion weiter Stellen kürzen will.

Ob und in welchem Ausmaß auch die Streiks beim staatlichen Eisenbahnunternehmen SNCF, in den Energieunternehmen, bei den Raffinerien und in der Müllentsorgung, die über das letzte Wochenende anhielten, während der EM weiter vorgesetzt werden, ist noch nicht genau absehbar.

Bei den Eisenbahnen war eine letzte Verhandlungsrunde mit der Direktion über eine neue Vereinbarung zur Regelung der Arbeitszeiten am Montag (6.6.) nach 19-stündiger Dauer erst am frühen Dienstag zu Ende gegangen. Währenddessen setzten viele Beschäftigte den schon am 1. Juni begonnenen landesweiten Streik auch am Dienstag, dem siebten Streiktag in Folge, fort. Laut Angaben der Direktion fielen in diesen Tagen rund 50 Prozent der Züge im Pariser Regionalnetz, etwa 40 Prozent in den anderen Regionalnetzen und bei den TGV Fernschnellzügen, etwa 70 Prozent bei den Intercitys am Tag und sämtliche Nachtzüge aus. Nun haben die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bis zum 14. Juni Zeit, um das neue Abkommen zu unterzeichnen. Während die „reformistischen Gewerkschaften“ UNSA und CFDT bereits Zustimmung signalisierten, wollen CGT und SUD-Rail, die zusammen 60 % der Belegschaft vertreten, das Verhandlungsergebnis erst einer genauen Prüfung unterziehen. Nach einer Intervention der Regierung hatte die Direktion auf ursprünglich geplante weitere „Flexibilisierungen“ verzichtet, um die Streikenden zur Einstellung des Kampfes zu bewegen. Ob das Abkommen allerdings als ausreichend anzusehen ist, war am Dienstag noch unklar, zumal die Direktion darin offenbar Klauseln eingebaut hat, die es ermöglichen, die Vereinbarungen jederzeit wieder aufzukündigen.

In einem neuen Kommuniqué vom Dienstag, 7. Juni, listet die CGT eine beeindruckende Reihe von auch in dieser Woche vor EM-Beginn noch anhaltenden Kampfaktionen auf:

Währenddessen versuchten Staatschef Hollande und Regierungschef Valls in den letzten Tagen immer wieder, die Streikenden als Störer für die Zufahrt der Zuschauer zu den EM-Spielen darzustellen und damit in der Öffentlichkeit zu isolieren.

Philippe Martinez, Generalsekretär der CGT, der am letzten Samstag als Gast auf dem Parteitag der französischen Kommunisten mit großem Beifall begrüßt worden war, stellte dazu in öffentlichen Erklärungen klar, dass es nicht das Ziel der CGT sei, die Fußball-EM zu blockieren. Die CGT sei jederzeit ohne jegliche Vorbedingungen zu Verhandlungen bereit. Wenn die Regierung morgen sage „Wir diskutieren“, gebe es keine Streiks mehr. Die „Intersyndicale“ der Gewerkschaften und Jugendverbände betonte in einer Erklärung, in Wirklichkeit sei allein das hartnäckige Festhalten der Regierung an ihrem Vorhaben mit seinen großen sozialen Rückschritten verantwortlich, wenn es weiterhin Streiks und Blockaden gebe.

Staatschef Hollande hatte am Sonntag sogar ein Zitat des früheren Kommunistenchefs Maurice Thorez ins Feld geführt, um die Streikenden zum Aufgeben aufzufordern. Man müsse einen Streik auch wieder zu beenden verstehen, zitierte er einen Ausspruch von Thorez aus dem Jahr 1936, mit dem dieser nach der Bildung der Volksfrontregierung zur Einstellung von begonnenen Streiks aufgefordert hatte, allerdings in verkürzter und dadurch verfälschter Form. Man stimme mit François Hollande bis auf eine kleine Nuance überein, erklärte die CGT dazu in einem Kommuniqué vom 7.6.: „Man muss einen Streik auch zu beenden verstehen, wenn man Genugtuung bekommen hat“. So lautete nämlich das unverkürzte Originalzitat von Thorez aus dem Jahr 1936

Das CGT-Kommuniqué vom 7.6. bekräftigte: „Um es Frankreich zu ermöglichen, eine schöne Fußball-EM zu organisieren“, wiederhole die Gewerkschaft die Aufforderung an den Präsidenten der Republik, die die „Intersyndicale“ schon mit einem Brief vom 20. Mai an ihn gerichtet hatte, nämlich die Gewerkschaften zu empfangen, ihre Forderungen anzuhören und darüber zu diskutieren. „Die CGT ruft die Lohnabhängigen auf, die Mobilisierung in allen Formen fortzusetzen und zu verbreitern, um die Rücknahme des Arbeitsgesetzes und seiner Gefahren zu erreichen und neue Rechte in einem Arbeitsgesetzbuch des 21. Jahrhunderts zu gewinnen.“

txt: Georg Polikeit


 

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