Corona ist Herausforderung für kommunistische Politik

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Diskussionsbeitrag von Artur Moses auf der Videokonferenz des Netzwerkes Kommunistische Politik am 31.01.2021

(Bearbeitung im Sinne des gesprochenen Wortes)

 

Je länger die Pandemie dauert, zumindest nicht wirksam eingedämmt wird, je mehr wachsen Ängste, die Ungeduld und die Unzufriedenheit in der Mehrheit der Bevölkerung. Wie aktuelle Umfragen deutlich machen, nimmt die Zufriedenheit mit der Regierungsarbeit und deren Krisenmanagement von Woche zu Woche ab. Und zwar bei dem Teil der Bevölkerung und den Menschen, die keine Anhänger von Verschwörungstheorien oder ähnlichem sind, sondern die konsequentes und wirksames Handeln in der und gegen die Pandemie fordern.

Diese Unzufriedenheit hat viele Quellen: Erlebt wird eine widersprüchliche Politik der sog. Balance zwischen Schutz vor der Ausweitung von Corona einerseits und Wahrung und Sicherung wirtschaftlicher Interessen andererseits. Es gibt die Erfahrung, dass das Handeln nach neoliberalem Muster nicht nur sehr widersprüchlich ist, sondern das Problem mit der Pandemie und deren Folgen so nicht in den Griff zu kriegen ist.

Hinzu kommen die rasant wachsenden Ängste vor der Ausweitung der Wirtschaftskrise. Jeden Tag werden Erfahrungen mit Arbeitsplatzverlusten und der Vernichtung von Existenzen gemacht.

Neben immer größerer Betroffenheit erleben wir, wie Verzweiflung um sich greift, in deren Folge ein sehr widersprüchliches Verhalten und mit kontraproduktiven Erwartungen an die sogenannte Politik entsteht. Wir erleben auch, welche Resonanz Verschwörungstheorien in großen Teilen der Arbeiterklasse haben. Wir erleben, dass es vielerorts in den Betrieben und Verwaltungen keinen verantwortungsvollen und bewussten Umgang mit notwendigen Schutzmaßnahmen gibt.

Die Erkenntnis ist leider noch nicht entwickelt oder noch nicht weit verbreitet, dass die Interessen des großen Kapitals einer erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie objektiv und auch subjektiv im Wege stehen und auch die Ursache der anderen Krisen ist.

Ich teile sehr die Sorge um die Zukunft der Gewerkschaften. Die große Gefahr von Mitgliederverlusten kann nicht einfach übersehen werden. Pandemie und Wirtschaftskrise schwächen die gewerkschaftlichen Machtressourcen. Krisenzeiten, die Arbeitsmarktlage und drohender Arbeitsplatzverlust verringern die Kampfbereitschaft und erschweren vor allem die Mobilisierung und die Durchsetzungskraft der Beschäftigten.

Ob die Gewerkschaften ohne massiven Machtverlust durch die Krise kommen, wird stark davon abhängen, ob es gelingt ihr politisches Mandat und die vorhandenen Möglichkeiten offensiv nicht nur für kleine, sondern für große Weichenstellungen zu nutzen. Zumindest diese als Themen mit Forderungen in die Waagschale zu werfen. Kollege Urban hatte dies ja auch sehr deutlich gemacht.

In dem auf Export fokussierten industriellen Bereich verschärft die Corona-Pandemie die schon zuvor bestandene mangelnde internationalen Nachfrage und die umfassende Krise auch der Autoindustrie. Immer deutlicher wird, dass nicht nur Klimaschutz und sozialere Mobilität, sondern auch die Sicherung von Beschäftigung in diesem Industriebereich einen sozial-ökologischen Umbau notwendig machen. (Im 1-Million-Einwohner-Land Saarland: arbeiten über 40000 Beschäftigte in der Automobilindustrie!)

Auch wenn solche großen Weichenstellungen aktuell nicht umsetz- und durchsetzbar erscheinen, sollten nicht darauf verzichtet werden, sie immer wieder zu benennen. Es wird keine große Zukunft für die Arbeit in der Automobilindustrie geben, wenn nicht entschlossen der sozialökologische Umbau auf die Tagesordnung gesetzt und darum gekämpft wird. Auch in und mit dem Hebel der Auseinandersetzungen um entsprechende Tarifverträge.

Wenn General Motors in der Krise Beatmungsgeräte und Volkswagen Atemschutzmasken herstellt, finden ja Ansätze von Konversion statt. Öffentliche Investitionen in Bus und Schiene wirken doch nach den aktuellen Erfahrungen in der Pandemie gar nicht mehr unrealistisch. Vor allem auch deswegen nicht, weil die Erfahrung gemacht wird, wie in der jetzigen Krise Finanzmittel in Milliardenhöhe locker gemacht werden. Und ist die Erfahrung mit den profitorientierten Manövern der Pharmakonzerne nicht eine gute Gelegenheit nach zu fragen, warum die staatliche Hilfen nicht mit Einfluss auf die Unternehmensstrategie verbunden werden. Es gibt Chancen die Vergesellschaftung der Pharmakonzerne in die Diskussion zu bringen.

Ihr erinnert euch sicherlich an das Interview in der UZ, das ich im vorigen Jahr mit dem Betriebsratsvorsitzenden von Saarstahl machen konnte. Für mich war es eine sehr anregende, bleibende politische Erfahrung wie der Betriebsrat von Saarstahl mit der Zukunftsfrage, die vor der Stahlindustrie steht, umgeht. Und kämpft. Für einen sozialökonomischen Umbau wurde mit Forderungen nach Brüssel marschiert, wo Mittel für strukturelle Umbaumaßnahmen in beträchtlichem Maße vorhanden sind, sowohl die Kanzlerin und die Landesregierung unter Druck gesetzt wurden. Es sieht so aus, dass es Mittel, wenn auch nicht ausreichend, geben wird. Ein kleiner Erfolg vielleicht für eine große Weichenstellung!

Wie schwierig das ist oder bleibt, zeigen auch die Ergebnisse einer Umfrage, wonach bei der Mehrheit der befragten Saarländer die Sicherheit von Arbeitsplätzen vor der Ökologiefrage rangiert. Das ist doch ein riesiges Problem!

Rainer Dörrenbecher wird sich in seinem Beitrag konkreter damit beschäftigen.

Tatsache ist, dass wir in einer sehr komplizierten und herausfordernden Phase der gesellschaftspolitischen Entwicklung global und auch im eigenen Land leben.

Die Corona-Pandemie selbst muss von uns als eine ganz große Herausforderung verstanden und behandelt werden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese Pandemie überhaupt endgültig überwunden werden kann oder ob wir damit auf Dauer und mit deren Folgen leben müssen, sondern dann darum, wie wir damit leben können und die gesamte Menschheit damit leben kann.

So wie die Dinge nach wissenschaftlichen Erkenntnissen liegen, hat dies sehr viel mit dem Ringen um die Entschärfung der ökologischen Krise zu tun.

Dafür benötigen wir Positionen, auch Konzepte, vor allem aber auch Forderungen des Netzwerkes als bundesweites Signal.

Wir verstehen uns als Netzwerk für (!) kommunistische Politik.

Wenn die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement in der Corona-Pandemie weiter zunimmt, wenn sich die negativen sozialen Auswirkungen auch der anderen Krisen niederschlagen, dann taucht doch die Frage auf, wohin kann und wird sich dies alles orientieren? In Richtung Alternativen mit großen Weichenstellungen, nach links? Gelingt es, wie es sich in Zero Covid andeutet, für solche Weichenstellungen zu Allianzen zu solchen Fragen und darüber hinaus zu kommen? Oder endet alles in Frust, Niederlagen, Rückzug und Entpolitisierung, in einer Schwächung von Gegenwehr. Es zeigen sich zudem neue Spielarten rechter Demagogie, die nicht zu unterschätzen sind. Diese Klaviere werden schon gestimmt.

Die aktuelle Entwicklung, die Globalität und Vernetzung der Krisen, ist meiner Ansicht nach ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir es mit komplexere Fragestellungen für unsere weitere Politik und unser Handeln zu tun haben.

Nur mit unserem politischen „Kerngeschäft“ werden wir dem nicht mehr gerecht werden und wird sich keine zukünftige, tragfähige und anregende Politik entwickeln lassen.

Als wichtige Bausteine sehe ich aktuell in der Corona-Krise:

Kommunisten müssen konsequent die Gefahren der Pandemie benennen und gegen Verschwörungstheorien auftreten, weil wir unsere Politik auf wissenschaftliche Erkenntnisse beziehen und stützen und damit Zusammenhänge weitgehend aufklären können. Das ist ein aktueller Beitrag gegen die Versuche, die Achse weiter nach rechts zu drehen. Dazu gehört natürlich auch die Skepsis und der Zweifel gegenüber den Darstellungen und Methoden der Herrschenden und die kritische Auseinandersetzung damit.

Wegen der Gefährlichkeit der Pandemie, ihrer globalen Ausbreitung mit ihrer hohen Ansteckungsgefahr sind Relativierungen, egal welcher Art, fehl am Platze.

Wir sind, wenn unumgänglich, für den Stopp aller nicht notwendigen Produktionen und Dienstleistungen, vor allem dort, wo Menschen in großen Mengen zusammen kommen.

Es geht um mehr demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten und Mitentscheidungsrechte vor allem der Arbeitenden in dem Kampf gegen die Pandemie, gegen die Politik der Anordnungen aus nicht demokratisch legitimierten Kreisen.

Die Verteilungsfrage muss in der gesellschaftspolitischen Debatte einen höheren Stellenwert bekommen, weil Gesundheit und Leben vor Profit und dem Anhäufen von Reichtum in den Händen weniger kommen muss. Die Gewinner auch dieser Krise haben Namen und Adressen. Es geht um die Zukunft der Arbeit und das zukünftige Leben. Dazu entwickeln sich viele konkrete Forderungen. Es gibt zunehmend Initiativen hierzu.

Nach vorne geblickt: Ich finde, wir benötigen mehr kollektive, konkrete Debatten zu diesen komplizierten Fragen in solch neuen Dimensionen von Krisen, die sich auf neue Weise miteinander verbinden.

Vielleicht gelingt dies mit Thesenpapieren als Grundlage von Diskussionen. Und wir sollten auch immer den Blick auf das Wirken von anderen kommunistischen Parteien haben und versuchen daraus zu lernen.