Heinz Stehr auf dem 23. Parteitag: Einfluss neu gewinnen!

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15.04.2020:

Wir dokumentieren den vollständigen Text des Diskussionsbeitrags von Heinz Stehr, Delegierter des Kreises Pinneberg, Schleswig-Holstein, in der allgemeinen Aussprache des Parteitags, der aus Zeitgründen nur verkürzt vortragen werden konnte.

Einfluss neu gewinnen!

Patrik hat in einem PV-Referat unsere Diskussionsgrundlage „Rolle und Aufgabe marxistischer Politik für die aktuellen Kämpfe und für die Entwicklung gesellschaftlicher Alternativen und Perspektiven“, als alter Wein in neuen Schläuchen bewertet.

Richtig an dieser Feststellung ist, dass es in den innerparteilichen Auseinandersetzungen immer um gleiche Grundfragen ging und geht, was besonders in der Programmdebatte nachzulesen ist.

Ansonsten ist unser Diskussionsangebot sehr viel näher an den realen Problemen dieser Zeit dran, als der vorliegende Leitantrag.

In dieser Zeit ist die Fähigkeit von Marxistinnen und Marxisten, sich solidarisch einzubringen, geduldig abwägend zu diskutieren, sich auf zeitweilige Unklarheiten einzulassen,  gefragt. Zugleich aber auch sind wir gefordert uns praktisch handelnd einzubringen und fundierte Beiträge zur Überwindung von Unklarheiten und zur Weiterentwicklung von Positionen zu leisten. Viele von uns kennen diese Arbeits- und Diskussionsprozesse und wissen, dass Ungeduld, Rechthaberei oder sogar vordergründiger Avantgardismus in Bewegungen zur Isolation und Ablehnung führen können. Besonders negativ wirken Aktivitäten um von außen in Bewegungen einzuwirken durch besserwisserische Kritiken ohne überzeugende Argumentation. Lauthals zu verkünden und Noten zu verteilen. das ist zu Recht in Schulen unbeliebt, in der Politik ist Arroganz oft das Pendant zur eigenen Unfähigkeit, manchmal auch zu eigener  Dummheit.

Ich benenne diese für viele von uns an sich„Binsenweisheiten“ marxistischer Politik, weil seit 2012 unsere Aktionseinheits-  und Bündnispolitik negativ verändert wurde, marxistischer Einfluss und der der DKP als Folge davon  verloren geht und wir uns in Teilbereichen isolieren.

Konkret gilt dies für wichtige Politikfelder und für manche konkreten Aussagen dieses DKP – Sekretariats, auf PV Tagungen und auch auf Parteitagen.

  • Wenn wir im Kampf um Frieden die Argumente und das Engagement von Teilen der Friedensbewegung, wie von christlich orientierten Menschen oder vorwiegend humanistisch orientierten Kräften getragene  Forderungen gering schätzen oder gar  zurückweisen und systemkritische Argumente als einzig mögliche Antwort  verabsolutieren , dann verhindern wir neues gemeinsames wachsendes Engagement und eine politische Weiterentwicklung von Positionen. Die Behauptung  vom  bereits begonnenen 3. Weltkrieg, auf dem letzten Pressefest hörbar, ist ein Beispiel für mangelhafte Analysen und Ersetzen der Analyse durch markige Behauptungen. Frieden zu erkämpfen ist auch eine  klassenübergreifende Aufgabe aller Menschen. Entsprechend müssen wir agieren, selbstverständlich  ohne unsere weitergehenden  klassenspezifischen Inhalte und Ziele zu verschweigen.
  • Wenn bei jeder Gelegenheit allen Sozialdemokraten der „Noske-Stock“, der übersprungen werden muss, um glaubwürdig zu diskutieren und entsprechend zu handeln, hingehalten wird, dann ist es sicher unmöglich, das große Ziel zu erreichen, sozialdemokratisch orientierte Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen zum gemeinsamen Kampf, auch zur Erreichung des strategischen Ziels letztlich in einem langen Prozess den Kapitalismus revolutionär zu überwinden und die Möglichkeit zu einer sozialistischen Zukunft zu entwickeln. Die Kieler Veranstaltungen zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution waren ein deutlicher politischer Fortschritt. Einige Wortbeiträge von DKP Mitgliedern empfand ich als anmaßend und  sektiererisch.
  • Wenn wir die Arbeiterklasse befähigen wollen die eigenen Interessen wirkungsvoll zu formulieren und zu vertreten, müssen auch wir erkennen, dass für die in der Arbeiterbewegung vorherrschende Ansicht, dass Sozialpartnerschaft das Prinzip aller gesellschaftlichen Problemlösungen sei,  objektiv historisch unter den konkreten Bedingungen nicht nur in der BRD nach Ende des 2. Weltkrieges gewachsen ist und  sich zunächst verfestigt hat. Das aufzubrechen gelingt bisher nur partiell, zeitweilig und noch nicht massenwirksam. Das bleibt eine Aufgabe, an der wir geduldig und klug dran bleiben müssen. Was denn sonst?
  • Mit unserer Orientierung bis 1990, bedingungs- und kritiklos auf diesen realen Sozialismus in allen seinen Ausprägungen zu setzen, haben wir es der Arbeiterklasse auch nicht erleichtert, einen revolutionären Ausweg zu suchen und zu finden. Aus den Analysen der Niederlage des Sozialismus, verdichtet in unserem gültigen Parteiprogramm beschlossen, ergibt sich zu Recht die Pflicht zum selbstkritischen Nachdenken. Ein vordergründiges neues Beklagen der Wirkung der Konterrevolution als einzige Ursache des Scheiterns des Sozialismus und ein Rückgriff auf stalinsche Politikauffassungen wird unsere Glaubwürdigkeit in der Arbeiterklasse zu Recht nicht erhöhen.

Aktionseinheitspolitik wurde auch aus den Erfahrungen der KZs und Zuchthäuser Hitler – Deutschlands unter großen Opfern erneuert. Stellen wir uns dieser auch historischen Verantwortung heute und jetzt in Betrieben, vor Ort, in Bewegungen und Gewerkschaften und in der Auseinandersetzung um gesellschaftliche Konflikte!

Als besonders krassen Fehler empfinde ich die Ablehnung der Mitarbeit im Bündnis „Gemeinsam gegen rechts“! Wer antifaschistisches Verhalten und Engagement an der antikapitalistischen Position allein festmacht und so die Mitarbeit ablehnt im Bündnis, kann keinen wirkungsvollen Beitrag leisten, um die Rechtsentwicklung zu stoppen. Wenn die DKP sich aus diesem Bündnis, maßgeblich von der VVN-BdA initiiert, heraushält, muss  sich fragen lassen: Wie wollen wir neue Gefahren des Faschismus abwehren, wenn wir nicht die gesellschaftliche Hegemonie des Antifaschismus immer wieder als  Herausforderung sehen?

Dieser innerparteiliche Konflikt zerreißt die DKP nicht nur politisch, sondern auch moralisch und emotional.

Aus meiner Sicht ist eine Korrektur schnellstmöglich unabdingbar! Die DKP muss gleichberechtigter Teil des antifaschistischen Bündnisses werden! Wie notwendig das ist, beweist die Entwicklung zu den Folgen der Thüringer Landtagswahl. Es gilt, die schon gewachsene politische Gemeinsamkeit CDU/FDP/AfD aufzubrechen und jede Zusammenarbeit mit der AfD gesellschaftlich zu isolieren.

Die Hauptgefahr einer möglichen neuen Qualität der Rechtsentwicklung sehe ich in einem möglichen Schulterschluss rechtsreaktionärer Kreise mit Faschisten und bürgerlichen rechten Kräften, wie z.B. Teilen der CDU/CSU,FDP bis hin zu rechten Kräften in der SPD.

Da werden uns noch schwierige Aufgaben bevorstehen angesichts der Zunahme vielfältiger Krisenerscheinungen in der Gesellschaft, die daraus resultierenden Konflikte werden auch zu neuen politischen Formierungen im rechten und bürgerlichen Lager führen. Unabdingbar ist eine Formierung einer Anti-Rechts-Allianz unter Einbeziehung von  Teilen bürgerlicher und sozialdemokratisch orientierter   Bevölkerung. Was sich entwickeln lässt zeigen auch aktuelle antifaschistische Aktivitäten in Abwehr des Schulterschlusses CDU, FDP und AfD in  Thüringen, die Reaktion auf die Morde in Halle, und anderswo.

Es geht  um Argumentationen, um eine Umkehr von bisheriger Politik des PV-Sekretariats und des Parteivorstandes zunächst zu den programmatischen und politischen Aussagen der DKP. Umkehr verlangt in diesem Zusammenhang auch die Einstellung auf neue Herausforderungen, die sich ständig in dieser Zeit der Brüche entwickeln.

Wie viele Genossinnen und Genossen bin auch ich davon überzeugt, dass marxistische Politik, wie sie sich im Programm der DKP und im gewachsenen politischen Selbstverständnis kommunistischer Politik in Deutschland festmacht, wesentlich ist für konstruktive Lösungen für sich zuspitzenden Widersprüche und damit auch für die Stärkung der DKP und die Zukunft hoffentlich wachsenden Einflusses marxistischer Politik.

Heinz Stehr