Frankreichs enttäuschte Wähler drifteten nach rechts

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france Sarkozy Global Panorama02.04.2015: Die zweite „Tour“ der französischen Departementswahlen am letzten Sonntag (29. März) hat die Trends des ersten Wahlgangs (UZ v. 27.3.15) bestätigt und weiter ausgeprägt. Die Wahlbeteiligung lag zwar nur geringfügig (- 0,18 %) unter der in der 1. Runde. Aber auch diesmal blieb die Hälfte der Wählerinnen und Wähler zu Hause. Die Enttäuschung über die „sozialistische“ Regierungspolitik sitzt offenbar so tief, dass auch die Gefahr eines unheilbringenden Rechtsrucks sie nicht an die Urnen brachte. In städtischen Ballungsgebieten wie dem Departement Seine – Saint-Denis ging sogar nur ein Viertel der Wahlberechtigten (25,2 %) zur Wahl.

 

Von den 60 Departements, in denen bisher die Parti Socialiste (PS) und ihre Partner an der Spitze standen, gingen 27 an die Rechten. Darunter auch die „Heimatbezirke“ von Staatspräsident Hollande (Corrèze) und Regierungschef Valls (Essonne). Das ist seit der Kommunalwahl im März 2014 die dritte große Wahlniederlage der PS innerhalb eines Jahres.

Der rechtsextremistische Front National konnte glücklicherweise in keinem der 96 Departements, eine Mehrheit erobern. Dennoch zeugen die Ergebnisse von einem landesweiten „Durchmarsch“ und einer zunehmenden Verankerung. In mehr als der Hälfte der 1905 Wahlkreise (Cantons), in denen ein 2. Wahlgang stattfand, kam der FN mit mehr als 12,5 % in die Stichwahl. In 31 wurde er stärkste Partei. Damit verfügen die Rechtsextremisten nun über 66 Departements-Abgeordnete (bisher nur 1).

Die großen Nutznießer der Situation blieben die rechte UMP unter Ex-Staatschef Sarkozy und ihre Verbündeten. Zu den 40 Departements, in denen sie bisher das Sagen hatten, gewannen sie 28 hinzu, sodass sie jetzt in 68 dominieren. Das sind mehr als zwei Drittel aller Departements – soviel wie selten zuvor. Die Rückkehr der Rechten an die Regierungsmacht bei der Präsidenten- und Parlamentswahl 2017 ist damit zur realen Gefahr geworden.

Linksfront bleibt drittstärkste Kraft, erreicht aber keinen Durchbruch

pcf 11Die Kräfte links von den „Sozialisten“ –Kommunisten und andere Linksfront-Komponenten sowie die Grünen, die in einem Teil der ‚Cantons Bündnisse mit der Linksfront eingegangen sind - haben zwar eine Reihe guter Einzelergebnisse aufzuweisen. Sie erreichten 175 Departements-Abgeordnete, davon 167 Kommunisten (PCF). Die Linksfront bleibt damit drittstärkste politische Kraft in den Departements, erheblich vor dem FN. Dennoch konnten diese Kräfte trotz der verbreiteten Missstimmung über die Regierungspolitik keinen sichtbaren Durchbruch erzielen. Von den zwei Departements, die bisher von einem kommunistischen Präsidenten geleitet wurden, konnte nur das Departement Val-de-Marne verteidigt werden. Im anderen, dem Departement Allier, gewannen die Rechten, allerdings nur „hauchdünn“, weil dem Linksfront-Bündnis in einem entscheidenden Wahlkreis nur 48 Stimmen fehlten. Offenbar konnten sich die „radikalen Linken“ den enttäuschten Wählern aber bisher noch nicht ausreichend als glaubwürdige, und das heißt auch mehrheits- und regierungsfähige Alternative vor Augen führen.

Premierminister Valls hat in seiner ersten Erklärung nach der Wahl bereits wissen lassen, dass für ihn und Präsident Hollande trotz allem ein Kurswechsel nicht in Frage komme. Viel wird in den nächsten Wochen allerdings davon abhängen, wie sich die Auseinandersetzung innerhalb der PS vor ihrem Parteitag im Juni 2015 entwickelt. Dass der derzeitige Kurs in eine tödliche Sackgasse führt, kann kaum mehr bezweifelt werden.

PCF-Nationalsekretär Pierre Laurent hat deshalb in seiner Erklärung zum Wahlergebnis unterstrichen, dass das Festhalten am bisherigen Kurs ein Verhängnis wäre . Damit werde sich die PCF auf keinen Fall abfinden. Nichts sei jetzt dringender als der Aufbau einer neuen, klar linksorientierten Alternative. Es gehe um den „Aufbau einer breiten und volksverbundenen alternativen linken Bewegung mit Mehrheitsanspruch“, zu der sich alle, Kommunisten und andere Linksfront-Anhänger, Grüne, Sozialisten, die die Sackgasse ablehnen, Gewerkschafter und Aktive der verschiedensten Bewegungen zusammenschließen sollten.

Text: Pierre Poulain      Fotos: Global Panorama / PCF