Betrachtet Parteivorstand der DKP einen dritten Weltkrieg als „die Gunst der Stunde für den Sturz des deutschen Imperialismus“?

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alt17.09.2014: Am 7. September 2014 wurde auf dem Nachrichtenportal des Parteivorstandes der DKP kommentarlos der Artikel Kann es einen Weltkrieg in der heutigen Zeit noch geben? (1)  veröffentlicht. In diesem Artikel wird die zumindest für die heutige Zeit absurde These vertreten, dass wir uns „ernsthaft“ auf einen „imperialistischen Weltkrieg“ einstellen müssten, um dann „die Gunst der Stunde für den Sturz des deutschen Imperialismus zu nutzen“. Begründet wird dies mit der Schwäche der Friedensbewegung und den „Friedensillusionen“, die es nicht erlauben, durch eine Revolution den Krieg zu verhindern.

Schließlich muss auch noch Lenin für diese abstruse Auffassung herhalten, der 1915 schrieb, „dass Kriege bei allen Schrecken und Nöten, die sie nach sich ziehen, mehr oder minder großen Nutzen dadurch bringen, dass sie viel Morsches, Überlebtes und Abgestorbenes in den menschlichen Institutionen unbarmherzig aufdecken, enthüllen und zerstören.“ Beim Stand der heutigen Waffentechnik wird ein Krieg allerdings nicht mehr nur „viel Morsches, Überlebtes und Abgestorbenes in den menschlichen Institutionen unbarmherzig aufdecken, enthüllen und zerstören“, sondern die Grundlage der menschlichen Existenz überhaupt wird in einem atomaren Feuer untergehen.

Dieser Artikel wurde ohne jede Distanzierung oder zumindest Kommentierung auf der Internetseite des Parteivorstandes als Diskussionsbeitrag der Gruppe KAZ (Kommunistische Arbeiterzeitung) veröffentlicht. Da kann sich leicht der Eindruck aufdrängen, dies sei auch die Position der DKP; nicht zuletzt auch dadurch hervorgerufen, dass es Doppelmitgliedschaften von Mitgliedern der Gruppe KAZ mit der Mitgliedschaft in der DKP gibt.

Zur Klarstellung wurde an die 9. Tagung des Parteivorstandes ein Antrag gestellt (siehe unten), diese Positionen als unvereinbar mit dem Programm und der Politik der DKP zu erklären. Bettina Jürgensen argumentierte ausführlich zu diesem Antrag (siehe unten).

Der Parteivorstand entschied in seiner Mehrheit anders. Er wollte sich nicht distanzieren. Lediglich sechs Mitglieder des Parteivorstandes votierten für den Antrag. So stellt sich jetzt die Frage, ob diese Haltung der Mehrheit des Parteivorstandes auch die Meinung der DKP-Mitglieder widerspiegelt?

(1) http://news.dkp.de/2014/09/kann-es-einen-weltkrieg-in-der-heutigen-zeit-noch-geben/

Anlagen:

Antrag an die 9. Tagung des Parteivorstandes der DKP, 13./14. September 2014

Auf dem Nachrichtenportal des Parteivorstandes der DKP wurde am 7. September 2014 kommentarlos der Artikel „Kann es einen Weltkrieg in der heutigen Zeit noch geben?“  veröffentlicht.

Der Parteivorstand stellt fest, dass die in dem Artikel vertretenen Positionen, insbesondere die Aussage

Wir müssen zwar für den ersten Teil – die Revolution verhindert den Krieg – kämpfen, aber wir wissen alle, dass die Prognose zur Zeit alles andere als günstig ist. Wir müssen uns also auch und gerade auf Teil zwei – der Krieg bringt die Revolution hervor – ernsthaft einstellen. Das ist die Alternative zur Friedensillusion. »Es ist längst anerkannt«, sagte Lenin, »dass Kriege bei allen Schrecken und Nöten, die sie nach sich ziehen, mehr oder minder großen Nutzen dadurch bringen, dass sie viel Morsches, Überlebtes und Abgestorbenes in den menschlichen Institutionen unbarmherzig aufdecken, enthüllen und zerstören.«[12]

Wie können und sollen wir heute gegen die Friedensillusion kämpfen?
Aus dem bis hier Ausgeführten ergibt sich: Das demokratische Kleinbürgertum ist ein wichtiger Bündnispartner für den demokratisch-antifaschistischen Kampf, und dieser Kampf ist wichtig, um die Arbeiterklasse an die Revolution heranzuführen. Sobald es sich aber um weitergehende Fragen handelt – die Frage der Entwicklung der Produktivkräfte, des Krieges, der Revolution – finden wir beim Kleinbürgertum mehr Friedensillusionen und sonstige kleinbürgerlich-idyllische, vorkapitalistische Anschauungen, als Hilfe im Kampf.

Unser Hauptadressat in der politischen Arbeit muss die Arbeiterklasse sein, nur sie wird imstande sein, im Fall eines imperialistischen Weltkrieges – wenn er nicht verhindert werden kann – die Gunst der Stunde für den Sturz des deutschen Imperialismus zu nutzen. Jeder Streik, jede kleine Form des Widerstands im Betrieb kann ein Hebel zur Organisierung werden, kann ein Anfang sein, Sand ins Getriebe von Ausbeutung und Krieg zu schütten und die Arbeiterklasse zu stärken. Bei den Arbeitern muss in erster Linie gegen Vaterlandsverteidigung gekämpft werden, die sich vor allem in Standortlogik und Demagogie von Wettbewerbsfähigkeit äußert. Das erfordert oft einen gegen die Gewerkschaftsführung gerichteten Kampf, einen Kampf um die Gewerkschaften
.“

mit dem Programm und der Politik der DKP unvereinbar sind.

Der PV möge zudem beschließen:

  1. Diese Stellungnahme des Parteivorstandes wird auf dem Nachrichtenportal news.dkp.de veröffentlicht.
  2. Die Verantwortlichen für das Nachrichtenportal news.dkp.de werden beauftragt, künftig keine Artikel mit Inhalten, die im Widerspruch zur Programmatik der DKP stehen, ohne Kommentar zu veröffentlichen.

Antragsteller: Leo Mayer

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Redebeitrag von Bettina Jürgensen zum Antrag von Leo Mayer
(auf der 9. PV-Tagung aus Zeitgründen nur verkürzt gehalten)

Liebe Genossinnen und Genossen,
Ich werde diesem Antrag von Leo zustimmen.

Zunächst eine formale Klarstellung: für mich geht aus dem Antrag hervor, dass es dem Antragsteller nicht um eine Löschung des Artikels von der Internetseite des News-Portals geht, wie Patrik es falsch darstellt. Im Punkt 2 des Beschlussantrags steht ausdrücklich, dass so ein/solche Artikel nicht ohne Kommentierung veröffentlicht werden sollen. Es bedeutet also weder eine Zensur, noch geht es um das Verschweigen anderer Meinungen auf dem Newsportal. Es soll allerdings die Unvereinbarkeit mit unserem Parteiprogramm aufgezeigt werden. Dies halte ich für umso dringender, da Mitglieder der KAZ auch gleichzeitig Mitglieder in der DKP sind. Es kann also in der Öffentlichkeit das Bild erzeugt werden, diese Positionen seien auch DKP-Position.

Nun zu meiner inhaltlichen Kritik an dem KAZ-Artikel:

1.)
Bei dem verwendeten Lenin-Zitat handelt es sich um eine Aussage aus dem Jahr 1915. Übereinstimmung dürfte es bei uns darüber geben, dass seit damals nicht allein auf der politischen Ebene Veränderungen erfolgten. Auch die gesamte technologische Entwicklung ist weiter gegangen.  Dies hat auch zu gravierenden Veränderungen der Herstellung von Massenvernichtungswaffen geführt. Ein Beispiel dafür sind die Atomwaffen. Der Einsatz dieser und anderer Waffen wird nicht viel "Morsches, Überlebtes und Abgestorbenes in den menschlichen Institutionen unbarmherzig aufdecken, enthüllen und zerstören", sondern ihr Einsatz zerstört die Möglichkeit von Leben überhaupt. Die im Artikel gemachte Aussage "Wir müssen uns also auch und gerade auf Teil zwei – der Krieg bringt die Revolution hervor – ernsthaft einstellen." ist also noch nicht einmal theoretisch mehr möglich.

Der gedankenlose (oder bewusste?) Einsatz von Klassikerzitaten und die Verbindung zu falschen Zielsetzungen zeigt die mangelnde Fähigkeit der KAZ-Autoren*innen, Aussagen, die in einem bestimmten historischen Zusammenhang gemacht wurden, auf die heutige Situation zu übertragen. Oder aber, und das wäre schlimmer weil kein Lernprozess mehr erfolgen wird, Lenin wird hier bewusst benutzt, um falsche und unmögliche Zielsetzungen - Revolution durch Krieg - zu transportieren.

2.)
"Wie können und sollen wir heute gegen die Friedensillusion kämpfen?" lautet eine Frage in dem Artikel. Ich wäre froh, wenn noch viel mehr Menschen eine "Friedensillusion" entwickeln, mit dem Artikel wird zum Kampf gegen jede Friedensvorstellung (sie wird hier Illusion genannt) gekämpft.

Laut Umfragen spricht sich eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegen Kriege, gegen Waffenlieferungen usw. aus. Mit ihnen gemeinsam aktiv zu werden ist unser Ziel:

"Die Aktivitäten linker Kräfte, Parteien und Organisationen haben zugenommen. Die Möglichkeiten ihrer Bündelung durch die Zusammenarbeit im Rahmen sozialer und politischer Bewegungen, für gemeinsame Forderungen und Initiativen sind gewachsen. Sie haben viele gemeinsame Standpunkte und Interessen im Kampf um die Verteidigung sozialer Errungenschaften und demokratischer Rechte und Freiheiten und zur Erhaltung des Friedens.“ (Programm DKP,  Abschnitt `Demokratische Parteien und Bewegungen´ S. 39)

Dafür zu arbeiten ist eine der dringenden Aufgaben. Nicht weniger, sondern mehr Zusammenarbeit ist gerade im Kampf für den Frieden notwendig.

Im Abschnitt 'Für eine Wende zu demokratischem und sozialen Fortschritt' stellen wir deshalb fest:

"Ohne real erscheinende Alternativen wird kein gesellschaftlich wirksamer Widerstand entstehen und ohne Widerstand bleiben alle progressiven Reformvorstellungen reine Illusion. Deshalb muss mit den Ansätzen von Widerstand die Perspektive von Veränderungen und Reformen verknüpft werden: Reformen, die sich

ausrichten. (......)"

Weiter heißt es dann:

"In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen.

Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt."

Wenn wir unserem Programm folgen, bedeutet es nicht weniger, sondern mehr Orientierung auf unterschiedliche Kräfte, die für den Frieden aktiv werden wollen. Und dieses widerspricht nicht der Kenntnis, dass die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft im Kampf zur Veränderung der Gesellschaft, für den Sozialismus ist, denn "Die Arbeiterklasse hat keine von den Menschheitsinteressen gesonderten Interessen." (Programm)

Ich komme zum letzten Punkt.

3.)
"Unser Hauptadressat in der politischen Arbeit muss die Arbeiterklasse sein, nur sie wird imstande sein, im Fall eines imperialistischen Weltkrieges – wenn er nicht verhindert werden kann – die Gunst der Stunde für den Sturz des deutschen Imperialismus zu nutzen."

Ich dachte ich lese nicht richtig! Die Autor*innen nehmen das Säbelrasseln der Herrschenden zum Anlass über einen Weltkrieg nachzudenken und bezeichnen diesen als "Gunst der Stunde"!

Von der KAZ wird zunächst unpassend Lenin zitiert, um danach das Marx-Zitat ".... alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist ...." sprichwörtlich mit Füßen zu treten.

Als "Gunst der Stunde" wird hier einem Krieg das Wort geredet: ein Krieg, in dem die Bevölkerungen nicht nur leiden, sondern für die Großmachtinteressen sterben werden, ein Krieg, dessen Folgen für diese und nachfolgende Generationen nicht absehbar sind, in jedem Fall kein menschenwürdiges Leben erlauben werden.

Dies widerspricht zutiefst dem kommunistischen Gedanken für eine Welt des Friedens, dem Erhalt des Lebens, einer Gesellschaft ohne Kriege einzutreten.

Da ich hier begründe, weshalb der Artikel sich gegen die Positionen der DKP richtet, soll zum Schluss noch ein Zitat aus dem Parteiprogramm, Abschnitt  'Der historische Weg der Kommunisten' folgen: "Der DKP geht es um die kritische Überprüfung ihrer Geschichte, um Denkweisen und Strukturen zu überwinden, die dem humanistischen Anspruch unserer Idee und Weltanschauung widersprechen."

Der Artikel auf dem News-Portal der DKP steht diesem humanistischen Anspruch vollständig entgegen. Dies muss dringend dargestellt werden.

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Anmerkung:
Der Beitrag wurde inzwischen kommentarlos vom Nachrichtenportal des Parteivorstandes der DKP entfernt.