Zum innerparteilichen Meinungsstreit in der DKP

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22.01.2017: Seit dem 20. Parteitag der DKP entwickelt sich erneut eine existenzgefährdende Krise der DKP. Aktuell werden Beschlussfassungen und Maßnahmen durch die Parteivorstandsmehrheit angedacht und zur Beschlussfassung vorbereitet, die Ausgrenzungen der Mitglieder bedeuten würde, die den Entwicklungsweg der DKP nach dem 20. Parteitag kritisieren und aus der Sicht der bis dahin gültigen programmatischen, organisatorischen und politischen Verfasstheit der DKP die Richtungsänderung der Partei ablehnen.

Käme es zu Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel der Ausgrenzung von Mitgliedern, die für sich in Anspruch nehmen, auf der Grundlage des Programms und Statuts Politik zu entwickeln, würde dies eine Schwächung bedeuten, die für die DKP als bundesweite Partei mit bisherigen Strukturen und einer Wochenzeitung das Ende bedeuten könnte.

Patrik Köbele und andere Mitglieder des Sekretariats des Parteivorstandes der DKP haben ihre Position im Parteivorstand mehrmals dargelegt und mehrheitliche Unterstützung im Parteivorstand dafür erhalten.

Georg Polikeit, viele Gliederungen der DKP und andere Genossinnen und Genossen haben ihre Gegenposition öffentlich dargelegt.

Mit der letzten PV Tagung sind ein Teil der PV Mitglieder und einige Gliederungen der DKP stärker mit einer vermittelnden Position hör- und nachlesbar geworden. Noch bleibt unklar, ob die innerparteiliche Situation politische Lösungen zulässt, die alle zumindest zeitweilig mittragen können, oder ob in Kürze Entscheidungen getroffen werden, die die ohnehin stark geschwächte DKP noch weiter dezimieren wird.

Ich möchte mit diesem Beitrag einen Versuch leisten, von dieser Situation ausgehend mögliche Lösungsansätze zu benennen.

Welche Erfahrungen ergeben sich aus dem Meinungsstreit

Es gibt aus meiner Sicht wichtige Erfahrungen im Meinungsstreit der DKP, der eigentlich um den Hamburger Parteitag 1986 begann und in unterschiedlichen Etappen und mit unterschiedlichen Akteuren stattfand, sich in Eskalationsstufen entwickelte und bis heute anhält. Einige Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen:

Die DKP war nach der Illegalität der KPD von 1968 bis 1986 eine im wesentlichen sich stabil entwickelte Kraft in der alten BRD, die gesellschaftlichen Einfluss hatte und in enger Zusammenarbeit mit den kommunistischen Parteien der sozialistischen Länder den weltweiten, aus damaliger Sicht alternativlosen Übergang der Epoche zum Sozialismus durchsetzen wollte. Die Partei war nach außen ein einheitlich handelndes Subjekt, alle entscheidenden Beschlüsse wurden mit übergroßer Mehrheit gefasst.

Dennoch entstanden auch in dieser Zeit Meinungsverschiedenheiten mit unterschiedlichen Hintergründen: Einstellungen von Mitgliedern im Blick auf neue Entwicklungen im Kapitalismus und zu Entwicklungen im Sozialismus in Europa. Neue Herausforderungen weltweit durch Kriegsgefahren, soziale, ökologische, emanzipatorische und demokratische Spannungsfelder. Die Haltung zu anderen Parteien und zu Bündnissen und zum organisatorischen und politischen Selbstverständnis der DKP. Auf individueller Ebene resultierte diese unterschiedliche Wertung und Bearbeitung der Probleme oftmals aus unterschiedlichen Biografien und Lebenserfahrungen, aus der politischen Herkunft der Mitglieder, aus dem Bildungsstand und aus der Verarbeitung von Erfahrungen. Eine kommunistische Partei ist ein „Organismus“, der sich ständig neuen Herausforderungen und Entwicklungen stellen sollte und oftmals nicht einfach nachzuvollziehende Antworten auf herangereifte Probleme finden muss. Wir werden mit unterschiedlichen Auffassungen leben müssen. Sie gehören nicht nur zu einer KP in der heutigen Zeit dazu, sie sind in etlichen offenen Fragen begründet, die sich erst in der weiteren Entwicklung und mit weiteren Erfahrungen klären lassen. (womit dann wieder neue entstehen). Der Versuch, diese Spannbreite in ein enges dogmatisches Korsett zu zwingen wird zur Sekte führen; ist bereits Sektenverhalten.

Meinungsstreit und Pluralismus der Meinungen sind in diesem Prozess unabdingbar.(solange andere Kampfbedingungen nicht etwas anderes von uns fordern). Das zeigte sich insbesondere in der Krise der kommunistischen Weltbewegung und ihrer bekannten Erfahrungen nach 1990.

Erstarrungen in der Politik, in der Auslegung der Theorie, wie sie von Marx, Engels und Lenin entwickelt wurde, oft in dogmatischer Richtung, waren Teil der subjektiven Ursachen der umfassenden Niederlage der kommunistischen Bewegung, vor allem in Europa. Hier soll in dem Zusammenhang mit der vorliegenden Thematik auf einige Aspekte eingegangen werden. Anderes dazu ist im DKP Programm von 2006, nachzulesen. 1989/90 überstand die DKP die existenzgefährdende innerparteiliche Auseinandersetzung. Dies gelang vor allem durch die Fähigkeit, eine mehrheitlich getragene Position zu entwickeln, die kritisch und selbstkritisch Fehler und Versäumnisse benannte und Veränderungen als Schlussfolgerung durchsetzte.

In mehreren Schritten, in ständigen Diskussionen und im Verarbeiten vieler in- und ausländischer Erkenntnisse wurden das DKP Programm 2006, das Statut und das politische Selbstverständnis unter neuen Bedingungen erarbeitet. Es galt, Antworten auf die neue Weltlage ohne Sozialismus in Europa zu entwickeln. Das gelang zunächst, ist aber längst nicht abgeschlossen. Vor allem der erhoffte schnellere Effekt zur Stärkung der DKP durch mehr Mitglieder und Einfluss bleibt bis heute aus.

Auch das verstärkte bei einigen Genossinnen und Genossen die Skepsis und die spätere Ablehnung, die Ergebnisse des langen Arbeitsprozesses (Programm und Statut) anzuerkennen und anzunehmen.

Konfliktreiche und die Partei schwächende Auseinandersetzungen eskalierten 1989/90 mit dem überaus zahlreichen Verlust von Mitgliedern.

In den Auseinandersetzungen mit der Fraktion um den Landboten (Kröll, Rosenberg, Brenner u.a.) verließen erneut Mitglieder die stark geschwächte DKP.

Der Streit, besonders um das DKP Parteiprogramm, konnte zwar 2006 mit einer überzeugenden Mehrheit von fast 80% der Delegiertenstimmen des Parteitages beendet werden, aber inhaltlich ging er weiter und eskalierte erneut.

Das 84er Papier von 2009 und die Zeitschrift ‚Theorie und Praxis‘ waren Grundlagen einer innerparteilichen Opposition, die als Strömung in der DKP für die Durchsetzung ihrer Position agierte. Mit dem 20. Parteitag setzte sich diese Position mehrheitlich durch. Infolge dessen verlor bis heute anhaltend die DKP erneut Mitglieder. Gerechnet vom höchsten Stand der öffentlich genannten Mitgliederzahl hat die DKP heute weniger als 10% davon.

Eine wesentliche Erkenntnis aus diesen Erfragungen ist, dass wir bis heute keine genügend entwickelte und in der Praxis funktionierende Kultur des Austragens von politischen Meinungsverschiedenheiten entwickelt haben, die politische und organisatorisch umsetzbare Lösungen zulässt.

In diesem Zusammenhang negiere ich bewusst die Tatsache, dass auch von außen aus unterschiedlichen Quellen in die DKP eingewirkt wurde und wird, um sie zu schwächen.

Politisch versuchten wir nach 1990, kommunistische Programmatik weiterzuentwickeln, indem wir gravierende Fehleinschätzungen benannten und korrigierten. Dazu gehörte die Behauptung, dass der Sozialismus sich unumkehrbar in Europa durchgesetzt habe, wir in der DDR einen entwickelten Sozialismus hätten und in der Sowjetunion die erste Stufe des Kommunismus aufgebaut würde.

Wir setzen uns kritisch mit der Behauptung auseinander, dass der Imperialismus jetzt vor allem auch ein sterbender Kapitalismus sei, der fast automatisch zur revolutionären Situation in überschaubarem Zeitraum führen würde. So in dieser Verabsolutierung war diese Meinung auch durch die Entwicklung der Produktivkräfte widerlegt.

Eine gründliche Analyse ergab die notwendige Differenzierung der Imperialismusanalyse bei Beachtung des ihm innewohnenden Entwicklungspotentials und die Beachtung des Zeitfaktors, wenn es um historische Prozesse geht.

Dazu gehört auch die jetzt faktisch belegte Erkenntnis der zeitweiligen Rückschläge und Niederlagen der revolutionären Bewegung, ohne daraus die historisch notwendige Zielstellung des Sozialismus zu ignorieren.

Wir arbeiten erneut die Geschichte der kommunistischen Bewegung in ihren gravierenden Fehlern auf, die bekanntlich zu Verbrechen führten, die maßloses Leid und politische Herausforderungen für unsere kommunistische Identität brachten. Die in der Stalinära begangenen Verbrechen aufzuarbeiten war ein wesentlicher Beitrag zur Zukunftsfähigkeit kommunistischer Politik.

Im Statut und Programm entwickelten wir aus den Erfahrungen die Kernelemente des demokratischen Zentralismus so weiter, dass innerparteiliche Demokratie eine Triebkraft zur Stärkung des Ansehens unserer Partei in der Öffentlichkeit und im Verständnis der Mitglieder der DKP als attraktive demokratische Kraft wirken konnte.

Die innerparteiliche Demokratie zu entwickeln heißt auch, Mechanismen zur Lösung von Meinungsstreit und Widersprüchen zu entwickeln und gleichzeitig zu sichern, dass die DKP eine handlungs- und durchsetzungsfähige politische Kraft ist. Das neue Verständnis haben der Parteivorstand, das Sekretariat, die Sprecherinnen und Sprecher und später die Vorsitzenden gelebt.

(Statut Zitat: Dazu gehören das Recht einzeln oder in Verbindung mit anderen Mitgliedern politische Positionen , Kritik und Vorschläge zu enzwickeln , in den Zusammen künften und Publikationen der Partei alternative politische Positionen zu vertreten und dafür in unserer Partei um demokratische Mehrheiten zu werben.)

Sehr oft waren wir herausgefordert von der innerparteilichen Opposition. Immer haben wir uns dafür entschieden, Gespräche zu führen, Positionen öffentlich nachvollziehbar darzulegen und keine Parteiordnungsmaßnahmen zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten zu nutzen. Ob das immer richtig war wird auch bezweifelt. Bei allem selbstkritischen Reflektieren dieser Zeit würde ich im Wesentlichen zu keinen anderen Erkenntnissen kommen, bleibe aber lernfähig und aufgeschlossen für überzeugende Argumente.

Insofern verlangt auch diese aktuelle Situation ein notwendiges Maß an Überlegungen, die Fähigkeit, die Probleme wahrzunehmen und Schlussfolgerungen zu ziehen, die letztendlich konstruktiv wirken können.

In der aktuellen innerparteilichen Kontroverse wird von den Sekretariatsmitgliedern und dem Vorsitzenden die Beschlussverbindlichkeit zur Beteiligung an den Bundestagswahlen durch eigene Kandidaturen in den Mittelpunkt gestellt.

Ich negiere bei der Betrachtung des Problems die Erfahrung mit der Position die Initiatoren und Organisatoren des 84er Papiers waren und erspare es uns, aufzurechnen, wann und wo gefasste Beschlüsse des Parteivorstandes bis 2013 nicht eingehalten bzw. nicht umgesetzt wurden. Alle Akteure kennen diese Erfahrungen und ich empfinde es daher als unter unserem Niveau, solche Aufrechnung zu machen.

Inhaltlich geht es jetzt um die wahltaktische Frage der Form des Eingreifens in diese Bundestagswahl 2017, speziell ob DKP Kandidaturen in dieser Situation hilfreich oder schädlich sind für die weitere Entwicklung der DKP.

Zugleich wird dieses Problem aber auch genutzt, um die Mitgliedschaft zu disziplinieren und die politisch motivierten Gegner der Eigenkandidatur zu „entlarven“, zu disziplinieren und zu bestrafen.

Allgemeine Erkenntnis sollte uns sein, dass jede Maßnahme auch immer im Verhältnis zu den politischen Herausforderungen und von den möglichen Ergebnissen des konkreten Handelns her betrachtet werden sollte.

So wie der Beschluss zur Kandidatur zustande kam, widerspricht er der notwendigen Diskussion der politischen Inhalte des Wahlkampfes, der politischen Ziele und der notwendigen Debatte über Personalien zur Kandidatur. Die Frage zur Wahlbeteiligung der DKP mit Eigenkandidaten wird im Verhältnis zum außerparlamentarischen Kampf völlig überhöht dargestellt.

Wir, die Kritiker der Beschlüsse, stellen die undemokratische Vorgehensweise zur Fassung und Durchsetzung des Beschlusses in Frage und halten die Herangehensweise für kontraproduktiv zur notwendigen Arbeit an den politischen Zielen dieses Wahlkampfes. Diese Ziele sind, gegen die Rechtsentwicklung breitest mögliche Bündnisse und Allianzen zu entwickeln, durch Aktionen von Bewegungen den Einzug der AfD in den Bundestag zu verhindern und zu sichern, dass vorhandene linke Politik im Bundestag, wenn möglich stärker als bisher, Wirkung erzielt.

Wenn der PV von seiner Mehrheitsmeinung die Mitgliedschaft ganzer Bezirke nicht überzeugen kann, wäre er gut beraten, sich selbstkritisch zu prüfen, ob die Argumente ausreichen bzw. warum sie nicht überzeugen. Auf keinen Fall kann die Haltung zu einer wahltaktischen Frage Kriterium sein für die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei. Beschlussverbindlichkeit ist natürlich kein Kadavergehorsam! Vielmehr kann sie nur durch einen geduldigen demokratischen Meinungsbildungsprozess erreicht werden. Wohin Kadavergehorsam leider auch führen kann zeigt mir das Beispiel des ehemaligen Bezirkssekretärs der DKP Ruhr – Westfalen Robert Farle, der heute stellvertretender Vorsitzender der AfD in Sachsen Anhalt ist. Farle war ein ausgewiesener Vertreter jener Spezies, die Inbegriff von dogmatischer sektiererischer Organisationspolitik sind.

Die Ausgrenzung von Mitgliedern oder gar die Androhung, zur Schaffung einer der PV-Mehrheit genehme Mehrheitsposition in einigen Bezirken schaffen zu wollen, ist mit der existenziellen Gefahr für die DKP als bundesweite Partei verbunden!

Eine Behauptung eines absoluten Anspruches auf Beschlussverbindlichkeit zur Haltung zu Wahlen kann auf keinen Fall die bisherige Vorgehensweise der PV-Mehrheit rechtfertigen! Auch die Haltung zu Beschlüssen ist von den jeweils zu lösenden Aufgaben, der Situation im Klassenkampf und der innerparteilichen Diskussionskultur abhängig. Ein irgendwie geartetes Dogma kann es in einer kommunistischen Partei nicht geben!

Der Irrglaube, dass es nach einer Säuberung der DKP zu einem Prozess der Stärkung und der Zunahme des Einflusses kommen wird, ist fatal. Genossinnen und Genossen, die solche Gedanken äußern, haben oft die existenzbedrohenden Auseinandersetzungen seit 1986 nicht miterlebt. Einige von ihnen waren zu dieser Zeit nicht in der DKP, andere waren ausgetreten oder hatten sich in eine Warteposition verabschiedet.

Die Erfahrung von Programm- und Statutdebatten fehlen ihnen, und manchmal wird kurzschlüssig ein erfolgreiches Anknüpfen an das Mannheimer Parteiprogramm als die Lösung der Zukunftsaufgaben gesehen.

All das empfinde ich als tragisch, und ich frage mich, was wir versäumt haben, die Erkenntnisse aus jahrelangen, oft quälenden Diskussionen zu vermitteln. Mir liegt in diesem Zusammenhang besonders die junge Generation am Herzen, und ich vermute, da nicht wenige von ihnen Anhänger einer zugespitzten Form der Auseinandersetzung mit uns sind, dass sie insbesondere viel ‚Lehrgeld‘ bezahlen müssen oder auch scheitern werden, wenn es darum geht, lebenslang für den Sozialismus zu streiten.

Oft denke ich, dass einige von ihnen die Auseinandersetzungsformen dieser Gesellschaft sehr stark verinnerlicht haben und sich dementsprechend in der DKP verhalten. Das ist sehr schade. Ich gestehe: ich fühle mich oft hilflos, diese Situation zu ändern.

Sind Lösungsansätze möglich?

Zurzeit empfinde ich die vorherrschend konfrontative Form der Parteiauseinandersetzung als bestimmend. Es ist aus der Sicht einiger PV- Mitglieder eine Option Parteiordnungsverfahren gegen Unterstützer des Netzwerkes und zur Auflösung bisheriger Bezirksorganisationen durchzusetzen. Die Folgen wären katastrophal, von einer möglichen Spaltung, dem Austritt weiterer Mitglieder, die Beendigung der Tätigkeit einiger Gliederungen vor Ort oder in der Region. Eine mögliche Spaltung der DKP wäre in dieser Zeit kein Signal für einen erfolgreichen Neustart, was einige vorschnell meinen. Es kann in dieser Situation helfen die Erfahrungen vieler Parteien die vor ähnlichen Situationen standen nachzuvollziehen. Ich kenne seit 1990 keine positive Entwicklung nach einer Spaltung.

Von der Parteiführung gibt es für mich keine wahrnehmbare, aber dennoch objektiv notwendige Initiativen zur Deeskalation und zur Erarbeitung von Gemeinsamkeiten. Das Organisieren von Diskussionsveranstaltungen bundesweit ist nur begrenzt geeignet, einen einheitlichen Diskurs zu fördern.

Eine Möglichkeit wäre, Diskussionsforen in den Regionen durchzuführen, mit der Intention, mehrere Positionen gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen. In der Vergangenheit vor dem 20. Parteitag haben wir diese Form oder als Hearings mehrfach vor Parteitagen praktiziert.

Eine andere Form ist die Darstellung unterschiedlicher Positionen zu einem Themenkomplex in einer Materialsammlung, die es jedem ermöglichen, Positionen authentisch nachzulesen. Auch das haben wir vor 2013 praktiziert. (z. B. der Reader „debatte“ vom November 2009 mit 33 Beiträgen unterschiedlicher Positionen).

Vorladungen zu Gesprächen mit dem Sekretariat zur Übermittlung von Beschlüssen werden keinen Erfolg haben. Sie sind lediglich Scheinargumentation zur Rechtfertigung bereits gedachter administrativer Maßnahmen.

Der Umgang mit Genossinnen und Genossen, die die jetzige PV-Mehrheit kritisieren, ist oft unsolidarisch, ehrabschneidend und zerstörend. Auch das war der Grund, warum nicht wenige profilierte Genossinnen und Genossen die Partei verlassen haben.

Die Kennzeichnung als Fraktion, die hier und da geäußerte Aufforderung, endlich die Partei zu verlassen, vergiftet das Klima nachhaltig. Die politische Kritik muss zur Kenntnis genommen und bearbeitet werden.

Patrik Köbele und andere Genossinnen und Genossen der Parteivorstandsmehrheit wiederholten in den letzten 20 Jahren oft, dass es bei dem Meinungsstreit um zentrale Politikfelder geht. Benannt wurden:

  • die Analyse des Imperialismus in der aktuellen Situation
  • die Schlussfolgerung aus der Niederlage des Sozialismus in Europa und aus der Geschichte der kommunistischen Bewegung, vor allem in der Stalinzeit
  • die Haltung zu den Gewerkschaften, die Aktionseinheits- und Bündnispolitik der DKP
  • die Rolle der DKP in den aktuellen politischen Kämpfen und ihre Aufgaben in Bewegungen und Bündnissen
  • Fragen der Etappenziele auf dem Weg zu revolutionären Veränderungen. Reform und Revolution in ihrer Einheit und in ihrem dialektischen Wechselverhältnis
  • die Haltung zur EU und EL sind Ausdruck von tiefen Meinungsverschiedenheiten zu Strategie und Taktik der kommunistischen und linksrevolutionären Bewegung international und national.

Die Darstellung der Konfliktfelder teile ich. Allerdings sind mit dem Programm von 2006 und dem gültigen Statut auch Schlussfolgerungen zu diesen Problemfeldern benannt, die aus meiner Sicht nachvollziehbar sind.

In letzter Zeit werden von Vertretern der PV-Mehrheit zunehmend Veränderungen des Programms im Sinne ihrer politischen Sichtweise gefordert. Artikel in jüngster Zeit von dem ehemaligen Leiter der KL-Schule, Jürgen Loyd, von Michael Groß, von 4 Genossinnen und Genossen um Michael Beltz aus Hessen und anderen unterstreichen dies. Der Genosse Spanidis sagte auf dem letzten Parteitag: „Die DKP hat sich seit 2006 weiterentwickelt und es ist Sache des Parteitages, diese Entwicklung auch entsprechend inhaltlich festzuhalten und perspektivisch auch problematische Passagen im Programm zu ändern“.

Im Schlusswort der BMV Baden – Württemberg verwies der Bezirksvorsitzende Björn Blach auf einen neuen Abschnitt der DKP. Die Partei müsse wieder dahin gebracht werden, wo sie hingehört, an die Spitze der Arbeiterklasse... trotz aller Meinungsunterschiede müsse die Partei einheitlich handeln, um dies zu gewährleisten, müsse der demokratische Zentralismus konsequent praktiziert werden...

Dieser Herausforderung muss sich die Mitgliedschaft der DKP stellen, was es bedeuten würde, wenn sich solche Positionen eines aus meiner Sicht dogmatischen und sektiererischen Politikverständnisses in Programm und Statut durchsetzen.

Angesichts dieser Herausforderung möchte ich bei meiner aktuellen Position bleiben. Noch gibt es Wege und Möglichkeiten, die DKP als bundesweite politische Kraft mit einer gewissen politischen Bedeutung zu erhalten. Stellen wir uns dieser Herausforderung jetzt!

Die politische Situation verlangt kommunistische Politik und Organisation

Der Erhalt der DKP ist nicht vorwiegend ein Problem innerparteilicher Präferenzen. Es ist eine umfassende Herausforderung zu politisch verantwortlichem Umgang mit der gesamtpolitischen Situation in dieser Welt! Unter dem ist unsere Verantwortung aus meiner Sicht nicht möglich!

Warum? Die Bundesrepublik Deutschland ist objektiv einer der politisch und ökonomisch stärksten Nationen und bestimmt daher maßgeblich die Verhältnisse in der derzeitigen Weltlage mit.

Das gilt für die komplexen Herausforderungen wie Krieg und Frieden, die soziale und demokratische Verfasstheit, unter der Menschen leben, der ökologischen und allgemeinen Lebensbedingungen wie Freiheit, Recht und Gleichberechtigung.

Wenn das so ist, dann haben wir mit unserem politischen Wirken nicht nur eine große Verantwortung gegenüber der Bevölkerung der BRD, sondern auch und vor allem gegenüber jenen Völkern, in denen der Großteil der Bevölkerung unter unwürdigen inhumanen Bedingungen existieren muss. Diese vom transnationalen Großkapital und seinen Interessen geprägte Weltordnung ist auch eine Herausforderung für unser Engagement vor Ort. Die DKP und vorher die KPD haben dazu beigetragen, die atomare Aufrüstung in Deutschland zu verhindern, den Kalten Krieg nicht in einen heißen Krieg in Europa zu eskalieren, den Alt- und Neonazis den Weg zu mehr Macht zu versperren, die sozialen und demokratischen Bedingungen im Lande für kapitalistische Verhältnisse günstiger als in vergleichbaren Ländern zu gestalten.

Die Existenz der sozialistischen Staaten, besonders der DDR, war in dieser Beziehung mitentscheidend für die Arbeits- und Lebensverhältnisse. Die Wirkung kommunistischer marxistischer linker Politik war umfassender, als es Mitgliederzahlen und Wahlergebnisse zum Ausdruck bringen

Eine kommunistische Kraft bleibt auch deshalb unverzichtbar, weil sie neben anderen Trägern einer Zukunftsvision von einer anderen Weltordnung ist, in der Ausbeutung, Rassismus, Kriege, ökologischer Raubbau, Ungerechtigkeit und Unterdrückung schrittweise überwunden werden kann.

Wir verteidigen ein großes Erbe vieler Generationen oft heldenhaft kämpfender Genossinnen und Genosse und vieler Intellektueller, die hervorragende Leistungen in Kunst und Kultur geschaffen haben.

Schwer wiegt die Verantwortung, dem antifaschistischen Erbe gerecht zu werden. Tausende mussten ihr Leben lassen zehntausende wurden verfolgt. Hätte es diesen Widerstand nicht gegeben, so wäre die deutsche Identität noch belasteter durch den Völkermord und die unvergleichlichen Verbrechen, die weltweit begangen wurden.

Unter diesen Gesichtspunkten muss die persönliche Befindlichkeit zurücktreten, ohne die politischen Fehlentwicklungen in der DKP auch nur im Ansatz gutzuheißen. Im Gegenteil, durch den öffentlich, aber fair ausgetragenen Meinungsstreit lassen sich politische Fehlentwicklungen in einem Prozess korrigieren.

Das verlangt Einsicht und Geduld, aber auch zielorientiertes Agieren.

Zurzeit laufen alle erkennbaren Initiativen der PV-Mehrheit auf eine Zuspitzung der Konfrontation heraus. Um das zu ändern, sollte alle Mitglieder und Gliederungen der DKP sich einschalten und positionieren.

Der Offene Brief von etwa 250 Mitgliedern bietet eine gute Grundlage zu einer Umkehr der Politik der PV-Mehrheit.

Ähnlich, wie in der Thesendiskussion das damalige Sekretariat den Standpunkt vertrat, dieses Dokument nicht auf dem Parteitag zu verabschieden, da Teile der DKP-Mitgliedschaft sich ausgegrenzt fühlen würden, muss die jetzige PV-Mehrheit ihre politischen Ambitionen zur Veränderung der DKP aus vor dem Hintergrund der Existenzgefährdung der Partei beachten und danach handeln. Es ist ein offener, demokratischer Dialog von Vertreterinnen und Vertretern aller Meinungsstränge in der DKP-Mitgliedschaft nötig, um in einem Prozess zu gemeinsamen, realisierbaren Lösungen zu gelangen.

Die UZ muss diese Debatte auch widerspiegeln, ohne ihre Hauptaufgabe der politischen Orientierung und der Darstellung kommunistischer Positionen zu vernachlässigen. Wenn viele Akteure in der Auseinandersetzung behaupten, auf der Grundlage des gültigen Programms und Statuts zu handeln, dann sollten wir diese Übereinstimmung als Grundlage für weitere Debatten gemeinsam bekräftigen und auf dieser Grundlage auch über notwendige Akzente kommunistischer Politik zu Herausforderungen dieser Zeit diskutieren. Wir befinden uns in einer Zeit neuer Herausforderungen durch Kriegsgefahren, ökonomisch und ökologisch dramatischer Entwicklungen und vor einer neuen auch übernationalen Entwicklung zu mehr Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Neofaschismus.

Der auch von einigen in der PV-Mehrheit angedachte Weg zu ausgrenzenden Beschlüssen und Parteiordnungsverfahren wird, wenn wir nicht umkehren, die Existenz der DKP als Partei in dieser Republik gefährden. Es hängt von uns ab, was wird!

Wenn wir zunächst in der Lage wären, unser eigenes Wirken kritisch zu reflektieren und Veränderungen des Umgangs miteinander in der Praxis zu leben, könnte noch eine Voraussetzung für konstruktives Zusammenwirken in der Zukunft geschafft werden.

Heinz Stehr