Der 3. Tag – und wie weiter?

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dkp pt20 Leo mayer 235805.06.2013: Dieses Referat wurde von Leo Mayer unmittelbar nach dem 3. Tag des 20. Parteitages bei einer Beratung des Kreisvorstandes mit den VertreterInnen der Grundorganisationen der DKP München gehalten. Leo Mayer betonte, dass es sich nicht um ein kollektiv erarbeitete Meinung du Einschätzung handelt, sondern seine persönlichen Eindrücke widergibt. Mit ganz wenigen Ausnahmen stimmten die anwesenden GenossInnen dieser ersten Auswertung und den Schlussfolgerungen zu:

Von den 152 gewählten Delegierten für den 20. Parteitag waren nur 135 nach Hannover gekommen, um die Beratung des politischen Leitantrags und der anderer Anträge fortzusetzen. Die Delegierten der Landesorganisation Saarland hatten beschlossen, nur noch mit zwei GenossInnen teilzunehmen. Mit Ausnahme der »Saarländer«, die ihre Nichtteilnahme politisch begründet hatten, sind mir die Gründe für die Nichtteilnahme und die regionale Verteilung der nichtanwesenden Delegierten nicht bekannt. Die politischen Differenzen wurden besonders deutlich in der Frage, ob ein von Hans-Peter Brenner eingebrachter »Abänderungsantrag« als Grundlage für die weitere Diskussion dienen soll. Dieser »Abänderungsantrag« von HPB stand alternativ zur kollektiv erarbeiteten Empfehlung der Antragskommission. HPB hatte ihn nach Beginn des ersten Teils des Parteitags am 2. März eingebracht. Er nahm wesentliche Teile des Berliner Antrags, der in der Debatte zum Leitantrag nicht zur Diskussion gestanden hatte, auf. Dieser »Abänderungsantrag« sollte den gesamten letzten Abschnitt des Leitantrags ersetzen.

Zu diesem Vorgehen und der Frage ob die Empfehlungen der Antragskommission oder der »Abänderungsantrag« von HPB als Grundlage für die weitere Debatte und Beschlussfassung dienen, gab es eine 30 minütige Grundsatzdebatte bei einer drei-minütigen Redezeit. Die Redezeit wurde je zur Hälfte für die VertreterInnen der beiden Positionen aufgeteilt. Für die Delegierten war es völlig intransparent, wie die Absprachen erfolgten und nach welcher Auswahl sich jeweils fünf RednerInnen an den beiden Mikrofonen aufstellten – es gibt bisher ja nach außen keine organisierten Strömungen. In dieser Intransparenz sehe ich ein Problem der innerparteilichen Demokratie.

Im offiziellen Nachrichtenportal des Parteivorstandes heißt es (http://news.dkp.de/2013/05/20-parteitag-der-dkp-beendet/):
Brenner hatte in dem bereits im März in Mörfelden eingereichten Änderungsantrag versucht, die Handlungsorientierung aus dem Antrag der Berliner Landesorganisation in den Entwurf des Leitantrags einzufügen. Dieses Vorhaben war auf dem Parteitag höchst umstritten. Einige Delegierte, so Detlef Fricke, Volker Metzroth, Heinz Stehr, Ellen Weber und andere waren der Meinung, dieser Antrag sei so weitgehend, dass er ohne vorhergehende Diskussion in der gesamten Partei nicht beschlossen werden sollte. Diese Position konnte sich nicht durchsetzen; der Parteitag beschloss mit 83 zu 48 Stimmen, den Änderungsantrag von Brenner und anderen als Beratungsgrundlage zu behandeln. In der nachfolgenden Antragsberatung wurde der vorliegende Text in einigen Passagen verändert, im wesentlichen aber gebilligt. Die abschließende Abstimmung nahm das überarbeitete Dokument des Leitantrags mit 91 zu 41 Stimmen bei einer Enthaltung an.
Dieses Abstimmungsergebnis des Parteitags zeigt, dass der Inhalt des Leitantrags nicht unumstritten ist, jedoch klar eine Mehrheitsposition der Partei zum Ausdruck bringt. Das Anliegen Brenners und der anderen Initiatoren der Integration der “Berliner Handlungsorientierung” kann als gelungen angesehen werden: Dieses sicherlich anstrengende Verfahren hat zur Klärung einiger Differenzen in der DKP und zur einer größeren Einheit, vor allem in Bezug auf das praktische politische Handeln beigetragen.
..
Der Parteitag fasste eine Reihe weiterer Beschlüsse. Hier seien hervorgehoben:

 


Meine Wertung:


•    Der Trick mit dem »Abänderungsantrag«

Ellen Weber warnte in ihrem Diskussionsbeitrag davor, mit einem solch undemokratischen Verfahren die Arbeit der gesamten Partei, die ausführlich über den Originalantrag diskutiert hat, zunichte zu machen. Gerade dieser Teil des Leitantrags war ausführlich in der Partei diskutiert worden, von den 217 Änderungsanträgen aus der Partei betrafen 138 Anträge den Teil dieser Handlungsorientierung. Diese Arbeit wurde nun zu Makulatur zugunsten eines Antrags, der in der Partei kaum diskutiert wurde und bei dem es keine Möglichkeit einer Änderung durch die Delegierten, geschweige denn der Mitglieder der Partei gegeben hat.
Das Antragsverfahren ist ja folgendermaßen: Hauptantrag durch den Parteivorstand ? Diskussion des Antrags in den Grundorganisationen ? Änderungsanträge durch die GO, Kreise und Bezirke ? Empfehlungen der Antragskommission zu diesen Änderungsanträgen ? Abänderungsanträge zu einzelnen Empfehlungen (Abänderungsanträge können von Delegierten mit der notwendigen Anzahl von Unterschriften von weiteren Delegierten des Parteitages auf dem Parteitag bis zum Antragsschluss für Abänderungsanträge eingebracht werden) ? Empfehlung der Antragskommission zu Abänderungsanträgen ? Abstimmung.

Jetzt wurde die Möglichkeit eines Abänderungsantrages als Trick genutzt, um die Anträge aus der Partei für den gesamten dritten Teil mit der Politik und den Forderungen der DKP - und die Empfehlungen der Antragskommission dazu - auszuhebeln und den Berliner Antrag reinzubringen. Mit der Folge, dass die Delegierten keine Möglichkeit der Abänderungsanträge zu diesem neuen Antrag hatten (der Antragsschluss war ja mit Einreichung des Abänderungsantrages abgelaufen). Die Mitglieder blieben sowieso außen vor. Sie hätten den Abänderungsantrag von HPB diskutieren, aber nicht mehr beeinflussen können.
Im Statut heißt es aber: "Wichtige politische Entscheidungen und längerfristige Handlungsorientierungen, die von Vorständen und Parteikonferenzen beschlossen werden, müssen das Ergebnis der Diskussion der Parteimitglieder sein. Aufgabe der Vorstände ist es, die dafür notwendigen Diskussionsprozesse zu organisieren sowie Anregungen, Vorschläge und Entscheidungsalternativen zu erarbeiten". (Statut der DKP, Art. 3)

Nachdem die Mehrheit entschieden hatte, dass der Abänderungsantrag von HPB die Grundlage der Beschlussfassung ist, wurde der Antrag gestellt, das Dokument dann wenigstens nur als Diskussionsgrundlage zu beschließen, um es nach einer Diskussion durch die Parteimitglieder auf dem 21. Parteitag endgültig beschließen zu können.
Dies wurde von der Mehrheit abgelehnt; es gab sogar den Antrag, das HPB-Papier in einem Schritt ohne weitere Diskussion zu beschließen.

Nach meiner Meinung war dieses Verfahren statutenwidrig und illegitim. Die Legitimität des gesamten Beschlusses steht damit in Frage. Ich habe mich deshalb auch nicht mehr an Debatte und Abstimmung zu diesem Teil beteiligt.

 

Mit diesem Leitantrag werden Korrekturen in wichtigen politischen Einschätzungen und Orientierungen vorgenommen; z.B.

•    bei der Charakterisierung der Krise. Dies ist ja nicht nur eine Debatte am »Grünen Tisch«, sondern dies hat Auswirkungen auf unsere konkrete Antikrisenpolitik, auf unsere Bündnispolitik, etc.

•    bei unserer Gewerkschaftspolitik
Volker Metzroth weist darauf hin, dass es seit Februar es Diskussionen gab um einen Antrag, den Satz “Wir verteidigen die Einheitsgewerkschaft gegen jeden Versuch der Spaltung” im Leitantrag des Parteivorstands zu ersetzen durch “Wir verteidigen das Prinzip der Einheitsgewerkschaft und unterstützen die klassenkämpferischen Kräfte innerhalb der DGB-Gewerkschaften.” (A-142) Die Antragsberatungskommission plädierte für die Beibehaltung der ursprünglichen Aussage, ebenso Teile der neuen Parteiführung, die bisherige sowieso.
Zu denken gibt aber, dass gerade mal 74 von 135 anwesenden Delegierten, also lediglich knapp 55%, dem folgten.
Während das Programm sagt, wofür KommunistInnen mit den Gewerkschaften kämpfen, nämlich für Gewerkschaften als eine autonome Interessenvertretung und als politisch aktiven Teil einer Massenbewegung gegen Erwerbslosigkeit und neoliberale Zerstörung, ist wird im jetzigen Beschluss der Akzent darauf gelegt, wogegen sie sich in den Gewerkschaften zu wenden hätten.

•  in unserer internationalen Arbeit und bei der Entwicklung unserer internationalen Beziehungen
So wurde z.B. der Zusatz abgelehnt: „Entscheidend wird aber auch hier (Anmerkung: bei Arbeitskämpfen) sein, dass die Kämpfe der Belegschaften nicht nur lokal, regional, national, sondern international geführt werden.“ (A-176 [4])

Ohne große Hemmungen wurde die aus dem Parteiprogramm übernommene Passage gestrichen, dass angesichts der voranschreitenden Internationalisierung der Wirtschaft und der Integrationsprozesse im Rahmen der EU, die DKP davon ausgeht, dass der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wahrscheinlich nur im Rahmen gleichgerichteter Umwälzungsprozesse in den anderen Hauptländern der Europäischen Union und der damit möglich werdenden Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses realisierbar ist. (Antrag A-147)

Der Charakter der EU wird ohne große Debatte entgegen dem Parteiprogramm – „Die wirtschaftliche und die politische Dynamik drängen die EU, sich den Kern eines supranationalen Staatsapparates zu verschaffen.“ – zu einem „imperialistischen Staatenbündnis“ erklärt. (A-148)

Die Internationale Zusammenarbeit orientiert künftig auf die „Intensivierung der Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien … auf Basis der weltanschaulichen Grundlagen“. Dabei ist doch offensichtlich, dass es in der kommunistischen Bewegung diese gemeinsame „Basis der weltanschaulichen Grundlagen“ schon lange – schon vor dem Zusammenbruch der SU und der Weltbewegung – nicht mehr gibt. Zusammenarbeit erfolgt deshalb, wenn sie über papieren Erklärungen hinausgehen soll, auf Basis gemeinsamer, konkreter politischer Vorhaben und Projekte. Bei der neuen Beschlusslage bleibt bisher offen, bei welchen Parteien diese „weltanschaulichen Grundlagen“ gesehen werden. Soll die Zusammenarbeit mit Rifondazione Comunista, französischer KP (PCF), KPÖ, Kommunistische Partei Spaniens, … nicht intensiviert werden? Wer und wo ist die »Zertifizierungsstelle« für die weltanschaulichen Grundlagen? Weltfremd erscheint mir auch die Wertung, dass die Zusammenarbeit dieser Parteien mit gleichen „weltanschaulichen Grundlagen“ die „Grundlage für die notwendige Intensivierung der Aktionseinheits- und Bündnispolitik mit anderen fortschrittlichen Kräften“ sei (Antrag A-163). Die Praxis der KKE, bei der vermutlich die gemeinsame weltanschauliche Grundlage gesehen wird, ist eine andere. (Nachtrag: siehe nur die jüngste Erklärung zum Alter Summit in Athen)  .

-> Das ist tiefgreifende Korrektur – und Einengung – unserer bisherigen internationalen Politik, die bisher darauf zielte, auf Basis gemeinsamer politischer Vorhaben und Übereinstimmungen zusammenzuarbeiten, um dazu beizutragen, dass „die auf nationaler Ebene formierenden gesellschaftlichen Blöcke sich auch international vernetzen und aktionsfähig werden, [desto größer wird ihre Kraft zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Alternativen.]“ (Parteiprogramm)

In der Logik dieser einengenden Politik liegt der defacto-Austritt aus der EL und der Versuch, die Verwendung von EL-Symbolen zu verbieten. Dieser Antrag wurde mit falschen Behauptungen über die EL (I_03) und Lügen über unsere Schwesterpartei PCF (Redebeitrag Günter Pohl) begründet. (siehe Artikel: Beschluss zur Europäischen Linken: Tricksen und Täuschen

Schlussfolgerung:
Natürlich stellt sich nach diesem Parteitag für nicht Wenige die Frage „Wie weiter?“: Austreten? In der Partei bleiben? Was tun bei Austritt? Was tun bei Weiterarbeit in der DKP?

Wichtig scheint mir zu sein: Auf keinen Fall jetzt individuellen Schnellreaktionen machen! Wir müssen diese Situation GEMEINSAM gründlich überdenken und beraten, um dann GEMEINSAME Konsequenzen zu ziehen.
Der zentrale Punkt in unseren Überlegungen sollte sein:

•    „In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.“
•    „Die Existenz einer breiten Schicht von Ausgebeuteten und Ausgegrenzten eröffnet die Möglichkeit und die Notwendigkeit, alle Betroffenen in einem alternativen politischen und sozialen Projekt zusammenzuführen, sie als Gesamtheit in ihrer Vielfalt und Autonomie zu vereinen. Je mehr die auf nationaler Ebene formierenden gesellschaftlichen Blöcke sich auch international vernetzen und aktionsfähig werden, desto größer wird ihre Kraft zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Alternativen.“
•    „Die weitere Entwicklung der Europäischen Union wird davon abhängen, inwieweit es der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung, der globalisierungskritischen Bewegung, den demokratischen Kräften gelingt, im gemeinsamen Handeln die Beherrschung der EU-Institutionen durch das Monopolkapital einzuschränken, diese Institutionen zu demokratisieren und selbst Einfluss auf deren Entscheidungen zu gewinnen. Der imperialistische Charakter der EU-Konstruktion macht jedoch die Erwartung illusorisch, diese Europäische Union könne ohne einen grundlegenden Umbruch in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen zu einem demokratischen, zivilen und solidarischen Gegenpol zum US-Imperialismus werden. Nur ein Europa, das gegen den Neoliberalismus und für den Frieden in der Welt arbeitet, würde das internationale Kräfteverhältnis entscheidend verändern. Dazu muss die Macht der Transnationalen Konzerne gebrochen und müssen die Kämpfe auf nationaler und europäischer Ebene miteinander verbunden werden.“ (Programm der DKP)


•    Wie können wir am Besten, diese Orientierung des Programms in praktische Politik zu übersetzen.

•    Wie können wir am Besten dazu beitragen, Lernprozesse anzustoßen, die zur Verbreitung von Klassenpositionen und zu einer wissenschaftlichen Anschauung der Welt führen.

•    Wie können wir am Besten dazu beizutragen, dass Bewegungen und die politischen Linkskräfte nach Übereinstimmung und gemeinsamen Strategien und Alternativen suchen, um die gesellschaftlichen und die politischen Kräfteverhältnisse nach links zu verändern.

•    Wie können wir am Besten die Perspektive des Kommunismus, die Idee des Kommunismus wachhalten und neu begründen, und die Erfahrungen der kommunistischen Bewegung sowie unsere Schlussfolgerungen einbringen (zur Anregung siehe Programm der DKP u.v.a. Politische Thesen: Die DKP in der heutigen Zeit - ihre Aufgabe, ihre Rolle und ihre Organisation)

Darüber müssen wir uns gemeinsam beraten – d.h. in den Grundorganisationen, d.h. aber auch, dass sich diejenigen GenossInnen beraten, die sich nicht mehr durch die gegenwärtige Mehrheit im Parteivorstand repräsentiert sehen.
Und die gegenwärtige Mehrheit sollte bedenken, ob sie – wie das die Saarländer Delegierten überbrachten - auf uns verzichten kann.

München, 27. Mai 2013