Falsch zitiert - die heute-show lässt grüßen

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28.02.2015: In der heute-show vom 6.2.15 wurde eine junge Frau mit rot gefärbtem Haar gezeigt, die diese Satz sagte:

"Ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist und deswegen wähle ich jetzt die AfD. Ich sag immer, das ist die NPD in freundlich."

Diese Frau ist Marlena Schiewer, Mitglied der Linken und im Kreisverband Görlitz aktiv, eine, die sich gegen Rassismus engagiert - und jetzt als NPD-Wählerin und AfD-Sympathisantin gezeigt wurde.  Die heute-show hat einfach falsch zitiert, den einleitenden Satz weggelassen und Schiewer damit zur Rechtsextremen gemacht. Der gesamte Text lautete:

"Hier auf dem Dorf gibt es ziemlich viele Leute, die rechter Meinung sind und die einfach sagen, ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist und deswegen wähle ich jetzt die AfD. Ich sag immer, das ist die NPD in freundlich."

Probleme mit dem richtige zitieren hatte auch Patrik Köbele auf der theoretischen Konferenz der DKP. Mit einem Zitat aus einem Referat von Walter Listl wollte er beweisen, „dass dies eine Orientierung nach dem Motto „Der Weg ist alles, das Ziel ist Nichts“ darstellt und die hat schon immer revolutionäre Organisationen zerstört“.

 

Und dies sollte der Beleg dafür sein (Referat Patrik Köbele auf der Konferenz der DKP vom 21.02.2015):

Demgegenüber lese ich im von Uwe Fritsch eingereichten Alternativpapier „Positionen zu den Inhalten eines Leitantrags zum 21. Parteitag“:

„Wir stehen in der Tradition der kommunistischen Bewegung mit ihren Erfolgen, Niederlagen und Erfahrungen. Zu diesen Erfahrungen zählen: (…) dass ein neuer Sozialismus keiner Diktatur bedarf, sondern einer breiten demokratischen Übereinstimmung der Arbeiterbewegung mit allen linken und emanzipatorischen Bewegungen.“

Nun könnte man ja sagen, am zweiten Teil des Satzes ist vieles richtig, die Absage an den Ausdruck der Diktatur nur eine Flapsigkeit. Allein mir fehlt der Glaube. Denn klarere Aussagen findet man in anderen Dokumenten von Genossinnen und Genossen der Opposition. Walter Listl formuliert in einem Artikel mit der Überschrift „Die Bedingungen einer Transformation des neoliberalen Kapitalismus“, dass „das Konzept einer Diktatur des Proletariats nicht ernsthaft aufrecht erhalten werden kann.“ Er formuliert dort: „Es wäre falsch zu glauben, dass der Sozialismus des 21. Jahrhunderts durch einen revolutionären Prozess entstehen würde.“ Quasi eine Begründung dafür liefert er auch, wenn er sagt, dass „das alte Industrieproletariat kleiner geworden ist und sich in zahlreiche Fraktionen aufgeteilt (hat). Daneben entstanden sehr viele unterdrückte Klassen und Gruppen, die unter bestimmten Umständen zu wichtigen Akteuren gesellschaftlicher Veränderungen werden können.“ Das unterscheidet sich tatsächlich sehr von unserer Analyse. Wir sehen beispielsweise keine Vielzahl neu entstandener Klassen.

Um etwas zu beweisen, das nicht zu beweisen ist, wird hier ein Zitat einfach verfälscht. Die zitierten Formulierungen stammen aus dem, übrigens sehr lesenswerten Buch  „Den Sozialismus neu denken“ von Atilio Boron (Argentinischer Marxist, Schriftsteller und Politologe). Walter Listl zitiert  in seinem Beitrag Atilo Boron und weist einleitend darauf hin, dass diese Position mindestens in einem Spannungsverhältnis zu den Thesen des vorigen Sekretariats steht.

 In dem Originaltext von Walter Listl lautet die Passage:

...In den politischen Thesen des ehem. DKP-Sekretariats heißt es folgrichtig: “Wir sind der Überzeugung, dass der Sozialismus nicht auf dem Weg von Reformen, sondern nur durch tiefgreifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse überwunden werden kann.“

In einem gewissen Spannungsverhältnis dazu: In seinem Buch „Den Sozialismus neu denken“ schreibt Atilio Boron, VSA, 2010: (Argentinischer Marxist, Schriftsteller und Politologe) „Fidel Castro sagte, dass ein „wahrer Revolutionär“ immer das Maximum an sozialer Veränderung versucht. Aber das bedeutet nicht, dass dieses Maximum an sozialer Veränderung immer vorgeschlagen werden kann. Es hängt vielmehr immer von der konkreten Situation bei Berücksichtigung des Entwicklungsniveaus des Bewusstseins und der Kräfteverhältnisse ab, ob ein bestimmtes Ziel vorgetragen werden kann.
In anderen Worten, und dies ist ein großes Paradox der Politik: Eine Revolution beginnt selten als
Revolution und beim Kampf um den Sozialismus des 21. Jahrhunderts wird es nicht anders sein.
Die Geschichte der Revolutionen hat gezeigt, dass Revolutionäre zunächst Forderungen erheben, die noch nicht einmal das Etikett "reformistisch" verdienen. So verhielt es sich mit der kubanischen Revolution und mit der russischen Revolution. Deren Motto „Brot, Land, Frieden“ war alles andere als revolutionär. Aber die Genialität von Lenin bestand gerade darin, die Gemütslage und den Grad des politischen Bewusstseins der russischen Bauern- und Arbeitermassen zu erahnen.
Es wäre falsch zu glauben, dass der Sozialismus des 21. Jahrhunderts durch einen revolutionären Prozess entstehen würde. In Lateinamerika wird dieser Prozess des Aufbaus des Sozialismus in verschiedenen Ländern verschiedene Charakteristika aufweisen, er wird aber auf jeden Fall zunächst im Gewand des Reformismus daherkommen. Aber danach wird sich das verwirklichen, was Barrington Moore einst den „gewaltsamen Bruch mit der Vergangenheit" genannt hat. Ohne diesen Bruch hätte es keine bürgerlichen Revolutionen gegeben.
Dort, wo es diesen Bruch nicht gab, folgte der Faschismus: in Italien, Deutschland, Spanien, Portugal. Die Formen dieses Bruchs mit der Vergangenheit können von Land zu Land, in Abhängigkeit von den dortigen Kräfteverhältnissen, zwischen Revolution und Konterrevolution, verschieden sein.

Das ganze Referat auf  www.isw-muenchen.de