Offener Brief: Aufforderung zur Umkehr

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isa_paape_werner_lutz30.01.2013: Ab März wird alles anders. So beginnt unter der Überschrift "DKP: RICHTUNGSSTREIT BESTIMMT PARTEITAGSVORBEREITUNG" ein nicht namentlich gekennzeichneter Artikel auf dem Internet-Portal 'Red Globe'. Und in einem Antrag des Berliner Landesverbandes an den Parteitag heißt es: "Wir befinden uns in einer Phase des (Neu-)Aufbaus der Partei". Und deshalb lehnt der Landesverband Berlin den Leitantrag des Parteivorstandes ab, um mit einer eigenen Handlungsorientierung die Weichen für eine neue programmatische Ausrichtung der DKP zu stellen. Patrik Köbele, stellvertretender Parteivorsitzender, der in Teilen der DKP schon als neuer Vorsitzender gesehen wird, spricht von verschiedenen Strömungen in der DKP, die um die Hegemonie kämpfen.

Isa Paape und Werner Lutz aus Nordbayern wenden sich in einem offenen Brief an die Partei:

Aufforderung zur Umkehr

Liebe Genossinnen und Genossen,

die DKP ist in Gefahr. Getrieben von innerparteilichen Machtkämpfen verliert die Partei rasant an politischer Handlungsfähigkeit, Zustimmung und Mitgliedern.

Unsere große Hochachtung gilt allen Genossinnen und Genossen, die nach dem Zusammenbruch der DDR erfolgreich darum gerungen haben, dass eine erneuerte DKP ab 1989 weiter existierte. Unser Respekt gilt allen Genossinnen und Genossen, die seitdem dafür wirken, dass diese DKP handlungsfähiger und stärker wird, um ihre Rolle als kommunistische Partei ausfüllen zu können.

Die Hoffnung auf Verwirklichung dieses Anspruchs ist in den letzten Jahren allerdings stark geschwunden. Unsere Verankerung in Betrieben und erfolgreiche Beispiele der Verteidigung kommunalpolitischer Mandate gingen weiter zurück, die weißen Flecken auf der roten Landkarte Deutschlands wurden mehr, viele Genossinnen und Genossen haben sich von unserer Partei abgewendet oder sind verstorben.

Vor diesem Hintergrund verschärfen sich die ideologischen Auseinandersetzungen innerhalb der DKP. Dabei hatten doch viele die Hoffnung, dass mit der Annahme des neuen Parteiprogramms die Heftigkeit der jahrelangen Auseinandersetzungen abnehmen und der gemeinsamen Umsetzung dieses Programms Raum geben könnte. Ja, auch wir hatten die Hoffnung, dass Parteitage, theoretische Konferenzen und andere Beratungen zur größeren Geschlossenheit der DKP beitragen könnten. Das Gegenteil war der Fall: Spätestens seit dem Frankfurter Parteitag 2009 wird von fraktionellen Kräften mit einigem Erfolg daran gearbeitet, die Spaltung und Handlungsunfähigkeit der DKP weiter voranzutreiben.

Diese Handlungsunfähigkeit beginnt mit der Zerrissenheit der obersten Führungsgremien und äußert sich darin, dass diese kaum noch in der Lage sind, der Partei politische Orientierung zu geben. Damit fehlen Beschlüsse und Impulse zum Handeln für Bezirke, Kreise, Grundorganisationen. Genossinnen und Genossen sind immer häufiger gefordert, auf sich allein gestellt Antworten auf politische Herausforderungen und Fragestellungen zu finden. Die Mitglieder erwarten und brauchen für die politische Arbeit vor Ort jedoch zu Recht eine DKP, deren Charakteristikum nicht die Selbstzerfleischung, sondern Geschlossenheit im Handeln ist: Gemeinsam mit anderen Bündnispartnern und Gewerkschaftern gegen die Auswirkungen der sich weiter verschärfenden Krise, gegen Kriegseinsätze, gegen Nazis und Demokratieabbau!

Eine ähnliche Situation wie die aufgezeigte haben viele ältere Mitglieder der DKP in der „Erneuererauseinandersetzung“ Ende der 80er Jahre schon einmal erlebt. Das Ausmaß der politischen und persönlichen Feindseligkeiten erinnert uns dramatisch an diese Zeit. Wieder dominieren machtpolitische und unsolidarische Verhaltensweisen, wird die notwendige politische Debatte ersetzt durch Ausgrenzung, Diffamierung und einen persönlichen Umgang, der einer gewohnt solidarisch-freundschaftlichen Atmosphäre unter Kommunistinnen und Kommunisten nicht würdig ist. Damals - lange vor dem Mauerfall - haben bereits viele Tausend Genossinnen und Genossen die DKP verlassen. Eine DKP, die zerstritten und handlungsunfähig ist, ist keine überzeugende linke Kraft, sondern überflüssig.

Sollte es auf dem Parteitag zu einer machtpolitischen „Klärung“ der Auseinandersetzungen kommen, wird diese Entwicklung sich noch beschleunigen. Welch ein Pyrrhus-Sieg stünde uns bevor! Welche „Macht“ läge in den Händen selbst eines vollständig neuen Parteivorstands angesichts einer zerfallenden Partei?

Die DKP wird im Jahr ihres 20. Parteitags 45 Jahre alt. 1968 wurden bei ihrer Gründung auch ihre ersten programmatischen Grundlagen geschaffen, mit denen sich immer noch die größte Anzahl ihrer Mitglieder identifiziert. Lasst uns gemeinsam um den Erhalt dieser Partei kämpfen! Gegen fraktionelle Tendenzen und politische Orientierungslosigkeit setzen wir auf Tradition und Geschichte dieser kommunistischen Partei, vertrauen wir auf die Erfahrung, die Stärke, die Entschlossenheit und revolutionäre Kraft der Mitglieder der DKP.

Wir fordern euch deshalb auf, lasst uns gemeinsam alles dafür tun:

Kämpft um den Erhalt dieser DKP

Verlasst aus Verantwortung für die DKP machtpolitische Strukturen, machtpolitisches Denken und machtpolitische unsolidarische Verhaltensweisen: Notwendig und unverzichtbar sind stattdessen die offene inhaltliche und kämpferische Diskussion auf dem Parteitag, um ein gemeinsames und solidarisches Handeln zu erreichen. Wir sprechen uns für eine aktionsorientierte Diskussion des Leitantrags des Parteivorstands aus, um die DKP gemeinsam auf die wichtigsten politischen Aufgaben zu orientieren.

Grundlage für unsere Debatten müssen die in jahrelanger Diskussion erarbeiteten zentralen Beschlüsse, das Parteiprogramm und das Statut sein.

Lasst uns alles dafür tun, dass die DKP handlungsfähiger wird, um sich den Herausforderungen an eine linke revolutionäre Kraft in diesen Zeiten erfolgreich zu stellen.