Eine gemeinsame Erklärung der kommunistischen und Arbeiterparteien - Konnte man das unterschreiben?

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13.11.2014: 34 Kommunistische Parteien Europas trafen sich auf Einladung der KKE Griechenlands trafen sich am 2. Oktober 2014. Die DKP hat die „Gemeinsame Erklärung der kommunistischen und Arbeiterparteien“ mit unterzeichnet. Sie wurde am 12.10.14 auf dem Internet-Portal der DKP veröffentlicht.
Dazu erreichten uns zwei Beiträge von Heinz Stehr und Rudi Christians:

 

Kommunistischer „Pol“ im Brüsseler EU  Parlament

In der Erklärung heißt es: „Unsere Parteien widmen jetzt und in Zukunft ihre Anstrengungen der Stärkung des Volkskampfes, um die Solidarität der Arbeiterklasse zu entwickeln. Sie werden beharrlich die Arbeiterklasse organisieren, indem sie eine soziale Allianz des Volkes aufbauen, damit der Kampf für den Sturz der kapitalistischen Ausbeutung erfolgreich werden kann, damit die Arbeiter den Wohlstand genießen können, den sie erarbeiteten. Sozialismus ist das notwendige Gebot der Stunde.“

Was haben diese Aussagen mit der Realität und vermutlich kommenden Entwicklungen in Europa zu tun?

Das soll also der „Pol der Kommunisten“ in Europa sein. Bereits 2013 fehlten bei dem gleichen Treffen: KP Finnland; Französische KP; KP der Russischen Föderation; KP Spanien;  Rifondazione Communista aus Italien; KP Irlands; KP Großbritannien; KP Österreich um nur einige zu nennen. Aus einigen dieser Länder waren Neugründungen oder Abspaltungen von Kommunistischen Parteien anwesend.

Die faktische Spaltung der Kommunistischen Parteien in Europa hat sich vollzogen. Gefeiert wurde auch der Austritt der KKE aus der Fraktion GUE / NGL nach der EU Parlamentswahlen. Die KKE meint ihren politischen Spielraum durch diesen Schritt erweitert zu haben, angesichts der politischen Herausforderungen in der EU ist dies nicht nachvollziehbar.

Wieso unterschreibt der Vertreter der DKP für die DKP eine solche Erklärung?

Sie schadet dem Ansehen der DKP und sie engt die notwendige internationale Zusammenarbeit ein. Sie kann gute Kontakte zu Parteien Europas beschädigen.

Diese Unterzeichnung der Abschlusserklärung ist in Widerspruch zum Politischen Selbstverständnis der internationalen Tätigkeit der DKP. Ich meine, dass die Unterschrift zurückgezogen werden muss.

Heinz Stehr


 

Konnte man das unterschreiben?

In der verabschiedeten  Erklärung heißt es u.a.: „Die Widersprüche zwischen den Imperialisten, die Aggressivität der imperialistischen Bündnisse, vor allem der EU und der NATO, schaffen den Nährboden für neue Kriege, die in Afrika, dem Nahen Osten und seiner Umgebung, aber auch in Europa ausbrechen, wie die Entwicklungen in der Ukraine zeigen.“

Russland im Ukraine-Konflikt - Objekt oder Ursache?

Die Unterzeichner vereinnahmen den Bürgerkrieg in der Ukraine offenbar als Konflikt zwischen den Imperialisten Nato/EU und Russland, definieren Russland als imperialistischen Staat und (Mit-) Verursacher des Ukraine-Konflikts. Falscher kann eine Einschätzung nicht sein.

Der Ukraine-Konflikt begann nicht 2013 auf der Krim, sondern 1990 mit der Vereinigung beider deutscher Staaten und dem Bruch der Vereinbarung über die Nichtausdehnung der Nato nach Osten, der umgehend die Expansion der Nato in die ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten folgte. Das anerkennen auch bürgerliche Kommentatoren, die sich ein Mindestmaß an Objektivität bewahrt haben. Dazu zwei von vielen einschlägigen Stimmen, hier aus „nachdenkseiten.de“:

“Er (Gorbatschow) hat aber immer wieder erklärt, man habe die DDR nur geräumt, weil die USA den Russen versprachen, die NATO keinen Zentimeter weiter nach Osten auszudehnen. Doch dieses Versprechen wurde in den folgenden 25 Jahren immer wieder gebrochen. Gorbatschow selber sagte 2009, als die NATO Albanien und Kroatien aufnahm, man habe die Russen über den Tisch gezogen.“( Daniele Ganser, Schweizer Professor für Friedensforschung und Geostrategie)

„Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn China ein mächtiges Militärbündnis schmiedete und versuchte, Kanada und Mexiko dafür zu gewinnen“ (Professor John Mearsheimer, Chicago)

Falsch ist darum die bedingungslose Einordnung Russlands als Imperialist. Selbst wenn das Land die ökonomischen Kriterien dafür weitgehend erfüllt und es sicher falsch wäre, mit nostalgischen Maßstäben zu messen, sind Besonderheiten zu berücksichtigen, die dazu beitragen, dass Russland keinen imperialen Hegemonieanspruch verficht wie die Kriegstreiberstaaten des Nato-Bündnisses. Da gibt es die historische Besonderheit als Opfer der faschistischen Aggression und des Erbes von 70 Jahren Sozialismus. Wahr ist auch, dass das heutige Russland außenpolitisch an der Seite der BRICS-Staaten als Verfechter einer multipolaren Weltordnung auftritt, ökonomisch ein Schwellenland ist und schon auf Grund seiner puren Ausdehnung kaum Interesse an einer territorialen Expansion haben kann. Das Interesse Russlands und seiner BRICS-Partner besteht erkennbar darin, den aggressiven Kräften der USA, der Nato und der EU Grenzen zu setzen. Das bestimmt erkennbar die Politik des Kreml im Ukraine-Konflikt wie auch gestern im Georgien-Konflikt. Dieses Interesse ist elementar von Russlands Sicherheit diktiert, denn wer kann daran zweifeln, dass spätestens nach Anbindung der Ukraine an den Westen Nato und EU ihre Anstrengungen zur Destabilisierung des Vielvölkerstaates vervielfachen würde. Den Verfassern scheint das nicht klar zu sein, wenn sie das heutige Russland zum-Aggressor und Imperialisten erklären. Sie sollten vielleicht bedenken, dass auch die Anwendung der Leninschen Imperialismus-Doktrin, auf die sie sich bei ihrem Verdikt wohl berufen, voraussetzt, „dass Grunderkenntnisse über den Klassenkampf für die Praxis nur nutzbar werden, wenn die jeweiligen konkreten geschichtlichen Bedingungen richtig analysiert werden.“(Vorwort Komm. Man.)

Leider ist noch einiges mehr fragwürdig an der Erklärung der 34. KPen.

Was, z.B. konnte eine Ansammlung erklärter Marxisten-Leninisten zu Formulierungen bewegen wie:„Heute erleben die Arbeiter und andere untere Schichten die ausweglosen Situationen   „   „Unsere gemeinsame Einschätzung ist, dass die Arbeiterklasse, die einfachen Schichten und die Jugend   „    „Unsere Parteien widmen jetzt und in Zukunft ihre Anstrengungen der Stärkung des Volkskampfes, um die Solidarität der Arbeiterklasse zu entwickeln. Sie werden beharrlich die Arbeiterklasse organisieren, indem sie eine soziale Allianz des Volkes aufbauen, damit der Kampf für den Sturz der kapitalistischen Ausbeutung erfolgreich werden kann, damit die Arbeiter den Wohlstand genießen können, den sie erarbeiten, um dann mit dem gemeinsamen Halleluja zu enden: Sozialismus ist das notwendige Gebot der Stunde“

Es wäre interessant zu erfahren, was die Unterzeichner unter „andere untere Schichten“ oder „einfache Schichten“ verstehen, wenn doch im Kapitalismus Arbeiterklasse und Lohnarbeit Bedingung und „unterstes“ Fundament bilden, auf das sich das System der Ausbeutung gründet. Sind mit unten und einfach die werktätigen Bauern in Griechenland gemeint, das deutsche „Prekariat“ oder spanische Nichtabiturienten? Oder ist hier am Ende gar nicht die Rede vom Kapitalismus?

Innovativ scheint mir auch „die beharrliche Organisierung der Arbeiterklasse“ durch den Aufbau einer „sozialen Allianz“. Da stellen sich gleich mehrere Fragen. Wenn wir hier „Soziale Allianz“ gleich Bündnis setzen, wird im Text dieses Bündnis als Bedingung für die Organisierung der Arbeiterklasse gesetzt, wenn ihr nicht sogar vorausgesetzt. So habe ich das noch nie betrachtet.

Neu wäre auch, dass das politische Bündnis eine „soziale Allianz“ zu sein hat. Potentielle Bündnispartner der Arbeiterklasse, also Angehörige anderer Klassen oder Parteien, definieren sich u.a. durch andere soziale Interessenlagen. Für  politische Koalitionen kommen sie daher in Sachen Frieden, Demokratie, Ökologie bzw. möglicher antimonopolistische Reformen in Wirtschaft und Politik in Betracht. Für ein soziales Bündnis kaum. So habe ich es bisher verstanden, oder verstehe ich da was falsch?

Weiter im Text heißt es: „Kapitalismus ist ein morsches Ausbeutersystem, das nicht repariert werden kann; er kann keine Lösungen für die Probleme des Volkes bieten, sondern hat seine historische Grenze erreicht“.

Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip Ja! Aber schon Marx und Lenin haben die historischen Grenzen des Systems in Reichweite gesehen. Darin haben sie geirrt. Wir selbst auch. Waren wir in den Siebzigern nicht alle überzeugt vom baldigen Sieg in der Systemauseinandersetzung? Nur „Renegaten und Defaitisten“ konnten das nach unserer damaligen Meinung  bezweifeln. Tatsächlich aber signalisieren TTIP/CETA und die Kette imperialistischer Aggressionskriege eine neue Offensive des transnationalen Kapitalismus/Imperialismus. Und anders als hier fabuliert, verfügt das morsche Ausbeutersystem nach wie vor über ausreichend Reparaturmöglichkeiten und bringt die alte Karre Kapitalismus immer wieder iins Laufen. Das scheinen die Unterzeichner zu verdrängen, wenn sie vom Sozialismus als notwendiges Gebot der Stunde schreiben. –Gebot der Stunde wäre die „Wende zu sozialem und demokratischem Fortschritt“. Dem aber steht unter anderem die unbefriedigende Akzeptanz linker Parteien, - vor allem marxistischer Parteien - , entgegen. Und das dürfte bei solchen Erklärungen und „Analysen“ auch noch längere Zeit so bleiben.

Rudi Christian, DKP Hamburg-West