Offener Brief der DKP Braunschweig an den Parteivorstand der DKP
Mit der 6. und 7. PV-Tagung wird ein neuer org-politischer Weg eingeschlagen, den wir nicht akzeptieren und der korrigiert werden muss.
Dazu Zitate aus den umfangreichen Dokumenten:
Zitate Referat Björn Blach, 6. und 7. PV-Tagung:
„Wir haben nach dem 20. Parteitag unsere Weltanschauung wieder zur Richtschnur für die Politikentwicklung unserer Partei gemacht.“
„organisationspolitische Neuaufstellung der DKP seit dem 20. Parteitag“
„Als in der Parteiauseinandersetzung gegenüber den „Thesen“ aus vielen Gruppen der Ruf kam „haben wir noch nie so gemacht“, hat es den revisionistischen Durchmarsch verhindert.“
„teilweise hat es aber auch mit der zeitweisen Entfernung der damaligen Führung der DKP vom Marxismus-Leninismus zu tun.“
Kommentar:
Mit diesen Einschätzungen beleidigt der Referent die Genossinnen und Genossen, die vor dem 20. Parteitag in der Partei aktiv waren. Nach welcher „Richtschnur“ handelten die – dem neuen Testament, dem Koran?
Das erinnert an den Umgang der Besserwessis mit DDR-Bürgern – was ihr die letzten 40 Jahre gemacht habt, könnt ihr vergessen . . .
Wer so argumentiert, reklamiert die Deutungshoheit der marxistischen Weltanschauung für sich und spricht sie anderen ab. Diese Herangehensweise hat von den 30er bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in den KP'n schwerwiegende Folgen gehabt.
Von einer org-politischen Neuaufstellung kann keine Rede sein, wenn man erst ein halbes Jahr nach Abschluss der MBNA eine konkrete Mitgliederzahl nennen kann und konstatiert, dass den Grundorganisationen „der Morast bis über den Kopf steht“.
Der o.g. Referent hat in der 6. und 7. PV-Tagung u.a. diese Konsequenzen vorgeschlagen:
„Dabei müssen wir Prioritäten setzen, eine Hierarchie der Strukturen und damit der Aufgaben entwickeln, was vor allem den Kadereinsatz betrifft. Diese Aufgaben haben auch Priorität gegenüber der Arbeit in Bündnisstrukturen.“
„Wenn die zentralen Strukturen gesichert sind, inklusive der UZ, der KLS und der SDAJ, steht weiterhin im Mittelpunkt vor allem unsere aktiven Gliederungen zu stärken, da nur hier natürlich auch die Verankerung stattfinden kann.“
„Neu ist das wir dafür auf einer anderen Ebene beginnen. Es geht also wie bei Baron Münchhausen, darum sich mittels ziehen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Den Grundorganisationen steht der Morast schon bis über den Kopf, um sie daraus zu ziehen und zu entwickeln, müssen wir uns von oben her herausziehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen für die einzelnen Bereiche beginnen deshalb immer am Kopf und setzen sich über die Bezirke und Kreise zu den Grundorganisationen fort.
Die Schritte sind:
- PV als politisches Leitungsgremium
- Stärkung der „zentralen Verwaltung“
- Fokussierung der Bezirke auf Anleitung
- Kaderplanung und -entwicklung von den Grundorganisationen aus
- Entwicklung und Stärkung der Grundorganisationen als Arme, Beine und Sinnesorgane in der Klasse“ „Wir ringen um die zentrale Rolle der PV- Referate. Wir versuchen diese besser zu strukturieren, so dass sie besser nachvollzogen und in der Partei besser diskutiert werden können.“
Kommentar:
Eine Parteiführung, die sich selbst als „Kopf“ bezeichnet und der Basis die Rolle von Sinnesorganen, Armen und Beinen zuordnet, kann keinen Respekt erwarten. Welches Bild hat der Referent von der Parteibasis, wenn er sie bis über den Kopf im Morast wähnt?
Diese Parteikonzeption ist autoritär und sektiererisch. Innerorganisatorischer Kadereinsatz vor „Arbeit in Bündnisstrukturen“ verringert politischen Einfluss. Eine „zentrale Rolle der PV-Referate“, die „besser nachvollzogen“ werden können, vernachlässigt Erkenntnisse marxistischer Wissenschaftler und Bündnispartner.
Zu dieser abgehobenen Konzeption passen die drei Seiten Tabellen mit einer völlig schematischen Einteilung der Gruppen.
Zum Thema Androhung von Konsequenzen an die Bezirksorganisation Saarland:
Der Bezirksorganisation wird vorgeworfen, sie verweigerte die Umsetzung des Beschlusses zur MBNA.
Tatsächlich haben die Genossinnen und Genossen mehr als 100 % der Mitglieder mit neuen Mitgliedsbüchern versorgt. Sie bemängelten die „überbürokratische“ Herangehensweise des PV und gingen ihren eigenen Weg.
Anscheinend zählt für den PV nicht das Ergebnis der MBNA sondern, dass die entsprechenden Formulare verwendet werden – ein Beweis für Überbürokratisierung!
Wir haben eine andere Auffassung von organisationspolitischer Orientierung:
„Die Deutsche Kommunistische Partei hat sich nicht um ihrer selbst Willen gebildet. Sie dient der Arbeiterklasse und dem Volk. Sie wirkt mit den Arbeitern für die Arbeiter, mit der Jugend für die Jugend, mit dem Volk für das Volk.“ - steht in unserem Parteibuch.
Das sollte Grundsatz der organisationspolitischen Orientierung der DKP sein.
Grundlage wäre eine konkrete, vollständige Bilanz der Mitgliedsbuch-Neuausgabe.
Wie viele Mitglieder hat die DKP, wie stark ist sie in welchem Bundesland?
Entsprechen unsere Strukturen und unsere Arbeitsweise der eigenen Stärke und den politischen Anforderungen?
Wo ist die DKP politisch wirksam?
Wo und in welchen politischen Handlungsfeldern haben wir politischen Einfluss?
Wo und wie erweist sich die DKP für andere Menschen als nützlich?
Zur Bestandsaufnahme gehört weiter:
Welche Kontakte haben wir? Welche Zusammenarbeit gibt es?
Welche Hindernisse gibt es für eine Zusammenarbeit?
Welche Stärken können wir in diese Zusammenarbeit einbringen, welche Schwächen müssen wir überwinden?
Welche Perspektiven ergeben sich aus der Zusammenarbeit für die Stärkung der DKP?
Es werden organisationspolitische Schlussfolgerungen gezogen, die sich auf die innere Verfasstheit der DKP beziehen und damit nicht den politischen Anforderungen genügen.
Die formale Kategorisierung der Parteigruppen vernachlässigt den Aspekt über welchen politischen Einfluss Genossinnen und Genossen, Gruppen und Kreise verfügen.
Ein „starkes Zentrum“, „von oben nach unten, langfristige Zeitpläne und eine Taktung der Partei“, „Leuchttürme“, „Anleitung zur Anleitung“, „zentrales Element bei der Leitung durch ein starkes Zentrum sind die Referate der PV-Sitzungen.“, sind eine falsche Orientierung. Bezugspunkt einer solchen Orientierung ist Zustand und Befindlichkeit der Partei selbst und damit zu eng. Diese von „von-oben-nach-unten“-Orientierung ist Ausdruck eines autoritären Parteiverständnisses. Die Formulierungen „Leitung aus einem starken Zentrum“, „Anleitung von Grundorganisationen durch PV und Bezirksorganisation“, „der PV (muss) die Bezirke in der Anleitungstätigkeit orientieren, also anleiten zum anleiten“ sind Beispiele für dieses autoritäre Parteiverständnis. Die Folge wird weiteres Schrumpfen der Partei, Verringerung ihres politischen Einflusses sein.
Eine organisationspolitische Orientierung muss über den Tellerrand der DKP hinaus reichen.
Erstens um unserer selbst willen, weil eine „von-oben-nach-unten“-Organisation keine Option für junge, fortschrittliche Menschen ist.
Zweitens können wir die politischen Kräfteverhältnisse nur gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Menschen verändern.
Im Parteiprogramm wird das so beschrieben:
„In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.“
Es gibt vielfältige politische Kräfte, die sich auf Marx, Engels, Lenin, Gramsci, Luxemburg u.a. beziehen, die den Kapitalismus aus den verschiedensten Gründen überwinden wollen.
Sie sind in Gewerkschaften, Umweltorganisationen und -initiativen, antifaschistischen Organisationen aktiv – besonders unter der jungen Generation.
Es gibt marxistische Gesellschafts- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die im Kapitalismus
keine Zukunft für Mensch und Natur sehen.
Deren Analysen, Einschätzungen, Orientierungen sind mindestens genauso wichtig wie „Kerngedanken der (PV-)Referate, die den Gliederungen bei deren Diskussion helfen“ sollen.
Eine Orientierung auf die Zusammenarbeit mit diesen Menschen, Initiativen, Organisationen erhöht unseren politischen Einfluss, schafft Kontakte und damit die Voraussetzung für die Stärkung der DKP.
Von den vielfältigen kapitalismus-kritischen Menschen/Organisationen wird das Fehlen eines „strategischen Zentrums“ beklagt. Das wäre eigentlich die Rolle einer kommunistischen Partei. Die DKP wird diese Rolle mit der von uns kritisierten org-politischen Orientierung nicht ausfüllen können.
Die Prinzipien einer Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften sind im Programm der DKP von 2006 so definiert: „Die Mitglieder der DKP arbeiten aktiv in demokratischen Bewegungen, Bündnissen und örtlichen Bürgerinitiativen mit. Die DKP geht davon aus, dass Inhalt und Form des Kampfes durch die jeweiligen Bewegungen selbst bestimmt werden. Die Mitglieder der DKP wirken konsequent für die gemeinsam erarbeiteten Forderungen und Ziele und bringen in die Debatten um Kampfformen und gesellschaftliche Alternativen ihre weltanschaulichen und politischen Positionen ein.“
Für eine organisationspolitische Orientierung sollten wir die Gründe für den wachsenden Einfluss erfolgreicher KP'n in Belgien und Österreich beachten.
Mit welcher politischen Orientierung, mit welchen Methoden haben sich diese Parteien gut entwickelt, was ist übertragbar?
Kreisvorstand der DKP Braunschweig
Werner Hensel, Vorsitzender
Braunschweig, 7. August 2024