Uwe Fritsch: Einige Anmerkungen zu Diskussionsbeiträgen um die Bedeutung der antimonopolistischen Demokratie

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25.05.2017: In einigen Beiträgen zur Bedeutung der antimonopolistischen Demokratie für die Politik unserer Partei, die auf einem exponierten Platz auf news.dkp veröffentlicht sind, gibt es Positionen, zu denen ich hier Stellungnahme beziehen muss. Ich kann mich auf Grund der Kürze dieses Artikels dabei nur auf Ausschnitte der Beiträge beziehen. Im Fokus stehen dabei die Ausführungen von Blach und Rodermund „Antimonopolistische Demokratie erscheint unrealistisch“ sowie von Spanidis u.a. „Worum geht es bei den Diskussionen in DKP und SDAJ?“ Gegen die Intentionen der Autoren in diesen beiden Beiträgen, das gültige Parteiprogramm grundsätzlich in Frage zu stellen, melde ich meinen Widerspruch an!

Zunächst bereitet mir besonders große Sorgen, dass in beiden Artikeln von Möglichkeiten der Illegalität der Partei gesprochen wird, ja sogar im Beitrag von Blach und Rodermund ausdrücklich von „Guerillakämpfen“ die Rede ist. Diese Ausführungen halte ich für außerordentlich gefährlich. Ich war gerade mal sechs Monate alt, als im August 1956 die KPD verboten wurde. Die Auswirkungen von Illegalität, Verfolgung und Kriminalisierung von Kommunistinnen und Kommunisten habe ich schon im Vorschulalter miterlebt: Hausdurchsuchungen durch den Verfassungsschutz oder die politische Polizei, Emigration und vieles mehr. Deshalb ist für mich fast fünfzig Jahre eine legale kommunistische Partei in Deutschland zu haben, offen und aktiv für unsere kommunistischen Ideen und Vorschläge eintreten zu können, das höchste Gut.

Deshalb müssen wir bei allen unseren Diskussionen, Veröffentlichungen oder Artikeln große Sorgfalt walten lassen und dürfen wir keine Fehlinterpretation unserer Strategie und Taktik zulassen. Mit Begriffen wie „Guerillakrieg“ oder "genau geplante Angriffe auf bedeutungsvolle Stellungen des Gegners bei Vermeidung eigener Verluste" bieten wir unseren Gegnern Steilvorlagen, unsere Partei in die Ecke des Terrorismus zu stellen und sie zu einer "verfassungsfeindlichen Partei" zu stempeln. Das muss unter allen Umständen verhindert werden!

Damit wird aus mangelnder Überlegung, Ungenauigkeit und Fahrlässigkeit bei der Formulierung oder aus Neigung zu linkem Verbalradikalismus der Eindruck erweckt, dass sich die DKP Vorstellungen öffnen könnte, die es politischen Gegnern ermöglicht, uns in eine politische Ecke mit Anarchisten, Terroristen oder anderen früheren gewaltbereiten politischen Gruppierungen zu stellen.

Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus, auf der die Politik der DKP basiert, orientieren grundsätzlich nicht auf Aktionen individueller Einzelakteure oder kleiner Gruppen von „verschworenen Gemeinschaften“ sondern auf die Entfaltung des Kampfes von Massenbewegungen der Arbeiterklasse und aller vom Imperialismus unterdrückter und in ihren Interessen geschädigter anderer Volksschichten. Deshalb bekräftigt der Parteivorstand als wichtigen Ausgangspunkt einer Strategie-Diskussion die Aussagen im Parteiprogramm, dass sich gegen die vom Imperialismus ausgehenden Bedrohungen Widerstand in der Arbeiterklasse, in Friedens-, Antiglobalisierungs- und anderen Bewegungen formieren muss und dass sich die Kommunistinnen und Kommunisten der DKP als „konsequente Streiter und Mitstreiter in diesen Bewegungen“ verstehen.

Zugleich muss es in erster Linie darum gehen, die strategische Zielsetzung für die gegenwärtige Kampfetappe, in der wir uns befinden, genau zu bestimmen. Dazu heißt es im Parteiprogramm: "Unter den gegebenen Bedingungen werden Abwehrkämpfe im Zentrum einer ganzen Kampfetappe stehen. Schon in diesen Auseinandersetzungen wird es nur dann wirkliche Erfolge geben, wenn ein qualitativ neues Niveau bei der Mobilisierung der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben und Verwaltungen, der Erwerbslosen, der Rentner, aller von der Demontage sozialer und demokratischer Errungenschaften Betroffenen, wenn ein neuer Aufschwung der Friedensbewegung und anderer demokratischer Bewegungen erreicht werden kann. Zugleich können und müssen in den Kämpfen um die Verteidigung des Erreichten die Kräfte gesammelt werden für fortschrittliche Reformen, für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt".

Es gibt keinen Grund, diese Einschätzung und diese Bestimmung des Charakters und der Zielsetzung der gegenwärtigen Kampfetappe für heute als überholt anzusehen. Es geht gegenwärtig also weder um sofortige „antimonopolitische Übergänge“ noch um eine „antimonopolistische Demokratie“ auf dem Weg zum Sozialismus. Das sind Vorstellungen für mögliche spätere Kampfetappen.  Die Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse, wie sie für die Durchsetzung einer Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt erforderlich ist, ist die unerlässliche erste Voraussetzung für die weitergehende Zielsetzung antimonopolistischer Übergänge auf dem Weg zum Sozialismus.

Es muss uns heute also in erster Linie darum gehen, die real vorhandenen Klassenkämpfe und Widerstände gegen die herrschende Politik genau zu betrachten und in ihnen aktiv mitzuwirken, um sie zu verstärken, um von der herrschenden Politik angestrebte Verschlechterungen abzuwehren und Verbesserungen der sozialen Lebensverhältnisse, zum Schutz der Umwelt und des Klimas, mehr demokratischer Rechte sowie friedenspolitischer und antifaschistischer Forderungen durchzusetzen: Welche Erfahrungen haben wir dabei bisher gesammelt, welche Möglichkeiten gibt es heute, solche Bewegungen zu verstärken, welche Felder müssen dabei in der nächsten Kampfperiode in den Mittelpunkt gestellt werden – das sind die Fragen, um die unsere Diskussion um unsere strategische Orientierung sich in nächster Zeit vor allem drehen sollte.

Bei diesen Analysen zur Entwicklung von Strategie und Taktik helfen Äußerungen von Spanidis u.a., die z.B. unsere Erfahrungen in den Gewerkschaften und Betriebsräten völlig karrikieren, in keiner Weise: „Wir stellen infrage (…), dass die Gewerkschaften in Deutschland als „Einheitsgewerkschaften“ bezeichnet werden können (…) Der Ausgangspunkt kommunistischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit muss aber die Analyse sein, dass es sich dabei im Kern um Organe der Klassenkollaboration, um faktische Richtungsgewerkschaften handelt, die den Kommunismus von Anfang an massiv bekämpft haben und es mit Sicherheit wieder tun werden. Entsprechend müssen wir ein taktisches Verhältnis zu diesen Gewerkschaften entwickeln, da es uns um die darin organisierten Menschen geht, nicht aber um die Apparate und einen Großteil der Funktionäre, deren arbeiterfeindliche Rolle ständig aufzudecken ist.“

Diese Ausführungen sind eine Ohrfeige für alle Genossinnen und Genossen, die sich teilweise über Jahre und Jahrzehnte aktiv in den Gewerkschaften engagieren, um für bessere Lebensverhältnisse der arbeitenden Menschen zu kämpfen. Solche Inhalte zeugen nicht nur von einer sektiererischen Haltung, sondern erschwerden uns auch die Arbeit und die Akzeptanz in den Gewerkschaften und betrieblichen Gremien. Ich erwarte deshalb eine umfassende Zurückweisung dieser Bewertung der Arbeit von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaften sowie von Betriebsräten durch den Parteivorstand und das Sekretariat.

Uwe Fritsch