Griechenland vor der Wahl

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09.09.2015: 19 Parteien und fünf Wahlbündnisse haben sich beim Höchstgericht Areopag für eine Teilnahme am Urnengang beworben. * SYRIZA hat eine Analyse der Rahmenbedingungen der Wahl und der Herausforderungen für eine neue Linksregierung veröffentlicht * Am Sonntagabend stellte Tsipras in Thessaloniki sein neues Wahlprogramm vor. * In den Meinungsumfragen hat SYRIZA schwer verloren und die konservative Nea Dimokratia (ND) liegt nahezu gleich auf. * Die Pressekonferenz der Volkseinheit begann mit einer Botschaft des legendären Widerstandskämpfers Manolis Glezos. * Yanis Varoufakis lehnt eine Kandidatur als "fruchtlos" ab. Er konzentriert sich auf den Aufbau eines europäischen Netzwerks für den Kampf gegen die Austerität, denn "wenn es keine europäische Bewegung für die Demokratisierung der Euro-Zone gibt, dann wird kein Volk Europas bessere Tage sehen".


Am 20. September wird das griechische Parlament gewählt. Insgesamt treten 19 Parteien bzw. Wahlbündnisse an – fünf weniger als bei den Wahlen am 25. Januar. Als einzige neue Partei kandidiert die Volkseinheit, die sich kürzlich von SYRIZA abgespalten hat. Wer nach der Wahl die Regierungsgeschäfte übernehmen wird, das steht noch in den Sternen. Der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras wünscht sich noch immer eine "absolute Mehrheit“, um eine Linksregierung zu formieren, die versuchen wird, unter dem Zwang der Vereinbarung mit den 'Institutionen', ein linkes Programm umzusetzen. So eine  Mehrheit wird den Meinungsumfragen zufolge höchstwahrscheinlich nicht zustande kommen. Die beiden größten Parteien, SYRIZA und die konservative Nea Dimokratia (ND), liegen demnach nahezu gleich auf.

Das Meinungsforschungsinstitut Kapa Research kam in der Sonntagszeitung 'To Vima' zum Schluss, dass das Linksbündnis mit 0,6 Prozentpunkten vorn liegt. Demnach würde SYRIZA 26,5 % der Stimmen erhalten und die ND 25,9 %. Es folgen die faschistische Chryssi Aygi mit 6,5 %, die sozialdemokratische PASOK, die sich mit der linken Dimar vereint hat, mit 5,8 %, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) mit 5,3 %, die liberale To Potami mit 5,1%, die Volkseinheit (LAE) mit 4,7 % und die Zentrumsunion mit 3,5 %. Die rechtspopulistische ANEL steht bei 3 %. Damit ist ihr Einzug ins Parlament weiterhin ungewiss.

Nahezu 15 % sind sich noch unschlüssig, wen sie wählen werden. Vermutet wird, dass es sich dabei zu einem großen Teil um unentschlossene SYRIZA-WählerInnen handelt. (SYRIZA und die Volkseinheit erreichen zusammen deutlich weniger als SYRIZA bei der Wahl im Januar mit 36,34 %.)Die Spaltung von SYRIZA stellt sie vor das Dilemma sich zwischen SYRIZA und der Volkseinheit entscheiden zu müssen.

Tsipras: Absage an Koalition mit den Parteien der vorhergehenden Regierungen

Der ND-Vorsitzende Evangelos Meimarakis rief bereits zu einer großen Koalition mit SYRIZA auf, "um Griechenland zu retten“. Tsipras schloss eine solche Regierungskonstellation wie auch eine Koalitionsregierung der 'nationalen Einheit' mit den Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen, die vor allem von der EU favorisiert wird, abermals kategorisch aus. Die ND, so warnte er, werde "alle Sünden der Vergangenheit“ mitbringen. „Ich werde nicht kooperieren mit den Parteien der vorhergehenden Regierungen“, sagte er. „Wir werden nicht kooperieren mit dem alten System. Wir werden nicht diejenigen über das Fenster zurückbringen, die das Volk am 25. Januar durch die Tür hinausgeworfen hat“.

Vorstellbar, so Tsipras, sei höchstens eine Koalition mit kleineren Parteien. Bisher stand SYRIZA auf dem Standpunkt, im Bedarfsfall höchstens mit der rechtspopulistischen ANEL eine Regierung zu bilden, was bereits nach dem 25. Januar der Fall war. Für den Fall, dass man beim jetzigen Urnengang auch gemeinsam mit der ANEL keine regierungsfähige Mehrheit erzielen sollte, deutete Tsipras während einer Pressekonferenz in Thessaloniki am Montag indirekt an, dass man auch mit anderen kleineren Parteien koalieren werde.

"bewusst werden, revoltieren, handeln"

Der Wahlkampf ist von relativ kurzer Dauer, doch er gewinnt in diesen Tagen zusehends an Intensität. In einer Rede am Freitag im zentralgriechischen Livadeia rief Tsipras die Bevölkerung auf, sich der Situation "bewusst zu werden, zu revoltieren und zu handeln". Das Ziel von SYRIZA sei, ein Vier-Jahres-Regierungsprogramm umzusetzen, mit dem sich Griechenland vom Neoliberalismus und von der Austerität freimacht und eine radikal-demokratische Transformation des Staates initiiert, Lösungen zur Linderung der Effekte der Vereinbarung findet und eine Politik zur Unterstützung der Mehrheit und zur Veränderung des Kräfteverhältnisses zugunsten der Arbeit realisiert.

 


"Wir waren mit folgendem Dilemma konfrontiert: Entweder wir unterzeichnen eine Vereinbarung die verbessert bezüglich des institutionellen Rahmens und der finanziellen Mittel (86 Mrd. für drei Jahre anstatt 5 Mrd. für 5 Monate) und schwierig - um es milde zu sagen – hinsichtlich der Maßnahmen war, oder wir führen das Land in einen ungeordneten Bankrott mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die Zukunft  ..  und damit in eine akute soziale und politische Krise die höchstwahrscheinlich zu einem Zusammenbruch der Regierung und einer humanitären Krise führen würde. Das Dilemma vor dem wir standen war nicht Memorandum oder Drachme, sondern Memorandum entweder mit dem Euro oder der Drachme (das war Schäubles Vorschlag) oder ungeordneter Bankrott.
Wir hatten also zu wählen, entweder einen taktischen Rückzug anzutreten, um die Hoffnung auf die Überlegenheit in einer asymetrischen Schlacht aufrechtzuerhalten oder die Linke mit dem historischen Fehler zu belasten, eine soziale Wüste aus dem Land gemacht zu haben. Wir tragen unseren Teil der Verantwortung und wählten das Erste."

(THE LEFT GOVERNMENT UNDER NEW CONDITIONS)

 



SYRIZA geht davon aus, dass die Gläubiger mit einer beispiellosen Erpressung zwar ein strenges Austeritätsprogramm aufgezwungen haben, dass jedoch die Umsetzung dieses Programms von den weiteren Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern abhängen wird und ein weites Feld für politische und soziale Kämpfe zur Verteidigung der Rechte der ArbeiterInnen, der Selbstständigen und des öffentlichen Eigentums eröffnet wird. (siehe Anlage: THE LEFT GOVERNMENT UNDER NEW CONDITIONS)

Georgios Katrougalos, Arbeitsminister der SYRIZA-Regierung, antwortet auf die Frage nach den verbleibenden Möglichkeiten für eigenes politisches Handeln und die Perspektiven der weiteren Auseinandersetzung mit dem neoliberalen EU-Kurs:

 

"Das ist die ganze Herausforderung dieser Periode. Die Situation ist viel komplizierter als vorher, da gibt es keinen Zweifel, denn wir haben die neuen Zwänge aus dem Memorandum. Aber man muss eine Sache sehen: die Formulierung des Abkommens eröffnet noch Verhandlungsspielräume in der Anwendungsphase. Ich bin daher der Meinung, dass die Verwirklichung dieses Abkommens ein Feld des Kampfes sein wird, wie es die Verhandlung gewesen war.

Um Ihnen ein Beispiel zu geben: in meinem Minister-Portefeuille sind die großen Fragen des Arbeitsrechts und des Schutzes der Arbeitenden, und die Verpflichtung, die wir (im Abkommen, Anm.) übernommen haben, ist es, Gesetze zu erlassen, um in Griechenland „die besten europäischen Praktiken“ einzuführen. Für uns sind die „besten europäischen Praktiken“ die des europäischen Sozialmodells. Das ist nicht revolutionär, aber es geht darum, sich auf den sozialen Dialog, auf Tarifverhandlungen zu stützen usw. Für sie, mindestens für den Internationalen Währungsfonds (IWF) bedeutet die „besten europäischen Praktiken“ die jüngste Welle der Deregulierung wie das Macron-Gesetz in Frankreich.

Unter diesen Bedingungen ist es unsere Strategie, die europäische Dimension dessen sichtbar zu machen, was sich heute in Griechenland abspielt. Wir verlangen heute, dass das Europäische Parlament mit der Überwachung der Umsetzung des Memorandums betraut werden soll. Auf meinem Gebiet verlange ich von der Kommission „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“, die Verhandlungen über die Arbeit und über die Renten zu überwachen."
(Anlage: Interview_Georgios Katrougalos_neoliberale Massnahmen neutralisieren)

Voraussetzung für diese Politik ist die Bildung einer Linksregierung nach dem 20. September. Eine mögliche Rückkehr der bürgerlichen Parteien in die Regierung würde die mit dem Wahlsieg vom 25. Januar eröffneten Perspektiven beenden. Allerdings sieht SYRIZA auch Gefahren: "Das bedeute jedoch auf keinen Fall, dass der erforderliche Wahlsieg am 20. September nicht auch Risiken mit sich bringt: Das Risiko der politischen Umwandlung der Partei unter dem Druck und den Beschränkungen durch das neue Memorandum, die Erosion der Partei und das Abschneiden von den arbeitenden und popularen Schichten, die Umwandlung in einen sanften Verwalter des Neoliberalismus des Memorandums." (THE LEFT GOVERNMENT UNDER NEW CONDITIONS, Anlage)

Tsipras stellt Wahlprogramm vor

Am Sonntagabend hat Alexis Tsipras im Rahmen der 80. Internationalen Messe von Thessaloniki in einer Rede die Ergebnisse seiner Regierungsarbeit dargelegt und das neue Wahlprogramm vorgestellt. Er wählte den selben Ort, an dem er vor einem Jahr das 'Thessaloniki Programm' bekanntgemacht hatte, das mit seinen Versprechungen zur Erhöhung der Sozialausgaben und der staatlichen Investitionen, des Bruchs mit den Memoranden und der Rücknahme der Austeritätsmaßnahmen, der Demokratisierung des Staates zu einem erheblichen Teil zum Wahlsieg am 25. Januar beigetragen hatte.

Jetzt verwies er auf die Ergebnisse seiner Regierung: Maßnahmen gegen die munitäre Krise, Wiedereröffnung des öffentlichen Rundfunk- und TV-Senders ERT, Wiedereinstellungen von Entlassenen im öffentlichen Dienst, Erhebung von Lizenzgebühren für private Medien - all dies unter den Bedingungen starken Drucks und Erpressung durch die Troika.

Die Regierung habe Fehler gemacht, und die Vereinbarung mit den Gläubigern beinhalte schwere Belastungen. Aber sie sei das Beste, was unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen in Europa zu erreichen gewesen sei. "Oder gibt es einen Griechen, der glaubt, dass Meimarakis mit seiner 'JA zu Allem Strategie' ein besseres Ergebnis zustande gebracht hätte", fragte er. Die Absicherung des Finanzierungsbedarfs in Höhe von 83 Milliarden Euro habe der Grexit-Debatte ein für alle mal ein Ende bereitet, so Tsipras. Die reduzierten Ziele für den zu erzielenden Primärüberschuss würden sich in den nächsten vier Jahren auf 20 Mrd. Euro belaufen, und so Möglichkeiten zur Milderung der Austerität eröffnen. Der 50 Mrd. Fonds für öffentliches Eigentum würde entgegen den Forderungen von Schäuble in Griechenland bleiben; die Herausforderung sei jetzt, das Vermögen so zu nutzen, dass Privatisierungen vermieden werden können. "Europa ist nach diesen harten Verhandlungen und der Vereinbarung nicht mehr dasselbe. Zum ersten Mal in der Geschichte des modernen Europa wurde das Dogma der Austerität in Frage gestellt", sagte er.

Er rief die Bevölkerung Griechenlands auf, den am 25. Januar begonnen Kampf für Gerechtigkeit fortzusetzen.

Was das neue Wahlprogramm seiner Partei betrifft, so besteht es aus drei Eckpfeilern. Der erste betrifft die Wiederherstellung der Liquidität des Staates. Um das zu erreichen soll u. a. das Bankensystem refinanziert werden, eine neue Investitionsbank gegründet und ein neues Investitionsförderprogramm in die Wege geleitet werden. Außerdem sollen Investitionsmittel der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank aktiviert werden. Zudem versprach Tsipras, die Landwirtschaft zu stärken, landwirtschaftliche Kooperativen zu fördern und das Einkommen der Landwirte zu schützen.

Als zweiten Hauptpfeiler seines neuen Programms hat Tsipras den Ausbau des Sozialstaates ins Auge gefasst. Hierbei gehe es vor allem um die Bekämpfung der humanitären Krise. Aufgewertet werden soll das System der Gesundheitsbetreuung und der sozialen Absicherung. Zudem soll die Arbeitslosigkeit durch entschlossene Maßnahmen spürbar gesenkt werden. Im kommenden Jahr sollen mindestens 150.000 Arbeitslose einen bezahlten Job finden.

Der dritte Pfeiler einer künftigen Regierungspolitik ist für SYRIZA die radikale Umwandlung und Demokratisierung des Staates. Vor allem sollen einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, um die Steuerhinterziehung entschieden zu bekämpfen.

Lafazanis: Drachme wäre keine Katastrophe für Griechenland

Die SprecherInnen der Volkseinheit nutzen ebenfalls die Messe in Thessalonik zur Vorstellung ihres Programms. Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis und die kämpferische Ex-Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou saßen Seite an Seite bei der Pressekonferenz, die mit einer Botschaft des legendären Widerstandskämpfers Manolis Glezos eröffnet wurde. Manolis Glezos rief das griechische Volk auf, "die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen". Lafanzanis sagte, SYRIZA habe sich "demütigend ergeben". Tsipras habe alle "fundamentalen programmatischen Verpflichtungen von SYRIZA" aufgegeben und eine Schuldenvereinbarung akzeptiert, die eine zerstörerische Politik, einschließlich der Kürzung von Löhnen und Renten, zur Folge hat und der griechischen Wirtschaft den Todesstoß versetzen wird". Griechenland könne keine weiteren Memoranden ertragen, die das Land in eine "Kolonie und in ein Protektorat" verwandeln.

Er unterstrich, dass die Rückkehr zu einer nationalen Währung keine Katastrophe bedeuten würde. "Wenn es notwendig zur Durchsetzung unseres Programms ist, dann werden wir nicht zögern, die Euro-Zone zu verlassen und wieder eine nationale Währung einzuführen. Eine nationale Währung eröffnet die Aussicht auf die Steigerung unserer Exporte, stellt Liquidität für die Wirtschaft zur Verfügung und führt zu einer wesentlichen Wiederbelebung der Produktion", sagte er. Länder wie Schweden, Dänemark oder Polen hätten keine Kalamitäten, weil sie nicht der Eurozone angehören würden, meinte er und setzte hinzu, dass die Alternative einer nationalen Währung von Beginn an auf den Verhandlungstisch hätte gelegt werden müssen.

Die Volkseinheit sei jedoch keine 'Drachme-Partei'. "Unsere Partei hat ein integrales Programm und eine progressive Lösung, um das Land aus der Krise zu führen. Es gibt keine Weiterentwicklung mit den Austeritätsmaßnahmen", sagte er. Priorität für die Volkseinheit habe die Wiederherstellung der Löhne und Renten auf den Stand von vor 2010, die Nationalisierung der Banken und privaten Monopole sowie die Förderung einer dezentralisierten Wirtschaft, geleitet von Gewerkschaften, Arbeiterräten, Kooperativen und Kommunen.

In einem Interview erklärt das Führungsmitglied der Volkseinheit Stathis Kouvelakis, dass einer der Schlüsselpunkte die Nationalisierung der vier Systembanken sei. "Das ist sehr einfach und das war ein Hauptelement des Syriza-Programms. In drei von vier Banken hat die öffentliche Hand heute schon die Mehrheit", sagt er. und weiter: "Wir sind auch für die Rückkehr der wesentlichen Infrastrukturen des Landes in die öffentliche Sphäre; das ist der Fall der Elektrizitätsnetze, der Häfen, der Telekommunikationsanlagen."
Eine  "strategische Entscheidung" sei, dass die Volkseinheit, die "Beziehungen mit den fortschrittlichen Regierungen der Länder des Südens entwickeln, ganz besonders in Südamerika, aber auch mit den Mächten von BRICS" entwickeln wolle.

Über die Gründe für die Abspaltung von SYRIZA und die Gründung der Volkseinheit sagt er:

"Das war die Unterzeichnung des Abkommens vom 13. Juli. Der Bruch war schon vorher sichtbar, als innerhalb von einigen Tagen das „Nein“ des Referendums in ein „Ja“ umgewandelt worden ist und die griechische Regierung zu den Verhandlungen in Brüssel mit einem Mandat ging, das faktisch die Akzeptierung des Austeritäts-Rahmens bedeutete. Aber es war die Unterzeichnung des Abkommens durch Alexis Tsipras, was den Prozess eröffnete, der zur Spaltung von Syriza führte – man müsste eher von einem Zerfall von Syriza sprechen.
Es gab dann die zwei Abstimmungen im Parlament über die zwei dem Abkommen vorhergehenden Maßnahmenpakete, danach die über das Memorandum, die den Bruch besiegelte. Die Regierung Tsipras hat das Memorandum unterzeichnet, ohne jemals, zu keinem Zeitpunkt, die Zustimmung irgendeiner Instanz von Syriza zu erhalten. Alexis Tsipras kann sich nicht auf einen einzigen Text, einen einzigen Beschluss berufen, die ihn ermächtigen, das zu tun, was er getan hat. Im Gegenteil, bei den wenigen Malen, wo sich das Zentralkomitee versammelt hat, seitdem Syriza an der Macht war, hat es Beschlüsse gefasst, die alle in die gleiche Richtung gingen: auf keinen Fall werden wir ein Memorandum unterzeichnen. „Alles, nur das nicht“.
Und geschehen ist genau das, was im Prinzip total ausgeschlossen war. So sehr die Koexistenz von Strömungen mit Meinungsverschiedenheiten, auch über die Frage des Euro, innerhalb ein und derselben Partei möglich war, solange das zentrale Ziel der Abkehr von den Memoranden beibehalten wurde, so sehr war die Koexistenz von Anhängern eines Memorandums und von Gegnern desselben in der gleichen Partei nicht möglich. Als Alexis Tsipras beschlossen hat, ein Memorandum zu akzeptieren, fasste er im gleichen Zug den Beschluss, seine Partei aufzulösen."
(siehe Anlage: Interview_Stathis Kouvelakis_Volkseinheit)


Varoufakis: Demokratisierung der Euro-Zone

Für Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis sind die Wahlkampagne und die Wahl "betrüblich und fruchtlos". Er kandidiert nicht, weil die "Partei und dem Parteiführer, denen ich diente, entschieden haben, den Kurs komplett zu verändern und für eine uns aufgezwungene Wirtschaftspolitik einzutreten, die absolut keinen Sinn macht", sagte er.

Mit der Volkseinheit verbinde ihn "viele Gemeinsamkeiten und Sympathien. Ich mag sie, und ich glaube, sie mögen mich. Aber ich glaube, unter politischen Gesichtspunkten sind wir zu weit auseinander", sagte er in einem Interview mit der Zeitung 'Die Welt'. Die wichtigste Differenz sei Griechenlands Verbleib im Euro. "Für sie ist der Rückkehr zur Drachme eine Frage der Ideologie. Sie sind Sozialisten, und damit sympathisiere ich", sagte er. "Aber die Drachme hatten wir schon, und damals war Griechenland auch kein sozialistisches Land", setzte er hinzu. Er halte es für "besser, im Euro zu bleiben, wenn auch nicht um jeden Preis. Aber ich bin ganz sicher nicht dafür, um jeden Preis zur Drachme zurückzukehren. Währungen sind kein Selbstzweck."

Er glaube nicht, dass das neue Parlament eine Mehrheit für ein rationales und progressives Wirtschaftsprogramm hervorbringen werde. Varoufakis: "Anstatt mich in einer Wahlkampagne zu engagieren, die meiner Meinung nach betrüblich und fruchtlos ist, möchte ich politisch aktiv sein – möglicherweise aktiver als bisher – und zwar auf europäischer Ebene, und versuchen ein europäischen Netzwerk gegen die Austerität aufzubauen." Varoufakis betont, dass man das Problem der Verschuldung und der Austerität als europäisches Problem sehen müsse. "Wenn es keine europäische Bewegung für die Demokratisierung der Euro-Zone gibt, dann wird kein Volk Europas bessere Tage sehen. Was bleibt, ist eine fundamentale Schlacht zu kämpfen."

Für Varoufakis funktioniert das Modell der nationalen Parteien, die "Allianzen innerhalb Europas bilden, die wie ein Block in ihrem eigenen Interesse operieren" nicht mehr. Varoufakis: "Ich denke, wir sollten versuchen, ein europäisches Netzwerk aufzubauen, das sich zu einer pan-europäischen Partei entwickeln kann", sagte Varoufakis in seiner Rede bei der 'Fête de la rose de Frangy-en-Bresse' (Anlage: Varoufakis_Rede_frangy-2-23-aug-2015)

Dimitris Koutsoumbas: KKE und Volkseinheit sind wie "Tag und Nacht"

Für die KKE besteht das Wahlkampfziel in einer Stärkung der Partei. Auf die Frage des TV-Senders SKAI TV, ob die KKE anpeile, drittstärkste Parlamentsfraktion zu werden, sagte Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas, dass die KKE keine numerischen Ziele habe, setze aber dann hinzu: "Warum nicht. Wir haben das Potential dazu." In Bezug auf die Volkseinheit und die Differenzen zur KKE meinte er, dass sich diese beiden Parteien wie "Tag und Nacht" unterscheiden würden.

Seine Partei halte auch die von SYRIZA abgespaltene Volkseinheit für einen Betrugsversuch im Dienst des Kapitals, der entschieden bekämpft werden müsse. Das von der Volkseinheit befürwortete Ausscheiden aus dem Euro und die Wiedereinführung der Drachme als nationale Währung hebe einen „falschen Gegensatz“ von Euro oder Drachme hervor, der lediglich darauf abziele, vor dem Volk zu vertuschen, dass die Grundfragen der Kurs und die Macht des Kapitals  sowie die Teilnahme an der EU und am imperialistischen System seien. "Syriza Marke II“ sei nicht besser als "Syriza I“. Nur die KKE könne die Hoffnungen des griechischen Volkes verkörpern, weil sie als einzige Kraft eine "realistische Alternative“ zeige, nämlich die "Loslösung von der EU und NATO, die einseitige Annullierung der Verschuldung und die Vergesellschaftung des Reichtums des Landes mit dem Volk, das die Zügel der Macht übernimmt". (siehe auch: „Syriza II“ und der neuerliche Versuch der Täuschung des Volkes")

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Frankreich

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