Europawahl: Rechts - Links ist zurück

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31.05.2014: Die Europawahl war, wie erwartet, ohne Überraschungen. Konservative (Mandate 2009: 274, 2014: 214) und Sozialdemokraten (Mandate 2009: 196, 2014: 191) haben verloren, aber die neoliberale Mehrheit ist auch im neuen Europaparlament gesichert. Und so sind die Wahlverlierer zur Tagesordnung übergegangen und schachern um die Posten. Doch der Durchschnitt trügt. Die Wahl deutet auf einen fundamentalen Wandel der europäischen Politik hin. Klarer Sieger der Europawahl ist SYRIZA (Erklärung von SYRIZA unten).


In Portugal und Griechenland haben die Regierungsparteien so verheerende Ergebnisse eingefahren, dass die linke Opposition Neuwahlen fordert.

Aber da sind auch die Wahlerfolge der extremen Rechten in vielen Ländern der EU. Sie haben es geschafft, die Empörung der Menschen über eine Politik, die Banken rettet zum Preis der Verwüstung der Gesellschaft, in Unterstützung für ihre rassistische Politik umzusetzen.

Nach sechs Jahren wirtschaftlicher und sozialer Krise wird Europa zunehmend polarisiert.

Abgesehen davon, dass die auf 43.09% gesunkene Wahlbeteiligung ein anderer Ausdruck der politischen Krise der Europäischen Union ist.

Extreme Rechte legt mächtig zu
In Frankreich werden die politische Landschaft und die Demokratie durch die Front National (FN) zerlegt. Als „Disaster für die Linke“, wertet Roger Martelli (PCF) das Ergebnis der Europawahl. Während die FN von 6.3% bei der vorherigen Europawahl auf 25 % zulegt und damit den ersten Platz erobert, behalten die regierenden Sozialdemokraten (Sozialistische Partei SP) gerade noch 14 % der Wählerstimmen. Die konservative UMP, die sich traditionell mit den Sozialdemokraten in der Regierung ablöst, verliert 7 Prozentpunkte und erlangt noch 20.7 %. Die Hoffnung der Linksfront (FG), vom neoliberalenSchwenk von Präsident François Hollande zu profitieren, hat sich nicht erfüllt. Die FG nahm leicht von 6 % auf 6,2 % zu, verlor damit ein Mandant und schickt noch drei Abgeordnete in Europaparlament. Der Abgeordnete der Union pour les Outre-Mer (UOM) schließt sich ebenfalls der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken (GUE/NGL) an.

Im Vereinigten Königreich kommt die rassistische UKIP mit 26,77 %, in Dänemark die rechtspopulistische Dänische Volkspartei mit 26, 6 % auf den ersten Platz. In Ungarn liegt die extrem nationalistische Regierungspartei FIDESZ mit 51,9 % an der Spitze gefolgt von der offen faschistischen JOBBIK mit 14,8 %. In Österreich liegt die rechtspopulistische FPÖ wenigstens nur an dritter Stelle. In Griechenland wird die Nazi-Partei Goldene Morgenröte mit 9,4 % drittstärkste Partei und schickt erstmals drei Abgeordnete ins Europaparlament - obwohl ihre Parteiführung wegen des Vorwurfs der Gründung einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft ist. Eine besondere Gefahr liegt im wachsenden Einfluss der faschistischen Partei im Polizeiapparat: Analysen in 18 Wahllokalen, in denen Polizeioffiziere und Angehörige der DIAS and DELTA Sondereinheiten der Polizei wählten, zeigen, dass 50 % von ihnen für die Nazi-Partei votierten.

Linke gestärkt
Die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken (GUE/NGL) geht gestärkt aus der Wahl hervor. Zählte die Fraktion im vorhergehenden Parlament 35 Mandate, so kommt sie jetzt auf mindestens 45. Die fünf Abgeordneten von Podemos (Spanien, der Bewegung der Empörten nahe stehend) sowie die Abgeordnete der Feministischen Initiative, Schweden, haben sich noch nicht entschieden.

Die Zuwächse kommen vor allem aus südeuropäischen Ländern mit einer entwickelten Protestbewegung gegen die Austeritätspolitik und kommunistischen oder linken Parteien, die mit den Bewegungen verbunden sind. In Spanien konnte die Vereinigte Linke (IU) ihre Mandate von einem auf fünf erhöhen. Die neue Linkspartei Podemos erreichte aus dem Stand ebenfalls fünf Sitze. In Italien gewann die bislang unbekannte und zur Europawahl gebildete Liste „l’Altra Europa con Tsipras“ auf Anhieb drei Mandate. Für Süditalien zieht Eleonora Forenza, Mitglied des Nationalen Sekretariats von Rifondazione Comunista, in das Europaparlament ein.

In Portugal steigerte das von der PCP angeführte Wahlbündnis Coligação Democrática Unitária (CDU), dem auch die ökologische Partei “Os Verdes” (PEV) angehört, erneut seinen Anteil auf nunmehr 12,7 % (+2%), nachdem es schon bei den EU-Wahlen von 2009 zugelegt hatte (+1,6%). Damit gewann die CDU zu ihren bisherigen zwei Mandaten ein weiteres dazu. Hingegen halbierte der “Linksblock” seinen Wähleranteil auf 4,5 Prozent und muss zwei seiner drei bisherigen Sitze abgeben.

In Deutschland wurden die Parteien der Großen Koalition bestätigt. DIE LINKE konnte ihre Kernwählerschaft mobilisieren. Sie hat sogar rund 200.000 Stimmen dazugewonnen, aber mit 7,4 % ein Mandat verloren. Sie zieht mit sieben Abgeordneten nach Brüssel bzw. Straßburg.

Dazugewonnen, aber kein Aufbruch
Die Zugewinne der radikalen Linken reichen aber bei weitem nicht aus, um die Austeritätspolitik und die Troika im Europaparlament stoppen zu können. Diese Europawahl ist kein Zeichen eines linken europäischen Aufbruch s. Dazu sind die Erfolge der extremen Rechten zu erschreckend, wie auch das sehr unterschiedliche Abschneiden der Linken. Aber sie sind ein Schritt, um mit langem Atem besser im Parlament, auf der Straße, in den Wohngebieten und in den Betrieben für ein solidarisches Europa zu streiten.

Alexis Tsipras, Spitzenkandidat der Partei der Europäischen Linken, erklärte nach der Wahl: „Gemeinsam werden wir einen Damm bilden gegen den reaktionären Populismus, gegen die neofaschistischen und neonazistischen Kräfte, gegen Ausländerfeindlichkeit und jede Form des Rassismus. Gemeinsam werden wir gegen die neoliberale Politik und die Zerstörung der Rechte und der Würde der Bevölkerung Europas kämpfen. Zusammen werden wir für ein demokratisches Europa, ein Europa der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens kämpfen.“

Griechenland: SYRIZA setzt Zeichen
In Griechenland ist SYRIZA der klare Sieger bei der Europawahl. „Das ist ein historischer Sieg“, sagte der Vorsitzende von Syriza, Alexis Tsipras: „Heute spricht ganz Europa über Griechenland, weil es den Austeritätskurs verdammt hat.“ Mit 26,6 % der Stimmen liegt Syriza um 3,8 % vor der Nea Dimokratia und steigert die Zahl ihrer Europaabgeordneten von einem auf sechs.

In Griechenland war die Europawahl eine Richtungswahl, von der nicht zuletzt die politische Zukunft der Regierungskoalition unter Führung des konservativen Regierungschef Antonis Samaras abhängt. Wie erwartet, forderte Tsipras vorgezogene Parlamentswahlen, da die Links-Rechts-Koalition von Regierungschef Samaras ihre Legitimation verloren habe.

Während Regierungschef Samaras nach der Wahl erklärt, das Volk habe den „Umsturz“-Plan der Opposition vereitelt, sieht Oppositionsführer Alexis Tsipras seine Partei erstmals als stärkste politische Kraft im Lande bestätigt. Bereits am Wahlabend hatte Tsipras als Konsequenz Neuwahlen gefordert, da die Links-Rechts-Koalition von Regierungschef Samaras ihre Legitimation verloren habe. Die nächste Parlamentswahl steht turnusmäßig erst 2016 an. Das Wahlergebnis sieht er als „Auftrag zur Bildung eines breiten, patriotischen und fortschrittlichen Bündnisses, das die nächsten Wahlen gewinnen wird“.

Neben der Europawahl errang SYRIZA in der zweiten Runde der parallel abgehaltenen Kommunalwahlen auch den Gouverneursposten im Großraum Athen, wo rund ein Drittel der Griechen leben. Die neugewählte Gouverneurin Rena Dourou sprach von einem Sieg Davids gegen Goliath: „Das ist ein Sieg der arbeitslosen Bürger und Rentner.“

Im Unterschied zur Wertung durch SYRIZA, sieht die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) keine „neue politische Szene zu Gunsten der Bevölkerung“. Die KKE steigerte ihren Stimmenanteil im Vergleich zur zurückliegenden nationalen Parlamentswahl im Jahr 2012, konnte aber das Ergebnis der Europawahl von 2009 (8,4%) nicht halten. Mit 6,1% erhält sie zwei Mandate. Von der KKE unterstützte Listen kamen in vier Kommunen bei der zweiten Runde der Kommunalwahl in die Stichwahl, und waren in allen vier Fällen erfolgreich: Patras, Insel Ikaria, Petroupolis (in Athen), Haidari (in Athen). In allen anderen Kommunen hatte die KKE zur Stimmenthaltung aufgerufen.


Erklärung von SYRIZA

 

Ein historischer Sieg für SYRIZA


Das Ergebnis der EU-Wahl: SYRIZA ist die stärkste politische Kraft in 34 von 56 Wahlbezirken Griechenlands



Erstmals in der politischen Geschichte des modernen Griechenlands und zum zweiten Mal in der Geschichte Westeuropas (1984 der Sieg der Italienischen Kommunistischen Partei PCI bei der EU-Wahl) gibt es einen großen Sieg der Radikalen Linken!

SYRIZA hat in 34 der 56 Wahlbezirke Griechenlands gewonnen.

Korfu (38,9%), Achaea (34,2%), Heraklion (33,7%), Arta (32,9), B’ Piraeus Distrikt (32,4%) sind unter den besten Ergebnissen für SYRIZA.

In den größten städtischen Zentren des Landes, wie Attica, Piraeus und Thessaloniki liegt SYRIZA auf dem ersten Platz, wie auch im B’Distrikt von Athen, dem Distrikt mit der höchsten Einwohnerzahl, wo SYRIZA mit 29,3% ebenfalls auf dem ersten Platz liegt.

Lokale und regionale Wahlen
SYRIZA gewann die Region Attica mit 4 Millionen Einwohnern wie auch die Region der Ionischen Inseln.

In Attica gewann SYRIZA im Bündnis mit anderen linken Parteien und Organisationen 10 Kommunen, neun davon zum ersten Mal.

Traditionelle Kommunen der arbeitenden Klasse, für die Kesaria als ein Symbol des Widerstandes gegen die Nazi-Okkupation steht, sind jetzt gesellschaftliche und politische Beispiele für die Einheit der fortschrittlichen und linken Kräfte, die übereinstimmen für ein Griechenland ohne neoliberale Politik, ohne Memoranden und für ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, der Demokratie und des Sozialismus: Nea Filadelphia (Aris Vasilopoulos), Vyronas ( Akis Katopodis ), Agia Paraskevi ( Yiannis Stathopoulos), Nea Ionia ( Iraklis Gkotsis), Zografou ( Tina Kafatsaki), Aegaleo ( Dimitris Birbas), Chalandri ( Simos Roussos), Perama ( Yiannis Lagoudakis), Keratsini-Drapetsona ( Christos Vretakos ), Kesariani ( Yiorgos Kontostavlos) .

In den großen urbanen Zentren außerhalb von Attica gewann SYRIZA zum ersten Mal die Städte von Larissa und Korfu, Livadia, Kozani, Lefkada etc. Erstmals wurde im traditionell konservativen, historischen Sparta ein linker Bürgermeister gewählt.



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foto: transform, greekindependentnews.net


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