Die ungarische Opposition - weiter keine Gefahr für die Fidesz-Hegemonie

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alt28.08.2012:  Um die 'neue Opposition' in Ungarn ist es in den letzten Monaten still geworden. Kaum noch machen sich die mit so großem Enthusiasmus gestarteten Milla, 4K!, Szolidaritás oder auch die LMP durch größere Aktionen bemerkbar. Im Hintergrund versucht man sich zwar zu finden, doch von einer erfolgversprechenden Allianz gegen die nationalkonservative Hegemonie fehlt bisher jede Spur. Dabei bröckelt die allgemeine frühere Zustimmung für die extrem rechtskonservative Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán deutlich.

Drei 'namhafte' Politforschungsinstitute wurden von der Nachrichtenagentur MTI jüngst befragt, wie eine Positionierung der im Parlament vertretenen grün-liberalen LMP sowie auch der neuen außerparlamentarischen Gruppen (4K!, Milla, Szolidaritás etc.) aussehen müsste, um bei den nächsten Wahlen spürbaren Einflussgewinn gegenüber den tradierten Parteiblöcken, Fidesz-KDNP, Jobbik auf der einen sowie MSZP und DK auf der anderen Seite des ideologischen Spektrums, verzeichnen zu können, um eine Art dritte Kraft im Lande zu etablieren. Dies ist vor allem in Hinblick auf eine Mobilisierung der Nichtwähler, Enttäuschten und Unentschlossenen interessant, die in Umfragen 40 bis zu 65% der Wahlberechtigten stellen. [Siehe dazu auch diese Ergebnisse der Wähleranalysen vom Juni 2012.]

Doch der Chefanalyst der als nicht sehr regierungskritisch geltenden Századvég-Stiftung, Tamás Lánczi, sieht die Chancen für die in knapp zwei Jahren stattfindenden Parlamentswahlen für die neue Opposition nicht besonders groß, nicht nur wegen interner Querelen, persönlicher Animositäten und mangelnder Kooperation, sondern vor allem wegen des "neuen Wahlsystems, das größeren politischen Strukturen bessere Chancen gibt". Er schätzt ein, dass die wachsende Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit zwar die Bildung neuer Gruppen fördert, diese aber "kaum langlebig" sein werden und die Wahlagonie die Hauptantwort des unzufriedenen Teils der Bevölkerung bleiben wird.

Der LMP empfiehlt er jedoch nicht unbedingt, die Allianz mit anderen ähnlich gearteten Gruppen zu suchen, würde das doch das "selbstgeschaffene Bild einer ernsthaften Partei, die in der Lage ist, das Land zu regieren" schwächen. Sie wäre dann kaum mehr unterscheidbar von all den anderen Gruppen, was ihr nicht gut täte. Es ist nicht sehr verwunderlich, dass Lánczi eine kleine, ungefährliche Alternativpartei lieber ist, als ein breites Bürgerbündnis.

Und auch die LMP tut den Regierungsparteien bisher den Gefallen: regelmäßig verkündet man, dass man zwar Kooperationen, aber keine "Allianzen" anstrebe. Mittlerweile hat man den zweiten Fraktionschef in zwei Jahren verschlissen und die letzte 'Großtat' der Partei, nach dem gescheiterten Referendum, war die Besetzung eines Unternehmens, das als "Oligarchenzentrale" der Orbán-Kameradschaft gilt. Ganze 15 Aktivisten traten dazu an.

Der Vertreter des Institutes 'Political Capital', Attila Juhász, sieht zwar die Anbahnung solcher Kooperationen, glaubt aber ebenfalls nicht daran, dass diese "effektiv eine gemeinsame Vision" schaffen können und traut ihnen nicht einmal zu, genügend Geld und Aktivisten für eine erfolgreiche Wahlkampagne aufbringen zu können. Auch Gabor Filippov, Vertreter des linksliberalen 'Ungarischen Fortschrittsinistitutes' sagte, dass es neben dem Programm, vor allem an Personen mangelt, die ein solches "gegenüber den Wählen darstellen" könnten.

Eine Vereinigung all dieser Gruppen zu einer großen neuen Oppositionskraft schließen alle drei Analysten aus, dabei hatte es eine Weile so ausgesehen, als könnte die aus der Gewerkschaftsbewegung stammende Szolidaritás mit ihrem charismatischen Péter Kónya an der Spitze eine derartige Mobilisierungskraft außerhalb ideologischer Vorgaben erreichen, um sich danach eine Partei nach ihrem Bilde zu formen.

Doch auch der Elan dieser Bewegung ist mittlerweile erlahmt oder hat sich in Arbeitsgruppen fragmentiert, dabei sind die sozialen Probleme der arbeitenden Menschen, ihre Einkommenssituation, ihre Rechte am Arbeitsplatz und die Persektiven der Jungen durch die Politik der Regierung mittlerweile von 'katastrophal' zu 'alptraumhaft' gewechselt, ohne Chance auf baldiges Erwachen. Kónya wäre so eine Person, die die Sprache des Volkes spricht und ziemlich klare Vorstellungen davon hat, was im Lande schief läuft und wie man es besser machen könnte. Doch ihm ist als Ex-Offizier (er führte die Militärgewerkschaft) und also Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, noch ein paar Jahre die politische Tätigkeit, sprich Kandidaturen, Parteigründungen verboten. Die Regierung hat diese Karenzzeit nochmal verlängert, sicher ist sicher.

Die Demokratische Koalition (DK), die MSZP-Splitterpartei von Ex-Premier Gyurcsány, bleibt für die 'sozialistische' MSZP relativ ungefährlich und gilt in der Oppositionsszene als isoliert. Viele brachten immer wieder den Namen des Übergangspremiers Gordon Bajnai ins Gespräch, der - als Parteiloser an der Spitze einer Regierung aus 'Sozialisten' und Fachleuten - nach Gyurcsánys Abgang das Land recht klug durch die schlimmsten Wellen der Lehman-Krise führte. Auch bringt sein think-tank 'Heimat und Fortschritt' immer wieder stichhaltige Analysen, vor allem über das Versagen der Orbán-Regierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, doch ein Bekenntnis zu einer Kandidatur oder den Plan einer Parteigründung mochte Bajnai bisher nicht abgeben.

Auch das sei ein Grund, warum die MSZP, obwohl sie den ganzen Schlamassel erst herbeiregiert hat und sie weder eine konstruktive Oppositonsarbeit vorweisen kann, noch irgendwelche sichtbaren Lehren aus der epischen Niederlage von 2010 gezogen hat, so deutlich in den letzten Umfragen zulegte und weiter die Nr. 1 der Opposition bleibt. Sie braucht sich derzeit nicht nach Kooperationen umsehen, ihr spielt die Zersplitterung, die Eifersüchteleien und die Profilierungskrämpfe der Kollegen eher noch in die Hände, auch wenn dies in Summe dazu führt, dass Orbán 2014 von Links keine Kraft gegenüberstehen wird, die er wirklich fürchten muss. Aus dem bürgerlichen bzw. gemäßigt konservativen Lager ist bei der derzeitigen Superdominanz von Fidesz & Co. keine Kraft erkennbar, die sich für eine Politik der Mäßigung aufreiben will. Zwar gibt es zuweilen Kritik von namhafter Stelle, doch Konsequenzen erwachsen daraus keine.

Um aber die stetig erstarkenden Neofaschisten von Jobbik (in Umfragen bis zu 25%) in die Schranken zu verweisen, übernahm Orbán immer häufiger ihre Themen und machte auch in der praktischen Politik etliche Zugeständnisse. Das "Erdrücken durch Umarmen" funktioniert aber bisher überhaupt nicht, die brandgefährliche Taktik mündete eher in einem Vor-sich-hertreiben der Regierung durch die Neonazis, bei dem man sich manchmal nicht mehr sicher ist, ob bestimmte Aktionen wirklich noch aus wahltaktischen Kalkül oder doch der gleichen Gesinnung entspringen.

Jobbik sieht sich bestätigt und der "Machtübernahme" näher als je zuvor, - eine Entwicklung, an der jedoch nicht nur die Orbán-Regierung mitwirkt, sondern auch die uneinige Opposition, die unfähig scheint, den Menschen in Ungarn eine gangbare Alternative in einem demokratischen Rahmen anzubieten und man sich fragen muss, was eigentlich hinsichtlich Verarmung, Rechtsstaatsabbau, Perspektivlosigkeit und nationalistischer Gehirnwäsche sowie der immer mehr ausartenden Vetternwirtschaft noch geschehen soll, bevor die Vernunft wieder zu sich und die Menschen zur Vernunft finden.

Quelle und CR: pesterlloyd.net  / Foto: 40.000 demonstrieren für Pressefreiheit (15.3.2012)

 

 

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