Claudio Grassi: SYRIZA, PODEMOS und Italien – verlieren wir keine Zeit!

E-Mail Drucken

06.02.2015:Die Situation in ganz Europa ist stark in Bewegung gekommen - es stehen Veränderungen an. Der Sieg von SYRIZA in Griechenland trägt zu diesem Prozess entscheidend bei. Eine Alternative zu der Politik der Troika ist jetzt nicht mehr nur eine Hypothese, die von Oppositionskräften vertreten wird, sondern das konkrete Programm einer Regierung und die ersten Maßnahmen von Tsipras, wie auch die ersten Erklärungen seines Finanzministers, bestätigen dies.

Nach weniger als einer Woche nach dem Wahlsieg in Griechenland bringt PODEMOS hunderttausende Menschen auf die Straße und Plätze. In wenigen Monaten wird in Spanien gewählt und, falls das Wahlergebnis die aktuellen Vorhersagen bestätigt, wird PODEMOS die Wahl für sich entscheiden. Die dramatischen Umstände, in die die wirtschaftliche Krise des Kapitalismus Millionen Menschen seit 2007 stürzt, scheint eine Linksbewegung auszulösen. Dies ist ganz besonders wichtig, da sich noch vor wenigen Jahren, als Reaktion auf die Verelendung, ausschließlich eine Rechtentwicklung ankündigte. Natürlich ist das Risiko ganz und gar nicht aus der Welt. Die Front National von Le Pen in Frankreich und die Lega Nord von Matteo Salvini in Italien werden stärker. Die „Goldene Morgenröte“ in Griechenland selbst, auch wenn sie Dank der Kraft von SYRIZA nicht umfassend erfolgreich war, ist jetzt die dritte politische Kraft im Land geworden.

Das Positive ist, dass sich in Europa endlich eine Alternative abzeichnet, die fähig ist zu siegen und die für die Menschen wieder attraktiv ist – und das hat historische Tragweite. Jedoch steht dieser Prozess lediglich am Anfang, er muss sich konsolidieren und auf andere Länder ausweiten. Das ist nicht leicht, aber es muss sein - die Zeit dafür ist jetzt!

Etwas bewegt sich auch in unserem Land, in Italien. Es ist wichtig, die Dinge so zu sehen, wie sie sind und sich nicht dabei zu täuschen - aber vor allem: Keine Zeit zu verlieren. Die Mobilisierung der Arbeiterinnen und Arbeiter, die von der Cgil-Fiom (Metallarbeiter-Gewerkschaft Italiens) und der linken Gewerkschaftsopposition in der Ggil, (Dachverband der Gewerkschaften Italiens) ist endlich von der Gesamtheit der Cgil aufgenommen und getragen worden.

Die Demonstration am 25. Oktober und der Streik am 12. Dezember (2014), der auch von der anderen Gewerkschaft UiL getragen wurde, haben in der Linken wieder die soziale Frage in den Mittelpunkt gestellt. Es wurde deutlich, dass die Demokratische Partei (PD) von Matteo Renzi eine andere Richtung verfolgt. Die letzten Monate haben auch gezeigt, dass die Bewegung 5-Sterne in einer Krise steckt und unfähig ist, Protest in Vorschläge umzuwandeln. Der Raum links von der PD ist also leer und die derzeitigen Kräfte (SEL – die linke  ökologische Partei Italiens, die Rifondazione Comunista, die Partei der Italienischen Kommunisten, die Grünen…) konnten sie nicht besetzen. Die Wahlen in der Region Emilia Romagna haben dies deutlich gezeigt. Die 700.000 WählerInnen haben beschlossen, nicht mehr die PD Renzis zu wählen und sich enthalten, anstatt die verschiedenen linken Gruppierungen zu wählen. Das ist ein deutliches Zeichen. Mit dieser Feststellung ist nicht gemeint, dass die organisatorische und inhaltliche Kraft dieser Parteien unwichtig, ja überflüssig wären – im  Gegenteil. Aber es zeigt doch, dass sie so wie sie derzeit aufgestellt sind, es nicht schaffen, eine Alternative für die Menschen darzustellen, die heute notwendig ist. Diese Einsicht hatten nun viele der führenden Linkspolitiker ebenfalls und haben im letzten Jahr die Einheitsliste »Alternative für Europa, Liste Tsipras« ins Leben gerufen, die nicht nur eine zu wählende Partei mehr sein sollte.

Wir wissen, dass diese Bewegung heute noch eine innere Zerrissenheit aufweist. Das Treffen in Bologna hat diese Situation nicht grundlegend verändert, nein. Es wurde jedoch ein positiver Vorschlag im Dokument von Marco Revelli vorgelegt, in dem der Wille zur Öffnung gegenüber anderen politischen und sozialen Erfahrungen/Bewegungen deutlich gemacht wurde – mit dem Ziel, eine Einheit zu erreichen.
Die Veranstaltung von SEL, »Human Factor«, hat ebenfalls eine wichtigen Beitrag zu diesem Anliegen, der Einheit, geliefert. Daran teilgenommen hat die »Linke der Arbeit« (Sinistra Lavoro) und den gemeinsam verabschiedeten Vorschlägen zugestimmt. Die Erreichung einer Koordinierung der Gruppierungen, die zu einer einheitlich auftretenden Bewegung der linken Kräfte führt, überzeugt uns. Wir werden uns dafür einsetzen und besonders das Thema Arbeit dort hineintragen.

Außerdem gab es in diesen Tagen wichtige Interviews mit Stefano Rodotá (ein linker Jurist, der zunächst als unabhängiger Kandidat für die Italienische Kommunistische Partei, nach 1983 für die Liste der Unabhängigen Linken und später für die PDS stand), Maurizio Landini (Generalsekretär der Metallarbeiter-Gewerkschaft Cgil-Fiom) und Sergio Cofferati (bis 2002 Generalsekretär der Gewerkschaftsdachverbandes Cgil, seit 2009 Europaabgeordneter der Demokratischen Partei PD), in denen sie die Notwendigkeit, links etwas Neues zu schaffen, betonen. Die Inhalte dieser Aussagen sind teilweise unterschiedlich, aber Gegensätze zu anderen Bestrebungen darin zu lesen wäre ein Fehler. Nein, es wäre Selbstmord und außerdem verrückt zu denken, dass das was sich gerade bewegt nicht in eine bestimmte, fortschrittliche Richtung geht. In diesen Interviews sind richtige Forderungen enthalten, die wir alle aufnehmen sollten: Die Überzeugung dass eine Alternative nicht zu erreichen ist, wenn man das was links an Bewegung existiert nicht zusammenführt und die Notwendigkeit, vorrangig auf die Mobilisierung der sozialen Basis zu setzen, also von unten her Bewegung zu schaffen, die die Regionen erfasst.

All das, um glaubwürdig zu sein, um eine wirkliche Alternative zu sein, die auch mit neuen Gesichtern nach außen tritt. Und das ist nicht nur eine Frage der Generationen, sondern der Authentizität einer neuen, wachsenden Bewegung.


übernommen aus „Contro la crisi“
Übersetzung: BM

Claudio Grassi war 1991 Mitbegründer der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) und langjähriges Mitglied des Nationalen Sekretariats der PRC, Koordinator der Strömung "Kommunist sein"

 

Frankreich

Französische Kommunisten starteten EU-Wahlkampf

12.02.2019: Mit einer großen Kundgebung im Dock des Suds im alten Hafengelände von Marseille starteten die französischen Kommunisten am Abend des 5. Februar ihren EU-Wahlkampf. Ihr Spitzenkandidat Ian Brossat, 38 Jahre alt, Lehrer für Französisch und derzeit kommunistischer Vizebürgermeister der Hauptstadt Paris, zuständig für Wohnungswesen und Notunterkünfte, präsentierte die vom PCF-Nationalrat aufgestellte Kandidatenliste. Gleichzeitig betonte der Listenführer aber, dass die PCF offen bleibe ...

Weiterlesen...