Vereinigtes Königreich: Sieg für Corbyn - Britische Elite und Labour-Apparat wollen Corbyn stoppen

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GB Jeremy-Corbyn Wahlkampagne10.06.2017: Von Ian Parker, Left Unity[1]
Mit Jeremy Corbyn hat Labour zum ersten Mal seit 1997 einen Zuwachs an Abgeordnetenmandaten und den größten Zuwachs an Stimmen seit 1945 ++ jedoch bleibt Zusammensetzung der Parlamentariergruppe unverändert und damit eine ernste Gefahr für die sogenannte 'Corbyn-Revolution' ++ Labour-Parteiapparat will radikale Politik abwürgen ++ Left Unity arbeitet an Aufbau einer 'Corbyn-Bewegung' für eine radikale, linke Politik.

Die Labour Party mit Jeremy Corbyn hat erfolgreich den Griff der Konservativen auf die britische Politik gebrochen. Es ist Corbyn, der Labour auf das höchste Stimmergebnis seit 20 Jahren gebracht – in Prozent und in absoluten Stimmen – und den größten Stimmenzuwachs aller Zeiten für Labour erreicht hat. Jetzt ist die Frage nicht, ob May geht, sondern wann. Das Ergebnis stellt auch Hindernisse auf den Weg in den "harten Brexit". Dieser Sieg für Corbyn, das ist klar, ist innerhalb der Grenzen eines Wahlsystems, das auf die Rechte ausgerichtet ist, und Labour-interne bürokratische Prozeduren sind darauf abgestellt, Parlamentarier zu schützen, die auf der Gehaltsliste der verschiedenen reaktionären Lobbygruppen stehen. Dieser Erfolg ist ebenso innerhalb der Grenzen, die von der Scottish National Party (SNP) und den seltsamen Allianzen und Manövern der Scottish Labour und der Konservativen gesetzt werden, die meinten, dass Corbyn gegenüber der Mehrheit der Parlamentarier in Westminster immer benachteiligt bleiben wird.

Die Wahlkampagne hat das politische Projekt des Nationalen Exekutivkomitees der Labour Party und der Mehrheit der den Konservativen nahestehenden Labour-Abgeordneten in Frage gestellt und eine radikale Politik legitimiert sowie einer neuen Generation von AktivistInnen Antrieb gegeben. Corbyn war behindert durch die inhaltliche Beschränktheit des Labour Programms und durch die Weigerung vieler Abgeordneter, Elemente des Programms in ihr örtliches Auftreten aufzunehmen. Dazu kam, dass Corbyn in vielen örtlichen Wahlkampfpublikationen ignoriert wurde, und in einigen Fällen eine unverhohlene Sabotage der nationalen Kampagne der Labour Party betrieben wurde. Das Programm beinhaltet z.B. nicht die Abschaffung der atomaren Trident-Raketen und die Konversion der atomar-militärischen Jobs in gesellschaftlich sinnvolle Produktion. Auf diese Bruchlinie innerhalb von Labour stürzten sich die Medien und sie wurde von einigen anti-Corbyn Abgeordneten ausgenutzt.

 

GB Logo-Left-UnityLeft Unity gratuliert Jeremy Corbyn und der Labour Party zu dem hervorragenden Wahlergebnis und fordert Theresa May zum Rücktritt auf. Es war eine außergewöhnliche, politik-orientierte Wahlkampagne, die die politische Orientierung in Britannien verschoben hat. Eine große Zahl – vor allem junger Leute – haben die auf Angst, Intoleranz, wachsender Spaltung der Gesellschaft und steigender Ungleichheit basierende Politik der Tories zurückgewiesen. Millionen haben die Tory-Vorstellung vom 'harten Brexit' und einer auf Nuklearwaffen und Militärausgaben gestützte Politik abgelehnt.
Left Unity ist stolz, Corbyn's Vision einer anderen Gesellschaft zu unterstützen und für seinen Wahlsieg gearbeitet zu haben. Seine radikalen Vorstellungen haben zum ersten Mal seit 1997 zu einem Zuwachs an Abgeordnetenmandaten und zum größten Zuwachs an Stimmen seit 1945 geführt. Die Unterstützung für Labour ist gewachsen, weil Corbyn's Politik auf sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit und der Zurückweisung von Austerität und Kürzungen beruht. Die Unterstützung ist auch deswegen gewachsen, weil Corbyn's Politik für Frieden, Respekt und Menschlichkeit steht.

Erklärung von Left Unity

 

Trotzdem war Corbyn gegen all diese Widrigkeiten in der Lage, eine radikale Kampagne zu führen und, das ist noch wichtiger, einer neue Generation von WählerInnen Antrieb zu geben – von denen einige auch nach dem 8. Juni weitermachen werden in der Kampagne für Jobs, für nukleare Abrüstung und für Menschenrechte. Von den unter 50jährigen WählerInnen unterstützte eine Mehrheit Corbyn wie aber auch eine beträchtliche Anzahl von über 50jährigen für seine Politik gewonnen werden konnte - oder für Labour zurückgewonnen wurde, nach ihrem Rückzug während der Jahre der verräterischen Politik von Blair. Viele derjenigen, die Labour unterstützten, um bei den zwei internen Parteiwahlen für Corbyn als Parteiführer zu stimmen, kamen aus dieser Kampagne nicht nur als WählerIn heraus, sondern sie verteilten Flugblätter und beteiligten sich an Wahlkampfaktivitäten – für viele von ihnen war dies das erste parteipolitische Engagement.

Die meisten BasisaktivistInnen der Labour-Kampagne waren allerdings altgediente Mitglieder der Partei, die angesichts der Medienkampagne gegen Corbyn hartnäckig gearbeitet haben und anstelle ihrer örtlichen Labour-Abgeordneten eingesprungen sind. Diese harte Arbeit der örtlichen Teams der Labour-Kampagne und die Einsätze in randständigen Wahlkreisen führte während der Wahl verständlicherweise zu mehr Gegenbeschuldigungen gegen die ‘Corbynistas’. Die Abwesenheit der neuen Mitglieder wurde bemerkt und der Preis wird in den Monaten nach der Wahl, wenn sich die rechten Labour-Abgeordneten neu gruppieren und sich örtliche, argwöhnisch gegenüber Corbyn eingestellte AktivistInnen hinter ihnen sammeln. Diese stimmten überwiegend für Corbyn, aber wir müssen aufpassen, nicht zu übertreiben was es für die Zusammensetzung und die Politik der Labour Party bedeutet. Die Zusammensetzung der Parlamentariergruppe von Labour ist unverändert und wir haben einen Zustrom von einigen neuen unerfreulichen, rechten Labour-Abgeordneten, die eine ernste Gefahr für die sogenannte 'Corbyn-Revolution' darstellen. Jede Stimme, die wir für die Linke währen der Kampagne gewannen, wird so auch den Parteiapparat und seine Reduzierung der Politik auf eine Wahlkampfmaschine stärken - und so wird dieser Erfolg wie immer gegen die Linke genutzt werden.

 

Partei  Sitze   Veränderung 
Conservative 318  -12 
Labour 261  +31 
Scottish National Party 35  -19 
Liberal Democrat 12  +3 
Democratic Unionist Party 10  +2 
Sinn Fein +3 
Pfaid Cymru +1 
Green
Independent -4 
Ulster Unionist Party -2 
Social Democratic and Labour Party -3 
UK Independence Party

 

Angesichts der politischen Zusammensetzung der meisten örtlichen Parteibezirke, können wir von Labour nicht die herzliche Dankbarkeit erwarten, die durchaus zu erwarten wäre und die wir uns wünschen. Stattdessen können wir einen Grad von Vorsicht gegenüber uns erwarten und auch Feindschaft – wir werden als diejenigen empfunden, die das Boot schaukeln. Corbyn’s Sieg – der massive Zuwachs an Stimmen und Abgeordneten – wird nicht zu begeisterter Zustimmung zu Corbyn's Politik führen, sondern eher zu einer Schließung der Reihen um den Apparat mit der Begründung, dass nun die Zeit ist für die Konsolidierung der Gewinne von Labour und für die Heilung der Wunden der Spaltung, die mit der Öffnung der Partei begann. Wir erlebten widerwillige Zustimmung zu Corbyn’s Beitrag während der Kampagne, und der Apparat der Labour Party weiß, dass es notwendig ist, den richtigen Zeitpunkt für den Versuch abzuwarten, ihn loszuwerden. Ihr Dank für seine Hilfe wird sich in die Beschwerde umwandeln, dass das Ergebnis besser hätte sein können, und die Loyalität der neuen Mitglieder wird bezweifelt und systematisch zur Seite gedrängt werden. Der Versuch unterschiedlicher linker Gruppen Labour zu unterstützen und in die internen Debatten einzugreifen, wird in den meisten Fällen als 'entristische'[2], unredliche Einmischung angesehen werden – im Fall von einigen Gruppen ist es tatsächlich entristisch und unredlich – und das Problem verschärfen. Die UnterstützerInnen von Corbyn müssen politische Anforderungen mit pragmatischem Ausdruck der Loyalität zur Partei ausbalanzieren. Wahlpolitische Erfolge führen mit Sicherheit nicht zur Infragestellung von Wahlpolitik. Stattdessen wird die Erzählung der 'langen, harten Reise' für viele langjährige Labour-Mitglieder durch diesen Erfolg bestätigt.

So wie die Beteiligung von Außenstehenden von der Basis nur toleriert war, wenn wir Labour's eigene Flugblätter verteilten und nicht mehr, werden die Parteiversammlungen in den meisten Teilen des Landes jetzt fortfahren, um nach der Wahl die radikale Politik abzuwürgen. Erfahrene AktivistInnen von Left Unity oder anderen linken Gruppen müssen fähig sein, dies zu ertragen und sich selbst unter diesem Druck bei Kräften halten. Aber es wäre verheerend, AktivistInnnen der neuen Corbyn-Bewegung zu ermutigen, jetzt in die Partei einzutreten und in ihr erstickt zu werden. Wir gewinnen Menschen für unsere Politik nicht dadurch, dass wir sie ermutigen, in Labour einzutreten - das würde sie in eine labyrinthisch Maschinerie der Partei führen, falls sie nicht durch diese Erfahrungen von der Politik überhaupt abgestoßen würden.  

Die Mitglieder von Left Unity müssen gegenüber den Labour-AktivistInnen klarstellen, dass sie mit ihnen während der Kampagne zusammenarbeiteten, aber dass sie keine Absicht haben, gemeinsame Sache mit der Politik des internen Parteiapparates zu machen. Wir können aber auch nicht, nachdem wir uns in der Wahlkampagne aktiv an ihrer Seite beteiligten, mit ' business as usual' weitermachen, da wir die Bedingungen für etwas Anderes schaffen wollen. Wir bleiben außerhalb der Labour Party, weil dies bedeutet, dass wir mehr Manövrierspielraum haben, und dass wir - mehr denn je - mehr Manövrierspielraum für eine kritische Freundschaft mit den wenigen linken Labour-Abgeordneten haben müssen, um gegen Kürzungen durch Labour-Stadträte agieren und eine wirkliche Massenbewegung für Corbyn aufbauen zu können. Diese Bewegung muss über die Grenzen hinweg arbeiten, die durch die Mitgliedschaft bei Labour und die restriktive 'Loyalität' zur Partei auferlegt sind.

Jeder weitere Erfolg von Corbyn und der neubelebten Labour-Bewegung, die er möglich gemacht hat, wird von einem radikalen Bruch mit einigen der alten Annahmen der Partei über britische Politik abhängen. Wir müssen unseren neuen Labour-FreundInnen sagen, dass wir die Freiheit der Bewegung brauchen, um wirklich etwas auf diesem Wahlerfolg aufbauen zu können, und das bedeutet, dass wir, und sie mit uns, mit der Umformung des politischen Terrain zu beginnen.

Ein zentraler Punkt dieser Umformung des Terrains für das sich die Corbyn-Bewegung engagieren muss – mit ernsten Auswirkungen auf die Mainstream-Politik von Labour – hängt mit Scottish Labour zusammen. Der Erfolg von Corbyn im Süden der Grenze ist eng mit dem Erfolg der Unabhängigkeitsbewegung im Norden der Grenze verknüpft - eine Bewegung, die mit der Scottish National Party (SNP) brechen muss, welche eng verbunden mit Scottish Labour eine tapfere Kampagne führte und relativ loyal zu Corbyn stand, weil sie weiß, wie es der Fall für viele alte Labour-Abgeordnete quer durch Britannien der Fall ist, dass sie am gleichen Strang ziehen müssen, um ihre Posten zu behalten. Nichtsdestoweniger arbeitet Scottish Labour mit der anderen unionistischen Partei in Schottland, den Konservativen, zusammen, um die SNP zu blockieren. Die Unionisten waren erfolgreich und nahmen der SNP 13% der die Stimmen und 21 Sitze ab (12 zu den Tories, 6 zuo Labour und 3 zu den Liberal-Demokraten). Dieser Erfolg der Unionisten nimmt dem Sieg von Corbyn die Wirkung, weil sie eine taktische Allianz mit der SNP zur Bildung einer Anti-Austeritäts-Regierung unmöglich macht. Dies, gemeinsam mit dem Sitzzuwachs der Democratic Unionist Party in Nordirland (von 8 auf 10 Sitze) und der Zurückweisung von Sinn Fein (7 Sitze), macht zumindest auf kurze Sicht eine 'Konservativ und Unionistische Regierung' möglich. Left Unity muss sich jetzt für die Unabhängigkeit Schottlands aussprechen - dies ist einer der Knackpunkte, der es für ihre Mitglieder schwierig bis unmöglich macht, sich mit der Labour Party zu verbinden – und dafür zu streiten, dass Corbyn eine taktische Allianz gegen die Konservativen bildet.

Left Unity, als Teil des anhaltenden Drucks auf die Labour Party von außen, sollte ebenso ausdrücklich für das Recht auf Mitgliedschaft in Labour streiten. Diese erklärt offene Politik von Left Unity – wir betrachten uns selbst als Teil der Corbyn-Massenbewegung – sollte die Basis für alle öffentlichen Versammlungen und Kampagnen der Partei sein. Wir haben während der Wahlkampagne über Parteigrenzen hinweg zusammengearbeitet, und wir müssen jetzt über diese Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten. Auch die Grünen haben sich als glaubwürdige Kraft gehalten - nicht nur, weil sie einen Sitz im Parlament gewonnen haben, sondern auch, weil sie in einigen Wahlkreisen und Kampagnen an der Seite von Labour standen, und als eines der Beispiele für eine unabhängige Linke in der Corbyn-bewegung funktionieren. Linke Grüne sind unsere GenossInnen in diesem Kampf, in dieser neuen Phase des Kampfes, der durch Corbyn eröffnet worden ist.

Eine starke Linke innerhalb der Labour Party liegt in unserem Interesse, falls sie jenseits von Wahlzeiten zu Aktionen für den Wechsel bereit ist. Und wir denken, dass diese linke Präsenz leichter mit der Massenbewegung verbunden werden kann, wenn sie eine ausdrückliche Beziehung mit uns hat. Einige unserer GenossInnen in verschiedenen linken Organisationen, einschließlich GenossInnen die einmal bei Left Unity aktiv waren, wollen auf dieser Grundlage innerhalb von Labour arbeiten. Vielleicht ist es möglich einige örtliche Strukturen der Labour Party so zu entwickeln, dass sie zu einer Basis der Corbyn-Bewegung werden. Viel Glück für diejenigen, die dafür innerhalb der Labour Party arbeiten. Wir werden alles tun, um sie zu unterstützen. Aber wir werden di Stärke für die Aufrechterhaltung und Bildung dieser unabhängigen linken Kraft nur haben, wenn wir uns außerhalb der Labour Party organisieren und von den neuen AktivistInnen so viele wie möglich für Left Unity gewinnen – um gemeinsam mit uns das unabhängige, linke politische Profil zu schaffen.

Quelle: Left Unity

[1] Left Unity ist aktiv in Bewegungen und Kampagnen der Linken. Left Unity arbeitet daran, eine alternative politische Kraft zu entwickeln. Left Unity ist Mitglied der Partei der Europäischen Linken.

[2] Entrismus ist eine von verschiedenen trotzkistischen Organisationen angewandte Taktik des gezielten  Eindringens in Organisationen mit dem Ziel, von innen heraus Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen und den Kurs der Organisation zu verändern.

 

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