Hollande im tiefsten Tief

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14.02.2014: president hollande DonkeyHoteySo schnell wie François Hollande hat es noch kein anderer französischer Staatschef geschafft, seine Wähler zu vergraulen. Vor etwas mehr als anderthalb Jahren hatten er im zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl am 6. Mai 2012 die Zustimmung von 51,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler erreicht. Nun lag die Zustimmungsquote bei einer repräsentativen Meinungsumfrage des Instituts TNS-Sofres Anfang Februar 2014 erstmals seit der Wahl unter 20 Prozent.

Mit nur noch 19 Prozent lag der Sozialdemokrat beträchtlich hinter seinen rechtskonservativen Vorgängern. Nicolas Sarkozy war nach 21 Monaten Amtszeit 2009 noch auf 37%, Jacques Chirac 1997 auf 35% gekommen. Selbst unter den Befragten, die sich als Sympathisanten der 'Sozialistischen Partei' (PS) bezeichneten, sprachen ihm nur noch 49 Prozent das Vertrauen aus, 48 Prozent verneinten es. Die Quote derjenigen, die Hollande "keinerlei Vertrauen" mehr zubilligten, stieg auf mehr als 51%. Innerhalb eines Monats verlor Hollande unter den Linkswählern sieben Prozent, während er aus dem bürgerlich-liberalen oder konservativ-rechten Lager nichts dazugewann.

Der französische Fernsehsender TV1 vermerkte dazu, dass diese Umfrageergebnisse die ersten seit Hollandes Pressekonferenz am 14. Januar waren, "wo er eine offen'sozialdemokratische' Position einnahm". Gemeint ist damit die auf der Pressekonferenz verkündete offene Hinwendung Hollandes zu den früher von Sarkozy und Co. verkündeten neoliberalen Rezepten. Kern war die Ankündigung, daß er im Interesse der "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" der französischen Industrie mit den Unternehmerverbänden und den Gewerkschaften einen "Pakt der Verantwortung" anstrebt. Sein Hauptinhalt soll die "Senkung der Kosten der Arbeit" für die Unternehmen sein – also ein Rezept in deutlicher Anlehnung an die deutsche 'Agenda 2010' unter Kanzler Schröder und die seinerzeitigen Hartz-Reformen.

Dafür sollen den Unternehmern bis 2017 ihre bisherigen Beiträge in die Familien-Sozialversicherung völlig erlassen werden, was eine "Steuerentlastung", also faktisch ein Steuergeschenk an das Kapital in Höhe von etwa 35 Milliarden Euro bedeutet. Dafür sollen die Unternehmer bisher nicht näher festgelegte "Gegenleistungen" in Form von neuen Arbeitsplätzen, Einstellung beschäftigungsloser Jugendlicher und Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer mit reduzierter Arbeitszeit erbringen. Diese Gegenleistungen sollen die Unternehmer allerdings auf freiwilliger Basis erst noch konkretisieren, ehe auf Branchenebene darüber konkretere Vereinbarungen getroffen werden. Für die dadurch verursachten Ausfälle in den Familienkassen soll der Staat einspringen, was natürlich bedeutet, daß das Steuergeschenk an die Unternehmer aus Steuermitteln der Beschäftigten finanziert wird und die staatlichen Körperschaften damit zugleich zu weiteren "Sparmaßnahmen" bei den öffentlichen Diensten und anderen Haushaltskürzungen gezwungen werden.

Unter den französischen Linken konnte über diese Pläne, aber auch über die miserablen Umfragewerte für Hollande nur wenig Freude aufkommen. Denn die Gefahr, daß aus dem 'Abwirtschaften' Hollandes und seiner PS die neoliberale Rechte und die mit hemmungsloser sozialer Demagogie operierenden Rechtsextremisten der 'Front National' ihren Profit ziehen, ist riesengroß. Zunächst bei den Kommunalwahlen im März, dann bei der EU-Wahl im Mai. Eine Rückwende nach rechts in Frankreich liegt aber keinesfalls im Interesse der großen Mehrheit der arbeitenden (und arbeitslosen) Bevölkerung und auch nicht im Interesse der Kräfte 'links von der PS'.

Text: Pierre Poulain   Bild: DonkeyHotey

Dieser Beitrag erschien auch in der UZ vom 14.02.14

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