Wie stellen wir uns auf der Grundlage des Parteiprogramms für die kommenden Auseinandersetzungen auf? (Leo Mayer)

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Da ist eine grundlegende Frage: Haben wir überhaupt noch die Kraft, um die gesellschaftliche und politische Entwicklung zu beeinflussen?

Ist die Situation - sowohl die politische Gesamtsituation wie auch die Situation der Partei - so trostlos, dass wir die politische Entwicklung gar nicht mehr beeinflussen können und es nur noch um das reine Überleben der Partei geht? Wir uns deshalb um unsere Grundsätze scharen, die Entwicklung kommentierend begleiten und „Symbolpolitik“ machen? Mit „Symbolpolitik“ meine ich eine Politik, die mit verschiedenen Mitteln und Aktionen darauf hinweist, dass es uns noch gibt, und ansonsten darauf wartet, dass es eine jähe Wendung gibt (die nie ausgeschlossen ist) und wir dann wieder auf der Matte stehen. Ausgehend von dieser Einschätzung müssten wir auf kommunistische Politik, d.h. die Tausende von Erscheinungen der Unterdrückung, die nicht unmittelbar mit dem ökonomischen Kampf verknüpft sind zur Einbeziehung der Massen in den politischen Kampf zu nutzen (nach „Was tun?,“ S. 94), verzichten und uns im besten Fall auf den ökonomischen Kampf konzentrieren. In der Annnahme, dass erst wieder Ansatzpunkte für kommunistische Politik erwachsen würden, wenn die Arbeiterklasse ökonomische Kämpfe führt. Zwischenzeitlich müssten wir versuchen durch Kampagnen die Partei am Leben zu halten. Wir würden Kampagnen organisieren, nicht vorrangig um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu beeinflussen - was ja voraussetzt, dass Kampagnen in möglichst breiten Bündnissen geführt werden -, sondern wir machen eigene Kampagnen, v.a. um die Partei nach innen zusammenzuhalten und zu zeigen, dass es die Partei gibt.

Das ist eine durchaus denkbare Möglichkeit.

Oder ist die Situation so, dass die DKP trotz ihrer Schwäche und ungünstigen Alterstruktur noch über so viele aktive GenossInnen verfügt, die im Betrieb, in den Gewerkschaften, in der Friedensbewegung, in antifa-Initiativen, bei attac, in Sozialbündnissen oder in ihrer Kommunen aktiv und verankert sind, und dass die DKP noch so viel intellektuelle Kompetenz besitzt, dass wir uns den Herausforderungen an eine kommunistische Partei in der heutigen Zeit stellen können: nämlich die Beziehung zwischen den verschiedenen Formen der praktischen Auseinandersetzungen herzustellen (gewerkschaftlicher Kampf, Frieden, Ökologie, Kultur, Demokratisierung, ... ) und deren Beziehung auf unser Ziel ausrichten, den Kapitalismus zu überwinden. (nach „Was tun?“)

Wenn wir diese Einschätzung teilen, dann geht es darum,

  • die DKP politikfähig zu machen
  • die Kräfte dort und so einsetzen, dass wir mit unseren bescheidenen Kräften die maximale Wirkung zur Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse erzielen; d.h.
  • unsere Kräfte dort einsetzen, wo wir nicht Selbstbeschäftigung betreiben, sondern uns Erfolge und nicht Niederlagen organisieren und zur Veränderung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse beitragen.
  • nicht völlig abgehoben eine Debatte über Massen- oder Kaderpartei zu führen, sondern darüber, wie wir mit kleinen Kräften möglichst großen Masseneinfluss zur Veränderung der Gesellschaft erzielen können;
  • die eigene Identität als KommunistInnnen im solidarischen Verhältnis zu anderen linken Kräften und orientiert am gemeinsamen Ziel zu definieren;
  • die Identität der KommunistInnen nicht aus der Unterscheidung in Tagesforderungen und im kleinlichen Clinch mit der Partei DIE LINKE zu erarbeiten, sondern aus unserer Herkunft und unserer Zielstellung „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, wie wir K. Marx in unserem Parteiprogramm zitieren. Also aus dem Ziel der Emanzipation des Menschen, die die Selbstbefreiung der arbeitenden Klasse voraussetzt.

Dieses Ziel aber nicht als rotes Schwänzchen - „im Übrigen sind wir für den Sozialismus“ - anhängen, sondern Wege entwickeln, wie sich dies unter heutigen Bedingungen erreichen lässt. Welche ersten Schritte wir in dieser Richtung gehen.

Das Sekretariat des Parteivorstandes hat sich für diese zweite Variante entscheiden und wir werben um Zustimmung für diese Variante. Die Politischen Thesen sind ein Vorschlag, in diese Richtung weiter zu gehen.

Die Politischen Thesen sind kein Ersatz für das Parteiprogramm. Es gibt ja Vorwürfe die in diese Richtung gehen; gleichzeitig wird von den Gleichen bemängelt, dass zu diesem und jenem in den Thesen nichts gesagt wird. Der Grund dafür: zu diesen Fragen gibt es Aussagen im Programm. Und es gibt keinen Grund unsere Aussagen aus dem Parteiprogramm zu revidieren!

... Erneuern und Bewahren bleibt eine Herausforderung für die DKP. Beides muss entwickelt werden unter den konkreten Bedingungen der nächsten Zeit. Im Programm der DKP, in den Wahlpolitischen Eckpunkten zur Bundestagswahl, in den Forderungen zu den EU-Parlamentswahlen, in der Stellungnahme des Sekretariats zu den Ergebnissen des so genannten Klimagipfels von Kopenhagen, in der Erklärung des Sekretariats zum Koalitionsvertrag dieser Bundesregierung und in anderen Dokumenten haben wir eine Vielzahl konkreter Forderungen zur Abwehr, zur Durchsetzung eines Politikwechsels und für Alternativen und Perspektiven entwickelt. Diese Standpunkte und das politische Agieren in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen weisen uns nachdrücklich als kommunistische Kraft aus, die ständig daran arbeitet, die politische Wirksamkeit zu erhöhen und dies nie aus den Augen verliert.

Zum Profil der DKP gehört, sowohl eigene Positionen und eigene Aktivitäten weiter zu entwickeln, dies aber niemals zu verstehen als Abgrenzung gegenüber anderen linken Positionen und Ausgrenzung dieser Positionen.

Würden wir auf eines dieser Elemente verzichten, würden wir entweder den Charakter der Partei nachhaltig negativ verändern oder ihre Wirkungsmöglichkeit eingrenzen. Ja, es wäre sogar die Gefahr für eine zeitweilige Entwicklung zur Bedeutungslosigkeit. Mit dem 19. Parteitag benötigen wir mutige, klug überlegte konstruktive Entscheidungen, die Voraussetzungen schaffen, die DKP und ihre Zeitung, die UZ, zu stabilisieren und zu stärken. Entscheidend für die Wirksamkeit der Politik und Organisation DKP ist die Fähigkeit der Mitglieder und Institutionen, politische Verhältnisse zu analysieren, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechend dann auch in Aktionen und Aktivitäten umzusetzen und zu handeln. Die DKP wirkt auch durch ihren „Gebrauchswert“ für betroffene Menschen, für Kolleginnen und Kollegen in Betrieben und Gewerkschaften. Das zu erreichen, ist ebenfalls die Aufgabe, mit Beschlüssen zum 19. Parteitag dieser Anforderung konkret gerecht zu werden. Die DKP kann neuen Einfluss gewinnen durch kluge politische Inhalte, überzeugende Losungen und konsequentes Handeln. ...

Mit dem 19. Parteitag müssen wir weiter daran arbeiten, die Gemeinsamkeiten aller Mitglieder in der DKP zustärken. Dazu gehört die offene, faire Diskussion, überschaubare Aktivitäten zu beschließen und dann auf der Grundlage des Programms und weiterer Beschlüsse solidarisch zu handeln. Gemeinsamkeiten entstehen aus Debatten, gewonnenen Erkenntnissen und konkreten Aktionserfahrungen – diesen  Prozess auch innerparteilich zu organisieren, ist eine zwingende Aufgabe für den Parteivorstand ...

Auszug aus dem Referat von Leo Mayer auf der 9. Tagung des Parteivorstands der DKP am 23./24. Januar 2010.